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Htages-Werrigkeiten.

Calw, 6. Nov. Der gestern stattgehabte Feuerwehrball im bad. Hof hier war sehr gut besucht und verlief in heiterer Stimmung ohne jegliche Störung. Die Mitglieder hatten es zustande gebracht, daß dem verdienten Kommandanten des Korps, Hrn. E. Georgii, wie seinem Adjutanten, Hrn. C. A. Bub, zum 25jährizen Jubiläum als Andenken je ein silberner Pokal überreicht werden konnten. Die gediegen und geschmack­voll ausgeführten Geschenke, welche aus der Metallwarenfabrik Geislingen stammen, wurden den beiden Jubilaren unter einer Ansprache von Hrn. E. Zoepp ritz zeremoniell überreicht, worauf dieselben in herrlichen Worten ihren Dank abstatteten. Nach diesem feiert. Akte folgte ein extra eingelegtes Tänz­chen für die älteren mit dem Dienstehrenzeichen dekorierten Mitglieder, welche von dieser Gelegenheit in ausgiebiger Weise Gebrauch machten. War schon dies geeignet, die freudige Stimmung zu erhöhen, so trug noch der schön dekorierte Saal, die vollzählige Musik u. s. w. bei, den Abend zu einem heiteren zu gestalten und dürfte wohl kein Teilnehmer den zur Feier des 25jährigen Bestehens der hiesigen freiwilligen Feuerwehr arrangierten Ball unbefriedigt verlassen haben.

Leonberg, 3. Nov. In einer hiesigen Familie bügelten Mutter und Tochter bei geschloffenen Fenstern und Thüren längere Zeit mit Kohlen- bügeleisen. Ohne die Ursache zu erkennen, empfand die Tochter infolge des Einatmens von Kohlendunst auf einmal starkes Uebelsein und stürzte weiterhin zum Schrecken ihrer Angehörigen plötzlich vollständig betäubt auf den Zimmerboden und verfiel in einen Zustand der Bewußtlosigkeit, aus dem sie erst nach etwa einer halben Stunde wieder erwachte. Es dürfte dieses Vorkommnis wieder eine Lehre sein, daß es sich bei längerem Bügeln mit Kohlenbügeleisen empfiehlt, wenigstens von Zeit zu Zeit ein Fenster oder eine Thüre zum Bügelzimmer zu öffnen, um das Entweichen der sich ent­wickelnden giftigen Gase zu ermöglichen.

Stuttgart, 4. Noo. (Landgericht.) Der 27jährige Fuhr- knecht Fr. Wahl von Cannstatt war beschuldigt, durch zu rasches Fahren auf der Straße zwischen Cannstatt und Berg am 28. Mai d. I. einen jungen Menschen derart beschädigt zu haben, daß dieser eine längere Zeit zur Heilung erfordernde Armverbiegung davontrug. Es stellte sich jedoch heraus, daß der Unfall lediglich eigener Unachtsamkeit zuzuschreiben ist, weshalb die Freisprech­ung des Angeklagten erfolgte.

Stuttgart. In Betreff der Briefsendung an Soldaten, welche im aktiven Dienste stehen, soll, wie die U. S. schreibt, eine neue E inricht, ung getroffen werden. Die bisher übliche BezeichnungSoldatenbrief Eigene Angelegenheit des Empfängers", welche die portofreie Beförderung der Sendung bedeutet, fällt weg. Statt dessen werden Soldatenbriefe mit Briefmarken beklebt, welche an diese verteilt und von diesen an ihre Ange­hörigen resp. an Personen, mit denen sie in Briefverkehr stehen, verschickt werden.

Tübingen, 3. Nov. Heute Vormittag um 9 Uhr erschien der 1. Staatsanwalt Scheurlen mit dem Schwurgerichtsschreiber Sekr. Gaiser im Gefängnis, um der Mörderin Franziska Langheinz die kgl. Ent- schließung mitzuteilen. Nachdem diese durch den Gerichtsschreiber verlesen war, soll die Mörderin nicht verstanden haben, um was es sich handelt. Es wurde daher das kgl. Dekret ihr wiederholt vorgelesen und auch dann ver­stand sie den Ernst der Sache nicht. Erst als ihr dann von dem 1. Staats­anwalt gesagt wurde, sie müsse ihr Leben lassen, soll sie gerufen haben: So also muß ich doch sterben und habe doch immer geglaubt, ich werde begnadigt. Ja, ja, so hat mein Kind auch leiden müssen. Die bei ihr befindliche barm- herzige Schwester tröstete sie sodann und die Mörderin wurde ruhiger. Gestern hat sie gebeichtet, heute früh kommuniziert. (Das am Samstag noch von div. Zeitungen über die Hinrichtung gemeldete Telegramm lautete:Die Mörderin starb reumütig und gefaßt.")

