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noch sortdauert und die Fiebererscheinungen sich unter geringen Schwankungen in gleicher Höhe wie bisher halten — gegen abend war das Fieber etwas gefallen —, so dürfte nach menschlichem Ermessen wenigstens für die nächsten Tage eine unmittelbar gefahrdrohende Wendung der Krankheit nicht zu erwarten sein.
Berlin, 22. April. (11.5 V.) Das heute vormittag 9 Uhr ausgegebene Bulletin über das Befinden des Kaisers lautet: Der Kaiser hatte eine ruhigere Nacht; das Fieber ist wieder ermäßigt, das Allgemein- befinden besser._
Hages-Weirigkeiten.
* Mona kam, 21. April. Durch freiwillige Beiträge von hiesigen Bürgern wurde es möglich, auch in unserer Gemeinde dem hochseligen Kaiser Wilhelm ein ehrendes Denkmal zu setzen. In feierlicher Weise wurde nämlich heute in Monakam eine „Kaiser Wilhelms-Linde" gesetzt. Die Schüler des Orts sangen zum Anfang und Schluß patriotische Lieder. Eingesetzt wurde die Linde von Schultheiß Rentschler und eingeweiht von Schullehrer Herrigel durch das Vorträgen folgender Verse:
Kaiser Wilhelms.Linde.
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Eingesenkt in feuchte Erde,
Festgesetzt von sichrer Hand Steht der Baum, der fortan werde „Kaiser Wilhelms-Lind" genannt.
Mög' er bis in graue Zeiten Wurzeln treiben und Geäst,
Mög' er seine Krone breiten lieber manches deutsche Fest!
Und wenn einst aus seiner, Zweigen Lust'ger Vogelsang erschallt,
Wenn die Kinder ihren Reigen Spielen unter seinem Wald,
Dann erzählet jedem Kinde,
Saget, wer's noch sagen kann:
Dies ist Kaiser Wilhelms Linde, Ter so viel für uns gethan.
Trefft ihr Freunde und Bekannte, Schauend ihrer Blüten Pracht
Sagt wie er die deutschen Baude Einig hat und stark gemacht.
Wie er pflegte aufzuschauen,
Wenn er stand vor Feindesschar,
Wie sein Wahlspruch „Gottvertrauen", „Liebe" seine Losung war.
Weiseln andre seinen Namen Und sein Bild in Erz und Stein, Prägen in den sichern Rahmen Unseres Herzens wir es ein.
Diese Linde mag's bezeugen Besser noch als Bild und Wort, Lispeln soll's in ihren Zweigen,
Daß er lebet in uns fort.
Auch sein Werk, es möge leben, Wohlbeschützt vor Feindeshand.
Gnädig mög' der Höchste geben Frieden uns'rem Vaterland.
Nagold, l 8. April. Bei der am 16. April in Wildberg "statt- gesundenen Musterung fand in der Wirtschaft zum Jägerhof zwischen Wildberger und Gültlinger Rekruten eine Rauferei statt, wobei nach dem „Gesellsch." ein Rekrut von Gültlingen schwer, jedoch, wie wir hören, nach ärztlichem Ausspruch nicht lebensgefährlich verwundet wurde. 3 Wckdberger Rekruten, welche sich hiebei hauptsächlich beteiligt haben sollen, wurden in Haft genommen und an das Amtsgericht eingeliefert.
Stuttgart. 20. April. Am 18., nachmittags zwischen 2 und 5 Uhr, haben sich mehrere Gymnasisten von hier im Thal zwischen Feuerbach und Bothnang an einem kleinen See mit Salamanderfangen beschäftigt. Zwei der Knaben wurden durch 2 Stromer angehalten und denselben unter Drohungen 3 abverlangt. Die Knaben erklärten, kein Geld zu haben, infolge dessen wurde ihnen von den Stromern die Taschen untersucht und dem einen eine Uhr abgenommen, auch wurde derselbe mit einer Rute geschlagen. Die andern Knaben ergriffen die Flucht. Bei einer Streife der Fahndungsmannschast wurde ein Verdächtiger festgenommen.
Stuttgart, 22. April. In dem Bürgergesellschaftssaale las Freitag abend Herr Adolf Wechßler zu Gunsten der Ueberschwemmten seine Dichtung vor: „Die Weiber von Schorndorf." Der Besuch war leider nicht so zahlreich, wie man des'guten Zweckes wegen hätte wünschen sollen. Die Einnahme betrug einige 80 Herrn Wechßler wurde, sowohl was Dichtung
wie Vortrag betrifft, reicher Beifall zu teil. Auch das von der S chla y'schen Kapelle Freitag abend im Stadtgarten für die Ueberschwemmten gegebene Konzert hatte sich eines nur mäßigen Besuches zu erfreuen. Es wird eben dem Publikum zu viel.
