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73. Jahrgang.
Jnsertions-Tebühr f. d. einspaltige Zelle aus gewöhn!. Schrift oder deren Raum bet einmalig. Einrückung S ^s, bei mehrmalig, je 6
Gratisbeilagen: Das Plauderstübche« und
Schwäb. Landwirt.
^ 145.
Nagotd, Samstag den 17. September
18S8.
Gestorben: Gustav Lösch, Privatier, gewesener Metzgerm.- 48 I. a., Stuttgart.__.
Z«rn 17. Septrmtrer.
Ehret den Landmann!
Ehret den Landmann! Er bauet die Erde,
Der wir entstiegen auS heiligem Schoß.
Ehret den Landmann! Auf friedlicher Fährt«
Führt den Ochsen, das streitbare Roß.
Ehret den Landmann! In riesigem Ringen Macht' er die Erde sich unterthan.
Wildnis und Sümpfe mußt' kühn er bezwingen Und durch den Urwald sich brechen die Bahn.
Ehret den Landmann! Er stehet alleine Unter des ewigen Gottes Gebot,
Dient ihm im Regen und Sonnenschein,
Dankt ihm allein nur sein tägliches Brot.
Ehret den Landmann! Von kräftigem Schlage Pflanzt er Gesundheit und Stärke noch fort.
Lebt mit der Natur die friedlichen Tage Ferne vom Weltlärm am traulichen Ort.
Ehret den Landmann! Wir könnten nicht leben. Sorgt' er für Nahrung und Kleidung uns nicht.
Ehrt ihn, ihr Städter, er muß es euch geben.
Was euch zum Handwerk und Handel gebricht.
Ehret den Landmann! Den Schulen, den Künsten Schuf er Bedingung und Boden zurecht.
Lernend wuchs er mit deren Verdiensten Selber heran auch zum freien Geschlecht.
Ehret den Landmann, der offenen Blickes Geht über die Erde, geht mit der Zeit.
Ehrt ihn, der dankbar als Gaben des Glückes Annimmt, was ihm der Fortschritt entbeut.
Ehret den Landmann, ja kommet und sehet.
Was sinnend und schaffend er doch vollbringt.
Freut euch mit ihm heul' und danket und flehet.
Daß es mit Gott ihm auch ferner gelingt.
UbA.8. LlL^er.
Hages-Hleuigkeiten.
Deutsches Reich.
?. Nagold, 17. Sept. Während der ganzen vergangenen Woche herrschte eine fieberhafte Thätigkeit, um die Stadt Nagold, wo das landwirtschaftl. Bezirksfest heute seinen Anfang nimmt, in das würdige Festgewand zu hüllen. Die Stadt bietet einen prächtigen Anblick dar. Der Schmuck der Häuser ist finnig und schön und übertrifft alle Erwartungen. Die Straßen, welche der Festzug berührt, tragen reichen Flaggen- und Fähnchenschmuck, die Häuser sind mit Blumen und Guirlanden reizend verziert, sowohl in Ausführung als Anordnung den feinen Geschmack der Inwohnerinnen verratend. Wenn man aber zum Stadtacker kommt, so muß man freudig stauuen über die herrliche Ehrenpforte, durch die sich dem entzückenden Blick die Aussicht auf den wimpel- und flaggengeschmückten Festplatz öffnet, der mit dem herrlichen Baumschmuck, welcher ihn umsäumt, einen schattenspendenden, angenehmen Aufenthalt giebt. Da wir unsrem eigentlichen Festbericht nicht allzuweit vorgreifeu wollen, dürfen wir über die Ausstellung in der reichge- schmückten Turnhalle und dem Seminarhof noch nicht mehr sagen, als daß dieselbe im ganzen eine überaus reichhaltige ist; wir können dem Beschauer. große Anregung und Belehrung von der Besichtigung versprechen. Denken wir uns nun die geschmückten Straßen erfüllt mit einer frohbewegten Menge, denken wir uns den imposanten Festzug, der allen Anzeichen nach glänzend werden wird, so steht uns ein Schauspiel bevor, das den Jubel aller Beteiligten Hervorrufen wird. Das Wetter wird ausgezeichnet werden. Private, Wirte, Metzger und Bäcker werden allem aufbieten, den jedenfalls massenhaft herdeiströmenden Festgästen den Aufenthalt in unserer Feststadt aufs angenehmste zu gestalten, sodaß also alle Vorzeichen eines großen, schönen, nützlichen und frohen Festes vorhanden sind!
