Hcrges-WeirigkerLen.

* Calw, 28. Nov. Wie alljährlich am Adventsfest feierte am gestrigen Sonntag der Kirchengesangverein den Eintritt in das neue Kirchenjahr mit einer Aufführung in der Stadtkirche. Dem Konzert lag der Gedanke zu gründe, verschiedene Tonstücke von der Entwicklung der kirchlichen Musik an bis auf unsere Zeit zu Gehör zu bringen. Daß die Auswahl bei den vielen vorhandenen Kompositionen unvollständig war, liegt in der Sache selbst; ein Fortschritt in der Bearbeitung und Ausschmückung der musikalischen Werke in einer Zeit von nahezu 400 Jahren konnte jedoch leicht verkannt werden. Nach einemVorspiel für die Orgel" trat der Chor, dem die Hauptaufgabe zufiel, mit dem alten liturgischen, innig ergreifenden GesangDie Einsetzungs­worte des heiligen Abendmahls" auf. Diesem folgte ein lateinisch gesungener, einfacher, aber sehr klangvoller, dem Text vollständig sich anschmiegender ChorImproporis". Unter den sonstigen Nummern heben wir besonders noch den majestätischen ChoralWachet auf" von Prätorius, das eindrucks­volle LiedEr ist genug" von Ahle und den tief religiösen, seelenvollen Chor Und es ward Finsternis" von Haydn hervor. Die Chöre gingen im all­gemeinen sicher und präzis und wurden auch mit wirklichem Verständnis vor­getragen. Wirksam unterstützt wurde der Verein durch Frl. Fanny Staelin und Hrn. Vinyon; letzterer hatte die Orgelbegleitung übernommen, ebenso trug er außer dem oben genannten Vorspiel noch zwei Fantasien über den ChoralWas Gott thut" undEin feste Burg" in gewohnter, sachverständiger und gewandter Weise vor. Erster« sang mit frischer, ansprechender und klang­voller Stimme und schönem Vortrag drei LiederAuf Christi Begräbnis" von Schop,Ergebung" von Pachelbel undGeistliches Lied"- von Mendels­sohn-Bartholdy. Das Konzert war, da der Eintritt für jedermann frei war, zahlreich besucht und allgemein befriedigend.

Stuttgart, 25. Nov. (Landgericht.) Gestern wurde der 17jährige Schuhmacherlehrling Franz X. Kail von Neuhausen a. F. wegen Gottes, lästerung zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt. Die Verhandlung wurde im Interesse der Sittlichkeit unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt. Wegen Betrugs standen die Gebrüder Gustav und Emil Besch hier vor Gericht. Beide waren früher Schullehrer gewesen, der erstere ist jetzt Klavierlehrer, der zweite Klavierreparateur und Stimmer. Emil Besch hatte vor längerer Zeit von Ad. Wagner hier ein Klavier gemietet, das 780 wert war und welches er für 350 im Leihhause versetzte. Später kam er mit seinem Bruder zu dem Klavierhändler und -Verleiher Blaich hier und mietete von dessen Frau ein Klavier im Werte von 550 das sie gar nicht erst in ihre Wohnung, sondern sofort ins Leihhaus bringen ließen und für 300 versetzten. Dem energischen Eingreifen Blaichs gelang es, nach einem Monat das Klavier wieder zu bekommen. Die beiden Angeklagten suchten die Sache so darzustellen, als hätte Emil Besch das Klavier gekauft; unterwegs habe es Gustav B. seinem Bruder abgekauft, und da er gerade Geld brauchte, versetzt. Staatsanwalt Herrschner beantragte mit Rücksicht auf die hohen Beträge, sowie die Raffiniertheit und Frechheit des Betrugs gegen Emil B. 9 Monate, gegen Gustav B. 6 Monate Gefängnis. Gegen letzteren ist noch eine Untersuchung beim Landgericht Tübingen wegen Er- Pressung und Unterschlagung anhängig. Das Urteil der Strafkammer lautete gegen Emil B. 9 Monate, gegen Gustav B. 5 Monate Gefängnis. Der erst 13 jährige Carl Schick von Höfen, Oberamts Waiblingen, welcher dreimal nacheinander in das benachbarte Haus des dortigen Gemeinde­pflegers eingedrungen und aus einer Kindersparbüchse kleinere Beträge ent­wendet hat, wurde heute von der Strafkammer II wegen schweren Diebstahls zu 2 Monaten Gefängnis, zu erstehen in der Abteilung für jugendliche Ver­brecher in Heilbronn, verurteilt. Außerdem hat er seiner Zeit bei Betreffen auf frischer That die übliche Tracht Schläge erhalten.

Winnenden, 25. Nov. Gestern früh legte sich, wie wir dem Winn. W. entnehmen, der Amtsdiener Jäger von Hohenacker in der Nähe des Erbachhofs auf das Bahngeleise. Er wurde vom Frühzuge überfahren und gräßlich verstümmelt tot aufgefunden und in seine Wohnung gebracht. Ueber das Motiv der That ist nichts Sicheres bekannt.

