Aro. 95
62. Jahrgang
Amts- unä
Intekkigenzökutt ^ür llen ^ezirlr.
Erscheint Atenstag, Ionneritag L Samstag.
Die EinrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äea 16. August 1887.
Abonnementspreis halbjährlich 1 -L 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 SO H, sonst in ganz Württemberg 2 70 H.
ArntticHe Wekcrrrntmcrctzurrgerr.
Die Ortsvorsteher
werden beauftragt, die Ausstandsverzeichnisse der Gemeindepflegen pro 1886/87 bis 20. d. Mts. bisher vorzulegen.
Calw, 13. August 1887. K. Oberamt.
Supper.
Die Hrtsvorjteher
derjenigen Gemeinden, welche im September 1885 Einquartierung gehabt haben, werden zufolge oberamtlichen Auftrags veranlaßt, behufs Berechnung der BelohnungHür die Einquartierungsgeschäfte aus den Quartierlisten und Gemeindepflegrechnungen, folgende Notizen zu liefern u. z.: die Zahl
a) der Quartierpflichtigen,
b) der abgegebenen Quartierbillette, v) der Quartiertage und
ck) die Zahl der Quartiertage auf die ganze Mannschaft berechnet. Calw, den 13. August 1887. Oberamtspflege.
Fechter.
H'otttifche Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
Babelsberg, 12. Aug. Der Kaiser ist heute vormittag 10 Uhr im besten Wohlsein hier eingetroffen. Bereits in Drewitz, wo der Kaiser die Eisenbahn verließ, wurde er vom Prinzen und der Piinzessin Wilhelm, dem Prinzen Leopold, dem Herzog Günther von SchleSwig.Holsteni, dem Landrat, den Ortsvorständen und den Kriegervereinen empfangen. Das zahlreich herbeigeströmte Publikum begrüßte den Kaiser mit Abfingen der Volkshymne und mit Blumenspenden. Bei der Ankunft hier wurde der Kaiser von der Prinzessin Friedrich Karl, dem Prinzen Alexander und den Spitzen der Behörden empfangen. Fürst Bis» marck kam nachmittags um 5 Uhr zum Kaiser.
Berlin, 13. Aug. Den Nachrichten zufolge, welche dem Kaiser zugegangen sind, ist der Gesundheitszustand des Kronprinzen vortrefflich und die Heilung eine vollständige.
Berlin, 11. Aug. Die Ankunft des Fürsten Bismarck erfolgte heute abend mit dem Stettiner Eilzuge um 6 Uhr 5 Min. Da das Eintreffen des Fürsten in Berlin vorher nur wenigen bekannt geworden, so
harrten auch nur vereinzelte des Augenblicks, in welchem der Reichskanzler wieder den Boden der Reichshauptstadt betreten würde. Einen erfreulichen Eindruck machte das gesunde und frische Aussehen des Fürsten; ungewohnt erscheint uns nur das Tragen einer Brille, deren sich der Kanzler seit kurzem bedient. Derselbe trug einen hellbraunen Ueberrock und den grauen Schlapphut. Auf dem Perron wurde der Fürst bei seiner Ankunft kaum bemerkt. In seiner Begleitung befand sich nur Graf Rantzau. Beim Besteigen der zweispännigen Equipage, welche den Fürsten und dessen Schwiegersohn nach dem Palais in der Wrlhelmstraße führte, nahm zuerst Tiras auf dem Rücksitz Platz, während sich der Genosse desselben es zu den Füßen des Fürsten luquem zu machen suchte. Auf dem Wege zum Palais^ wurde der Reichskanzler von den ihn erkennenden Passanten erfurchtsvoll begrüßt. Als die Equipage vor dem Portal des Kanzlerpalais vorsuhr, wurde Seine Durchlaucht daselbst von dem soeben erst aus England zurückgekehrten Geheimen Oberregierungsrat Dr. v. Rottenburg empfangen und in seine Gemächer geleitet. Die Ankunft selbst wurde von den Passanten der Wilhelmsstraße kaum bemerkt.
Berlin, 13. Aug. Fürst Bismarck ist heute früh 8 Uhr nach Klssingen abgereist.
Oesterreich-Ungarn.