Vom unteren Neckar, 3. Nov. Ein schreckliches Unglück er­

eignete sich heute mittag in der Schleifmühle Neckarau unterhalb Neckar­gartach. Der Besitzer, Johann Rauschenbach, wurde von einem Stück, eines zerspringenden Schleifsteines am Bein getroffen und ihm die Pulsader abgerissen, sodaß er nach 10 Minuten infolge Verblutung starb. Der Verunglückte hinterläßt eine Wittwe und 9 Kinder im Alter von 6 Wochen bis 16 Jahren.

Riedlingen, 2. Novbr. Der 9jährige Sohn eines vermöglichen Bauern in Dürnau erlag vor wenigen Tagen der Folge eines Falles unter den leeren mit zwei Pferden bespannten Wagen seines Vaters. Dieser Knabe schien von einem besonderen Verhängnis verfolgt. Vor etwa 1 Jahr fiel er dem Dienstknecht seines Vaters, dem er durch Mähen behilflich war, in die Sense, wobei ihm ein Teil der Nase durchhauen wurde. Kaum war die Heilung glücklich gelungen, als der Junge beim Maikäfersammeln von dem Baume siel und mit dem unteren Teil des Kinns an einem Ast hängen blieb, bis er durch seine Kameraden durch langes Schütteln befreit wurde (!?). Nicht lange darauf hatte der Knabe in dem obersten Teil der mit Stroh gefüllten Scheuer seines Vaters zu schaffen, glitt aus und geriet ins Ober­lingloch, verwickelte sich in den Schlaufen des Scheurenseils und blieb darin aufgehängt, bis man ihn auf sein Hilferufen aus der Umstrickung erlöste. Der letzte und 4. Fall endigte mit dem Tode.

DerOberschw. Anz." berichtet aus Waldsee: An Allerheiligen hatte der Fürst!. Forstwart Bauer von Hopfenweiler ein ernstes Zu­sammentreffen mit zwei verwegenen Wilddieben, welche den ganzen Tag über in den Fürst!. Waldungen gejagd und die Frechheit hatten, ganz in der Nähe des Forsthauses nach dem Wild zu schießen. Der Forstwart, der die beiden Wilderer bei dem Anstand überraschte, kam hiebei in große Gefahr, weil beide auf ihn anlegten und ihn tot zu schießen drohten, wenn er Weiteres gegen sie unternehme. Der eine der beiden ist ein schon viel be­strafter Dienstknecht Preis von Reuthe und dem Forstschutzpersonal als gefürchteter Wilderer allgemein bekannt. Dessen noch jugendlicher Genosse Haas aus Wurzach ist wohl der Verführte. Auch im fürstl. Wolfegg- schen Walde Höllholz bei Haslach wurde lautArgenb." durch 3 Forstbeamte und einen Landjäger ein Wilderer, der schon zweimal wegen Wilddieberei bestrafte Taver Funck aus Schnürpflingen, OA. LaupheimS, bei Ausübung unberechtigten Jagens ertappt.

Freiburg, 5. Nov. Vorgestern wurde hier durch den Staatsanwalt, den Untersuchungsrichter und einige Kriminalschutzleute bei drei Sozial­demokraten Haussuchung gehalten. Das Ergebnis scheint ein für die Betreffenden gravierendes gewesen zu sein, denn die Sozialdemokraten wurden sofort in Haft genommen. Ein weiterer Gesinnungsgenosse der Verhafteten wurde gestern eingezogen. Es handelt sich um die Verbreit­ung sozialistischer Schriften, die dem Vernehmen nach den nunmehr unter An­klage Gestellten durch einen Bahnbediensteten aus der Schweiz vermittelt wurden.

Lindau, 3. Nov. Die Hebung des versunkenen DampfersStadt Lindau" geht langsamer von Statten, als man anfänglich geglaubt hatte. Während es bereits gelang, das Hinterteil des verunglückten Schiffes ein gutes Stück zu heben, blieb die vordere Hälfte, welche die Maschinen enthält, zurück. Eine gleichmäßige Hebung muß aber erreicht werden, deshalb hat man neuerdings zwei weitere Schleppschiffe zu beiden Seiten des Vorderteils derStadt Lindau" aufgestellt. Hiedurch wird der Hebungseffekt wesentlich gesteigert werden, da nun 4 Schleppschiffe an Ort und Stelle sind. Anfangs waren zwei große, mit eisernen Schienen und Tragbalken überbrückte Schlepp­schiffe an den Breitseiten des verunglückten Schiffes so aufgestellt, daß das­selbe vermittelst Ketten an den Balken befestigt werden konnte. Diesen beiden großen Schleppschiffe hat man, nachdem sich erwiesen hat, daß sie nicht allein im Stande waren, das Schiff zu heben, zwei weitere, überschiente kleinere Fahrzeuge beigesellt, die am Schiffsschnabel aufgestellt sind. Diese vier Schlepp-

Adoptieren?" ,

Ja, er glaubt natürlich, ich allein habe Rechte auf den Kleinen, und er hat ! mir versprochen, er wolle Hans eine sehr gute Erziehung geben, wenn ich ihm den­selben überließe, denn er habe es in der Hand viel Geld zu verdienen. Jeden Tag sucht er von neuem mich zu überreden, und gestern sagte er, wenn ich es wünsche, wolle er hier seinen bleibenden Wohnsitz aufschlagen."

