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Frln. Fuchs hatte ihre Rolle richtig aufgefaßt und führte sie konsequent durch. Hr. Egon ließ dem Dr. Klaus eine scharfe Charakterzeichnung angedeihen ; im 3. Akt jedoch hätte etwas weniger poltern der sonst musterhaften Darstellung keinen Abbruch gethan. Hrn. Marfels hätten wir uns gerne etwas lebhafter gewünscht. Vorzüglich gab Hr. Direktor Schorer den Kutscher Lubowskt. In Hrn. und Frau Eisenmann hat die Direktion, wie wir in dem gestrigen Stück zu beurteilen vermochten, zwei gediegene Kräfte gewonnen. Frau Schorer zeigte gestern wiederholt, daß sie jeder Rolle in ihrem Fache gewachsen ist. Wir sind überzeugt, daß bei Aufführung von gleich gut einstudierten Stücken der Besuch des Theaters noch auf längere Zeit ein zahlreicher und für die Gesellschaft lohnender sein wirb. — Einen mißlichen Umstand beim Besuch des Theaters können wir nicht unerwähnt lasten, er betrifft nämlich — um mit Lubowski zu sprechen — das unberechtigte Besetzen der „sogenannten" Sperrsitze. Dem Billetabnehmer ist bisher keine Folge geleistet worden, vielleicht genügt der Hinweis an dieser Stelle.
— In den Losverkauf von Friseur Reinhard fielen von der Cannstatter Volksfestlotterie der 9. und 14. Gewinnst, je eine prächtige Kalbel.
— Heute Mittwoch Morgen deckte ziemlich viel Schnee die Felder zwischen Ottenbronn und Möttlingen.
— In Simmozheim feiern am nächsten Sonntag 3 Ehepaare die goldene Hochzeit.
Stuttgart, 10. Okt. Gestern früh von 6 Vs bis 9 Uhr wurde die jetzt jährlich nur noch einmal stattfindende Hauptmusterung des gesamten freiwilligen F e u e r w e h r - Korps durch den Komandanten Ober-Baurat v. Tritschler abgehalten. Die beiden Bataillone, sowie die Bezirksfeuerwehr von Stöckach, waren mit den Gerätschaften von ihren Magazinen auf den Marktplatz abmarschiert. Hier nahm das l. Bataillon die Seite Kirchstraßs —Marktstraße—Marklbrunnen, das II. Bataillon die Seite Marktbrunnen— Hirschstraße—Kirchstraße ein, während die Stöckach-Kompagnie sich in der Münzstraße aufgestellt hatte. Die Geräte, Dampf- und andere Spritzen, vier- und sechsspännig, Leitern, kleinere Spritzen, der Nachtwagen mit zwei Pferden rc. nahmen die Mitte des Platzes ein. Der Kommandant, von seinem Stabe begleitet, prüfte Mann und Gerät eingehend.
Stuttgart, 10. Okt. Wie seiner Zeit mitgeteilt, verunglückte der Bäcker und Hirschwirt Wilhelm Christian Beck von Rothenberg am 29. November v. I. abends auf der Station Obertürkheim dadurch, daß er aus dem Zug, nachdem dieser bereits sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, ausstieg, hierbei zu Boden fiel, unter die Räder geriet und solche Verletzungen erlitt, daß er noch am gleichen Abend starb. Die Witwe desselben erhob mit dem Pfleger ihrer vier minderjährigen Kinder gegen den K. Württ. Fiskus eine Klage auf Ersatz der für die versuchte Heilung und für die Beerdigung aufgewendeten Kosten, sowie auf Reichung von Alimenten. Die Kläger wurden aber, wie die Cannst. Ztg. mitteilt, unter Zuscheidung sämtlicher Kosten abgewiescn, da ein Verschulden, für welches die Eisenbahn-Verwaltung einzustehen hätte, überall nicht nachgewiesen sei, vielmehr der Verstorbene durch Nichtachtung der gehörigen Vorsicht, also durch eigene Schuld den Unfall herbeigesührt habe.
Stuttgart, 10. Okt. Heute stand vor der 1. Strafkammer des K. Landgerichts hier, in der Person des ledigen Buchbinders Johannes Benz von Köngen der andere der beioen Bursche, welcher an den Thätlichkeiten gegen den Schutzmann D. in der Nacht vom 19. auf 20. August d. I. in der Silberburgstraße beteiligt gewesen und der damals entflohen ist. Derselbe wurde schon am 27. September in Heilbronn verhaftet und heute wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen Körperverletzung zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Der erst 20 jährige Mensch hat bereits 28 Vorstrafen wegens Bettels, Landstreicherei, unerlaubter Rückkehr hierher, Diebstahls und Beihilfe hiezu, Hehlerei u. s. w. zuerkannt erhalten.
