Bloß (Sozdem.) bemerkt, die Sozialdemokraten seien, wie gegen alle Ausnahmegesetze, so auch gegen das Jesuitengesetz v. Staudy (Kons.): Die überwiegende Mehrheit der kons. Partei sei gegen die völlige Beseitigung des Jesuitengesetzes, ein Teil sei mit der teil­weisen Aufhebung einverstanden. Fürst Radziwill (Pole) spricht sich im Sinne des Abg. Spahn aus. Büsing (natl.) führt aus: Die Nationalliberalen halten namentlich die Aufrechterhaltung des grundlegenden Paragrafen 1 des Jesuitengesetzes für notwendig. Ein Teil stimme auch der Aufhebung des tz 2 zu. Abg. Schräder (frs. Vgg.) sagt ein Teil seiner Partei sei für die Aufhebung des ganzen Gesetzes, einige nur für die des 8 2. R i chter (frs. Vp.) erklärt, seine Partei sei einstimmig für die Aufhebung des 8 2. Bezügl. des tz 1 sei die Meinung der Partei geteilt. Bachem (Zlr.): Der Bundesral hat sich auf das Minimum beschränkt, das überhaupt denkbar ist. Der Staatssekretär gab namens des Reichs­kanzlers eine Erklärung ab und verschwand dann sofort. Wir müssen wieder in der 'Abwesenheit des Regierungsvertreters ver­handeln. (Gras Posadvwsky betritt den Saal. Heiterkeit.) Soll in der Jesuitenfrage nicht nach Recht und Gerechtigkeit verfahren werden? Fühlt der Reichskanzler nicht, wie er den Bundesrat und sich selbst bloßstellt, wenn er keinen anderen Grund hat, die Nichtstellungnahme des Bundesrates zu. motivieren, als die Be­sorgnisse der protestantischen Bevölkerung, die ihren Grund haben in früheren geschichtlichen Ereignissen. Thatsachen liegen nicht vor, nur Diskussionen Angriffe und berghohe Verleumdungen. Die Zusage des Bundesrats, noch in dieser Session Stellung zu nehmen, ist ja, nachdem wir 67 Jahre gewartet haben, überaus tröstlich. Wir werden aber mit der Thalsache rechnen müssen, daß der Bundes­rar jetzt noch immer nicht zu einer Stellungnahme kommt. Der Freimaurerorden hat viel mehr schwache Seiten vom Standpunkt des heurigen Rechts als der Jesuitenorden. Die Jesuiten können ohne Deutschland auskommen, denn die Welt ist groß, aber das deutsche Reich kann niemals ohne Einschränkung ein Rechtsstaat genannt werden, so lange eine Klasse von Staatsbürgern unter Ausnahmegesetzen leidet. Delsor (Elf.) erklärt Namens seiner Freunde sich für die Aushebung des Jesuitengesetzes. Stöcker (wild) beklagt die Gehässigkeit und Giftigkeit der Polemik zwischen den beiden christlichen Kirchen in Deutschland. Staatssekretär Graf v. Posadvwsky erklärte auf eine Bemerkung des soz.dem. Vor­redners Bloß, daß der Bundesrat kein Parlament sei, daß jedes Mitglied desselben nicht seine persönliche 'Ansicht vertrete, sondern lediglich das von seiner Regierung ihm vorgeschriebene Votum ab­gebe. Stach weiteren Bemerkungen der Abg. Bachem, Schräder und Stöcker wird die Besprechung geschlossen. Das Haus setzt die zweite Etatsberatung beim Reichsamt des' Innern^ fort. Abg. Stolle (Soz.) beschwert sich über die ungeheure Zahl von Ueber- stunden, welche die Verwaltungsbehörden zulassen während anderer­seits Tausende von 'Arbeitern brotlos umherlaufen; ferner über die Sonntagsarbeit, die Beschränkung des Versammlungsrechtes, die späte Berichterstattung über schwere Unfälle die Lehrlingszüchterei und die Ausbeulung der Kinderarbeit. Sächsischer Geheimrar Dr. Fischer nimmt seine Regierung gegen die Angriffe des Vorredners in Schutz. Abg. Paul i-PotSdam (Antis.) tritt für den Befähigungs­nachweis im Baugewerbe ein. Abg. Tr. Esche (natl.) spricht über die Zunahme des Alkoholkonsums und wünscht eine anderweitige Regelung der Bestimmungen über den Betrieb von Schankstätten. Hierauf vertagt sich das Haus. Morgen: Antrag Bassermann betr. kaufmännische Schiedsgerichte und Antrag betr. 'Abänderung des Wahlgesetzes. Ferner 2. Lesung des Toleranzantrages. Schluß 6 ,/. Uhr.

