282 —
noch auf eine schöne Ernte zu hoffen. — Frühkirschen von den Eßlinger Bergen kamen heute erstmals auf dem Wochenmarkt zum Verkauf. Das Pfund wurde mit 40 Pfg. bezahlt. — Das Gemüse zieht im Preis durchgängig an; eine Folge der Trockenheit und großen Hitze.
— Die „Cannstatter Ztg." empfiehlt als praktisches Hilfsmittel bei Vertilgung der Raupen: Man nehme eine schlanke lange Angelrute oder Haselnußstecken rc., bestreiche etwa ein Meter lang die Spitze mit Fliegenleim und durchsteche in drehender Bewegung die Raupengewebe. Es wird hiebei nicht blos die junge Brut gut haften, sondern auch die sich flüchtenden Raupen werden kleben bleiben und so in Masse vernichtet werden können.
Nürtingen, 6. Juni. Bei schönem Wetter wurde gestern das altbekannte Maienfest, das Heuer aus mehrfachen Gründen in den Juni und nicht zu seinem Schaden verlegt werden mußte, gehalten. Von nah und fern hatten sich wieder viele Gäste eingestellt, und der schön am Neckar gelegene Festplatz bot ein reizendes Bild bunten Lebens und Treibens dar. Die Festrede hielt diesmal Rektor Bonhöffer, der mit wohlklingender Stimme und in schöner Sprache eine kurze Geschichte der Frühlingsfeier unserer Vorfahren gab, auf den Frühling des Lebens hinwies und in patriotischen Worten den Frühling im deutschen Reiche pries. Ungestört konnten sich die 1200 Kinder ihren Spielen und sonstigen Vergnügungen hingeben und hatten somit auch einmal wieder den vollen Genuß des ihnen bereiteten Festtags.
Echterdingen, 5. Juni. Schauerlich schön wurde gestern nacht unsere Filderebene beleuchtet; es brannte das 5 Minuten von hier an der Straße nach Degerloch gelegene, dem Hirschwirt Baya gehörige Trockenhaus nieder. Die Flammen schlugen so rasend empor, daß an eine Rettung nicht mehr zu denken war, obgleich alsbald eine große Menschenmenge zur Hilfe bereit stand. Es erging daher nach auswärts kein Hilferuf. Der Beschädigte ist versichert. Da Selbstentzündung ausgeschloffen ist, wird allgemein Brandstiftung vermutet.
Horb, 5. Juni. In dem im diesseitigen Bezirke befindlichen Pfarr« dorf Göttelfingen zersprang beim ortsüblichen Böllerschießen während der Frohnleichnamsprozession am 3. Juni einer der Böller, der verheiratete Schreiner Jakob Teufel wurde durch ein Böllerstück so schwer verletzt, daß er Tags darauf starb. Der Verstorbene hinterläßt Frau und Kinder. — Die anhaltende trockene Witterung bringt dem Landmann Schaden, überall herrscht Futtermangel, Regen erwünscht.
Vaihingen a. Enz, 5. Juni. In der vergangenen Nacht wurde im K. Oberamte hier eingebrochen; die Diebe nahmen die Kaffe weg und ließen sie, nachdem sie dieselbe eines Teils ihres Inhalts beraubt hatten/ auf einem in der Nähe gelegenen Acker zurück. Von den Thätern hat man bis jetzt keine Spur.
Bietigheim, 5. Juni. Zur Erneuerung der hiesigen ev. Stadtkirche wurde in der vorigen Woche ein namhaftes Geschenk gemacht, was dem Geber zur Ehre gereicht. Der Sohn eines hiesigen Bürgers, Heinrich Schimpf aus Philadelphia, übergab der hies. Gewerbebank zur Sammlung für die Kircheerneuerung die Summe von 100 — In einem Weinberge hier sieht
man schon seit einigen Tagen blühende Trauben. Da sich Sommertag an Sommertag reiht, so wird die Traubenblüte bald eine allgemeine sein. Die Weinstöcke haben viele Trauben. In den letzten Tagen wurde schönes, kräftiges Kleeheu eingesührt. Da seit Pfingsten große und anhaltende Trockenheit herrscht, so wünscht man jetzt einen ausgiebigen und durchdringenden Regen für die lechzenden Fluren.