Bissingen a. d. E., 23. Nov. Letzten Montag nacht entfernte

sich laut Ludw. Ztg. der 17 Jahre alte Sohn eines hiesigen Kaufmanns, mit ziemlich viel Geld versehen, vom Hause, um, wie er hinterließ, sein Glück in Amerika zu suchen und nie mehr zurückzukehren; die Eltern werden sehr bedauert.

Ulm, 24. Nov. In Neu-Ulm schoß sich heute mittag ein älterer Mann hart am Ufer der Donau mit einem Revolver in den Kopf. Die Kugel blieb im Hinterkopf stecken, war aber nicht tödlich. Nach Abgabe des Schusses fiel der Lebensmüde in die Donau; einige am Ufer beschäftigte Arbeiter zogen ihn jedoch wieder heraus und veranlaßten seine Ueberführung in das Neu-Ulmer Krankenhaus, wo er bei seiner Vernehmung angab, ein Weingärtner Namens K. aus Gablenberg bei Stuttgart zu sein.

Ehingen a. D., 24. Nov. In einem der hiesigen Stiftung ge­hörigen Steinbruch, unweit der Stadt, wurden neulich auf Veranlassung des Stadtvorstandes unter der Leitung des Reallehrers Gaus Nachforschungen nach Cement angestellt, welche zu dem günstigen Resultat führten, daß schon mit 4 Meter Abraum ein ausgedehntes Portland-Cementlager gefunden wurde. Die arbeitende Klasse, welche über die Winterszeit vielfach mit Arbeitsnot zu kämpfen hatte, ist zu diesem Fund zu beglückwünschen, nicht minder aber die städtische Verwaltung, welcher die Schwester-Stiftung, wenn es sich um Unterstützungen handelte, mit ihren Ueberschüssen schon so manch­mal zu Hilfe gekommen ist. Gestern abend wurde durch zwei Fischer in der Donau ein männlicher Leichnam gefunden, welcher erst kurze Zeit im Wasser gelegen sein mag. Die Identität der Leiche ist noch nicht festgestellt. In Munderkingen hat sich ein Metzgerlehrling das Leben genom­men. Die Motive sind noch nicht bekannt.

Wevmischtes.

Unheimliche Beute. Ein Sohn des Königs von Schweden, der gegenwärtig in Paris weilt, um dort die Malerei zu studieren, wohnte vor einigen Tagen im Gehölze von Gouvieux einer Jagd bei. Der Prinz hatte, so erzählt die W. A. Ztg., die Spur eines Wildes durch mehrere Gebüsche verfolgt, die Jagd war bereits zu Ende und man harrte lange ver­gebens der Rückkehr des Prinzen. Endlich erschien er mit totenbleichem Gesicht und legte etwas, das in seinen Mantel gehüllt war, auf den Boden, indem er mit bebender Stimme sagte:Das habe ich erjagt." Man schlug den Mantel zurück und sah sich dem Leichnam eines schönen jungen Mädchens gegenüber, der noch den Strick um den Hals trug, mit dem sich die Aermste an einem Baume erhenkt hatte. Der Prinz schildert das Entsetzen, das er empfunden, als er plötzlich den hängenden Körper bemerkte, dessen Haare und Gewänder unheimlich im Winde flatterten.

Die verzollten Chinesen. Das kürzlich seitens des kanadi­schen Parlaments erlassene Gesetz, welchem zufolge auf jeden importierten Chinesen ein Zoll von 100 Dollars entrichtet werden muß, hat kürzlich in Montreal zu einer' gelungenen Scene geführt. Im dortigen Hafen traf am 1. November ein Barkschiff ein, auf welchem der Koch und Kajütsaufwärter Chinesen waren. Der Kapitän des Fahrzeuges, welcher von dem betreffenden Gesetz nichts wußte, war sehr entrüstet, als die Zollbeamten von ihm die Verzollung der beiden Mongolen verlangten, sah sich indessen schließlich, als seine beiden, für seine leibliche Pflege sorgenden Untergebenen unterZoll­verschluß" gebracht, d. h. von Zollbeamten arretiert und festgehalten wurden, gezwungen, 100 Dollars für jeden Zopfträger zu entrichten.

Mitgeteilt von dem konzessionierten Bezirks-Agenten Ernst Schall in Calw: Der Schnelldampfer Aller vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 16. Nov. von Bremen abgegarigen war, ist am 25. Nov. 1 Uhr mittags wohlbehalten in New-Aork angekommen.