Weil im Schönbuch, 18. April. Der den Postwagen von Tübingen hieher fahrende Postillon wollte in vorletzter Nacht auf dem Wege zwischen Bebenhausen und Dettenhausen an den Pferden etwas in Ordnung bringen. Sobald er den Bock verlassen hatte, gingen dieselben durch und rasten Dettenhausen zu. Der einzige Insasse, ein israelitischer Händler, sprang heraus und liegt nun schwer verletzt darnieder. Eines der Pferde brach ein Bein und mußte gelötet werden.
Großaspach, 17. April. In ganz ähnlicher Weise, wie vor etlichen Tagen in Beilstein in der dortigen Kirche eingebrochen wurde, wurde auch hier die Kirche von einigen heruntergekommenen Individuen heimgesucht. Nach verschiedenen, aber vergeblichen Versuchen an der Sakristeithüre gelang es diesen Buben, mit Brecheisen an einer dem Kirchhof zugekehrten Seite einzudringen, fanden aber die Opferbüchsen und Opferstöcke so arm wie Kirchenmäuse — denn sie werden vorsichtshalber geleert. Die Einbrecher erlaubten sich jedoch den Spaß, die fünf Büchsen im Kreise auf dem Boden herumzustellen; die Kanzel- und Altardecken, sowie das zinnerne Taufzeug ließen sie, als nicht der Mühe wert, stehen.
Gmünd, 20. April. Heute früh 7 Uhr stürzte nach der „R. Ztg." ein bei der Restauration der katholischen Stadtpfarrkirche beschäftigter Arbeiter von der Höhe des Gerüstes herunter und wurde tot vom Platze getragen. Es ist der Steinhauer Fuchs von Hussenhofen, der den Ruf eines überaus rechtschaffenen und fleißigen Mannes genießt. Welch eine schreckliche Prüfung für eine Mutter von 6 Kindern, wenn der Vater, der früh morgens wohlgemut nach Gmünd ans Tagewerk eilte, nach zwei Stunden schon als tot angesagt wird! Ein Kind aus dieser Familie wurde diesen Winter von der Eisenbahn überfahren.
Brüssel, 22. April. Die aus der Schweiz ausgewiesenen Sozialdemokraten werden sich, sicherem Vernehmen nach, in Brüssel niederlassen; es heißt, der „Sozialdemokrat" soll von hier aus redigiert werden.
Neues in der Bibliothek.
-1) Fünfzehn Jahre in Süd-Amerika an den Ufern des Stillen Ozeans. Gesehenes und Erlebtes von Paul Treuttler.
2) Kaiser Wilhelms Vermächtnis an sein Volk. Enthaltend seine Reden, Proklamationen, Kriegsberichte, Briefe rc.
3) Priscilla an Sabina. Briefe einer Römerin an ihre Freundin aus den Jahren 29—33 n. Chr. Geb. Serie 1, 2, 3 von W. Pressel.
4) Chronik der Stuttgarter Hospitalkirche von Prof. Hartmann.
"'5) Kaiser Wilhelm I. 1797—1888 von Prof. Egelhaaf.
6) Bismarcks Rede im Reichstage am 6. Februar 1888.
7) Jahrbuch der Landwirtschafts-Gesellschaft, herausgegeben vom Direktorium. Band 2.
Aanäeks- unä Oeweröekammer Cakw. KeffenLüche Sihung
am Donnerstag, den 26. April 1688, vormittags 9 Uhr,
1) Beratung des Etats pro 1888/89 und Rechnungsprüfung pro 1887/88.
2) Beratung des Jahresberichts pro 1887 und der damit in Verbindung stehenden Anträge.
Der Vorstand: Kommerzienrat Staelin.