Heilbronn, 4^ Juni. Zum zweiten Verbandstag württ. Fleischer sind gegen 500 Gäste eingetroffen. Die Verhandlungen betrafen einen neuen Statutenentwurf, der von den Delegierten der bis jetzt bestehenden acht Innungen angenommen wurde. Weitere Referate empfahlen die Errichtung von Jnnungskrankenkaffen und die Führung von Lohnbüchern zum Zweck der Erleichterung gesetzlicher Kontrolle in Bezug auf die Unfallversicherung. Zum Vorort des nächsten Verbandstages wurde Ulm gewählt. Beim Mittag
essen in der Harmonie wurde ein Toast auf Se. Majestät den König aus- gebracht und telegraphisch übermittelt, worauf der Dank seiner Majestät um 7 Uhr eintraf. Nachmittags konzertierte die Regimentskapelle. Heute vormittag begaben sich die zurückgebliebenen Teilnehmer ins neue Schlachthaus um der Tötung von Groß-Vieh mit dem neuerfundenen Schnelltöter (Schußwaffe) anzuwohnen, dann teilten sich die Besucher zu verschiedenen Ausflügen.
Vom Hoch st räß, 3. Juni. G'eftern abend um l/g6 Uhr hörten die beiden Söhne der Witwe Kräutle von Markbronn, während sie in ihrer Scheune mit Futterschneiden beschäftigt waren, ein eigentümliches Knistern und Krachen. Sie merkten sofort, daß es sich dabei um ihren altersschwachen Stadel handle. Der jüngere der beiden Brüder wollte noch die Garbenbänder vom Heuboden in Sicherheit bringen, was aber der ältere glücklicherweise verhinderte und dadurch einem Unglück vorbeugte; denn kaum waren sie aus der Tenne geflüchtet, so fiel unter großem Krach und starker Staubwolke die Scheune total in sich zusammen, ohne jemanden verletzt zu haben.
Baden-Baden, 5. Juni. Das Befinden der Kaiserin Augusta ist ein fortgesetzt gutes. Die hohe Frau macht gewöhnlich abends nach 6 Uhr eine Spazierfahrt auf den Beutig, wo sie sich dann einige Zeit im Walde ergeht. — Am vergangenen Samstag fand durch den großh. Bez.-Arzt vr. Oeffinger die Dekorierung der 5 Hebammen aus dem Amtsbezirk Baden mit der von unserer Großherzogin gestifteten Ehrenmedaille statt. An der Feier, welche auf dem Rathause stattfand, nahmen der Geh. Reg. Rat Richard, Oberbürgermeister Gönner, die Präsidentin des hies. Frauenvereins, Frau v. Zaborszky, Stadtrat Gruter, Kreisschulrat Schnider und Stadtpfarrer Weingärtner Teil. In einer Dienstzeit von 25—32 Jahren hatten die Dekorierten bei 5358 Geburten Beistand geleistet.
Mainz, 7. Juni. Bei den hiesigen Weinhändlern besteht die nicht unbegründete Befürchtung, daß in Folge der neuen englischen Zollmaßregeln billigeren französischen Schaumweine (Saumur-Weine) vor den deutschen Sekten gewisse Vorteile bei der Zollentrichtung in England erfahren sollen. Infolge dessen hat sich die Großh. Handelskammer Mainz an den Reichskanzler mit dem Ersuchen gewandt, unter Hinweis auf das bestehende Meistbegünstigungsverhältnis seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß den gleichwertigen deutschen Schaumwein in keiner Weise und in keiner Form bei der Einfuhr in England ein Vorteil versagt wird, welche den fran zösische n Sekten zu Teil wird.
Eanöwirt^astk. Eonjumoerem Takw.
Vom Lager (Lederstraßs 179), wird abgegeben: Knochenmehl, Koch-, Vieh-, und Steinsalz.
Der Vorstand: Kugc» Wcrir.
Standesamt Kakn».
Geboren:
28. Mai. Heinrich, Sohn des Wilhelm Brüderle, Kulturgärtners hier.
2. Juni. Friedrike Sofie, Tochter des August Gakenheimer, Bäckers hier.
Gestorben:
2. Juni. Rosa Brenner, Ist- Jahre alt, Tochter des Jakob Brenner, Fuhrmanns.
3. „ Jakobine Kaufmann, led. Cigarrenarbeiterin, 47 Jahre alt.
4. „ Anna Maria Hang, 3 Wochen alt, Kind des Christian Adam Hang,
Fabrikarbeiter.
6. „ Elisabethe Pauline Johanna, Supper, 3 Jahre alt, Tochter des Gustav
Rudolf Supper, Oberamtmanns.
8. „ Julius Reinhardt, Friseur, 35 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 10. Juni 1888.
Vom Turme: Nro. 309. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Hr. Helfer EYtel.
Gotteräieafte in äer Metkioäistenkapekke am Sonntag, den 10. Juni 1888, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
vorwärts drängte und die Passagiere musterte. Einen Moment später berührte er leicht den Arm seines Gefährten.
