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— Der „Franks. Ztg." ist folgende Berichtigung des Reichskanzlers zugegangen: „Berlin, 13. Juni 1888. Die „Franks. Ztg." bringt in ihrer Nummer 153 vom 1. Juni d. I. über die Mißhandlung der 4 deutschen Studenten durch die Bevölkerung in Belfort eine Meldung, wonach dieselben an dem Vorfall zum größten Teil selbst Schuld trügen, indem sie laute Bemerkungen über die auf einem öffentlichen Platz befindliche Statue von Elsaß-Lothringen ausgetauscht hätten. Die behufs Verhandlung der Angelegenheit mit der französischen Regierung amtlich vernommenen Studenten bezeichnen die obige Meldung der „Franks. Ztg." als eine Verleumdung, zu der sie nicht den geringsten Anlaß gegeben haben. Da es sich im vorliegenden Fall um die Richtigstellung eines die internationalen Be- ziehungen des Reichs berührenden VorkUnmnifses handelt, so ersuche ich auf Grund des H 11 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 die Redaktion der „Franks. Ztg." um Aufnahme der vorstehenden Berichtigung. Der Reichskanzler: v. Bismarck."
Braunschweig, 20. Juni. Wie verlautet, wurde Prinz- Regent Albrecht zum Feldmarschall ernannt.
Berlin, 19. Juni. Die Kaiserin-Mutter Victoria hat der Kaiserin Augusta durch nachstehendes Telegramm nach Baden-Baden den Tod ihres Gemahls angezeigt:
„Um Deinen einzigen Sohn weint Diejenige, die so stolz und glücklich war, seine Frau zu sein, mit Dir, arme Mutter! Keine Mutter besaß solchen Sohn! Sei stark und stolz in Deinem Kummer! Er ließ Dich noch heute früh grüßen. Victoria."
Oesterreich.
Wien, 19. Juni. Es wird gemeldet, daß zwischen Fürst Bismarck und Graf Kalnoky Depeschen gewechselt wurden. Jener habe, berichtet die „N. Fr. Pr.", dem Grafen Kalnokr, die formelle Mitteilung gemacht, daß Kaiser Wilhelm H. den lebhaften Wunsch und die bestimmte Hoffnung hege, und daß er (der Reichskanzler) jenen Wunsch und diese Hoffnung aus voller Seele teile, es werde in den innigen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich keinerlei Aenderung einlreten und es werde das Friedensbündnis, welches sein erlauchter Großvater aufgerichtet, welches sein teurer Vater mit Sorgfalt gepflegt und welchem auch der neue Herrscher ferne vollsten Sympathien zuwende, zum Heile beider Staaten und ganz Europa nur noch fester knüpfen. Die gegenwärtige Mitteilung sei zugleich die Erfüllung eines von dem Heimgegangenen Kaiser noch in dessen letzten Lebenstagen dringend geäußerten Wunsches, und der gegenwärtige Träger der Krone beeile sich, seinen persönlichen Sympathien entsprechend, denselben hiemit zum feierlichen Ausdrucke zu bringen.
England.
London, 20. Juni. Die „Times" meint, Deutschland werde sortfahren, den Frieden zu wünschen; falls der Friede gestört werde, was die „Times" nicht glaubt, würde dies nur sein, weil andere Mächte weniger friedfertig seien, als Deutschland.
Hages-Weirigkeiten.
(Amtliches.) Durch Beschluß der K. Negierung für den Schwarzwald, kreis vom 15. Juni d. I. wurde der bisherige Gemeindepfleger Jakob Eisenhardt von Dachtel OA. Calw zum Schultheißen der gedachten Gemeinde ernannt.
