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Amts- und Intelligenz-Blatt für den Obrramts-Bezirk Nagold.
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^ 109.
ttagold, Donnerstag -eu 15. Juli
1897.
Amtliches.
Bekanntmachung.
Nach einer Mitteilung des K. Oberamts Horb ist die Maul- und Klauenseuche in Altheim, Baisingeu, Eutingen und Salzstrtten ausgebrochen.
Nagold, den l3. Juli 1897.
K. Oberamt. Schöller, Amtm.
selben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Mieter in die Mietsräume eingebrachten Sachen;
5. Wechselsachen;
6. Bausachen, wenn über Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird.
Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen.
Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsund Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. Nagold, den 13. Juli 1897.
Oberamtsrichter: gez. Sigel.
Auffassung der Mächte, daß die Türkei nur ein kleines Stückchen von Thessalien erhalten dürfe, hin und her, bald diese, bald jene künftige Grenzlinie verlangend, die aber stets weit über den Umfang deS thessalischen Areals hinausgeht, welches die Mächte den Türken zugestehen wollen.
Diese Verschleppungstaktik der türkischen Diplomatie hat man auf Seiten der Großmächte nun freilich endlich satt bekommen. Wiederholt find der Pforte in jüngster Zeit gepfefferte gemeinsame Vorstellungen von den Botschaftern gemacht worden, welche ihr zu Gemüte führten, daß ihre Spekulation auf die Uneinigkeit der Mächte eine verfehlte sei.
Nagold.
Bekanntmachung.
Mit Rücksicht auf den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in einigen Nachbarbezirken und die dadurch herbeigeführte Gefahr einer Einschleppung der Seuche in den diesseitigen Bezirk ist das Umhertreiben von Rindvieh nnd Schweine» im Hausierhandel innerhalb des Oberamtsbezirks Nagold auf Grund des tz 20 Abs. 2 des Reichsviehseuchengefttzes bis ans Weiteres verboten worden, was hiedurch bekannt gemacht wird.
Den 15. Juli 1897.
K. Oberamt. Ritter.
Das orientalische Fragezeichen.
-j- Die in den Friedensverhandlungen von Konstantinopel eingetretene Stockung läßt genugsam erkennen, daß die von verschiedenen Seiten geäußerten Erwartungen eines baldigen Abschlusses des Friedensvertrags zwischen der Türkei und Griechenland mindestens verfrüht waren, selbst in diplomatischen Kreisen wagt man keine bestimmte Meinung über die nächste Weiterentwicklung des orientalische» Problems mehr abzugeben. Die Schuld an diesem mißlichen Stande der Dinge trägt zweifellcs die Pforte, ihre Vertreter bei den Friedenskonferenzen verschleppen mit der Geschicklichkeit, welche die türkische Diplomatie in solchen Sachen zu entfalten pflegt, die Unterhandlungen mit den Botschaftern der Großmächte absichtlich, um bei den Friedensverhandlungen möglichst viel für die Türkei herauszupressen. Neuerdings sind hierbei die Fragen der Kapitulationen und der Höhe der von Griechenland zu leistenden Kriegsentschädigung einstweilen etwas in den Hintergrund getreten, dafür spitzt sich die thessalische Landangelegenheit zu. Die Militärpartei am Stambuler Hofe arbeitet beim Sultan mit allen Mitteln dahin, daß er auf der Annexion ganz Thessaliens bestehe, welches mit dem Blute so vieler tapferer türkischer Krieger erkauft sei, eine Auffassung, welche in immer weiteren Schichten des türkischen Volkes ihren gefährlichen Widerhall
und daß sich die Türkei schließlich nur selber schädigen würde, falls sie in ihrer jetzigen Haltung verharre. Es heißt sogar, daß Rußland bei den anderen Mächten bereits einen anderen, als bloß diplomatischen Druck auf die Türkei angeregt habe, um dieselbe den Wünschen des „vereinigten Europas" gefügiger zu machen, doch lauten die Meldungen hierüber noch nicht bestimmt genug. Dafür wird aber jetzt bekannt, daß sowohl der Kaiser Franz Josef als auch Kaiser Wilhelm Telegramme an den Sultan Abdul Hamid gerichtet haben, in welchen beide Monarchen den os- manischen Herrscher ersuchen, dem einmütigen Willen Europas Rechnung zu tragen und den Friedensschluß mit Griechenland auf Grund der von den Botschaftern in Konstantinopel vorgeschlagenen letzten Bedingungen herbeizuführen. Von den gedachten Kundgebungen ist namentlich die Depesche des österreichischen Kaisers bemerkenswert, welche zugleich die Antwort auf ein demselben kürzlich vom Sultan zugegangenes Telegramm enthält. Denn in aller Freundschaft und doch zugleich mit aller Entschiedenheit macht da Kaiser Franz Josef den Sultan darauf aufmerksam, daß die Türkei in Thessalien mehr, als die von den fremden Militärbevollmächtigten vorgeschlagenen Grenzlinie, unmöglich erlangen könne und daß die Großmächte vollkommen einig in ihren Entschlüssen seien.