Stuttgart, 15. Sept. Garnisonsprediger O. Blum soll gutem Vernehmen nach an Stelle des in den Ruhestand getretenen Prälaten Dr. v. Schmid zum Oberhofprediger
an der Kgl. Schloßkirche ernannt werden; gleichzeitig würde ihm auch das Amt eines evsng. FeldprobsteS des württem- bergischen Armeekorps übertragen werden. Garnisonspfarrer Blum leitete bekanntlich jahrelang den Religionsunterricht der Prinzesfinn Pauline, er konfirmierte auch die jugendliche Prinzessin und wird nun wohl auch den kirchlichen Akt der Vermählung mit dem Erbprinzen zu Wied im nächsten Monat vornehmen. Bei dieser Gelegenheit möge gleichzeitig bemerkt sein, daß der VermshlungStag selbst zur Zeit noch nicht endgültig festgesetzt ist.
Stuttgart, 15. Sept. (Korresp.) Soviel wir erfahren, wird der Präsident der Schweizer Friedensgesellschaft, Herr Pfarrer Gsell aus Zürich, in mehreren württemb. Städten Vorträge halten. Am nächsten Mittwoch den 21. Sept. abends 8 Uhr wird Herr Pfarrer Gsell im Dinkelacker'schen Saalbau hier und am 22. ds. Mts. in Eßlingen sprechen. Zu diesen Versammlungen hat jedermann freien Zutritt.
Vom Bezirk Marbach, 14. Sept. (Korresp.) Im diesseitigen Bezirk haben wir gegenwärtig lebhaftes kriegerisches Treiben durch das Brigade- und DivisionSmanöver, welche letztere am 13., 16. und 16. Sept. auf den Markungen von Marbach, Murr, Pleidelsheim. Hösfigheim, Mundelsheim, Ottmarsheim. Großbottwar, Oberstenfeld, Kleinaspach und Allmersbach sich abspielen. — In Steinheim, wo ausgedehnte Möbelfabrik« tion betrieben wird, sind die dortigen zahlreichen Schreinergesellen in Streik getreten, da sie lOstündige Arbeitszeit verlangen.
Ulm, 14. Sept. (Korresp ) Mit der Frage der Gründung eines Zentrumblattes in Ulm wird nun ernst gemacht. Am letzten Sonntag waren in Herrlingen etwa 100 Zentrumsleute versammelt unter dem Vorsitz Pfarrer Huck von Schmiechen. Es wurde beschlossen, 120 Aktien L 500 ^ auszugeben und man hofft m kurzer Zeit 60000 ^ zusammenzubringen und mit dieser Summe den angegebenen Zweck zu erreichen.
Schloß Haltenbergstetten, 14. Sept. Das Befinden Sr. Durchlaucht Fürst Albert zu Hohenlohe-Jagstberg giebt leider noch zu äußerster Besorgnis Anlaß. Derselbe ist kaum im stände, Nahrung zu sich zu nehmen und infolgedessen sehr entkräftet. Dem Fürsten wendet sich allgemeine Teilnahme zu, da er sich in allen Kreisen einer großen Beliebtheit erfreut. Wie man vernimmt, soll er vorgestern von seiner ganzen Dienerschaft Abschied genommen haben.
Aus Hohenzollern, 15. Sept. (Korresp.) In Bisingen wird auf 1. Dez. ein Postamt errichtet, da die Industrie bedeutend zugelegt hat in Corsett- u. Schuhwarenfabrikation. Zu den bereits bestehenden Corsettfabriken kommt ein weiteres Fabriketabliffement. — Für die in Hechingen errichtete Ar- beiterspeiseanstalt haben die Fabrikanten Löwengard und Levy, David Levy, Moos und Rosenthal, Wanna und Groz 1350 ^ miteinander geschenkt.
