62. Jahrgang.

Wro. 110.

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Amtliche Wekcmntnrcrctzrrngen.

Erscheint Z>ten»t«z, Donnerstag L Samstag.

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Dienstag, äen 20. September 1887.

Die Ortsvorsteher

werben an Erledigung des oberamtlichen Auftrags vom 9. August d. I., betreffend die Erhebung der auf eigene Rechnung Flößerei Treibenden Amtsblatt Nro. 93 dringend erinnert.

Calw, den 17. September 1887. K. Oberamt.

Supper.

politische Wachvichten.

Deutsches Reich.

Stettin, 16. Sept. Der Kaiser begab sich heute Vorm, kurz nach 9>/2 Uhr in das Manöverfeld zwischen Polchow, Wuffow, Wartow und Züllchow, um dem Manöver beider Divisionen gegen einander beizuwohnen. Die Kaiserin trat die Rückreise nach Berlin um 10 Uhr an. Eine feierliche Verabschiedung im Schlöffe und auf dem Bahnhofe unterblieb auf Wunsch der Kaiserin. (Die Straßb. P. berichtet über das Manöver: Der Kaiser ist 10>/z Uhr auf der Höhe des Rollberges westlich von Wartow er­schienen, wo das Ostkorps eine feste Stellung gegen das Westkorps verteidigte. Prinzessin Wilhelm saß im zweiten Wagen. Prinz Wilhelm führte das 2. Regiment. Der Kaiser, die meiste Zeit im Wagen stehend, folgte mit großer Teilnahme dem Verlauf. Zum Schluß 1 Uhr 10 Min., versammelte der der Kaiser die Generäle zur Kritik um sich. Dann kehrte er nach Stettin zurück. Bei den Truppen vorüberfahrend, wünschte er denselbenGuten Morgen", welcher übliche Gruß von den Truppen begeistert erwidert wurde. Das Wetter war sehr gut.)

Hamburg, 16. Sept. Graf Kalnoky ist gestern abend in Friedrichsruh eingetroffen, wurde vom Reichskanzler, vom Grafen Herbert Bismarck und vom Geh. Rat Rottenburg empfangen und nach dem Schlosse geleitet, wo die Fürstin den Gast begrüßte.

Frankreich.

Paris, 15. Sept. Das Manifest, oder wie die offiziöse orleanistische Presse das Schreiben nennt, die Instruktion des Grafen vonParis, ist heute veröffentlicht worden. Der Graf sucht in dem Schreiben nach- zuweisen, daß die monarchistische Negierungform der republikanischen überlegen sei, deren Wandelbarkeit alle Anstrengungen zur Herstellung der Ordnung in den Finanzen vereitelte und Frankreich in Europa isoliere. Das Streben

der Monarchisten sei nicht darauf gerichtet, die Regierung zu stürzen, Re­gierungen stürzten aber stets durch ihre eigenen Fehler; die Monarchisten müßten sich bereit halten, die Erbschaft anzutreten. Das Land müsse über den Uebergang zu der monarchischen Regierungsform, den es in legaler Weise und durch das allgemeine Stimmrecht ins Werk setzen könne, auf­geklärt werden. Der Kongreß zu Versailles habe seiner Zeit die Republik für ewige Zeiten proklamiert, jedoch könne ein anderer Kongreß die Republik wieder beseitigen. Die Monarchie werde keine rückschreitende Politik befolgen. Das allgemeine Stimmrecht solle beibehalten werden. Die wirklich parla­mentarische Regierungsform mit den drei Staatsgewalten werde an die Stelle des republikanischen Parlamentarismus treten. Die Monarchie werde auf friedlichem Wege die politischen Beziehungen Frankreichs in Europa wieder heben; sie werde das nötige Aufsehen genießen, um mit den Mächten zu unterhandeln und auf eine gleichmäßige Herabminderung der militärischen Lasten hinzuwirken, welche das alte Europa zum Vorteil anderer Welteile schädigten. Die Monarchie werde dem Lande den Frieden auf religiösem und sozialem Gebiet wiedergeben. Der König solle nicht das Haupt einer Partei sein, sondern werde der König Aller und der erste Diener Frank­reichs sein.

Bulgarien.

Gerüchtweise verlautet, daß die bulgarische Regierung beschlossen habe, die Preßzensur einzuführen. Dieselbe Regierung erhielt Kennt­nis davon, daß aus Rußland eine Million Rubel für die bul­garischen Emigranten in der Türkei und Rumänien ge­sendet worden sei, um während der Wahlen Unruhen hervorzurufen. 15,000 Rubel seien den hiesigen Zankosfisten bereits zugegangen. Die Regierung that Schritte, um diese Summe mit Beschlag zu belegen; dieselben seien aber bis jetzt ohne Erfolg gewesen. Die nationale Partei Bulgariens bereitet sich schon energisch auf die Wahlen vor. Bereits ist der Wahlaufruf des Zentralbureaus der Patriotenliga erschienen, der sich energisch zu dem Grund, satze bekennt: Bulgarien für die Bulgaren.