^111-4 «»1- Hauptorgan der liberalen Partei Süddeutsch­st lands, durch eigene Korrespondenten und täglich

einlaufende zahlreiche und ausführliche Depeschen über alle wichtigen Vorgänge unter­richtet. Der Beizug geeigneter neuer Kräfte wird das Journal mehr und mehr zu einem der interessantesten Blätter machen, welches allen Bedürfnissen und Anforderungen gebildeter Kreise in politischen und wirtschaftlichen Fragen in ge­diegener und allgemein verständlicher Weise zu entsprechen bemüht sein wird.

Aufnesteln der ersten Haspe, die die schneeweißen, runden Schultern entblößte und die zweite wagte er nicht zu berühren. Er warf sich Josephine zu Füßen und gestand ihr, daß er kein Mädchen, sondern ein Mann, der verfolgte, unglückliche Saint-Creux sei.

Entsetzen ergriff die Gräfin bei dieser Enthüllung. Was sollte sie thun? Weist sie den Mann hinaus, den sie als Dichter ehren und schätzen gelernt, so über­liefert sie ihn den Händen seiner Feinde, den Feinden einen ihrer eifrigsten Partei­genossen; behält sie ihn aber in dieser Verkleidung bei sich, so ist ihr Ruf, ihre Ehre dahin, wenn der Sachverhalt früher oder später, ob durch Freunde oder Feinde ent­deckt wird.

Die edle Frau hatte ihren Entschluß bald gefaßt. Sie hatte die Wahl, ent­weder dm Flüchtling oder sich selbst zu opfern. Und sie opferte den Flüchtling nicht.

Sie hieß Saint-Creux in's Nebenzimmer zu gehen und dort zu bleiben. Es soll für die Zukunft den Anschein haben, als wäre es ihre Kammerdienerin; sie wird sich bemühen, die Hilfe einer solchen entbehrlich zu machen.

Damit schloß sie sich in ihr Schlafgemach ein, welches an das des Dichters stieß.

Die Gräfin war nicht gewöhnt, sich selbst zu kämmen. Sie hatte schönes, langes, blondes Haar, welches den Boden fegte, wenn sie sich niedersetzte. Sie ver­mochte mit demselben nicht zurechtzukommen. Was that sie also? Sie nahm eine Scheere und schnitt sich das prächtige Haar ab. Als ihre Bekannten sie fragten, wes­halb sie dies gethan, sagte sie, es sei ihrer häufigen Migraine wegen geschehen. Sait-Creux aber wußte, daß es seinethalben geschehen sei.

Zuweilen, wmn sie in der Einsamkeit keine Ueberraschung zu befürchten hatten, berichtete Saint-Creux über die Widerwärtigkeiten, die sein Leben betroffen und Jo- sesine erkannte, daß unter dem bretagnischen Mieder ein echtes, rechtes Männerherz poche, welches warm für alles Edle und Schöne schlägt. Und die Gräfin wünschte selbst in die Reihe dieser edlen Gedanken einzutreten.

Allmählich entwickelte sich ein vertrauliches Verhältnis zwischen ihnen, welches um so süßer war, als die Gefahr sie zwang, vorsichtig zu sein. Bald hatte auch Jo­sefine einen Plan entworfen, gemeinschaftlich nach England zu entfliehen und dort den Ausgang des Scheidungsprozesses abzuwarten, welchen nach einer solchen Be­gebenheit sicherlich auch noch andere urgieren werden. Ist der Prozeß einmal be­endet, so wollten sie mit einander den Bund der Ehe eingehen.

Indessen erregten vielleicht gerade die kleinen Vorbereitungen zur Ausführung dieses Planes den Argwohn der die Gräfin umlauernden Spione; eines Abends traf völlig unerwartet eine Abteilung der berittenen Munizipalgarde vor dem Schlosse ein und besetzte alle Ausgänge.

Zum Glücke waren die Thore bereits geschlossen und die Soldaten konnten die Inwohner nicht gerade jählings überfallen, denen wenige Minuten zu ihrer Sammlung gegönnt blieben.

Josephine erfaßte Saint-Creux; bei der Hand und zog ihn hastig in ihr Schlaf­zimmer, wo sie an eine einförmige Verzierung an dem goldenen Rahmen eines großen Wandspiegels drückte, worauf sich der Spiegel langsam hinwegdrehte und eine sich hinter ihm befindliche Nische frei gab.

Hierher verbirg Dich", sprach die Gräfin zu Saint-Creux;und bleibe hier, bis die Späher abgezogen sind. Wenn Du über Deinen Kopf greifst, wirst Du eine seidene Schnur finden, an welcher Du ziehen mußt, denn dadurch wird die Klappe geöffnet, durch die frische Luft Zutritt erhält. Die Klappe muß gewöhnlich geschlossen sein, sonst würden Fledermäuse eindringen und durch ihr Kreischen das Versteck ver­raten, in welchem einmal bereits Marquis Gaston anderhalb Tage lang verborgen war, als ihn die Hugenotten verfolgten. Von hier entfloh er auch weiter."

(Schluß folgt.)