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und kämpfte mit dem markierten Feind. Als die Reiswelle endlich durch die Steinwürfe umfiel, griff der Tapfere nach einem Prügel und versetzte dem gefallenen Feind noch mehrere Streiche. Im Schweiße gebadet kam er in seinem Orte an, aber der gute Mann hat auch ein gutes Herz, das jetzt Reue fühlte über die begangene That. Er machte dem Ortsschultheißen Anzeige, daß im Walde einer, der ihn angefallen habe, im Blute liege. Zwei Mann wurden abgesandt und fanden die Spuren der That, nämlich eine umgeworfene Reiswelle, darum ziemlich Steine liegen. Der Tapfere hatte nun den beiden Männern eine Belohnung für ihren Gang zu verabreichen und soll noch um einige Mark gestraft worden sein.

Ulm, 8. Juli. Seit gestern ist das nun vollendete Hochgerüst am Münsterturm mit einem mächtigen, mit Tüchern, Bändern und sonstigen Ge. schenken für die Zimmerleute geschmückten Aufrichtbaum gekrönt. Zu dem gestern nachmittag stattgehabten Aufrichtefest waren mit Herrn Münsterbau» meister Prof. Beyer mehrere Herren von hier und die Angestellten und Arbeiter der Münsterbauhülte auf der bis jetzt erreichten Turmhöhe versammelt. Den Aufrichtespruch nach dem alten Handwerksgebrauch der Zimmerleute hielt Polier Glöckle und schloß mit einem Hoch auf die glückliche Vollendung des Werkes, in das alle Anwesenden begeistert einstimmten mit dem stillen Wunsche, es mögen die Handwerksleute bei ihrer gefährlichen und beschwer­lichen Arbeit, wie bis jetzt, so auch fernerhin vor jedem Unfall gnädig be­wahrt bleiben.

Friedrichshafen, 9. Juli. Seine Königliche Hoheit der Pr inz- regent von Bayern traf heute mittag gegen 1 Uhr mittelst Extra- boois von Lindau zum Besuche Ihrer Königlichen Majestäten hier ein. Seine Majestät erwartete Seinen hohen Gast am Landungsplatz des Dampfbootes am Hafen. Beim Einlaufen des Schiffes intonierte die hieher befohlene Kapelle des Grenadier-Regiments König Karl Nr. 123 die Königs­hymne. Nach herzlicher Umarmung der beiden Fürsten und nach Vorstellung des beiderseitigen Gefolges fuhren Höchstdieselben durch die von dem Krieger­verein, der Feuerwehr und der Schuljugend gebildeten Spaliere unter Salut­schüssen und unter den begeisterten Hochrufen der aus der Stadt und der Nachbarschaft herbeigeströmten Menge durch die festlich beflaggten Straßen in das Königliche Schloß. Hier fand die freundlichste Begrüßung zwischen dem Prinzregenten und der Königin statt, Höchstwelche denselben mit den Herzoginnen Elsa und Olga von Württemberg beim Eintritt empfing. Nachdem sich die Herrschaften einige Zeit zurückgezogen hatten, war große Tafel, zu welcher außer den Angehörigen des König!. Hofstaats das aus dem Generaladjutanten General-Major Freiherr Freyschlag von Freyenstein und den Flügeladjutanten Oberlieutenant Freiherr von Vranca und Haupt­mann Ritter von Wiedenmann bestehende Gefolge Seiner Königlichen Hoheit des Prinzregenten, sowie der Präsident des König!. Staatsministeriums Staatsminister Freiherr von Mittnacht eingeladen waren. Bei der Tafel erhob sich Seine Majestät und brachte folgenden Toast aus:Ich trinke auf das Wohl Seiner Königlichen Hoheit des Prmz-Regenten von Bayern und auf die Fortdauer des gegenseitigen freundschaftlichen Verhält­nisses zwischen Bayern und Württemberg." Seine Königliche Hoheit erwiderte darauf:Ich erlaube mir, auf das Wohl Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Württemberg mein Glas zu erheben. Ich bin glücklich, schon seit langer Zeit der wohlwollenden Freundschaft Ihrer Maje­stäten mich zu erfreuen. Zugleich freue ich mich herzlich über die Fortdauer der freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen Württemberg und Bayern bestehen. Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg leben hoch!" Während des Diners konzertierte die Kapelle des Grenadier- Regiments im Schloßgarten. Nach der Tafel hatte der Minister-Präsident Frhr. v. Mittnacht die Ehre von Seiner Königl. Hoheit in Audienz empfangen zu werden.

