In der großen transatlantischen Republik ist der Con« greß am Montag wieder zusammengetreten. In seiner Botschaft empfiehlt Präsident Cleveland eine weitere Herabsetzung des Tarifs, um der allzu- großen Anhäufung von Ueberschüssen im Schatzamt zu steuern! Glückliches Land, dieses Amerika! Mögen die Finanzminister der europäischen Staaten ausrufen, die kaum noch wissen, wie sie den Anforderungen, die Seitens ihrer Herren College» vom Kriege an den „Staatssäckel" gestellt werden, gerecht werden sollen! Wenn man auch bei uns in Deutschland einmal so recht aus dem Vollen schöpfen könnte.
Gages-Werrigkeiten.
(Amtliches.) Durch Beschluß der K. Regierung für den Schwarz« waldkreis vom 6. Dezember d. I. wurde David Keppler, Gemeindepfleger, von Oberreichenbach, OA. Calw, zum Schultheißen dieser Gemeinde ernannt.
Stuttgart, 7. Dez. Gestern abends 7 Uhr wurde der resign. Apotheker Esenwein in der Tübinger Straße von der Pferdebahn überfahren und blieb tot auf dem Platze. Der 75jährige alte Herr war etwas schwerhörig und mag sich über die Richtung des herannahenden Wagens getäuscht haben.
Ludwigsburg, 7. Dez. In der zur Gemeinde Hoheneck gehörenden Parzelle Schelmenthal brach heute früh um 3 Uhr Feuer aus, welches eine Scheuer mit ihren Vorräten vollständig einäscherte. Das anstoßende Hauptgebäude und das Vieh in den Ställen, sowie zahlreiche Bienenstöcke vor dem Hause konnten dank der schnell zur Hilfe stehenden Feuerwehren von Neckarweihingen und Hoheneck gerettet werden. Es wurde gleich von vornherein Brandstiftung vermutet und im Verlaufe des heutigen Tages wurde hier ein arbeitsloser Mann, der bis Ende letzter Woche in Hoheneck in Arbeit stand, als der Brandstiftung verdächtig, zur Haft gebracht. Derselbe hat seine That sofort eingestanden. Der Beschädigte ist Oekonom Chr. Schmid in Hoheneck.
Vaihingen a. E., 6. Dez. Heute früh 5 Uhr wurde unsere Feuerwehr allarmiert; es brannte in dem benachbarten Kleinglaltbach. Den gut organisierten Feuerwehren von Kleinglattbach. Ensingen und Vaihingen gelang es, das Element derart zu beherrschen, daß nur ein Gebäude zerstört wurde. Die Bewohner retteten kaum das nackte Leben. Brandstiftung wird vermutet.
Gmünd, 7. Dez. Ein dem Handelsstande angehörender junger Mann machte gestern einen Selbstmordversuch, indem er sich aus einem kleinen Revolver 5 Kugeln in den Leib schoß. Derselbe lebt noch und fand im Spital Aufnahme.
Ulm, 6. Dez. Da bei der Gemeinderatswahl von den 30'12 wahlberechtigten Bürgern nur 1434, somit weniger als die Hälfte abstimmten, so mußte auf Donnerstag eine Nachwahl anberaumt werden. — In der Waschanstalt des hiesigen Krankenhauses zersprang heute abend der schwere gußeiserne Mantel der in Betrieb gesetzten Waschwindmaschine aus bis jetzt nicht genau festgestellter Ursache und es wurden durch die mit größter Wucht umhergeschleuderten Essenstücke 3 Waschfrauen und 1 Heizer mehr oder weniger schwer verletzt. Dieselben sind in das Krankenhaus ausgenommen worden. — Heute wurde hier ein Schneidergeselle verhaftet, welcher früher hier in Arbeit gestanden hatte und bei einem hiesigen Uhrmacher auf den Namen seines früheren Meisters vier Uhren zur Auswahl holen wollte. Der Uhrmacher traute aber den Angaben des Burschen nicht und ließ diesen, nachdem der Betrugsversuch konstatiert war, verhaften.
Jsny, 4. Dez. Gestern abend hielt der von früher hier bekanntte Dr. WislicenuS aus Berlin, Generalsekretär der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, dahier einen Vortrag über das sehr zeitgemäße Thema „Der Kongostaat und die deutschen Kolonien". Reicher Beifall wurde dem gewandten Redner gespendet. — Auch einen musikalischen Genuß hatten wir in dieser Woche, indem das Karlsbader Quintett Pöpperl am
Mittwoch innerhalb der Museumsgesellschaft konzertierte. — Unsere Weiher sind dick zugefroren und bieten gute Gelegenheit für das Vergnügen des Schlittschuhlaufens.