Pforzheim, 14. Sept. Die in Eisenkonstruktion ausgeführte neue Nagoldbrücke in Dill-Weisenstein wurde heute Nachmittag in Anwesenheit des Ministers Eisenlohr, des Kreisausschuffes, der Landtagsabgg. Gesell, Frank und Wittum, des Regierungsrats Holzmann, dem Verkehr übergeben.
Wiesbaden, 15. Sept. Nachdem der vielgenannte Oberst v. Schwartzkoppen in stiller Zurückgezogenheit in Wiesbaden eine Ferienzeit während des Pariser Zola-Sturms verbracht hatte, bis ihn die kaiserliche Gunst wieder in die Oeffentlichkeit durch Uebertragung eines ehrenvollen Auftrags zurückrief, hat sich jetzt, so heißt es, Major Esterhazy hier eingefunden. Die „Franks. Ztg." meldete heute Morgen, daß man Esterhazy in Wiesbaden gestern gesehen habe. Diese Nachricht fand eine gewisse Bestätigung in der That- sache, daß auf dem hiesigen Hauptpostamt ein Schreiben an Major Esterhazy, z. Z. in Wiesbaden eingeloufen ist, das nicht bestellt werden konnte, da die Adresse des Biedermanns hier nicht bekannt ist. Da hier sehr viele Franzosen weilen, könnte es dem Major kaum gelingen, hier lange unentdeckt zu bleiben, wenn er wirklich Wiesbaden als Zufluchtsort gewählt haben sollte.
Berlin. 14. Sept. Die Kronprinzessin von Griechenland hat von Deutschland aus 180 Betten aus ihren eigenen Mitteln für das in Athen errichtete Lazareth liefern lassen.
Berlin, 14. Sept. Die Abendblätter melden: Der in Spandau ausgebrochene Maurerstreik artete in Exceffe aus, die sich besonders gegen die italienischen Arbeiter richteten. In vergangener Nacht wurden die Holzschuppen, in welchen etwa 30 Italiener untergebracht waren, von streikenden Maurern angezündet. Die Italiener schoflen wiederholt in die Luft, um den Gegnern Schrecken einzujagrn, verletzten aber niemand. Die Brandstifter entkamen. Heute wurde entdeckt, daß in der ehemaligen Kaserne, in welcher jetzt Schulklaffen untergebracht sind, wie auch in den Schuppen Petroleum ausgegoffen war. ES ist noch unermittelt, ob auch hier Brandstiftung beabsichtigt war.
Berlin, 15. Sept. Der Kaiser ist heut« früh 8 Uhr in Prenzlau eingetroffen. Auf dem Marktplätze vor dem Denkmal des Kaisers Wilhelms I. hielt der Kaiser auf eine Ansprache des Bürgermeisters eine Rede, in welcher er betoute: Die Zeiten seien jetzt ernster, es bleibe genug zu thun und es müsse daraus geachtet werden, daß den Um- sturzgelüsten kräftig entgegengetreten werde. Wie nötig dies sei, beweise da- fluchwürdige Ereignis der letzten Tage. Darum sollte gerade der Bürger immer in Treue und in vollem Vertrauen zu seiner Person und Regierung halten. Der Kaiser sprach sodann seine volle Genugthuung aus, sich auf die Märker unter allen Umständen verlaffen zu können. Nachdem der Kaiser noch dem Bürgermeister für seine Begrüßungsworte gedankt hatte, begab er sich nach einer Anhöhe bei Güstrow, um daselbst den Verlauf der heutigen Corpsmanöver der Garde zu beobachten.
Ausland.
Budapest, 14. Sept. In einem hiesigen Vergnügungs- Etablissement kam es zu Ruhestörungen, welche sich gegen die Italiener richteten. Einige italienische Sänger wurden von den Studenten ausgepfiffen.