Sicherlich werden diese Kundgebungen der zwei verbündeten mächtigen Kaiser ihren tiefen Eindruck auf den Sultan nicht verfehlen, aber es ist bei dem
K. Amtsgericht Nagold.
An die Pfandbuchsführer des Bezirks.
Von denselben stehen zum Teil die Verzeichnisse der Pfandeinträge und Pfandlöschungen pro 1. April bis 30. Juni ds. Js. noch aus. Man erwartet deren alsbaldige Vorlage und versieht sich für die Zukunft der rechtzeitigen Einsendung.
Den 13. Juli 1897.
Oberamtsrichter: Sigel.
K. Amtsgericht Nagold.
An dir Gemeinderäte der fämtl. Gemeinden des Kezirks.
Dieselben werden auf die Bekanntmachung des Kgl. Justizministeriums vom 29. v. Mts. Amtsblatt S. 31/32 mit dem Bemerken ausdrücklich hingewiesen, daß der Termin für die Einsendung der Akten an das Amtsgericht jeweils pünktlich einzuhalten ist. Den 13. Juli 1897.
Oberamtsrichter: Sigel.
K. Amtsgericht Nagold.
Gerichtsferien betreffend.
Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen.
Feriensachen sind:
1. Strafsachen;
2. Arrestsachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen;
3. Meß- und Marklsachen;
4. Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von Wohnungs- und anderen Räumen wegen Überlassung, Benützung und Räumung der-
findet. Dieser von der einflußreichen Militärpartei wie von breiten Massen des Osmanenvolkes getragenen Forderung gegenüber sieht sich die Regierung Abdul Hamids allerdings in einer fatalen Lage. Sie muß befürchten, daß sich der allgemeine Unwillen der türkischen Armee wie Bevölkerung schließlich gegen die eigene Regierung richtet, wenn sie den chauvinistischen Wünschen im Lande nach Wiedererlangung des 1881 verloren gegangenen Thessaliens nickt so viel wie möglich nachkommt, andererseits weiß jedoch die Pforte selbst sehr gut, daß Europa nimmer in die Rückgabe der gesamten griechischen Provinz Thessaliens an die Türkei einwilligen würde. Daher laviert denn die Pforte zwischen der Forderung des türkischen Chauvinistentums wegen Thessaliens und der
schwankenden, unentschlossenen Charakter d^ türkischen Herrschers nur fraglich, ob undjwie lange dieser Eindruck bei ihm gegenüber dem Andrängen der Constantin- opeler Militärpartei standhalten wird. Und wenn nun sich Abdul Hamid zuletzt endgiltig weigern sollte, seine Armee abzuberufen, was dann? Falls auch nachher das „vereinigte Europa" noch auf seinem Willen bestehen sollte, so müßte also zu einer militärischen Exemtion gegen die Türkei geschritten werden, die aber nicht nur nach der rein militärischen, sondern auch nach der politischen Seite hin ihre ernsten Schwierigkeiten hätte, ja, speziell in letzterer Beziehung würde wahrscheinlich die Gefahr erst recht eintreten, welche man immer so ängstlich vermeiden will, nämlich die Sprengung des europäischen Konzerts. An-
Der eingeschriebene Brief.
Erzählung von Gustav Höcker.
3) (Schluß.) (Nachdr. verb.)
„Hier, nehmen Sie den Brief Ihres Vaters," setzte der Fremde nach einer Pause hinzu, dem Zahnarzte das verhängnisvolle Schriftstück vor die Füße werfend, „und lernen Sie von mir, wie ein Mann von Bildung einer unwürdigen Behandlung aus dem Wege geht. Und jetzt, meine Herren, wünsche ich allein zu sein."