* Den Kurgästen und Sommerfrischlern zur Nachricht. Durch die Mittel des Schwarzwaldvereins ist den Naturfreunden kürzlich ein
reizendes Thälchen aufgeschlossen worden, es ist dies das obere Schweinbach t h a l, welches ja in seinem untern Teil längst zugänglich und ein beliebter Spaziergang der Sommerfrischler ist. Man kann dasselbe von Hirsau aus ganz in der Thalsohle längs des sprudelnden Forellenbaches in kühlem Waldesschatten begehen, wenn man bei den Fabriken im Bärenthal bis zu den letzten Häusern bei der Schleifmühle vorgeht. Von hier vermittelt ein Fußweg die Verbindung mit der zur Bleiche führenden Planie. Bei der Bleiche angelangt, geht man an dem hölzernen Brückchen vorbei auf derselben Seite weiter, und gelangt auf etwas rauhem Holzabfuhrweg immer längs des murmelnden mit Farrenkräutern eingefaßten Baches zur hintern Wiese, wo der neu angelegte Fußweg beginnt und in die mit Felsentrümmern besäte Waldesschlucht führt, in welcher idyllische Plätzchen am lauschigen Bache mit wilder Scsnerie wechseln und zu längerem Verweilen auf dem dichten Moosteppich oder angelegten Ruheplätzen einladen. Man geht nun, indem der Bach einigemal« auf den mit Felsenplatten hergestellten Brückchen überschritten wird, bis zum sog. Kirchenbrückle (am Fußweg zwischen Altburg und Oberkollbach) in der reizenden Bachschlucht vor und gelangt hier auf die Staats, straße, von wo man, einige Schritte zum Zickzack zurückgehend, den Spaziergang über das Felsenmeer, eine wilde Trümmerhalde in dicht geschlossenem Buchenwald, in welcher vom Verschönerungsverein Hirsau angenehme Treppenwege angelegt sind, nach Oberkollbach ausdehnen kann. Es wird nicht zu viel versprochen sein, wenn man sagt, daß dieser romantische wechselvolle Weg durch das 4 km lange Schweinbachthal dem gewiß mit vielen Reizen ausgestatteten berühmten Kohlbachthal, welches unwillkürlich zur Vergleichung herausfordert, nicht zur Seite, sondern weit über zu stellen ist.
Liebenzell, 19. Juni. Am 18. Juni d. I. sind 25 Jahre verflossen, seit Schullehrer Beutelspacher als erster Lehrer in Liebenzell thätig ist. Die Gemeinde wollte diesen Tag nicht vorübergehen lassen, ohne dem Jubilar für sein treues und erfolgreiches Wirken ihre Wertschätzung und ihren Dank auszudrücken. Zum Zeichen der Anerkennung wurde am Vorm, von den Mitgliedern der Ortsschulbehörde ein wertvolles Geschenk ihm überreicht und für den Abend eine gesellige Unterhaltung im Gasthof zum Ochsen veranstaltet, wobei, wenn auch der Ton wegen der Trauer über den Hingang unseres edlen Kaisers ein gedämpfter war, doch manch ernstes und heiteres Wort zum Teil in gereimter Rede davon zeugte, welche Liebe und Anhänglichkeit sich der Gefeierte im Laufe seiner langjährigen Wirksamkeit hier erworben hat. Schw. Merk.
Standesamt Kairo.
Geboren:
9. Juni. Elise Emma, Tochter des Albert Palmer, Cigarrenmachers.
17. „ Ludwig Friedrich, Sohn des Ludwig Friedrich Linkenheil, Lakiers.
18. ,. Bertha Maria, Tochter des Friedrich Schaub, Sternwirts.
Gestorben:
16. Juni. Anton Christian Gottfried Baumeister, 9 Wochen alt, Sohn des Anton Baumeister, Fabrikarbeiters.
21. „ Elise Emma Palmer, 12 Tage alt, Tochter des Albert Palmer,
Cigarrenmachers.
Gottesdienste am Sonntag, den 24. Juni 1888.
Vom Turme: Nro. 269. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Hr. Helfer Eytel.
Gottesäieaste in äer Metkioäistenkiapekke am Sonntag, den 24. Juni 1888, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
und streckte flehend die Hand aus, als wollte er nun seinerseits darum bitten, gehört zu werden. Unwillkürlich richteten sich Aller Blicke auf ihn.
„Und wenn ich nun das Bekenntnis mit unterzeichne, das Lane abgelegt hat," fragte er mit heiserer Stimme, „was wird man dann für mich thun? Wird man mich frei ausgehen lassen und mir die Fahrt nach Neuseeland bezahlen? Ueberlegen Sie wohl, bevor Sie mein Ansuchen von sich stoßen. Kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, so wird der Name des Fräuleins von Roden naturgemäß mit in den Staub gezogen. Wollen Sie nicht der Wiedervergeltung entsagen, allein aus Schonung für sie? Ich bekenne, daß ich ein Betrüger gewesen bin, aber lassen Sie mich meiner Wege gehen. Es steht Ihnen frei, gerichtlich gegen mich einzuschreiten, wenn ich je wieder Ihren Pfad kreuze. Beraten Sie sich mit Ihrem Rechtsanwalt," fügte er, an Richard gewandt, hinzu, „und lassen Sie mich mein Schicksal wissen!"
Richard wandte sich an Hugo und den Rechtsanwalt, und die Drei zogen sich in das Bibliothekzimmer zurück.
