77. Jahrgang.
Erscheint
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Schwöb. Landwirt.
843 (Erstes Blatt) Nagold, Samstag den 12. Dezember 1903.
Amtliches.
Die verehr!, gem. Aemler des Bezirks
werden ersucht, die im zu Ende gehenden Jahr in ihren Gemeinden etwa ersammelte« Beiträge für den Württ. Landesverein vom „Roten Kreuz" sowie für die Heil- und Pflegeanstalt für Schwachsinnige in Mariaberg spätestens bis 1. k. Mts. gefl. an den Unterzeichneten etnsenden zu wollen, wenn nicht direkte Ablieferung an die betr. Kasscnämter vorgezogen wird.
Bei Einsendung der Beiträge für den Verein vom Roten Kreuz wollen die Namen der Geber, welche durch Bezahlung eines Beitrags von 2 ^ Mitglieder des Vereins werden, angegeben werden.
Hochachtungsvoll
Nagold, den 10. Dezember 1903.
Oberamtmann Ritter.
Bekanntmachung,
betr. die Ausstellung von Wandergewerbescheinen für das Jahr 1904.
Die Ausstellung der Wandergewerbescheine für das Jahr 1904 erfolgt von jetzt an.
Der den Wandergewerbeschein Nachsuchende hat ein Zeugnis des Gemeinderats desjenigen Orts, in welchem er feinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen regelmäßigen Aufenthalt hat, beizubrtngen, welches dem in § 1 der Mtn.-Verf. vom 31. Januar 1898 (Reg.-Bl. S. 36) vorgeschriebenen Formular genügen muß.
Die OrtSvorsteher werden angewiesen, zur Ausstellung des gemeinderätlichen Zeugnisses sich des vorgeschriebenen Formulars (Formulare sind in der G. W. Zaise r'schen Buchdruckern vorrätig) zu bedienen und dasselbe auf Grund sorgfältigster Erhebungen pünktlich auszufüllen. Hiebei wird insbesondere auf den Min.-Erlaß vom 27. Mai 1902 betr. Maßregeln gegen den Mißbrauch des Wandergewerbebetriebs zum Bettel (Min.-Abl. S. 263) hingewiesen.
Für solche Personen, welche für das Jahr 1903 im Besitz eines Wandergewerbescheins waren, genügt an Stelle des gemeinderätlichen Zeugnisses eine Beurkundung der Ortspolizeibehörde des Wohnorts bezw. Aufenthaltsorts, daß seit Ausstellung des vorjährigen Zeugnisses keine Aen- derung der in Betracht kommenden tatsächlichen Verhältnisse bei dem Antragsteller eingetreten sei; wenn der Wohnort des Antragstellers zugleich dessen Geburtsort ist, so bedarf es außerdem einer Bestätigung der das Strafregister des Geburtsorts führenden Behörde, daß der Antragsteller in den vorhergegangenen drei Jahren eine Bestrafung nicht erlitten hat.
Ein Wandergewerbeschein darf nicht ausgestellt werden, bevor der Nachsuchende sich durch einen Sleuerschein des zuständigen Bezirks- oder Ortssteueramts über die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Wandergewerde- steuer ausgewiesen hat. Die Wandergewerbetreibenden haben sich daher zunächst behufs der Besteuerung bei der Steuerbehörde zu melden und sodann den Steuerschein dem Orts- vorstcher zu übergeben, welcher das gemeinderätliche bezw. ortspolizeiliche Zeugnis ausstellcn und beide Urkunden dem Oberamt behufs Ausstellung des Wandergewerbescheins übersenden wird.
Ausdrücklich wird bemerkt, daß die Ausübung des Wandergewerbes ohne Wandergewerbeschein, also allein auf Grund des Steuerscheins, der Strafe des § 148 der Gewerbeordnung verfällt.
Die Ortsbehörden wollen hienach das Weitere pünktlich wahrnehmen und die Gesuche mit den erforderlichen Zeugnissen hieher Vorlegern
Nagold, den 10. Dez. 1903.
K. Oberamt. Ritter.
Bekanntmachung.