Berlin, 26. Jan. Präsident Graf Ballestrem teilt die Mandat­niederlegung des Abg. Puttkamer-Plauth mit. Bass er mann (natl.) begründet seinen Antrag, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch besondere den Amtsgerichten anzugliedernde Gerichte für Rechtsstreitigkeiten aus dem kau smännischenDienstver trag eingeführt werden sollen. Nach kurzer Beratung, wobei von Seilen der Regierung mitgekeilt wird, daß dem Reichstag ein entsprechender Gesetz­entwurf binnen kurzer Zeit vorgekegt werden' wird, wird der Antrag einer 14gliedrigen Kommission überwiesen. Es folgt sodann die Beratung der Anträge Rickert und Gröber betr. die Abänderung des Wahlgesetzes. Die Anträge bezwecken hauptsächlich die Sicherung des Wahlgeheimnisses. Für die Anträge sprechen sich Barth (freist Vereinigung) und Kirsch (Ztr.) aus. v. Tiedemann (Reichsp.) erklärt, die Reichspartei werde gegen die 'Anträge stimmen, halte aber eine Kommissionsberatung für er­wünscht. Komierowski (Pole) tritt für die Anträge ein. Bass ermann (nl.) befürwortet Kommissionsberatung. Auer > Soz.) spricht sich für die Anträge aus. Levetzow (kons.) ver­wirkt die 'Anträge. Wir halten an den Bestimmungen der Verfassung fest.^ Nachdem noch Beckh (freist Volkspartei) für die Anträge eingetreten ist, und nach einem kurzen Schlußwort Pachnickes, wird der 'Antrag Tiedemann abgelehnt. Tie Anträge Rickert und Gröber werden angenommen; ebenso in der zweiten unmittelbar sich an­schließenden, jedoch debaltelosen Beratung. Es folgt die zweite Beratung des sogenannten Toleranzantrags des Zentrums auf Grund des Kommifsionsberichtes.

Württembergischer Landtag.