Stadt zu verlassen, in welcher jener sich aufhielt. Um unserer unseligen Aehnlichkeit willen hatte nun aber mein Angreifer mich für seinen Feind gehalten, der zurückgekehrt war, um ihm abermals die Neigung der Gattin zu rauben. Alles das, was ich jetzt weiß, wußte ich damals noch nicht. Erst viel später erfuhr ich von jener unglückseligen Aehnlichkeit. Es giebt manche Personen, welche von einem geradezu tragischen Mißgeschick verfolgt werden. Drei Wochen waren seit meiner Zusammenkunft mit Arthur Lanc vergangen. Ich hatte mich von dem überstandenen Schrecken erholt und in den täglichen Besuchen bei meinem sterbenden Vetter den aufregenden Zwischenfall nahezu vergessen, als ich eines Tages in Gedanken und höchst betrübt wegen ungünstiger Kunde, welche ich über den Gesundheitszustand Eurer Mutter erhalten, einen Spaziergang vor die Stadt mache. Ich befand mich in einem heftigen Konflikt mit mir selbst. Einerseits drängte es mich heimwärts zu meiner leidenden Frau, andererseits war es grausam, den sterbenden zu verlassen, welcher mich beschwor, an seiner Seite zu bleiben. So gedankenvertieft, sah ich nicht, daß derselbe Mann, welcher mich schon einmal angegriffen, mir gefolgt war; keine Vorahnung warnte mich vor der Gefahr, welche über mir schwebte. Die Scene, welche sich im nächsten Moment entwickelte, sie war zu grausam, zu entsetzlich, als daß ich im Stande wäre, sie Dir zu schildern. Ohne auch nur eine Sekunde lang dazu vorbereitet gewesen zu sein, mußte ich den Kampf aufnehmen, — einen Kampf auf Leben und Tod. Mein Verfolger stürzte sich mit der Kraft eines Wahnsinnigen auf mich, unter den wildesten Drohungen. Was konnte ich thun, um mich zu verteidigen? Mein Gegner war der Kräftigere von uns Beiden. Er faßte mich am Hals. Da, die höchste Gefahr, in der ich mich befand, erkennend, machte ich eine jähe, verzweifelte Anstrengung um ihn von mir zu schleudern; die Verzweiflung verlieh mir Riesenkräfte. Er fiel nach rückwärts und — ist nie wieder aufgestanden!"
„Tu hast ihn getötet, Vater?" hauchte Mary, während der Erzähler, anscheinend von Bewegung überwältigt, inne hielt.
Langsam richtete er das Haupt empor.
„Sage lieber, daß er sich selbst getötet hat, Mary. Sein wahnwitziger Zorn
hinderte ihn daran, irgend eine Erklärung von mir anzuhören. Er war mir nachgeschlichen, fest entschlossen, an mir Rache zu nehmen. Er verwickelte mich in einen Kampf auf Leben und Tod und zwang mich zur Selbstwehr. Wie ich später vernahm, hat er jahrelang an einen: Herzübel gelitten und die übergewaltige Heftigkeit, mit welcher er sich auf mich stürzte, führte sein Ende herbei. Als er starb, war seine Gesundheit bereits gänzlich untergraben."
„Dann bist Du also dennoch schuldlos, Vater?" fragte Mary, mit Anstrengung nach Worten ringend.
„Ja, mein Kind, ich bin schuldlos an seinem Tode," lautete die dumpfen Tones gegebene Antwort, „aber die Schwierigkeit bestand darin, die Menschen von dieser Schuldlosigkeit zu überzeugen. Ich hatte mich von dem Entsetzen über das Niederstürzen des Fremden noch nicht erholt, als laute Rufe an mein Ohr schlugen. Es waren Zeugen in der Nähe gewesen, welche unfern Kampf mit angesehen; man zieh mich des Mordes, und ich war schwach genug, vor Gericht einen andern Namen anzugeben, einzig aus dem Grunde, um die alte Familie der Roden nicht solcher Schmach auszusetzen."
„O, Vater!"
„Es war ein Fehler, den ich damit beging, ein verhängnisvoller Fehler," fuhr Herr von Roden nach einer Pause fort; „ich habe seitdem begreifen gelernt, daß jede Heimlichkeit ein Unrecht ist. Unter dem Namen Morton stand ich vor Gericht; der sachverständige Arzt, welcher seine Meinung abzugeben hatte, erklärte, daß die heftige Aufregung Arthur Lanc's Tod leicht herbeigeführt haben konnte, da das Herzleiden desselben bereits sehr weit gediehen gewesen sei. So würde man auch meiner Aussage Glauben geschenkt und mich frei gesprochen haben, wenn nicht ein Bruder des Toten gewissenlos genug gewesen wäre, falsches Zeugnis gegen mich abzulegen. Er sagte aus, daß er ein Zeuge unseres Kampfes und daß ich der Angreifer gewesen wäre; diese Aussage war für mich so verhängnisvoll, daß man mich verurteilte."
Mary schauderte heftig zusammen.
(Fortsetzung folgt.)