Die erledigte Agentur der Wnrttembergische« Sparkasse in Egenhausen ist durch Entschließung der Zentralleitung des Woyltätiqketts-Bereins vom 7. d. Mts. dem Gemeindepfleger Michael Kalmbach daselbst übertragen worden, was hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird.
Nagold, den 10. Dezember 1903.
K. gem. Oberamt:
Ritter. Römer.
De» K. Standesämter»
läßt man mit nächster Post die Formulare zur Statistik der Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle für das Kalenderjahr 1904 unter Hinweisung aus den diesseitigen Erlaß vom 12. Januar 1899 (Gesellschafter Nr. 8 pro 1899) zugehen.
Die Verzeichnisse pro 1903 sind auf 31. d. Mts. ab
zuschließen und bis spätestens 15. Februar 1904 als portopflichtige Dienstsache anher einzusenden.
Nagold, den 10. Dezember 1903.
K. Oberamt. Ritter.
Komische Hteverficht.
Am 17. Dez. wird iu Berlin eine Ausschußfitzung des Zentralverbandes deutscher Industrieller stattfinden, wobei über folgende Gegenstände beraten werden soll: 1. Geschäftliche Mitteilungen; 2. Festsetzung des Voranschlages für das Jahr 1904; 3. Neuwahl der aus 3 Personen bestehenden Prüfungskommission für das Rechnungsjahr 1904; 4. Zuwahl von Mitgliedern in den Ausschuß; 5. Beratung des im Reichsjustizamt aufgestellten Entwurfes eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag; 6. die Bestrebungen, aus öffentlichen Flüssen wieder SchiffahrtSabgaben einzuführen.
Ueber das Befinden des Kaisers von Rußland hat der B. L.-A. dieser Tage ungünstige Nachrichten verbreitet, die aus St. Petersburg als völlig unbegründet bezeichnet werden. Das Befinden des Kaisers ist im Gegenteil durchanS befriedigend. Der mit Jagdausflügen verbundene Aufenthalt in Skierniewice ist dem Kaiser vortrefflich bekommen. Die Rückkehr des Kaiserpaares nach St. Petersburg ist nicht früher als vorgesehen erfolgt, sondern drei Wochen später, infolge der bekannten Erkrankung der Kaiserin Alexandra. Auch von der Absicht einer Uebersiedelung der Majestäten nach Livadia ist nirgends etwas bekannt. Das Befinden der Kaiserin Alexandra läßt gleichfalls nichts zu wünschen übrig. Die Höüung nimmt normalen Verlauf.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berti«, 10. Dezbr. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Am Bundesratstisch: Reichskanzler Graf Bülow, die Staatssekretäre v. Richthofen, Posadowsky, Stengel, Tirpitz, der Kriegsminister u. a. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Etatsberatung. Bebel (Soz.) führt aus: Die Thronrede schilderte die Reichsfinanzen grau in grau. Das Bild des Schatzsekretärs sei noch trüber. Die derzeitige Finanzlage müsse zu den allerernstesten Bedenken Anlaß geben. Vor allem sei dir große Flottenvorlage für diese Etatsentwicklung verantwortlich. An deren Zustandekommen trage das Zentrum die Hauptschuld. Bebel spricht sich gegen die Vorlage betr. die Reichsfinanzreform aus und geht dann näher auf Kiautschou ein, dessen Handel und Verkehr gleich Null sei. Wenn der Reichskanzler früher erklärte, Deutschland habe kein Interesse für das Vorgehen Rußlands in der Mandschurei, so meine er doch, daß Deutschland zwar nicht an der aktiven Politik dort teilnehmen, jedoch sein moralisches Gewicht in dir Wagschale legen sollte. Bebel erinnert dann an die Pläne von denen man gesprochen habe bezüglich einer starken Vermehrung der Kavallerie und Umänderung der Artillerie. Die Aenderungen in der Uniformierung (neue Schnüre, Knöpfe und Litzeni habe für den Kriegsfall keine Bedeutung. Der größte Teil der Zeit werde für den Drill verwendet. Man könnte mit weniger als der Hälfte der Dienstzeit aus- kommen. Jetzt mache man auch Stimmung für ein