Wevnrifchles.
— Zum Selbstmord des Dr. Jerusalem berichtet das „Leipz. Tagebl." noch, daß die Barmittel, die Jerusalem bei seinem Entweichen aus Leipzig mit fortgenommen hat, nur gering gewesen sind; nach seiner Angabe waren es nicht mehr als 800 Dagegen hat der andere der flüchtigen Direktoren, Winkelmann, sehr beträchtliche Gelder bei sich geführt. Beide, Jerusalem und Winkelmann, hatten sich verabredet, in Arad in Ungarn zusammenzutreffen und von dort aus gemeinschaftlich die weitere Flucht zu bewerkstelligen. Wer aber in Arad nicht erschien, war Winkelmann, und Jerusalem ist nach vergeblichem Warten allein in der Richtung nach Steiermark und Italien weitergereist; er scheint in der Angst und Aufregung, die ihn befallen, wahre Irrfahrten hin und her ohne jedes Ziel gemacht zu haben. Von Winckelmann fehlt noch jede Spur.
Ist „Philister" eine Beleidigung? Ueber diese Frage hatte sich das Schöffengericht in Hannover vor einigen Tagen schlüssig zu machen. Der Commis Alfred Th. hatte in einer Nacht mit diesem Worte einen Nachtwächter bezeichnet, als er von einer Abschiedskneiperei sich auf den Heimweg machte und seiner Stimme allzu lauten Ausdruck gab, was ihm der Hüter der Nachtruhe untersagte. Der Nachtwächter erblickte in dem ihm applizierten „Philister" eine Beleidigung und klagte. Der Verteidiger des Angeklagten führte aus, daß in dem Worte „Philister", das biblischen Ursprungs sei, keine Herabwürdigung liege; man müsse auf die studentische Bedeutung des Wortes und darauf Rücksicht nehmen, daß ein Nachtwächter, dessen Sinn mehr auf das „Praktische" gerichtet sei, für die „idealen" Anschauungen der Jugend kein Verständnis habe. Aber das Gericht teilte diese „ideale" Anschauung nicht, sondern stellte sich auf den Standpunkt des praktischen Nachtwächters und verurteilte den Angeklagten zu 15 Geldstrafe.
Der Zar als Gatte. Daß der Kaiser von Rußland, von seiner alles umfassenden Politik abgesehen, ein musterhafter Gatte und Vater ist, dürfte allgemein bekannt sein. Der Zar hat diesem seinem Rufe wieder einmal alle Ehre gemacht. Man schreibt der W. A. Ztg. aus Petersburg: „Die Zarewna feierte am 26. November ihren (vierzigsten) Geburtstag. Zu diesem Feste hatte der Kaiser seiner Gemahlin ein Kollier aus 40 großen Smaragden bestimmt. Um 40 Edelsteine der gleichen Gattung von tadelloser Schönheit und genügender Größe und Gleichmäßigkeit zu bekommen, reisten russische Agenten seit drei Vierteljahren in allen europäischen Städten umher. Die Sache mußte sehr geheim gehalten werden; denn wäre es bekannt geworden, daß man im russischen Kaiserhause nach Smaragden Umschau hält, wäre der Preis dieser Edelsteine sicher in unerhörter Weise gestiegen. Die Zarin, welche unter allen Souveräninnen das reichste Schmuckkästchen besitzt, war dennoch so entzückt über die Gabe, daß sie, das Halsband in der Hand, gleich einem Kinde im Salon herumtanzte."
Der Sonntagsschütze. Das noch niemals mit einem Preis gekrönte Mitglied einer Schützengesellschaft ging die Straße entlang, mit seinem Spazierstöckchen spielend. Plötzlich fliegt ihm letzeres aus der Hand und in die Spiegelscheibe eines Ladens, welche zertrümmert wird. „Das ist die einzige Scheibe, welche er je getroffen hat," äußerte ein Schützenbruder des Unglücklichen.
Gottesdienste, am Sonntag, den 11. Dezember 1887.
(3. Advent).
Vom Turme: Nro 94. Vormittagspredigt um '/-10 Uhr: Hr. Dekan Braun. Christenlehre mit den Söhnen um 1 Uhr in der Kirche. Nachmittagspredigt um 2 Uhr in der Kirche: Hr. Diakonatsverweser Vogt.