r. Stuttgart, 28. Jan. Tie heutige Sitzung des Landtags, welche von Vizepräsident Dr. v. Kiene geleitet wurde, wurde mit der allgemeinen Debatte über den Nebenbahnengesetzentwurf aus­gefüllt. Berichterstatter über den allgemeinen Teil ist Abgeordneter Stockmayer, der den Inhalt des Entwurfes darlegte und dann die allgemeinen Gesichtspunkte besprach. Die Kommission sei davon ausgegangen, daß das Tempo, in dem seither Nebenbahnen in Württemberg gebaut worden seien, nicht verlangsamt werden dürfe. Alan werde allerdings zu Anlehensmitteln greifen müssen, da Rest­mittel nicht vorhanden seien. Er stellte' den Antrag, in die Be­ratung des Gesetzentwurfes einzutreten. Dr. Hartranft ist eben­falls der Meinung, daß mit dem Bau von Nebenbahnen nicht inne­gehalten werden dürfe. Er beniängelte, daß die Staatszuschüsse für Privatbahnen allmählich zu hoch werden, und hielt ein Klein­bahngesetz in Württemberg für notwendig. Er trat für das Schön- buch-Projekt ein, dessen baldige Verwirklichung erwünscht sei. Als er sich in allgemeinen verkehrspolitischen Erörterungen ergehen wollte, wurde er vom Vizepräsidenten zur Tagesordnung gerufen. Henning sprach seine Befriedigung über den Entwurf aus, ver­trat die Ansicht, daß die Thätigkeit der Privatgesellschafter ein­geschränkt werden sollte, und wünschte Ausdehnung des elektrischen Betriebes. Rembold-Gmünd bekennt sich ebenfalls als Freund der Vorlage. Hildebrand bekämpft die Vorlage, wünscht den Bau von Nebenbahnen nur durch den Staat und bemängelt die herrschende Systemlosigkeit im Bau von Bahnen. Als er die 'Ansicht aussprach, daß einige Abgeordnete ihre Haltung in der Gehaltsvorlage von den ihnen gemachten Zusagen betr. Nebenbahnen abhängig gemacht hätten, wurde er vom Vizepräsident zur Ordnung gerufen. Nieder trat für die Vorlage ein, ebenso Bantleon, der Aufschlüsse über die im vorigen Sommer stattgehabte Besprechung einiger Abgeordneten gab. Käß machte auf die gegenwärtige schwierige Finanzlage auf­merksam, die nicht geeignet sei zur Ausführung von Projekten, die nur mit Anlehensmitteln verwirklicht werden können. Er befür­wortet ebenfalls den Bau von. Nebenbahnen nur durch den Staat. Haußmami (Balingen- wünscht die Aufstellung eines festen Planes für den Nebenbahnbau und erner neuen Norm für Beteiligung von Privatunternehmungen am Bau solcher Bahnen Minister v. Soden legt den Standpunkt der Regierung dar, die nicht an eine Sistierung des Bahnbaus denke, wohl aber an eine Verlangsamung im Tempo. Staatsrat von Balz erweitert die 'Ausführungen des Ministers nach verschiedenen Richtungen und weist die von Len einzelnen Rednern gemachten Einwendungen und Porwürse zurück. Morgen wird die Beratung fortgesetzt. Tie Sitzung wurde um */,8 Uhr geschlossen.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt uud Land.

Nagold, 30. Januar.

Vom Rathaus. Die Stadtförsterei teilt mit, daß bei dem Derbstangen-Verkauf im Distrikt Killberg 771 ^ 40 gelöst wurden, was ein bedeutendes Mehr über den Revier­preis darstellt. Verlesen werden die vom Stadtbauamt ausgearbeiteten Verträge bezüglich der Kanalisationsarbeiten an der Waldachstraße mit WerkmeisterH. B e nz und bezüglich des Brechens von Steinen mit G. Hörrmann, K. Schuh und Mark. Süßer. Dieselben werden vomG.R. genehmigt. Eingelausen ist ein Baugesuch der K. Eisenbahnverwaltung zur Errichtung eines Wärterhäuschens an dem Ausweich­geleise beim Reichert'schen Sägewerk. Der G.R. beschließt, das Gesuch, gegen welches baugesetzlich nichts zu erinnern ist, dem K. Oberamt vorzulegen mit dem Bemerken, daß das Häuschen schon erstellt ist. Verlesen wird der vom Stadtbauamt vorgelegte Voranschlag der Kosten der Her­stellung der Langestraße in Höhe von 2910 ^ und die Bedingungen, zu welchen die notwendig werdenden Arbeiten vergeben werden; die bei Herstellung von Straßen rc. in Betracht kommenden Bedingungen liegen zur Einsicht auf. Die beiden ersteren Punkte, Koftenvoranschlag und Unter­nehmer-Bedingungen werden vom G.R. genehmigt. Wir führen daraus nur an: Termin für die Fertigstellung ist vom Beginn der Arbeiten an 4 Wochen bei einer Kon­ventionalstrafe von 5 ^ für jeden weiteren Arbeitstag; die Garantie ist auf 3 Jahre zu übernehmen. Behufs Ver­gebung der kleineren Arbeiten werden durch Circular die Offerte eingeholt. Der G.R. beschließt einen notwendig gewordenen Ventilbrunnen in der Haitcrbacherstraße bei Hydrant Nro. 17 mit einem Kostenvoranschlag von 300 ^ auszustellen. Mitgeteilt wird, daß Stadtbaumeister Lang den städtischen Taglöhner Geltendort wegen unbotmäßigen und widersetzlichen Benehmens entlasten mußte. Der G.R. nimmt davon Kenntnis. In einer Streitsache zwischen Bäcker Hiller und Schuhmacher Walz Witwe wegen ge­meinschaftlicher Benützung eines Handwägelchens kommt ein Vergleich zu stände, wornach Bäcker Hiller gegen Bezahlung von 5 ^ an Frau Walz das auf 10 ^ veranschlagte Wägelchen ganz in seinen Besitz bekommt. Mitgeteilt wird, daß bei einem Obstbaumreis-Verkauf 36 50 ^