neues Flottengeschwader. Man munkle, daß finanziell an einer Institution, die mit der Marine- und der Militärverwaltung in engem Kontakt steht, Personen bis in sehr hohe Kreise hinein interessiert seien (Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.) Alle Vorteile aus der Vermehrung des Heeres und der Marine komme den Besitzenden zu gute; die Nachteile fallen auf die Schultern der Besitzlosen. Es wäre eine Kleinigkeit für das Reich, aus den Kassen der besitzenden Klasse eine Mehreinnahme ,von mindestens 300 Mill, zu schaffen. Man rechne auf neue Einnahmen aus dem Zolltarif und den Handelsverträgen. Es sei aber gar keine Aussicht vorhanden, Handelsverträge auf annehmbarer Grundlage zu bekommen. Unser Zolltarif habe auch in England eine Schutzzollbewegung in Fluß gebracht. Die Situation zum Abschluß von Handelsverträgen sei so verfahren wie nur irgend möglich. Redner fragt, ob die Regierungen die Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den deutschen Strömen planen. Die sozialpolitische Gesetzgebung lasse noch viel zu wünschen übrig. Weiter bespricht er die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Arbeiter. Bebel spricht von Venezuela und bedauert, daß man vor Rußland auf dem Bauch rutsche. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichskanzler Graf Bülow weist die Angriffe Bebels gegen die Organisation des Heeres zurück. Der militärische Drill von dem Bebel gesprochen habe, sei nicht Selbstzweck, er trage aber wesentlich zu dem guten Erfolge des preußischen Heeres seit Wilhelm 1 bei. Der Zweck der Manöver sei nur eine kriegsmäßige Ausbildung. Die Manöver seien eine Vorbereitung für den Kriegsfall. Redner sagt bezüglich der von Echädler erwähnten Mißhandlungen: Wir alle verurteilen die Rohheit und Grausamkeit. Er betrachte mit den Kriegsministern der Bundesstaaten es als seine heilige Pflicht, mit allen Mitteln Ausschreitungen entgegenzutreten und auszurotten. (Bravo!) Er bestreite keinem Reichstagsmitglied das Recht, hier militärische Fragen zur Sprache zu bringen, es gebe aber eine doppelte Art von Kritik, eine solche, die in patriotischer Absicht den Körper gesund erhalten wolle, und eine andere, der es mehr auf Agitationsstoff als die Sache ankomme. Das sei die von der Sozialdemokratie seit Monaten geübte Kritik. Die Armee zähle eine halbe Million. Wenn darunter Ausschreitungen Vorkommen, so seien doch die Angriffe gegen die gesamten militärischen Institutionen damit noch nicht gerechtfertigt. Zudem sei zu konstatieren, daß die Ausschreitungen von Jahr zu Jahr abnehmen. Man dürfe aber auch hier nicht verallgemeinern. Er protestiere dagegen, daß solche häßliche Erscheinungen als etwas für das deutsche Offizierkorps Typisches hingestellt werden. Das Offizierkorps sei von ehrenhafter Gesinnung durchdrungen, und die großen Erfolge des 1870er Krieges seien im wesentlichen zurückzuführen auf die altpreußische Tüchtigkeit und An-
spruchlostgkeit des Offizierkorps. Wenn Bebel ihm Untätigkeit in der Mandschurei vorgeworfen habe, so entgegne er, es gebe kein Land in der Welt, wo wir so wenig zu tun hätten, als gerade die Mandschurei. Komplikationen seien dort für uns ausgeschlossen: denn unsre Politik sei doch so besonnen und friedliebend wie möglich. Sollten wir aber dennoch in Konflikte verwickelt werde», so wäre das nicht unsre Schuld. Unser Benezuelastreit habe deshalb nicht gleich dem Haager Schiedsgericht vorgelegt werden können, weil Castro sich darauf von vornherein nicht einlassen wollte und dies erst tat, als wir mit einem gewissen Nachdruck auf dieser Forderung bestanden. (Fortsetzung folgt.)
Gclges-WeuigkeiLen.
Aus Stadt und Land.
