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Häuser im tiefsten Trauerschmuck. Die umflorten Kaiserbüsten sind mit Kornblumen geschmückt; an den Straßenübergängen befinden sich mächtige Flaggenstangen mit Guirlanden-Draperien. Am Uebergang der Friedrichsstraße ist ein großes baldachinartiges Zelt hergerichtet; die russische, österreichische und französische Botschaft ist auf das Prachtvollste dekoriert. Am Ausgang der Linden stehen mächtige Pfeiler mit umflorten Adlern, und so fortlaufend bis zum Brandenburger Thor. An den beiden Seiten des Platzes befinden sich kolossale Tribünen. Das Brandenburger Thor ist ganz schwarz behängen, an den Säulen sind Tannen- und Lorbeerverzierungen angebracht. Auf dem Platz vor dem Thor sind die rondelartig abschließenden mächtigen Kandelaber durch Guirlanden miteinander verbunden. Weitere Kandelaber finden sich bis zur Siegesallee, wo ebenfalls das Rondel zeltartig überdacht ist.
B erlin, 16. März, 4,Z nachm. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Die Trauerfeier fand nach vorgeschriebenem Ceremoniell statt. Der Kaiser, Moltke und Bismarck nahmen nicht teil. Trauerdekoration imposant. Der Zug währte eine Stunde. Gesamteindruck überwältigend.
Stuttgart, 15. März. Nach dem „Staatsanz." ist am Nachmittag des Todestages Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm folgendes Telegramm Seiner Majestät des nunmehrigen Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Friedrich in Villa Quarto eingetroffen:
„S. M. dem König von Württemberg. Quarto. Tief erschüttert durch die „eben eintreffende Kunde des Heimgangs meines geliebten Vaters reiche ich „Dir in alter Freundschaft die Hand, in diesem für mich und des Reiches „Angelegenheiten so wichtigen Augenblick fest auf Deine Gesinnungen rechnend. Friedrich."
Seine Majestät der König hatte, den Kaiser Friedrich schon auf der Reise vermuthend, dorthin Seiner Teilnahme Ausdruck gegeben und erwiderte sofort:
„S. M. dem Deutschen Kaiser. San Remo. Tief gerührt durch Dein „Telegramm lege ich meine Hand in die Deine in treuer verwandtschaftlicher Freundschaft. Zwei Telegramme von mir erwarten Dich in Berlin. „Gott schirme Dich auf Deinen Wegen. Kar l."
Stuttgart, 15. März. S. K. H. der Prinz Wilhelm hat heute morgen 8^4 Uhr Stuttgart verlassen, um sich in Begleitung des Hofmarschalls Frhrn. v. Plato und des persönlichen Adjutanten Premierlieutenant Bieber nach Berlin zu begeben.
Gages-Weuigkeiten.
§ Calw. Am Mittwoch abend hielt Hr. Missionsprediger Fritz imGeorgenäum vor einer zahlreich versammelten Zuhörerschaft einen Vortrag über „Kamerun und die dortigen Verhältnisse", in welchem er die Anwesenden für die Sache der Mission unter unfern schwarzen Mitbürgern in Afrika zu gewinnen suchte. Wir geben in dem Folgenden im wesentlichen den Inhalt des lehrreichen Vortrags wieder.
Am 21. Juli 1884 wurde in der Stadt des Königs Bell im Kamerunlande von dem Afrikaforscher vr. Nachtigal unter großem Jubel unserer dort ansäßigen Landsleute die deutsche Flagge gehißt. Das hiemit zur deutschen Kolonie erklärte Gebiet liegt an der Bucht von Biafra, dem innersten Teil des Meerbusens von Guinea, und der erste Anblick, welchen dasselbe dem nach langer, sechswöchiger Seefahrt von der Heimat kommenden Deutschen gewährt, ist ein äußerst vorteilhafter. Vor ihm liegt die Mündung des Kamerunflusses und das amphitheatralisch sich erhebende Kamerungebirge mit seinen von Dörfern und tropischen Pflanzen aller Art bedeckten Berghöhen, deren bedeutendste der Götterberg ist, während hinter ihm der mächtige Clarence-Pik auf der Insel Fernando Po über das Meer herübergrüßt. Fährt man den Kamerunfluß hinaus, so hat man auf der einen Seite ausgedehnte Ebenen, bedeckt mit Mangrove-Wäldern, die einen großen Teil des Jahres überschwemmt sind, und namentlich nach der zweimonatlichen Regenzeit den Herd der für Europäer so gefährlichen Fieber bilden; auf der andern Seite liegt das Kamerungebirge. An den Ufern des Flusses finden sich sodann die Negerdörfer, welche in ziemlicher Menge mit zum Teil recht anspruchsvollen Namen, wie „König Bells Stadt, König Aquas Stadt", vorhanden sind. Der Handel auf dem Kamerunflusse befand sich bis 1868 ausschließlich in den Händen der Engländer, jetzt überwiegend in den Händen deutscher Kaufleute. Die Angestellten der deutschen Faktoreien wohnen nicht auf dem Festland, sondern der kühlenden Seebrise wegen, die von morgens bis abends ununterbrochen weht, auf abgetackelten Schiffen, sog. Hulks. Die Artikel, mit denen Handel getrieben wird, sind teils Einfuhr- teils Ausfuhrartikel. Unter den letzteren steht oben an das Palmöl, welches aus den Früchten der Oelpalme, und zwar sowohl aus dem Fleisch derselben, als auch in neuerer Zeit aus dem Fruchtkern gewonnen wird; dann folgen Elfenbein (ein Elefantenzahn gilt 1060—1500 */L,) K a u t s ch u k, Kakao, Baumwolle und Pfeffer. Die Einfuhrartikel, welche zugleich als Tauschmittel dienen, denn die Eingeborenen haben keinerlei Art von barem Geld, sind Glasperlen, Baumwollstoffe, Pulver, Flinten, Tabak, Messer, Spiegel, Spieldosen, Harmonikas und bedauerlicherweise Branntwein. Der eingeführte Rum ist von denkbar schlechtester Qualität, indem der Preis eines Liters 15—2Y H beträgt, und wird in solchen Quantitäten genossen, daß manche Neger fast immer betrunken sind.