gelöst wurden. Eingelaufen ist ein Erlaß vom K. Ober­amt, wonach bei dem bedeutenden Verkehr des wöchentlichen Schwememarkts nach den vcterinärpolizeilichen Vorschriften eine Überwachung der zugeführten Tiere durch den Ober- amtstierarzt geboten wird. Der G.R. nimmt davon Kenntnis und beschließt, die Mindesttaxe von 2 pro Markt auf die Stadtkasse zu übernehmen. Der G.R. nimmr weiter Kenntnis von der Bestellung des Wilhelm Gntekunst, Drehers, als Verwalter der Feuerlöschgeräte dmch den Ver­waltungsrat der freiw. Feuerwehr. Das Läuten der Glocken des alten Kirchturms an Sonn- und Festtagen wird durch geheime Abstimmung dem Mesner Beutler über­tragen. Damit ist die öffentliche Sitzung geschlossen.

Handelskanmierwahl. In der Sitzung der Calwer Handelskammer am Montag e:folgte die Zusammenstellung des Ergebnisses der am 22. Jan. vorgenommenen Handels- kammerer g ä n zun g sw ah l. Die durch das Los ausge- schüdelken Mitglieder Albert Koch, Fabr. in Rohrdorf, C. Commerell, Komm.Rat in Höfen und Jul. Stöffler, Fabr. iu Herrenberg wurden w eder gewählt und an Stelle des 1901 verst.-Gustav Münster, Kausm. in Freudenstadt der Fabr. Wilh.'Münster in Baierebronn. Die Wahlbe­teiligung war eine saiwache, es haben nur 22°/o der Wahl­berechtigten abxestirmm.

Vollmaringen, 28. Jan. Am Dienstagabend fand sich die Bürgerschaft in der Linde eil!, um dem nach 7ft-jähr., gesegneter Thätigkeit nach Ergenzingen beförderten Lehrer Fr. Katz, eine schöne Abschiedsfeier zu bereiten.

Hcrrcnbcrg, 28. Jan. Wegen Verdachts, den letzten Brand in Bondorf gelegt zu haben, ist am Montag der Bauer Jo Hs. Kegreiß von dort verhaftet und hier eingeliefert worden. Gleich nach dem Brande hatte man schon Verdacht auf Kegreiß, der sein Alibi durch falsche Angaben nachzuweisen versuchte, die sich nun als völlig un­wahr herausstellten.

r. Neusten, OA. Herrenberg, 29. Jan. Vorgestern mittag fiel der 8jährige Sohn des Taglöhners Stephan Sauter vom obersten Boden der Scheuer auf die Tenne herab und war nach wenigen Minuten eine Leiche.

Unterjesingen, 29. Jan. Am Montag obend um 9 Uhr brach Feuer aus; ein Gebäude mit zwei Wohnungen und vier Scheunenteilcn stand in Hellen Flammen. An eine Rettung des Brandobjekts war nicht zu denken und konnte die hiesige Feuerwehr nur mit äußerster Kraftanstrengung die Nachbargcbäude retten. Die Namen der Abgebrannten sind: Gottlob Göhring, Gottlob Reichert, Hermann Braun, Bernhard und I '' Friedrich Schnaidt.