Hcrges-Weirrgkerten.

(Amtliches.) Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 13. September die an dem Reallyceuin in Calw erledigte realistische Professorsstelle dem Repetenten Haug an dem Real­gymnasium in Stuttgart gnädigst zu verleihen geruht.

Feuilleton. «Nachdruck verboten..

Am Rang «ir- Reichtum.

Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Herr Rodway, der der jungen Frau keine Zeit zum Nachdenken lassen wollte,. hatte unterdessen ein köstliches, kleines Diner bestellt und wollte durchaus nicht auf ihre Einwände hören, daß sie nicht hungrig sei.

Sie müsse essen und trinken, meinte er, sie werde sonst krank, und das dürfe er nicht erlauben. Er zwang sie so, an seiner Mahlzeit teilzunehmen, und als die­selbe beendet, war es Zeit, zur Bahn zu gehen.

Es war das erste Mal, daß Laura in einem Coupee erster Klasse reiste, mit allen Bequemlichkeiten versehen, die der Reichtum verschaffen kann. Rodway kaufte ihr Bücher und Zeitungen, Konfekt und Bonbons, er plauderte mit ihr und that alles, was in seiner Macht lag, um sie heiter zu erhalten, denn er sah einen Aus­druck in ihr Gesicht kommen, der ihm gar nicht gefiel.

Sie wird noch viel durchzukämpfen haben", dachte er bei sich,sie ist stolz und ehrgeizig, aber ihr Herz ist weich, und wer es auch sei, den sie zu Hause zurück- gelassen, es muß ihr sehr schwer gefallen sein."

Er sah, wie sie an einer der nächsten Stationen dem Schaffner ihren Brief zur Besorgung übergab, aber er machte keine Bemerkung darüber, und Laura sank wie erschöpft in die Kissen zurück. So lange sie den Brief in der Hand gehalten, war er ihr als ein schwaches Bindeglied zwischen ihr und Robert erschienen, jetzt war es ihr, als ob alles um sie her öde und leer sei. Das Geräusch der Räder, das Pfeifen der Lokomotive, das Zischen des Dampfes, das alles vereinigte sich zu einem wüsten Lärm; aber alles übertönend hörte sie stets Roberts Stimme die Worte wiederholen:

Ich würde Dir folgen bis an's Ende der Welt und dann zu Deinen Füßen

Einmal hatte sie geschlafen und war dann plötzlich mit einem lauten Schrei erwacht -

Robert, Robert", rief sie,mir träumte, ich hätte Dich verlassen!"

Wild blickte sie um sich. Da saß der fremde Herr, die Lampe brannte und beleuchtete die übrigen leeren Sitze, Robert war nicht da.

Herr Rodway gab nicht das geringste Zeichen von sich, daß er sie gehört, er war ein weiser Mann, und für ihn standen fünftausend Pfund auf dem Spiele.

In Westborn angekommen, fuhr er mit ihr nach dem besten Hotel und ließ ihr das beste Zimmer geben. Er sah in das bleiche Gesicht und die großen, traurigen,, thränenlosen Augen; er gratulierte sich, daß er nicht direkt mit ihr nach Fernholm gereist. Es wäre ein unbeschreibliches Fiasko gewesen, meinte er.

Lassen Sie mich Ihnen raten, Fräulein Knowles", sprach er dann,trinken Sie noch ein Glas starken Wein."

Ungeduldig wandte sie sich ab.

Ich will keinen Wein mehr, er macht mich dumm."

Aber das beste, was Sie thun können, ist, daß Sie versuchen, sich zu betäuben."

Ich will nichts, gar nichts, nur allein sein. Um Gottes Barmherzigkeit willen, lassen Sie mich allein, oder ich werde wahnsinnig!"

Und der kalte, nüchterne Geschäftsmann verließ ohne weiteres Wort das Zimmer, tiefe Bewegung im Herzen.

Hätte es sich nicht um eine so große Summe wie fünftausend Pfund gehandelt, er hätte ihr gerne geholfen, wieder in die Heimat zurückzukehren. Aber der Einsatz war zu hoch, er durste das Spiel nicht verlieren.

Als Laura sich allein sah, da brach der mühsam verhaltene Schmerz gewaltig durch. Sie warf sich auf den Boden, rang die Hände und rief unter heißen Thränen nach dem geliebten Manne, den sie verlassen, verlassen um schnöden Reichtums willen. Weit weg warf sie das Geld, das sie von Rodway erhalten, sie wollte kein Geld be­rühren, sie sehnte sich nur nach ihm, nach Robert.

Robert, der sie liebte, dessen starke Arme sie beschützten, dessen großes, edles Herz nur allein ihr gehörte! Sie mußte zurück zu ihm, sie konnte nicht ohne ihn leben, der Schmerz war zu groß.

sterben?