„Nicht eher, als bis ich Ihren linken Oberarm gesehen habe!" rief Lorenz, um dessen Mund es eigentümlich zuckte.
Als der Fremde merkte, daß er so leichten Kaufes, wie er gedacht, nicht davon kommen sollte, blitzte es unheimlich in seinen Augen auf. Im Nu hatte er aus der weiten Tasche seines Rockes einen Revolver herausgezogen, aber in dem Moment, wo er den Finger an den Drücker legte, sprang Oswald auf ihn zu und schlug ihm die Mordwaffe aus der Hand. Der Schuß, welcher dem vor der Thür aufgepflanzten Wirte gegolten hatte, entlud sich und die Kugel zischte dicht an Oswalds Kopf vorüber und fuhr in die Decke. Einen Moment schien es, als ob der Ent- waffnete sich auf Oswald stürzen wollte, der den Revolver an sich gerissen hatte, aber er wandte sich dann plötzlich mit Blitzesschnelle gegen das offenstehende Fenster und schwang sich hinaus.
Die beiden Männer vernahmen ein schrilles Klirren und einen entsetzlichen Schrei, denn der Flüchtling war in einen Haufen leerer Flaschen gestürzt, die zum Ausspülen im Hofe aufgeschichtet waren.
Gräßlich verletzt und aus vielen Wunden blutend, wurde er bewußtlos nach dem Spitale verbracht. Zwei der Verletzungen waren tödlich. Vor seinem Hinscheiden bekannte sich der Verunglückte, auf dessen linkem Oberarm in der That noch die deutlichen Spuren einer tiefen Bißwunde sichtbar waren, zu dem Raubmorde im Postwagen.
Aus den Papieren, die er bei sich führte, ging hervor, daß er Rawitsch hieß. Wie die hierauf fußenden Ermittelungen der Gerichtsbehörde ergaben, war er in früheren Jahren vorübergehend in der Kreisstadt als Postbeamter angestellt gewesen. Später hatte er sich einen Unterschleif zu Schulden kommen lassen, wegen dessen er aus depi Postdienste entlassen und mit Gefängnis bestraft worden war. Aufder Leiter des Verbrechens weiter klimmend, hatte er endlich jenen Postraub ausgeführt, und als er die reiche Beute in einem schwelgerischen Leben und amSpieltisch durchgebracht, gedachte er den Inhalt jener eingeschriebenen Briefe des Kreisgerichts - Präsidenten, den er wohl ausbewahrt hatte, zu benutzen, um sich wieder Geldmittel zu verschaffen.
Das Gericht verlangte nach Vernehmen des Bankiers Spangenberg von Oswald Brandt keine
nähere Auskunft über das „Familiengeheimnis", welches zur Entdeckung dieses Raubmörders geführt hatte. Dem wackeren Lorenz gab der Zahnarzt aber freimütig den Brief zu lesen, zu dessen Besitz ihm dieser mit verholfen hatte. Es war die Mitteilung des Kreisgerichts - Präsidenten an seine Schwester, daß Oswald in seinem Leichtsinne seinem Prinzipale Spangenberg eine grö- ßere Summe veruntreut hatte. Der Bankier war dahinter gekommen und der Vater hatte, um seinen ehrlichen Namen vor öffentlicher Schande zu retten, sich mit Spangenberg geeinigt, ihm die unterschlagene Summe zu ersetzen. In flehenden Ausdrücken bat er die reiche Schwester, ihm das Geld zu leihen.
Das war die Schuld, welche Oswald Brandt auf dem Gewissen trug und die er durch bittere Reue und aufrichtige Besserung gesühnt hatte. Der Bankier, Herr Spangenberg, aber hat. seinem Versprechen gemäß, strenges Schweigen dar- über bewahrt, und auch in der Brust des ehrlichen Lorenz blieb das ihm anvertraute Geheimnis begraben.
Die unliebsamen Gerüchte über Oswald verstummten bald, nachdem das Verbrechen sich aufgeklärt hatte, und der sehr tüchtige und thätige Zahnarzt erwarb sich und seiner Familie eine angesehene Stellung in der Stadt.