Calw, 27. Iu... Bei der in der heutigen Sitzung der Handelskammer vorgenommenen Etatsberatung wurde, wie r. Jahr, eine Umlage von 1 von 1000 des betrags- gen Gewerbesteuerkapitals beschlossen. Mit dem ,) der Handelskammer Heidenheim auf gesetzlichen ! der kleineren Wechsel erklärte sich die hiesige z.». .. -.r einverstanden, jedoch nur insoweit, als es sich um Wechsel im Betrag von weniger als 50 handelt. Die Handelskammer Oldenburg hat an die Reichsregierung das Ersuchen gestellt, dahin zu wirken, daß in Fällen, wo dem Antrag auf Konkurseröffnung aus Mangel an Masfe- ..ntteln nicht stattgegeben werden kann, dieser Sachverhalt ans Staatskosten öffentlich bekannt gemacht wird. Die Kammer hat beschlossen, diesem vollständig begründeten Ge­

suche beizutreten. I» den Bestimmungen für Einrichtung und Benützung der Telephonanstalten war seither vorgesehen: Der Teilnehmer haftet der Verwaltung für den durch Vor­satz oder Fahrlässigkeit an den Telephoneinrichtungen ver­ursachten Schaden. Die Bestimmungen (II) vom Jahre 1901 enthalten nunmehr die Vorschrift:Der Teilnehmer haftet für die von ihm selbst oder von Anderen verschuldeten, sowie für alle durch Feuer verursachten Beschädigungen des Telephonanschlusses und seines Zubehörs, sowie für alle durch Diebstahl entstehenden Verluste innerhalb der Grenzen des angefchlossenen Grundstücks." Die Handelskammer Ravensburg hat in einer Eingabe an die Generaldirektion der Posten und Telegraphen gegen diese sehr erhebliche Aus­dehnung der Haftbarkeit der Telephonteilnehmer Vorstell­ung erhoben und ausgeführt, daß das verlangte Maß von Haftung zu weit gehe und unter den Telephonteilnehmern berechtigte Unzufriedenheit errege. Die hiesige Kammer er­klärt sich einverstanden mit den Ausführungen der Kammer in Ravensburg und der von ihr gestellten Bitte um Ab­änderung der derzeitigen Bestimmungen und Regelung ent­sprechend der gesetzlichen Haftung des Mieters, sowie Ueber- nahme der Versicherung gegen Feuersgefahr durch die Tele­phonverwaltung.

r. Calw, 28. Jan. In diesem Winter veranstaltete der Bezirks-Handels- und Gewerbeverein für Handwerkmeister und Gesellen einen unentgeltlichen Kurs in Buchführung. Zu diesem Unterricht wurde eine sehr tüchtige Kraft, der frühere Handelsschuldirektor Spöhrer, gewonnen; der Unter­richt wird von 88 Männern besucht.

Freudenstadt, 29. Jan. Der Grenzer schreibt gelegent­lich des 25jährigen Jubiläums von Stadtschultheiß Hart­ranft u. a. folgendes:

