78. Jahrgang.
^ Erscheint Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.
Preis vierteljährlich hier 1 mit Trägerlohn 1. 10^S,im Bezirksund 10 Irm-Verkehr 1.20 FF im übrigen Württemberg 1.30 ^ Monatsabonnements nach Verhältnis.
Ms- mi> " . . " stk dm " ' -KM Wsld.
Fernsprecher Nr. 28.
Fernsprecher Nr. 28.
Auflage 22« v.
Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhn!. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 -Z, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Gratisbeilagen: Das Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
aN 3 t
Nagold, Lamslaz de» 13. Februar
1904.
Uolilischs MeSsrficht.
Der deutsche Landwirtschaftsrat ist letzte«
Dienstag in Berlin zusammengclrelen. Der Vorsitzende Graf Schwerin-Löwitz eröffnete die zahlreich besuchte Versammlung und sprach seine Freude über die Genesung des Kaisers aus, fordert die Vertreter der Landwirtschaft auf, mit Rücksicht hierauf und aus den Ausfall der Reichstagswahlen von neuem die Ergebenheit für den Kaiser u. seine hohen Verbündeten zu bekunden, und schloß mit einem Hoch auf den Kaiser, die Bundesfürsten und auf die Freien deutschen Städte. Darauf wurde in die Tagesordnung etngetretcn, deren erster Gegenstand lautete: Wirtschaftlicher Zusammenschluß der europäischen Staaten und Reform der bisherigen Meistbegünstiguugsverträge.
Im französische« Ministerrat wurde die Depesche des Generals Aelexejew aus Port Arthur betreffend die Beschießung der drei russischen Kreuzer durch japanische Torpedoboote vorgelegt. Der Minister des Auswärtigen, Delcasso, teilte dem Ministerrat mit, daß der französische Gesandte in Tokio auf Wunsch Rußlands mit der Wahrung der russischen Interessen betraut wurde. Delcasst machte sodann von seiner Unterredung mit dem Deputierten Cochiu Mitteilung, welcher darauf verzichtet hat, in der Kammer eine Anfrage bezüglich des russisch-japanischen Konflikts zu stellen. Ferner führte Ministerpräsident Lsmbes aus, daß er einigen Deputierten der Mehrheit, die ihn aufsuchten, um sich mit ihm über die Lage zu besprechen, die Versicherung gegeben habe, daß die Regierung gegebenenfalls dem Parlament alle Auskünfte erteilen würde, die zur Aufklärung dienen könnten. Diese Versicherung habe alle Befürchtungen zerstreut, die hinsichtlich der Absichten der Regierung für die Zukunft bestehen konnte», und habe den Anlaß gegeben, daß man gegenwärtig aus eine öffentliche Besprechung der ostasiatischeu Angelegenheiten verzichtet Hube.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher NeichStast.
Berlin, 11- Februar. Am Bundesratstisch die Staatssekretäre v Stengel und Graf Posadowsky.
Zur Beratung steht zunächst der Gesetzentwurf betreffend Aen- derungen der Reichsschnldenordnung.
Staatssekretär v. Stengel führt aus, es handle sich hier wesentlich um eine authentische Auslegung der Bestimmungen der Reichsschuldenordnung von 1900 in den Zß 1 und 7. Die vom Reicksschatzamt einzulösenden Schatzanweisungen seien am 1. Avril mit 20 Mill. und am 1. Juni mit weiteren 20 Mill. fällig. Es bleibe nur übrig, diese fälligen Schatzanweisungen durch Begebung neuer Schuldpapiere einzulösen. Man könnte den Betrag im Etat einstellen; aber es sei unwahrscheinlich, daß der Etat vor Ende März verabschiedet werde. Dieselben Schwierigkeiten entstehen 1903, wo am 1. April die dritte Rate fällig sei. Darüber helfe das neue Gesetz hinweg, indem es der Regierung die Befugnis erteile, die Schatzanweisungen durch Ausgabe neuer Schatzanweisungen und Schuldverschreibungen im erforderlichen Nennbetrag einzulösen.