Für den Europäer ist der Aufenthalt in Kamerun keineswegs ein idyllischer zu nennen. Die außerordentlich hohe Temperatur, in Verbindung ?:nt den aus den sumpfigen Mangrove-Wäldern aufsteigenden giftigen Dünsten, zeugt allerlei Krankheiten, und während kein Europäer von den herrschenden ? ebern verschont bleibt, erliegen viele nur zu bald dem mörderischen Klima. . leidem finden sich noch andere Plagen vor, von denen nicht die geringste
7 außerordentlich lästigen Stechfliegen, der Moskitos, ist.
Die Bewohner von Kamerun zählen zu den Dualla-Negern,
einem kräftigen, kriegerischen, selbstbewußten Menschenschlag. Wie fast alle Neger leben sie sorglos in den Tag hinein, arbeiten nur, wenn sie müssen, wobei ihnen freilich die Fruchtbarkeit des Landes sehr zu statten kommt. Eine zwei Tage in der Woche beanspruchende Arbeit genügt, um alle Bedürfnisse der Eingeborenen für die übrige Zeit der Woche zu bestreiten. Durch Höflichkeit gegen die Weißen zeichnen sie sich nicht gerade aus, aber ein wohl- thuender Zug in ihrem Wesen ist ihre außerordentliche Gastfreundschaft. Zum Essen, bei welchem sie sich nur der natürlichen Werkzeuge der Finger bedienen, laden sie den Fremdling mit dem gutgemeinten, aber nicht sehr appetitlichen Spruche ein: „Deine Hand sei drin!" Die Duallas leben in Vielweiberei, ein Luxus, den sich jedoch »reist nur die Reicheren gestatten, während auf den Missionsstationen die Vielweiberei überhaupt nicht geduldet wird. Große Liebe haben die Neger zu Kindern, wie auch andererseits die Eltern und das Alter in hohem Ansehen stehen. Von einer eigentlichen Religion kann man beim Dualla nicht sprechen; aber die Zauberer haben starken und unheilvollen Einfluß. Besonders macht sich derselbe dann geltend, wenn ein Neger stirbt; denn das Eintreten eines solchen Ereignisses wird vielfach bösen Zaubertränken zugeschrieben. Der Tote wird unter großem Klagegeschrei in seiner Hütte selbst begraben, und nach dem Tod des Mannes verläßt die Witwe 4—6 Wochen ihr Haus nicht.
Von Missionaren kamen erstmals 1845 solche von den englischen Baptisten nach Kamerun. Als aber das Gebiet deutsche Kolonie geworden war, räumten die englischen Missionare das Feld und die Basler Mission nahm sich der Sache an. Jetzt sind 7—8 Missionare in der Stadt Viktoria und auf der Station Bethel am Kamerunflusse thätig. Einer der Missionare starb, nachdem er kaum einige Wochen im Lande gewesen war, und die Schwierigkeiten, die sich der Mission daselbst bieten, sind überhaupt groß. Die Kosten derselben betrugen im letzten Jahre 80,000 und in jedem kommenden Jahre dürsten 40,000 erforderlich sein. Der Hr. Redner forderte am Schluffe zum Beitritt zu einem in Stuttgart bestehenden Verein auf, dessen Zweck die Unterstützung der Mission unter unfern schwarzen Landsleuten ist.
Mit diesen Ausführungen, deren Inhalt wohl geeignet war, das Interesse an den deutschen Erwerbungen in Afrika wachzuhalten, hat sich der Hr. Redner den besten Dank seiner Zuhörer verdient.