In ungeahntem Maße hat sich feit seinem Amts­antritt das Aussehen der Stadt geändert, der Wohlstand verbessert, Handel und Gewerbe gehoben. Als er die leitenden Zügel ergriff, war Freudenstadt ein in der weitern Welt wenig bekannter, infolge seiner abgeschiedenen Lage zurückgebliebener, von der Eisenbahn nicht berührter, von manchen Kreisen als eine Art Verbannungsplatz, ein Sibi­rien im Kleinen gefürchteter, von Fremden wenig besuchter Ort. Der Marktplatz befand sich in dem Zustand, wie ihn anno 1602 die Meisterhand Schickhardts hergestellt hat, ja in noch üblerer Verfassung. Dieser herrliche Raum, um den uns die größten Städte beneiden, war ein Ablagerungs­platz für alle möglichen und unmöglichen Dinge geworden. Holzbeugen und Schutthaufen, lebendes und totes Inventar lagen in bunter Mischung durch einander und die berühmten Wetten, welche dem großen Raum den Stempel des See­platzes aufdrückten, waren nicht bloß von behaglich grunzen­den Tieren, sondern auch von unbehaglich anmutenden Düften umgeben. Heute ist Freudenstadt ein Fremden­platz ersten Ranges, ein Glanzpunkt in dem schönen Kranze vielbesuchter Kurorte, eine Perle, oder wie Hans- jakob geschrieben hat, ein Nizza des schwäbischen Schwarz­walds, belebt namentlich im Sommer von Tausenden von Fremden, aufgesucht von Erholungsbedürftigen aller Art, gerühmt von jedem Besucher wegen seiner trefflichen Ein­richtungen und der ganzen Fülle von Behaglichkeit, die Gäste hi r finden. Alles in diesen 25 Jahren Geschaffene aufzuzählen von der Erbauung der Wasserleitung im Jahre 1878 bis zur Errichtung der elektrischen Zentrale im Jahr 1895, vom Durchbruch des Festungswalls anno 1878 bis zur Erstellung des Stadtbahnhofs am Schluffe des vorigen Jahres liegt nicht im Rahmen unseres Blattes. Mögen berufenere Männer in diesen Tagen austreten als Herolde seines erfolgreichen Schaffens!

r. Stuttgart, 27. Jan. Zu der Notiz des Einbruch­diebstahls im Kabinett S. M. des Königs, der vor einigen Wochen durch einen geistig nicht normalen Arbeiter ausge­führt wurde, erfahren wir, daß der Thäter des öfteren im K. Kabinett Vorgesprächen hat und dort in allerdings un­verständlicher Weise um Papiere, die ihm gehören sollten, Nachfrage hielt. Dabei wußte er sich in einem Behältnis steckende Schlüssel anzueigmn, mit denen es ihm später leicht war, den in hiesigen Blättern bekannt gemachten Diebstahl auszuführen.

r. Stuttgart, 27. Jan. (Todesfall). Der in hiesigen Kreisen bekannte nnd beliebte Buchhändler Adolf Schlegel im Königsbau ist am vergangenen Freitag nach längerem Leiden gestorben. Seine Leiche ist nach Heidelberg zur Feuerbestattung überführt worden.

r. Degerloch, 27. Jan. Die Eingemeindungsfrage hat hier auch wieder die Bauprojekte zwischen Stuttgart und Degerloch zur Sprache gebracht, wobei bekannt wurde, daß ein Konsortium von Kapitalisten den Gedanken der Ueberbauung der Neuen Weinsteige in thunlichster Bälde seiner Verwirklichung entgegenführen will. Es ist geplant, ein größeres Areal entlang der Neuen Weinsteige aufzu­kaufen mit dem Gedanken der Weiterführung der Wald- koionie, angrenzend an unser Villenviertel, in der Richtung nach Sillenbuch.

Gerichtssaal.

r. Stuttgart, 28. Jan. (Strafkammer.) Das Schöffen­gericht Eßlingen verurteilte die daselbst praktizierende, in Bern (Schweiz) mit dem Titel Doktor der Medizin (Or. mvä.) diplomierte Fräulein Karoline Breitinger wegen Uebertretung des § 147 Ziffer 3 der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 40 weil in 2 für Kunden aus­gestellten Rechnungen die WorteDiplomiert in Bern" weg­gelassen waren und sie sich nur kurzweg als Dr. meä. be­zeichnet hatte. Gegen das Urteil legten Frln. Breitinger, wie auch die K. Staatsanwaltschaft zu deren Ungunsten Be­rufung ft" Die Angeklagte wurde schon 2mal wegen ähn­licher Hebe tungen zu Geldstrafen von 15 und 25