Kämpf (fr. Vp.) hält es für bedenklich, allgemein zu erlauben, langfristige Schuldverschreibungen auszugeben ohne Genehmigung des Reichstags. Er beantragt deshalb die Ueberweisung des Entwurfs an die Budgetkommisston.
Spahn (Z.) hält eine Kommissionsberatung für unnötig.
Gamp (Rp.) wundert sich, daß erst nach 30 Jahren sich die Notwendigkeit des Entwurfs herausgestellt habe. Der Staatssekretär möge den Weg der Schatzanweisungen verlassen und zur Ausstellung dauernder Schuldverschreibungen übergehen.
Staatssekreiär v. Stengel meint, man könne nicht die ganze Reichsschuldenordnung einer Revision unterziehen; man solle nicht die schwebende Schuld zur Regel werden lassen.
Schließlich wird der Antrag Kämpf abgelehnt.
Der Gesetzesentwurf wird in 1. und ohne Erörterung in 2. Lesung angenommen.
In der fortgesetzten Etatsberatung des Reichsamts des Innern, Kapitel Reichsgesundheitsamt, wird zu Tit 1 eine Resolution Mug- dan angenommen, wonach den Kandidaten der Medizin die Ableistung des praktischen Jahres zu erlaffen ist, die ihr Studium vor dem 28. Mai 1901 begonnen und die ärztliche Prüfung vor dem 1. April 1906 bestanden haben.
Das ganze Kapitel wird hierauf angenommen.
Beim Kapitel Patentamt beantragt Pauli-Oberbarnim (Rp.), das ganze Kapitel an die Budgetkommisston zurückzuverweisen.
Der Antrag wird angenommen.
Der Ausstand in Deutsch-Südwestasrika.
Berlin, 11. Febr. Der Kommandeur des Seebataillons Major v. Glasenapp telegraphiert ans Swakop- mund, daß einem Gerücht zufolge ein Teil der Hereros bei Waterbcrg stehe u. ein anderer Teil sich bei Gobabis verschanzt habe u. das Abtreiben des Viehs nach Betschuana- land decke. Major v. Estorff wird sich morgen früh mit der Kompanie Häring und 2 Geschützen zunächst mit der Eisenbahn nach Omaruru-Outjo in Marsch setzen, um die besser berittene Kompanie Franke gegen Waterberg verfügbar zu machen. Mit dem Rest der Expedition unter Glasen- apps Führung wild über Windhuk gegen Gobabis vorgegangen werden, und zwar wird eine Kompanie mit 2 Geschützen und Sprengladung morgen früh mit der Eisenbahn nach Windhuk fahren, der Rest am 11. Febr. Nachfolgen. Leutnant Winkler mit dem Ablösungskorps befindet sich in Windhuk. Gouverneur Leutwein trifft am 12. Febr. in Swakopmund ein. Das Landungskorps des Habicht bleibt zum Schutz der Eisenbahn an Land.
Berlin, 12. Febr. Die„Nordd. Allg. Ztg." meldet, daß der Leiter der Station Ossidinga, Gras Pückler, im Kampfe mit den Eingeborenen gefalle« ist.
Der Krieg zwischen Rußland und Japan.
Tokio, 10. Febr. Ueber das Seegefecht Lei Tsche- umlpo wird noch gemeldet, der Kapitän des Kreuzers „Warjag" sei an Bord geblieben und habe das Schiff, nachdem die Mannschaft sich gerettet, in die Luft gesprengt. Ferner heißt es, ein französischer Kreuzer habe den Russen das Herannahen der Japaner mirgeteilt. Nach nichtamtlichen Berichten wurden zwei japanische Kriegsschiffe bet dem Angriff auf Port Arthur beschädigt. In Tokio herrscht andauernd Ruhe.
Tokio, 10. Febr. Nach dem Bckanntwerden der vollständigen Niederlage der russischen Flotte herrscht großer Enthusiasmus in der Stadt. Ein Fackelzug bewegt sich unter Entfaltung von Fahnen und unter Hochrufen durch die Straßen. Elf russische Schiffe sollen zerstört und acht
genommen worden sein. Morgen wird ein großes SiegeS- fest abgeaalten.