Cannstatt, 10. Okt. Heute früh 7 Uhr wurde der Leichnam eines älteren Herrn in der Nähe des K. Theaters aus dem Neckar gezogen, welcher als der ledige 54 jährige Kaufmann Emil Schuncke von Stuttgart erkannt wurde. Ohne Zweifel liegt ein Unglücks fall vor. Derselbe scheint gestern Abend in der Dunkelheit in den Fluß geraten zu sein. Man fand ihn mit dem Kopf im Master liegend, während die Füße am Ufer lagen. Die Uhr ging noch, als man ihn entdeckte.
Heilbronn. Am 17. Juli d. I. verübte der Metzger Jakob Feyerabend durch Geschrei und rohe Beschimpfungen, insbesondere auch seiner eigenen Mutter, groben Unfug in der Allerheiligengaste hier und mußte deshalb von dem Schutzmann Dußling zur Ruhe verwiesen und in sein Wohnhaus verbracht werden. Als ihn Dußling hinter seine Hausthür geschoben hatte, erhielt er plötzlich von Feyerabend zwei Messerstiche in Kopf und Schulter, welche eine achttägige Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten. Der Schutzmann Dußling nahm den Feyerabend fest und führte in Gemeinschaft mit dem Schutzmann Nautz ihn auf das Polizeiwachzimmer. Dort angelangt, teilte Dußling der übrigen Wachmannschaft den Vorfall mit, und als jetzt Feyerabend leugnete, den Dußling gestochen zu haben, geriet dieser in solchen Zorn, daß er dem Feyerabend einige Faustschläge in das Gesicht versetzte. Bei der hiedurch entstandenen Rauferei kamen beide auf die Pritsche des Wachzimmers zu liegen, und diese Lage benützten zwei weitere Schutzmänner, um dem Feyerabend einige Streiche mit einem Stocke zu versetzen. Feyerabend wurde wegen der von ihm verübten Körperverletzung zu einer Monatlichen Gefängnisstrafe verurteilt, gegen die drei Schutzmänner aber wurde ebenfalls Untersuchung eingeleitet wegen in Veranlassung der Ausübung ihres Amtes begangener Körperverletzung. Dieselben konnten die ihnen zur Last gelegten Handlungen nicht bestreiten, die von ihnen vorgebrachte Einrede der Notwendigkeit der fraglichen Thätlichkeiten' zur Brechung des Widerstands des Feyerabend wurde widerlegt. Unter Zulassung mildernder Umstände wurden zwei der Angeklagten zu je 20 einer zu 15 ^ Geldstrafe und in die Kosten des Verfahrens durch Urteil der Strafkammer vom 10. ds. Mts. verurteilt.
Hall, 9. Okt. (Schwurgericht.) Gestern kam als letzter Fall dieses Quartals die Anklage gegen den betagten Pfründner Michael Beck von Herbsthausen zur Verhandlung. Er hat am 11. September, als er über eine Stunde allein im Zimmer war, in die Suppe seines Schwiegersohnes wie in seine eigene Suppe, deren Genuß er aber verschmähte, Phosphor von ca. 30 Zündhölzern gethan. Nach dem Urteil der Sachverständigen, des Apothekers Koch in Mergentheim und Oberamtsarzt Dr. Breit in Hall, war der Phosphor in solcher Menge beigemischt, daß beim Genuß der Suppe ein schmerzvoller Tod nach 4—5 Tagen eingetreten wäre. Als indessen der Schwiegersohn die Suppe essen wollte, bemerkte er gleich den eigentümlichen Geruch und äußerte dies auch. Die Tochter des Beck warf dann ihrem Vater vor: So, du hast meinen Mann vergiften wollen; jetzt kommt es heraus, was du schon lange vorhast. In der That hatte der Alte, der einen tiefen Haß gegen seine Angehörigen hegt, schon wiederholt Drohungen aus- gestoßen, daß er sie noch vergifte. Beck leugnete und sagte, man habe ihn vergiften wollen. Allein niemand ist in der Stube gewesen außer ihm, als die Vergiftung der Suppe vorgenommen wurde. Er wurde zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Hall, 10. Okt. Ein frecher Einbruch wurde in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in der Wirtschaft zum Ritter dahier versucht. Als der Hausknecht nachts um 2 Uhr mit dem Putzen des Bestecks fertig war und dasselbe in die Wirtschaftsstube zurückbringen wollte, bemerkte er einen fremden Menschen, welcher im Buffet mit einem Stemmeisen an der Kasse sich zu schaffen machte. Er eilte sogleich fort, um die Brauknechte zu wecken; unterdessen fuchte auch der Einbrecher das Weite; da er aber nicht lokalkundig war, so fing er sich selbst in einer Sackgasse, indem er in den zur Turnhalle gehörigen Hof geriet, der nach keiner Seite hin einen Ausgang
thun? O Gott, was soll ich thun? Ich werde wahnsinnig vor Schmerz und Verzweiflung!"