Eotteräieaste in cker Metkoäisteakapekke am Sonntag, den 11. Dez. 1887,
morgens '/-10 Uhr, abends 8 Uhr.
„Mir, mir fehlt gar nichts, ich habe nur Zahnschmerzen," antwortete ruhiger der Hauptmann.
„Zahnschmerzen? O, das thut mir leid. Aber Sie müssen nicht daran denken, dann vergehen sie; vielleicht können Sie schlafen, das hilft auch."
„Ja, ich will sehen, ob ich schlafen kann."
Er legte sich auf sein Lager, das ihm jetzt so hart und heiß und unbehaglich vorkam, daß er nicht eine Minute still liegen konnte. Er sah nach der Uhr, es war halb zwei. Er überdachte die endlose Reihe der Stationen, die er noch vor sich hatte, und auf jeder tönte ihm gewiß der nunmehr schon verhaßte Gruß entgegen. Es war zum Verzweifeln. Er überlegte, was er thun könne, um sich der ewigen Störung zu entziehen, aber es fiel ihm nichts ein, was irgendwie helfen konnte. Einm Augenblick dachte er daran, auf der nächsten Station auszusteigen und morgen weiterzufahren; dann aber verwarf er den Plan wieder. Was sollten auch die Kameraden von ihm denken, wenn er so plötzlich in der Nacht seine Reise unterbrach.
Er schlug die Vorhänge des Fensters in dem Schlafkoupee auseinander und blickte in die Nacht hinaus. Von ferne schimmerten Lichter; das war gewiß schon der nächste Bahnhof. Er sprang auf und griff nach dem Schlafrock. Er kam gerade noch recht, um das Fenster öffnen zu können, als der Zug in den Bahnhof einlief.
„Station Gelnhausen, eine Minute!"
Aus dem Schatten des Bahnhofsgebäudes löste sich eine Gestalt in Uniform und schritt auf den Schaffner zu.
„Hier, hier bin ich," brüllte mit Stentorstimme der Hauptmann, sodaß der Beamte erstaunt seine Schritte nach der Richtung des Schlafwagens lenkte.
„Herr Hauptmann von —?"
„Jawohl, es ist gut, ich weiß Alles. Gehen Sie schlafen und lassen Sie mich auch schlafen."
Damit schlug der Hauptmann das Fenster zu und stürmte in's Koupee zurück,
während sich der Zug in Bewegung setzte und der zurückbleibende Beamte stumm und starr dem davoneilenden Train wie einer Erscheinung nachschaute.
Händeringend lief der Hauptmann im Koupee auf und ab. „O, das ist zu viel, das kann kein Teufel aushalten, ich ermorde ihn, wenn ich ihn kriege", stöhnte er.
„Hören Sie mal, Esebeck, Sie sollten stets ein Mittel gegen den Zahnschmerz mit sich führen, wenn Sie so sehr daran leiden", sagte der Oberstwachmeister; „Zahntinktur, Nelkenöl, spanische Fliegen und etwas Watte."
„Der Teufel hole die Mittel und den Zahnschmerz dazu, wenn ich nur schlafen könnte; Opium, Opium könnte mich retten. Heiliges Schockschwernotdonnerwetter, ich werde noch verrückt."
Aus dem Bette Wiedenbrück's, das unweit dem des Oberstwachmeisters stand, ließ sich jetzt ein seltsames Glucksen und Schluchzen vernehmen, ein Knurren und Brummen, und plötzlich erscholl ein brausendes Gelächter in dem stillen kleinen Raum, daß der Hauptmann erschreckt stehen blieb.
„Was ist denn dem da?" fragte der Hauptmann.
„O nichts, er träumt wahrscheinlich", antwortete kaltblütig der Oberstwachtmeister, und Wiedenbrück legte sich auf die andere Seite, drückte seinen Kopf in die Kiffen und steckte einen Zipfel seiner Bettdecke in den Mund.
Der Hauptmann war viel zu wütend, als daß er jetzt hätte schlafen können. Er trat in das Vorkabinet und lehnte sich zum Fenster hinaus. Inzwischen hatte der Oberstwachtmeister sein Notizbuch und aus demselben die „Tafelrunde" hervorgezogen und alle die Vorfälle notiert.
„Wiedenbrück, wir haben ihn schon, meinen Sie nicht auch", sagte er.
„Er geht wenigstens mit Riesenschritten seinem Verhängnis, der Lage Champagner, entgegen", war die Antwort.
(Fortsetzung folgt.)