Lady Ellerton blickte lächelnd auf.

Das hört sich aber doch an, als ob er Dich heiraten wolle", ineinte sie.

Ich glaube es nicht, gnädige Frau, es scheint mir, als ob es ihm nur um das Kind zu thun sei. Es ist ihm sehr ernst daruin, und er möchte zu diesem Zwecke eine Unterredung von Ihnen erbitten."

Eine Unterredung mit mir, Partie':" fragte die Dame in erregtem Ton. Du hast ihm doch nicht gesagt, daß ich ein besonderes Interesse an dem Knaben habe?"

Gnädige Frau, ich habe Ihr Geheimnis so lange und treu bewahrt, daß ich es gewiß jetzt nicht verraten werde", entgegnete Pattie ruhig.Ich sagte ihm, daß ich ohne Ihre Einwilligung nichts beschließen könne, da Sie mir schon angeboten, den Knaben zur Schule zu schicken, und ich Ihnen nicht undankbar sein wolle. Er fand das auch ganz natürlich und wünscht deshalb selbst mit Ihnen zu sprechen."

Ich will ihn sehr gerne empfangen", entgegnete Lady Ellerton,denn nach allem, was ich von ihm gehört, muß er ein ganz außergewöhnlicher Mann sein. Auch gestehe ich, daß es mich interessiert, den Mann zu sehen, der so viel Anteil an dem Knaben nimmt. Aber, Pattie, haben kann er das Kind nicht."

Ich dachte es mir, gnädige Frau, daß Sie ihn nicht hergeben würden, deshalb sagte ich Herrn Mitchel gleich, Sie hätten bereits versprochen, für die Erziehung des kleinen Hans zu sorgen. Sie brauchen ihm ja dann nur zu sagen, daß Sie nicht ge­sonnen sind, Ihr Versprechen zurückzunehmen."

Das werde ich. Wann kommt er, Pattie?"

Morgen Abend, gnädige Frau. Lord Ellerton ist nicht zum Essen zu Hause, und da dachte ich, Sie könntm am ungestörtesten mit ihm sprechen."

Ja, Du hast ganz Recht, so wird es am Besten sein", war Lady Ellertons Antwort.

Am Abend des nächsten Tages bereitete sich Herr Mitchell oder wie der Leser wohl schon erraten haben wird, Robert Roden vor, seiner schönen Ge­bieterin, die er bis jetzt noch nicht gesehen, seine Aufwartungen zu machen. Er war begierig zu hören, welches Interesse sie an dem Kinde nehme, das seine Neigung im Fluge gewonnen, weil es ihn mit Laura's Augen angesehen.

Ich werde ihr vorstellen", dachte er bei sich,was für eine gute Erziehung ich ihm geben lassen kann, und sie wird ihn mir dann gewiß gerne überlassen."

Er hatte ein Billet von Pattie erhalten, worin diese ihm mitteilte, Lady Eller­ton erwarte ihn um acht Uhr, und da die einzige vornehme Dame, mit der er je in nähere Berührung gekommen, Lady Cardin, sehr viel auf äußere Erscheinung gehalten, so versuchte Robert, sich so schön wie möglich zu machen.

Da es noch zu früh war, zu ihr zu gehen, so begab er sich in den Park, um einige Bäume zu messen, welche entfernt werden sollten. Er war eben damit fertig geworden und stand in dem goldenen Sonnenlicht, überlegend, was nun zu thun sei, als Lady Ellerton vorüberging. Sie kam nicht ganz in seiner Nähe vorbei, und er sah sie auch nicht sogleich, bis er plötzlich die Augen erhob und sie in einiger Ent­fernung über den Rasen schreiten sah. Ihr schönes Antlitz war ihm voll zugekehrt, und mit einem leisen Schrei klammerte sich Robert an einen Baum, um nicht umzu­fallen; denn es war ihm, als habe er ein Gespenst gesehen.

Großer Gott!" rief er aus.Bin ich wahnsinnig, oder ist sie es, Laura, mein Weib."

Es war gut, daß sie das bleiche verzweifelte Gesicht nicht sah. Alle Farbe war daraus gewichen; sogar die Lippen waren weiß, wie die eines Toten; seine glühenden Augen aber verfolgten jede Bewegung der graziösen Gestalt. Sie blieb einen Augenblick stehen, um einem Vogel zu lauschen, und während sie lauschte, spielte ein Lächeln um ihre Lippen, ein Lächeln, das er so gut kannte, und das ihn stets so entzückt hatte. Dann immer noch lächelnd ging sie langsam weiter.

(Fortsetzung folgt.)