Aus Neu-Ulm berichtet dasUlm. Tgbl." von einem Mord. Die 46jährige Rosalie Dietz, eine von ihrem Mann getrennt lebende Frau von üblem Ruf, wurde auf ihrem Bett ermordet aufgefunden. Der Leich­nahm hatte einen Knebel im Mund, der Hals war auf einer Seite durch­schnitten, in der Wunde stack eine Gabel. Auch die Bauchwand war mit einer Gabel durchstochen und um den Hals zeigten sich Spuren von Strangu­lation. Der That verdächtig wurden eine Genossin der Ermordeten, unver­ehelichte Hildmann, die morgens die Dietz zuerst ausgesucht hatte, und ein bayer. Artillerist verhaftet, der letzere aber nach einem Verhör wieder entlassen.

Jugenheim, 9. Juli. Gestern abend fuhr Fürst Alexander von Battenberg vom Schlosse Heiligenberg aus mit einem Einspänner und begleitet von einem Diener den Herrenweg entlang, als das Pferd plötzlich scheute und trotz aller Anstrengungen immer mehr einem Abhange zudrängte. Während der begleitende Diener sich noch durch rechtzeitiges Ab­springen vor dem Sturze in die Tiefe bewahren konnte, stürzte Fürst Alexander den steilen Abhang hinunter ins Stettbacher Thal, hinterdrein Wagen und Pferd. Glücklicherweise konnte der rasch herbeigerufene Arzt Dr. Weil von Zwingenberg konstatieren, daß die Verletzungen des Fürsten, welcher beim Herabstürzen mehrfach mit dem Wagen in Berührung gekommen war. nur geringfügiger Natur sind. Der Wagen kam vollständig zertrümmert im Thale an, das Pferd hat mehrfache Kontusionen erlitten.

Wevrnifchtes.

Im Nachlasse des Kaisers Friedrich befand sich eine große Sammlung kostbarer Weine, welche in letzterer Zeit um äußerst hohen Preis zur Stärkung des kranken Monarchen angekauft worden waren. Die Kaiserin- Witwe Viktoria hat Befehl erteilt, daß diese Weine den Berliner Spitälern zugewiesen werden, um dort schwerkranken als Labung zu dienen.Die Blätter teilen mit, daß der verstorbene Kaiser Friedrich schon zu einer Zeit, als man dieWacht am Rhein" im großen Publikum noch gar nicht kannte, 1861 das Lied sehr ausgezeichnet hat. Auf seinen besonderen Wunsch mußte am 16. September d. I. auf Schloß Brühl der Bonner Männer­gesangvereinConcordia" vor der Kronprinzessindie Wacht am Rhein" singen, wie er es besonders liebte. Ec vergoß Thränen der Rührung, so oft ihm dieses Lied erklang.

Vogelschutz. Da mit dem 1. Juli d. I. das Reichsgesetz betreffend den Vogelschutz in Kraft getreten ist, weisen wir hiermit auf den hauptsäch­lichsten Inhalt des Gesetzes hin. Demselben zufolge wird mit Geldstrafe bis zu 150 vkL oder mit Haft bestraft, wer Nester zerstört oder Eier und Junge ausnimmt, wer solche Nester, Eier oder Junge feilbietet und verkauft, wer Vögel fängt, so lange der Boden mit Schnee bedeckt ist, wer Vögel mit Futterstoffen fängt, denen giftige Bestandteile beigemengt sind, oder mittelst geblendeter Lockvögel, wer Vögel mitLallkäfigen, Fallkasten, Raufen, Schlag- und Zugnetzen fängt, wer in der Zest vom 1. März bis 15. Oktober über­haupt Vögel sängt oder erlegt. Landwirt.

Richtig taxiert.Nun Georg, für wie alt hältst du diese Dame?" Für fünfzig Jahre."Weißt du denn nicht, daß man bei Damen zehn Jahre abziehl!" Das Hab' ich ja schon gethan!"

Zlrteite aus WürtttmSerg. Mpstngen, OA. Urach. Da ich schon einige Jahre an Magenbeklemmungen und Verstopfung leide, gebrauche ich Ihre Schweizer­pillen und haben sich dieselben zu meiner größten Zufriedenheit bewährt: Die Schmerzen im Magen, wie in den Därmen haben seit dem Gebrauch Ihrer Schweizerpillen bei­nahe ganz aufgehört und kann ich daher jedem an einem ähnlichen Nebel Lei­denden Ihre Pillen mit gutem Gewissen empfehlen. Michael Hübe. Die Apotheker Rrch. Brandt's Schweizerpillen sind in den Apotheken L Schachtel 1 vorrätig, doch achte man genau auf das weiße Kreuz in rotem Feld und den Vornamen.

Feuilleton.

KerbstbLALer.

Novelle von k. II.

(Schluß.)