Pattie wußte keinen Rat. Hätte der Marquis seine Nichte weniger geliebt, es wäre leichter für sie gewesen, sich aus einige Zeit zu entfernen. So aber schloß er sich mit jedem Tag mehr an sie an und wollte sie kaum eine Stunde aus den Augen lassen. Pattie war fast ebenso verzagt, wie ihre Herrin. Lady Laura vertraute auf sie, und sie wußte nicht, wie sie dies Vertrauen rechtfertigen sollte. Nacht auf Nacht lag sie wach im Bett und zerbrach sich den Kopf, wie sie ihrer Herrin wohl helfen könne, doch kein rettender Gedanke wollte ihr kommen."
Da trat eines Morgens der Marquis in das Boudoir seiner Nichte, er hielt einen offenen Brief in der Hand. Pattie war eben beschäftigt, etwas an einem Kostüm Lady Lauras zu ändern; sie erhob sich, als der Marquis eintrat, und wollte das Zimmer verlassen, doch er winkte ihr zu bleiben. Für ihn hatten Diener weder Augen noch Ohren, er redete von ihnen gerade so, als ob sie diese Sinne nicht besäßen. Pattie nahm daher ihre Arbeit wieder auf.
„Liebe Laura", begann der Marquis, „ich möchte Deinen Rat hören."
Sie sah ihn erstaunt an, denn es kam sehr selten vor, daß er ihren Rat einholte.
„Ich habe heute morgen einen Brief von meinem Anwalt erhalten, der mir mitteilt, daß ich wahrscheinlich einen Prozeß werde führen müssen. Es handelt sich um einen Weg, der durch den Park von Fernholm führt und den die Einwohner des Dorfes als Gemeindegut betrachten, welches Recht ich ihnen bestreite. Kommt es zum Prozeß, so muß ich nach England, denn wenn ich auch unbeschränktes Vertrauen zu meinem Anwatt habe, so halte ich doch meine Gegenwatt dort für nötig; denn eS ist ein Streitpunkt, der schon von langen Jahren her datiert, und alle die alten Urkunden müßten nachgelesen werden."
Sie antwortete nicht. Die Worte ves Marquis hatten eine grenzenlose Aufregung in ihr hervorgerufen. Wenn er ging, dann konnte Alles noch gut werden, sie konnte ihr Geheimnis verbergen. Er schrieb ihre Bläffe, die sich über ihr Antlitz ergoß, der Sorge um ihn zu.
„Es ist nichts zu fürchten, liebes Kind", sprach er. „Es ist ja schließlich nur eine Ehrensache, und ich möchte gern den lang bestrittenen Punkt zu meinen Gunsten entschieden sehen."
Sie gab sich Mühe ruhig zu sprechen, als sie ihn fragte, ob es denn wirklich nötig sei, daß er selbst gehe; hier war ja die Gelegenheit, die sie und Pattie so sehn- lichst herbeigewünscht.
„Ja, es wird nötig sein", meinte er, „denn ich glaube Niemand versteht die alten Urkunden so gut wie ich. Und ich habe mein Herz daran gehängt, den Prozeß zu gewinnen. Hätten die Leute mich gebeten, den Pfad benützen zu dürfen, ich hätte es Ihnen ohne Zweifel erlaubt, ja, wenn ich den Prozeß gewonnen, werde ich ihnen den Durchgang gewähren, aber es soll eine freie Gabe meinerseits sein, kein Recht, auf das sie pochen."
„Das ist im Sinne der alten französischen Aristokratie geredet, Onkel", sprach Laura und die Worte entzückten ihn.
„Du hast recht mein Kind. Wir geben gerne, was wir keinem Menschen erlauben uns zu nehmen. Und nun zu dem Rat, den ich von Dir wünschte. Hältst Du es für besser für Dich, hierzubleiben, oder mich nach Fernholm zu begleiten?"
Hier war die Entscheidung, die Rettung! Aber sie durfte nicht zu begierig darnach greifen, er konnte sonst Verdacht schöpfen."
„Natürlich", entgegnete sie daher so ruhig wie möglich, „wäre es am besten, ich ginge mit Dir nach Fernholm; doch Du wirst Dich längere Zeit dort aufhalten müssen?"
„Ja, wenigstens vier Monate."
„Und in diesen vier Monaten könnte ich meine Studien beendigen und dann ganz in die Heimat zurückkehren; während, wenn ich Dich jetzt begleite, müßte ich noch einmal hierherkommen und meinen Unterricht wieder aufnehmen."
„Ja, das ist wahr", meinte er nachdenklich.
„Doch wenn ich Dir irgendwie nützlich sein oder Dir helfen kann, oder wenn Du mich gerne bei Dir hast — aber Du wirst soviel zu thun haben, daß Dir gar keine Zeit bleiben wird, Dich mit mir zu beschäftigen."
(Fortsetzung folgt.)