London, 11. Februar. Dem Reuterschen Bureau ist mitgetetlt worden, daß die Behauptung der „Nowoje Wremja", wonach die Japaner beim Angriff auf Port Arthur, Wei-hai-wei als Basis benutzt hätten, vollständig erfunden ist.
Söul, 11. Februar. Die in Tschemulpo gelandeten japanischen Truppen sind in der Richtung auf Söul entsandt worden. Eine kleine Anzahl besetzt die Stadt und hält die Ordnung aufrecht. Das Gros der Kolonne bezog ein Lager in der Umgegend.
Wie«, 12. Feb. Von hervorragender diplomatischer Seite wird dem „Wiener Tagbl." gemeldet: Das Petersburger und das Wiener Kabinett erhielten von ihrem Pekinger Vertreter die Meldung, Chi«« beabsichtigte 2VVVV Boxer «ach der Mandschurei zu entsende«, «m die russische Maudschureibah« zu zerstöre«. China, welches sich «ur widerwillig der Neutralität füge, beabsichtigte durch die Vorschiebung der Boxer gegen Rußland, in de« Konflikt einzugreife«.
Petersburg, 12. Febr. Der Marine-Generalstab macht bekannt, nach ihm zugegangenen Nachrichten sind bei dem Gefecht bei Port Arthur 6 japanische Schiffe unwesentlich beschädigt worden. 50 Personen wurden gelötet, 150 verwundet.
Petersburg, 12. Febr. Nach einer Meldung des Geueralstabs ist das Kabel Wladiwostok (russischer Kriegshafen in der Mandschurei) und Nagasaki (japanischer Hafen) zerrissen.
Paris, 12. Febr. Der hiesige Newyork Herald veröffentlicht folgende aus Schanghai vom 11. Febr. datierte Depesche: Die Japaner haben neuerdings das Bombardement Port Arthurs wieder anfgeuourmeu und fitzten es 2 Stunden hindurch fort. Drei russische Kreuzer sind gesunken. Das Gebäude der russischen Eisenbahn ist zerstört. Dasselbe Blatt meldet weiter, daß die japanischen Torpedoboote, die am Montag abend in den Vorhafen von Port Arthur eingedrungen sind, sich hiebei russischer Signale bedient und dadurch den Kommandanten des russischen Geschwaders getäuscht haben. Doch seien drei japanische Torpedoboote gesunken und ein großer Teil ihrer Besatzung vernichtet.
London, 12. Februar. Meldung aus Tientsin: Die Russen metzelten bet Lindoyan 100 Chinesen nieder. Die Beamten von Shanhaikwan verlangten schleunigst Hilfe von Peking.
London, 12. Febr. Dem Daily Telegraph wird aus Schanghai gemeldet, daß die Beschießung von Port Arthur fortdauere. Drei russische Kreuzer seien gesunken. Das Gebäude der russischen Bank sei zerstört. Eine Depesche desselben Blattes aus Nagasaki besagt, chinesische Volkshaufen hätten überall in der Umgebung von Niutsch- wang die Telegraphen- und Fernsprechdrähte zerrissen, so daß die Ueverlandverbindung mit Dalny unterbrochen sei.
Mm GHr' und KoLA.
Roman von E. von Linden.
49) Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Gleich, Herr, es fällt mir blos en büschen schwer, dieweil es auch von wegen den Herrn Günther
„Wie Du sprichst von meinem Neffen ?" unterbrach ihn Mr. Lawrence stirnrunzelnd, „was hat denn der damit zu tun?"
„Ja, das is ja grad', Herr, daß Hein Möller Stein u. Bein schwört, daß er ihn mit dem einem Strolch, was, glaub' ich, der schlimmste sein soll, hier in der Lincoln- straße gesehen hat."
„Unsinn, mein Neffe ist drüben in Deutschland, das mußtest Du, der ihn an Bord gebracht, doch am besten wissen, John Brennecke!"
„Hab' ich ja auch gesagt, Herr, hat aber nix nich geholfen, Hein Möller wiü's auf seinen Eid nehmen, daß er Herrn Günther gesehen hat, mr was seine Augen sind, so kann er sich darauf verlassen, auch is er kein Qnaffelkopf, was er sagt, da drauf kann man sich verlassen."