Triest, 14. Sept. Gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr haben sich die Ausschreitungen in verstärktem Maße wiederholt. Der Angriff auf die Union Gymnastik« wurde wiederholt. Seitens der Angreifer wurden zahlreiche Revolverschüffe abgefeuert, welche seitens der Vereins Mitglieder erwidert wurden. Dabei gab es auf beiden Seiten viele Verwundete, darunter zwei Polizisten. Ein anderer Trupp Excedenten bombardierte das Krankenhaus mit Steinen. Das italienische Konsulat wird fortwährend von Militär bewacht. Der Pöbel wütete bis in die Nacht hinein.
Paris, 15. Sept. Dem „Matin" zufolge unterbreitete der Kriegsminister Zurlinden am Montag dem Ministerrat eine Anzahl Dokumente, welche er als entscheidende authentische Beweise für die Schuld des Dreyfus erklärte. Mehrere Minister teilten seine Ansicht, andere bekämpften dieselbe. Alle aber konstatierten, daß die Papiere im Prozesse von 18S4 dem Verteidiger überreicht worden. Es verlautet, du Paty de Clam sei nicht bloß wegen der Machenschaften in der Esterhazy-Affaire gemaßregelt worden. Die Minister wollen diesbezügliche Aufklärungen von Zurlinden verlangen.
Paris, 15. Sept. Emil Zola soll in der Schweiz sein, wo er an der Abfassung eine- Briefes arbeitet, welcher zu dem einträchtigen Zusammenwirken zum Gelingen des Werkes der Gerechtigkeit ermahnt. Dieser Brief soll in ganz Frankreich verbreitet werden.
Rom, 14. Sept. Trotz allen Dementis wird mit Bestimmtheit versichert, daß der Marinrminister zur Verstärkung der Flotte 350 Millionen verlangen werde.
Vir Ermor-rmg Ler Kaiserin von Oesterreich.
Genf, 15. Sept. DaS Justiz-Polizei-Departement erließ heute 15 Ausweisungsbefehle.
Genf, 15. Sept. Die Zeichen, daß der jämmerliche Mörder nicht etwa auf eigene Faust gehandelt, sondern von andern geleitet wurde, beginnen sich zu mehren. So wird jetzt den M. N. N. berichtet, daß Luccheni Mitglied eines Lau- sanner Anarchistenklubs und von diesem für die That bestimmt war. In Lausanne wurden 8 Verhaftungen vorgenommen, weitere stehen in Bern und Genf bevor. Als LuccheniS Verhaftung in Lausanne bekannt wurde, ist sofort ein« größere Zahl italienischer Arbeiter abgereist, die ein schlechtes Gewissen zu haben scheinen.
Zürich, 15. Sept. Der Zug mit der Leiche der Kaiserin Elisabeth traf gestern Abend gegen halb 12 Uhr in der Grenzstation Buchs ein. Am Bahnhofe war das KönigSpaar von Rumänien, welches am Sarge einen prächtigen Kranz niederlegte.
Wien, 14. Sept. Wie die „Neue Freie Presse" meldet, wird auf Wunsch des Kaisers die Kaiserin Elisabeth an der Seite deS Kronprinzen Rudolf beigesetzt werden. Da aber gegenwärtig bei dem Sarkophag deS Kronprinzen der- jenigs des Erzherzogs Karl Ludwig steht und dieser erst entfernt werden muß, wird die Beisetzung der Kaiserin vorläufig nur provisorisch statifinden.
Wien, 15. Sept. Unter den aufrichtigsten Kundgebungen seitens der schweizerischen Bevölkerung, hat der Zug mit dem Sarge der Kaiserin das Gebiet der Schweiz von Genf bis nach Buchs im Rheinthal passiert, um dort um Mitternacht in das österreichische Staatsgebiet einzutreten und den Weg über Innsbruck nach Wien zu nehmen. Da die Kaiserin in der Schweiz sich incognito aufhielt, so begann der offizielle Empfang deS Leichenkonduktes erst jenseits der schweizerischen Grenze. Alle Bahnhöfe von Buchs bis Wien find mit Trauerfahnen beflaggt. Abends 10 Uhr wird der Zug in Wien eintreffen.