Alssienach Verlauf einer Viertelstundewieder eintraten,verkündetederRechtsanwalt:
„Es soll Gnade für Recht ergehen. Unterzeichnen Sie das Dokument und dann gehen Sie, um niemals zurückzukehren!"
Morton sprang auf. Er atmete tief und schwer. Nachdem er gethan, was was man von ihm begehrt, verließ er das Haus, welches zu betteten, er niemals einen Schatten von Recht besessen hatte-
„Das Spiel ist aus," murmelte er vor sich hin, während er in die dunkle Nacht hinausschritt/ „Alles, was mir bleibt, ist Verzweiflung!"-
Ein Jahr war ins Land gegangen. Richard von Roden war jetzt unumschränkter Herr auf dem allen Ahnensitze. Karoline war mehr denn ein halbes Jahr lang mit Fräulein Grey auf Reisen gewesen. Die Gräfin Elmer hatte Mary und deren jüngere Schwestern zu sich genommen. Die Mädchen bedurften nur zu sehr der Zerstreuung nach der erschütternden Katastrophe, welche über sie hereingebrochen war.
Die Vermählung zwischen Hugo von Westland und Mary, welche dem Elfteren als ein ihm wiedergeschenktes Juwel teuer war, stand jetzt nahe bevor und Karoline war speciell zur Hochzeit aus der Fremde heimgekehrt- In ihrem Wesen lag eine Sanftmut und Liebenswürdigkeit, welche sie früher nie besessen und die ihr alle Herzen gewann.
„Hugo und ich sind so froh. Dich bei uns zu haben!" sprach Mary mit rühr- -r Innigkeit zu der älteren Schwester. „Du mußt mir versprechen, sobald wir unserer Hochzeitsreise zurückkehren, auf länger zu uns zu kommen."
„Wie gut Ihr alle gegen mich seid," flüsterte Karoline bewegt. „Hat man nie mehr von ihm gehört, Mary, von jenem entsetzlichen Manne, dem ich fast zum Opfer gefallen wäre?"
„Liebes Herz, ich wollte Dir eigentlich Nichts davon sagen, aber es ist vielleicht besser, Du erfährst es gleich. Er ist vor drei Monaten in New-Orleans in einer Spielhöhle erschossen worden."
„Werde ich mir je meinen Leichtsinn verzeihen können?" flüsterte Karoline, indem sie sich der Schwester in die Arme warf.
„Um unsertwillen mußt Du es. Wie können wir denn glücklich sein, so lange Du trauerst?" lautete die liebevolle Entgegnung.
„Und Onkel John und jener Morton, die mit einander gemeinsame Sache machten, was wurde aus Beiden?" brach Karoline nach minutenlanger Pause das eingetretene Schweigen.
„Onkel John bleibt ein Geistesgestörter bis an das Ende seiner Tage," versetzte Mary. „Morton aber hat einen reumütigen Brief aus Neuseeland geschrieben; er arbeitet wie ein Sklave, um das tägliche Brot zu verdienen."
„O, Mary, von nun an will auch ich nur leben, um Euch glücklich zu machen!" schluchzte Karoline. —
Auf Schloß Roden war am Abend dieses Tages ein glücklicher Kreis versammelt, und selbst Karoline lachte zuweilen hell auf. Der dunkle Pfad, den sie gegangen war, lag hinter ihr und eine lichthelle Zukunft strahlte auch ihr entgegen.
„Komm, sieh die Steme, wie hell sie heute leuchten," flüsterte Hugo von Westland seiner jungen Braut zu und Arm in Arm traten sie hinaus in den prächtigen Park.
„Heute in einer Woche," sprach er, sich zu ihr niederbeugend, „sehen wir in weüer Ferne zum Abendhimmel empor und, beseligender Gedanke, heute in einer Woche bist Du mein Weib!"
Und das von dunkler Glut übergossene Antlitz des jungen'Mädchens an seine Brust ziehend, fuhr er fort:
„Sage mir, Mary, war es Dir wirklich Ernst damit, mich aufzugeben für immer ?"
Da hoben sich die großen, klaren Augen zu ihm empor und eine ganze Welt voller Liebe war es, die ihm daraus entgegenleuchtete.
„Ja, damals war es mir Ernst damit," antwortete sie leise, „weil ich mich durch die Pflicht des Kindes gegen den Vater gebunden hielt, aber jetzt weiß ich, daß es eine Macht giebt, gewaltiger als jene, denn stärker als die Bande des Blutes sind die Bande der Liebe!" __