Stuttgart, 10. Dezbr. Der erste Haupttreffer mit 100000 bar tu der vom 9. bis 12. Dezember stattfindenden Freiburger Geldlotterie welcher auf Nr. 224370 fiel, wurde von der hiesigen Losgeneralagentur C. Breitmeyer, und zwar am Tage vor der Ziehung, wo Breitmeyer nur noch einige Lose hatte, einzeln verkauft. Es ist dies schon der 38. Haupttreffer, welchen jenes Losgeschäft verkaufte. Der glückliche Gewinner ist noch nicht bekannt.
Reutlingen, 8. Dez. Der König hat der Heil- und Pflegeanstalt für Schwachsinnige in Mariaberg aus Anlaß der Ueberreichung des 56. Jahresberichts 300 verwilligt.
Schwenningen, 10. Dez. In der Fachschule für Uhrmacherei, Feinmechanik und Elektrotechnik beendete gestern Prof. Dr. Göpel einen Zyklus von Borträgen über die neuesten Erscheinungen aus det Optik. Schultheiß Würth dankte namens der zahlreichen Gäste für die hochinteressanten Darbietungen.
Göppingen, 10. Dez. Eine wichtige Neuerung, von der hoffentlich viel Gebrauch gemacht wird, hat die hiesige Ortskrankenkafse eingeführt. Die neue Bestimmung lautet: „Berechtigt, der Kaffe als freiwillige Mitglieder betzutreten, find selbständige Gewerbetreibende, die nicht regelmäßig mehr als 2 Lohnarbeiter beschäftigen, u. die das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben." Der neuen Bestimmung hat das Oberamt Genehmigung erteilt.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Dez. Heute stürzte die 24jährige Frau des Postboten Lauendorf ihr drei Woche« altes Kind aus dem Flurfenster des vierten Stockes des Ouergebüudes der Christburgstraße auf den Hof hinaus und sprang dann selbst nach. Der Tod trat bei beiden sofort ein. Die Tat soll aus Verzweiflung über eine Krankheit des Kindes geschehen sein.
Bremen, 10. Dezbr. Das hiesige Schiff „August, welches am 1. August von New Jork nach Liverpool ab- ging, ist mit 22 Mann Besatzung verschollen.
Schweidnitz, 11. Dezember. Im Germaniaschacht der Fürstensteiner Grube wurde durch eine Explosion schlagender Wetter ein Bergmann getötet, mehrere verletzt.
Ausland.
Bern, 11. Dez. Der Ständerat hat mit 25 gegen 18 Stimmen den Vertrag mit Italien behufs Uebertragung der Simplonkonzcssion an den Bund angenommen.
Wie«, 11. Dez. Die Neue Fr. Pr. erfährt ans gut unterrichteten Kreisen in Belgrad, daß die diensthabende« Offiziere in der Umgebung König PeterS, die Teilnehmer an dem Komplott König Alexanders waren, in nächster Zeit ihres Postens enthoben werden. Ferner behauptet das Blatt, Oesterreich und Rußland verlangten, daß die kompromittierten Offiziere aus der Armee entfernt werden sollen.
Lissabon, 10. Dez. König AlfonS XIll. von Spanien ist hier etngetroffen; er wurde vom König Carlos am Bahnhof empfangen. Bet dem Einzug der beiden Könige herrschte großer Jubel. Die offiztelen Festtage dauern bis zum Sonntag.
London, 11. Dezbr. Im Schlosse zu Sandringham brach in dem über dem Schlafzimmer der Königin gelegene« Gemach, .in dem die Hofdame schlief, Feuer aus. Diese durch den Rauch erweckt, eilte zur Königin, welche sofort das Zimmer verließ, dessen Decke kurze Zeit später einsturzle. AIS Ursache des AuSbruchS des Feuers wird daS Schmelzen des elektrischen Drahtes angegeben, wodurch ein Balken in Brand geriet.
London, 11. Dez. In der Nacht zirkulierte hier daS unkontrollierbare Gerücht von einer neuen schweren Erkrankung des Königs. _—_
DW- Der heutigen Nummer ist ein Prospekt von Oswald
Richter über DiirkoPP-Nähmaschiue« beigelegt._
_ Hiezu ein zweites Blatt. _
Druck und «erlag der ». W. Zatse r'schen Buchdruckerei («mit
_ kt,Ir »>i» Reaktion verantwortlick: K Vaur.