Johanna hatte ihm wiederholt erlaubt, sich die glänzenden Flitter, die ihm ge­fielen und die keinen Wert mehr hatten, nach Hause zu nehmen, auch einen und den andern Leckerbissen ließ sie dem kleinen Naschmäulchen zukommen. Kaum konnte sie ihre Thränen zurückhalten, aber als sie auf ihre Stube gelangte, weinte sie lange und schmerzlich. Die Alten hatten in einer Hinsicht recht: Franz war ihr nicht gleich­gültig geblieben: wie wäre dies auch möglich gewesen, da er der Erste war, der dem alleinstehenden, verlassenen Mädchen mit menschlichem Anteil entgegengekommen, auch das Kind hatte sich ihr in's Herz gestohlen. Kaum wußte sie, ob sie den Vater um des Kindeswillen, oder das Kind wegen seines Vaters liebte. Aber eigennützige Berechnung, ja selbst der Gedanke, er könne sie einmal als seine Frau, als Mutter seines Kindes in das verwaiste Haus führen, waren ihr fremd geblieben. Was half ihr aber ihr reines Bewußtsein, wenn die bösen Alten, ja wenn vielleicht er selbst sie für eine selbstsüchtige Männerjägerin hielt.

Sie hatte ihre Thränen kaum getrocknet, als ihre vierschrötige Hauswirtin an die Thüre klopfte, um sich über die Unordnung zu beklagen, welche die herumfliegen­den Fäden und Läppchen von Johannas Schneiderei im Hause verursachten. Sie kam ihr eben recht. Fort aus der Straße, fort aus dem Hause, wo sie eine solche Verdächtigung, so bitteres Leid erfahren! Das war das Einzige, was ihr nach den Hornissenstichen des würdigen Paares übrig bliebe. Sie kündigte.

Kaum hatte die Hauswittin das Zimmer verlassen, so fing sie an ihre Sachen zu packen. Mit höhnischem Deuten und Winken sahen sie die Alten drüben bei dem Geschäft; aber es wurde ihnen etwas weniger behaglich zu Mute, als Franz, auch beute früher als gewöhnlich heimkehrend, gleichfalls die offenen Koffer und das ge- : häftig hin und her eilende Mädchen sah. Ivo hatte sich beklagt, die Tante sei so tmell fortgegangen, er habe ihr nicht einmal einen Kuß geben können. Und Franz

wußte, daß die Alten irgend eine Miene gegraben. Er nahm seinen Hut und eilte, ohne ein Wort zu sprechen, hinüber. Johanna hatte die Herbstblätter, die sie mss Wachs überzogen, in eine Vase gestellt, von dem Kaminsims herabgenommen. Sie wollte sie wegwerfen, aber das Kind hatte ihr eine Freude machen wollen; es konnte nichts dafür, daß sie ihr vergiftet worden war. Sie wollte sie ihn den Koffer legen zum Andenken, daß sie glücklich gewesen und zwei Menschen von Herzen lieb gehabt. Da hörte sie Tritte auf der Treppe, die ihr das Blut ins Gesicht jagten, ein Pochen an der Thür, das ihrHerein" zitternd, kaum vernehmlich klingen ließ. Franz trat ein. Mit einem Blick hatte er die Sachlage erfaßt.

Ich habe von drüben recht gesehen," sagte er traurig,sie wollen uns ent­fliehen, meinem armen Knaben und mir? Sie wollte etwas antworten, aber da hatte er schon ihre Hand gefaßt, und der wortkarge Mensch wurde förmlich beredtsam.

Gehen Sie nicht von uns, Johanna! Sie haben mich wieder das Leben schätzen, meinem Knaben die vorsorglich lenkende Mutterhand kennen gelehrt. Bleiben Sie bei uns!"

Sie stand fassungslos.

Jvo's Großeltern haben mir die Deutung gegeben, wie die Welt von meinem harmlosen Verkehr mit Ihnen und Ihrem Kinde denkt," sagte sie bitter. Sie wies auf die zusammengerollten Blätter.Sehen Sie, so ist mein Inneres. Vor einer Stunde war noch alles frisch und grün, aber nun hat die West einen Herbstschleier angelegt, und ich fürchte, ich könnte nicht mehr unbefangen)mit Ihnen sprechen, es ist zu vieles in mir dürr und welk geworden."

Sie hatte nicht verstanden, was er mit seinen Motten gemeint.Vergessen Sie, daß die allen Leute Sie beleidigt. Sie sind grämlich, durch den Tod ihres ein­zigen Kindes verbittert. Aber Sie werden den Ellern von Jvo's Mutter, meiner Frau, die Achtung nicht versagen, und mit der Zeit, Johanna, gewinnst Du auch ihre Zuneigung. Ich war nicht besser als sie, da ich Dich kennen lernte und bin durch Dich verwandelt worden. So wird es, so muß es ihnen auch ergehen." Er faßte ihre Hand mit den Herbstblättern, die raschelnd und dürr zu Boden fielen, sie selber sank, erglühend wie eine Mairose, an seine Brust.