Als John schwieg, sagte sein Herr kurz: „Weiter!"
„Ja, Herr, un ich Hab' Angst, daß der Strolch, was des jungen Herrn Begleiter war, es auf die Bank abgesehen hat, un möcht' bitten, daß ich noch so in acht Tage mit der Chicago-Reise warten dürft', um auszukundschaften, ob Hein Möller recht hat un ob der Strolch was unternehmen tut."
„Dein Hein Möller ist ein Narr, John," sprach Mr. Lawrence scharf, „seine Hellseherei gefüllt mir ganz u. gar nicht, und was Dich anbctrifft, so ist Deine Furcht mir völlig unverständlich, oder Du bildest Dir denn doch etwas zuviel auf Dein Wächteramt ein. Na, laß' gut sein, Du bist ein ehrlicher Tropf, ein treuer Kettenhund, und wenn es Dich beruhigt, so verspreche ich Dir, während Deiner Abwesenheit hier zu schlafen und einen Wächter anzustcllen. Uebrigens, alter John, sollte es Deinen Einbrechern schwer fallen, meine Geldschränke zu öffnen, dazu gehören schon unsre routiniertesten Aankee's. Also es bleibt dabei, Du reisest morgen mit einem Frühzuge ab."
John zog sich mit einem unterdrückten Seufzer zurück, er kannte seinen Herrn zu gut, um jetzt noch eine Bitte wagen zu dürfen, denn wenn er auch einerseits große Genugtuung bei dem Gedanken empfand, endlich des unfehlbaren Bankier's Ueberzeugung von Traugotts Schuld erschüttert zu sehen, so vermochte er doch auch wieder den unheimlichen Gedanken, daß sich während seiner Abwesenheit irgend ein Unglück ereignen werde, nicht abzuschütteln, und wäre jetzt viel lieber heimgeblieben bei seinem Herrn, der ihm doch näher stand als Traugott Weber.
Er sann darüber nach, auf eigene Faust einen Wächter zu besolden, der von zehn Uhr abends an bis Tagesanbruch draußen vor dem Hause sich postieren und strenge Wacht halten sollte, wer aber war gewissenhaft genug dazu? Ls gab in ganz New-Aork nur einen John Brennecke, das durste er sich mit berechtigtem Stolz sagen.
„Ohne mir zuviel einzubilden, Mr. Lawrence!" mur
melte er in der Stille seines Stübchens, das sein Herr ihm neben den Geschäftsräumen angewiesen hatte. „Abers, so lange ich hier wach' un mit einem Ang' schlaf', hat sich noch kein Aankee-Einbrecher hereingemacht, obschon so'n Kerl mit Gott weiß welchem Hokus-pokuS Bescheid wissen soll. Die haben auch hundert Augen un Ohren un werden Bescheid wissen, wenn ich hier nicht mehr Wächter bin. Na, ich will hoffen, daß die Aankee-Einbrecher aus'm Armen- Viertel so lang' blind un taub sind."
Der brave John schlief in dieser Nacht fast gar er hatte nicht einmal Abschied nehmen können von Ellen, was dem alten Burschen immerhin ein Trost gewesen wäre. So reiste er denn am nächsten Frühmorgen, das Herz voll Unruhe und schweren Sorgen, nach Chicago ab, da es ihm nicht gelungen war, einen geeigneten Wächter für die Sicherheit der Bank und für das Leben seines Herrn zu finden.
Mr. Lawrence war indes nicht so ruhig und gleichgültig über Johns Mitteilungen und Warnungen geblieben, wie dieser glaubte, und wie es ja auch den Anschein gehabt. Er grübelte darüber nach, welche Beweggründe seinen Neffen bewogen haben könnten, hier in New-Iork zu bleiben, sich zweifelhaften Gesellen anzuschlteßen und damit seine ganze Zukunft zu vernichten. Der stolze Mann gab damit bereits die Möglichkeit zu, daß John's Freund sich nicht geirrt hatte, er rechnete mit der immerhin ungeheuerlichen Tatsache, die den kalten Handelsherrn säst aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen drohte.
(Fortsetzung folgt.)