* Calw, 16. März. Ein Trauertag für Alldeutschland ist heute angebrochen. Das ganze deutsche Volk in all seinen Städten und Dörfern trauert um den Hingeschiedenen edlen Friedensfürsten, den Begründer der deutschen Einheit und Größe, den vielgeliebten Kaiser Wilhelm, den Siegreichen. Ein tiefer Schmerz und ernste wehmutsvolle Teilnahme an dem für Deutschland so schweren Schlage durchzuckt die Herzen der gesamten deutschen Nation, Wie sehr Kaiser Wilhelm sich die höchste Hochachtung erworben und wie er in allen Kreisen der Bevölkerung, bei Hoch und Nieder, allverehrt und gefeiert ward, davon konnte sich jedermann überzeugen, der heute in unserer sich immer patriotischer zeigenden Stadt anwesend war. Allen Mitbürgern bot sich eine willkommene Gelegenheit, ihren schmerzlichen Gefühlen Ausdruck zu geben, durch Beteiligung an dem um 10 Uhr stattgefundenen Zug in die Kirche. Noch nie hat Calw einen so großen Trauerzug gesehen. Eröffnet wurden derselbe von sämtlichen Schulklassen, diesen schloßen sich die Staatsbeamten an, welche Trauerabzeichen trugen, ihnen folgten die militärischen Vereine (der Veteranen- und Militärverein), um ihrem obersten Kriegsherrn die letzte Ehrenpflicht zu erweisen, und nun reihten sich Liederkranz, Konkordia, Turnverein, Feuerwehr, die städtischen Kollegien und Beamte an; die Fahnen der Vereine waren mit Trauerabzeichen versehen. Unter den dumpf klagenden Klängen der Orgel trat der Zug in das Gotteshaus, welches von einer stillen andächtigen Menge dicht besetzt war. Fühlte doch jedermann das Bedürfnis, an heiliger Stätte Trost zu schöpfen aus dem teuren Gotteswort, das allein den Trauernden Linderung und Erleichterung in schwerer Zeit bringen kann. Der Kirchengesangverein sang zuerst den Bach'schem Choral „Ach Herr, laß Dein lieb' Engelein", worauf die Trauerversammlung in das Lied „Jesus meine Zuversicht" einsttmmte. Herr Dekan Braun hielt Hw Trauerpredigt über den Text Maleachi Kap. 2, Vers 5: „Denn mein 'Bund war mit ihm zum Leben und Frieden; und ich gab ihm die Furcht, daß er mich fürchtete und meinen Namen scheuste." In tief ergreifender und- zu Herzen gehender Rede wurden die Zuhörer an die letzten Stunden des Held'en- greises erinnert, als der Geistliche mit dem nun hohen Verblichenen tröstende und erquickende Worte sprach und ihn auf das Ende des Lebens mit heiß.em Gebet vorbereitete. Eine tiefe und allgemeine Teilnahme durchbebte bei d er Todesbotschaft ganz Deutschland, denn der selig Vollendete war ein Segen für das deutsche Volk. Er war ausgezeichnet durch Mannesmut, Liebe, Demut und seltene Pflichttreue, um seines Glaubens und seiner Treue willen hast er, wie man wohl sagen darf, die äußerste Stufe des Menschenalters erreicht; seine ganze Kraft hat er, obgleich Soldat durch und durch, für die Erhaltung des Friedens eingesetzt; mit heiligem Stolz erfüllt es uns, daß Gott uns diesen Mann geschenkt hat; er war ein ganzer Mann, ein edler Fürst, eiin tapferer Kriegsmann und ein treuer Freund seines Volkes. Mit ernsten und fürbittenden Worten wurde auch des neuen Kaisers Friedrich gedacht, der unter sehr schweren Umständen seine neue verantwortungsvolle Würde angetretün hat. Den besten Gruß können wir ihm entgegenbringen, wenn wir geloben: Wir wollen auch ihm dienen wie seinem Vater, wir wollen auch zu ihm vertrauensvoll aufsehen und unsere Wohlfahrt in seine Hände legen. Möge Gottes Gnade Kaiser Wilhelm geleiten auf die Gefilde der Seligen und ihn: die unvergängliche Krone des Lebens geben. Hierauf sangen die beiden Vereine Liederkranz und Konkordia den Choral „Wohl dir du Kind der Treue". Ein inniges Gebet und der Gemeindegesang „Ach bleib mit deiner Gnade", schloßen die erhabene Feier. Glockengeläute verkündet allen Bewohnern, dast der von den Alten bewunderte und von der Jugend begeistert verehrte erste' Deutsche Kaiser zur irdischen Ruhestätte bestattet wird. Sein Leib ist gestorben, sein Geist aber wird in unseren Herzen fortleben und seine Thaten werden in der deutschen Geschichte mit eherner Schrift eingegraben bleiben.
s:j Calw, 16. März. Eine einfache, aber mächtig ergreifende Gedächtnisfeier für Kaiser Wilhelm fand heute vormittag im Hörsaale des