„Da ist sie und ihre Zofe begleitet sie, — dort, die junge Dame in dem schwarzen Sammtkostüm; die Zofe trägt ein grünes Kleid!"
In diesem Moment trat ein mittelgroßer Mann mit unangenehmem Gesichts- ausdruck an die beiden Frauengestalten heran und erfaßte Karoline's Hand.
„Der Wagen wartet," sprach erso laut,daßderGrafundseinBegleiteresvernahmen.
Karoline war nicht ivenig erregt, obgleich sie sich den Anschein gab, ruhig zu sein; mit erzwungenem Lächeln sprach sie:
„Hat meine Freundin Sie mir entgegengeschickt?"
„Ja," entgegnete er lächelnd, „sie wollte nicht, daß Sie allein durch die Straßen der Stadt fahren sollten. Wo ist Ihr Gepäck? Gestatten Sie, daß ich Sie an den Wagen geleite!"
„Rosa," sprach Karoline, sich an ihre Zofe wendend, „da meine Freundin mir ihren Bruder entgegengeschickt hat, brauchen Sie die lange Fahrt nicht mit mir zu machen. Nehmen sie sich einen Wagen, fahren Sie sofort zur Schneiderin, bestellen Sie die Toilette, sagen Sie ihr, sie möge morgen bereit sein, wenn ich zur Anprobe hinkäme, und begeben Sie sich dann nach der Wohnung, welche ich für Sie bestimmt habe. Da meine Freundin so sehr viel Gäste bei sich hat, wird sie einige Tage lang Ihnen kein Obdach bieten können. Verstehen sie mich?"
„Ja, Fräulein," entgegnete das Mädchen ernsthaft, obschcn sie die Komödie, welche man mit ihr spielte, völlig durchschaute, da sie ja den Brief gelesen hatte, dessen der Detektiv dem Grafen gegenüber Erwähnung gethan, und also wußte, daß der Mann, welchen das Fräulein von Roden für den Bruder ihrer Freundin ausgab ihr Geliebter sei.
„Wahrscheinlich heiratet sie im Geheimen," sagte sie sich, während sie dem Bahnbediensteten das Gepäck ihrer Herrin zeigte und sich dann anschickte, den erhaltenen Befehlen derselben nachzukommen.
„Soll ich morgen früh das gnädige Fräulein aufsuchen?" fragte sie, schon -m Begriff, zu gehen.
„Nein, morgen nicht; es würde das nur Unruhe Hervorrufen," erwiederte Karoline mit mühsam beherrschter Aufregung. „Uebermorgen zu dieser Zeit können Sie kommen! Gute Nacht!"
„Gute Nacht, Fräulein," sprach das Mädchen, worauf sie ging, während Karoline und der Fremde noch immer in der Bahnhofshalle stehen blieben.
Westland und der Detektiv befanden sich in nächster Nähe und sprachen anscheinend sehr lebhaft mit einander.
„Wohin gehen wir, Geliebter?" flüsterte Karoline.
„Kannst Du fragen? Noch eine Nacht in England, dann beginnt für uns im fernen Westen ein neues Leben der Liebe und des Glücks!"
„Ah," sprach sie bewegt, während Thränen in ihre Augen traten, „kann uns denn ein Glück zu Teil werden, das wir auf solche Weise suchen?"
„Gewiß, Geliebte komm. Alles ist zur Trauung bereit!"
„Ist das Ihr Gepäck, Fräulein?" fragte in diesem Augenblick ein Träger, indem er an Karoline herantrat. Diese nickte nur, sie vermochte nicht zu sprechen; ihr Begleiter rief einen Wagen herbei.
„Fahren Sie so schnell als möglich!" herrschte er dem Kutscher zu. Das Gepäck wurde auf den Wagen geladen und das zitternde Mädchen hineingehoben.
„Wohin, Herr?" fragte der Kutscher.
„Nach der Theresienstraße; ich werde Ihnen schon ein Zeichen geben, sobald wir uns vor dem Hause befinden, wo Sie anhalten sollen; ich habe die Hausnummer vergessen!"
„Behalten Sie jenen Wagen im Auge und Sie sollen eine reiche Belohnung erhalten!" sprach Hugo von Westland inzwischen zu einem anderen Kutscher, und bald befanden sich beide Fuhrwerke auf dem Wege nach jenem östlichen Stadtteil, in welchem die Theresienstraße gelegen war.
„Welch einen trostlosen Anblick diese Straßen bieten!" sprach Karoline schaudernd „Mein Gott, alle meine Liebe für Dich kann mich doch über die Thatsache nicht hinwegbringen, daß ich ein schweres Unrecht begehe! Wie traurig ist meine Hochzeit — in Eile und Heimlichkeit unter Fremden vollzogen!" (Forts, folgt.)