Widdin, 12. August. Prinz Ferdinand ist gestern abend um 6 Uhr hiereingetroffen. Er hatte Orsowa um 5V-z Uhr früh verlassen und war um 1 Uhr mit der bulgarischen Fürstenjacht zusamenge« troffen, auf welcher die Regenten, Minister und Offiziere den Prinzen begeistert empfingen. Stambuloff verlas die Begrüßungsrede, worin er den Fürsten namens des bulgarischen Volkes und der Armee willkommen hieß und den Dank aussprach, daß derselbe in so schwieriger Zeit die Fahne, die Ehre und Unabhängigkeit Bulgariens in die Hände genommen. In Widdin wurde der Prinz vom Präfekten, dem Kommandanten und dem Erzbischof empfangen und enthusiastisch begrüßt. Auf eine Ansprache des Erzbischofs erwiderte der Prinz, daß er, als einstimmig von den Vertretern der Nation gewählt, es als seine heilige Pflicht angesehen habe, baldmöglichst sein neues Vaterland zu betreten und demselben sein Leben zu weihen. Er dankte für die Ergebenheit und Treue und rechnet auf die Unterstützung des Volkes in seinen Bemühungen für die glückliche Entwickelung des Landes. Der Prinz besichtigte daraus das ausgestellte Bataillon und begab sich sodann auf das Stadthaus, empfing dort eine Deputation und kehrte sodann aus das Schiff zurück.
Rustschuk, 13. Aug. Der Prinz von Koburg ist gestern hier eingetroffen und wurde von der Bevölkerung begeistert empfangen. Der Prinz reist heute früh über Sistowa nach Tirnowa, wo morgen die
Feuilleton. «Nachdruck «erboten.»
Die Emigranten
von N. ^-Vitri.
(Fortsetzung.)
„Nicht Zufall nenne es", wandte Eva ein, „cs war die Hand der Vorsehung, ohne deren gütiges Walten weder Dein Vater noch Deine Schwester am Leben wären. Auch wir können Dir erzählen von Gefahr und Rettung, was unfern Gottesglauben bestärkte." —
Der erste Gang, welchen der Heimgekehrte am folgenden Morgen machte, war zu Jörge; er bezahlte ihm nicht nur seine eigene Schuld samt Zinsen, sondern entschädigte den sauer dreinblickenden Müller auch dafür, daß er Vater und Schwester in seinem Hause beherbergt hatte.
Nur wenige Monate vergingen, da führte Henrik seine getreue Vroni als sein geliebtes Weib in die Oelmühle.
In den obern Räumen schaltete das Neuvermählte Paar, während Eva mit ihrem Vater, den die Rückkehr des Sohnes wieder frisch aufleben ließ, im Erdgeschoß ein ruhiges, ungetrübtes Dasein führte.
Jeden Morgen, wenn Eva die Nelken an ihrem Kammerfensterlein begoß, weilte ihr Blick sinnend auf den Arabesken, welche eine liebe Hand in das harte Gestein eingemeißelt hatte und in ihr frommes Gebet für den fernen Geliebten mischte sich ein Seufzer der Sehnsucht. _
7. Kapitel.
Nachdem Amandus von der Geliebten und dem stillen Thale Abschied genommen, begab er sich zunächst nach Stuttgart. Die Oelmühle in Teinach war der erste Bau gewesen, den er als selbständige Arbeit ausführen durfte, und da dieselbe zur Zufriedenheit Meister Schickhards ausgefallen war, so hoffte er, die Leitung größerer und wichtigerer Bauten übernehmen zu dürfen.
Als er bei Meister Schickhard die nötigen Instruktionen entgegengenommen hatte, beschloß er, den Zinngießer Meidele aufzusuchen, der sich ihm während seines ersten Aufenthaltes in Stuttgart so freundlich erwiesen.
Er fand denselben nicht in seiner Werkstätte; dagegen sah er an einem mit Zinnröhren und Werkzeugen aller Art bedeckten Tische einen jungen Mann sitzen der, den Kopf in die Hand gestützt, in tiefes Nachdenken versunken zu sein schien. Zu seiner Ueberraschung erkannte Amandus seinen Freund Konrad Schott. Welche Veränderung war mit demselben vorgegangen! In dem einen Jahre war er zu einem stattlichen Jüngling herangewachsen und der knabenhaft fröhliche Ausdruck im Gesichte des Erblindeten war tiefem Ernste und einem Zuge von 'Nachdenken gewichen, was ihm die 'Miene eines gereisten Mannes verlieh. Sich aus der nachdenklichen Stellung emporraffend, betastete Konrad die Gegenstände, welche vor ihm ausgebreitet lagen, ergriff eine der Zinnröhren, setzte sie an den Mund und brachte einen langgedehnten Ton hervor.
„Armer Junge", murmelte Amandus, „also immer noch dieselben Hoffnungen, die sich in deinem traurigen Zustande niemals verwirklichen werden."
Aber länger konnte er sich nicht mehr halten und bald darauf hatten sich die Freunde umschlungen.
„O Amandus!" rief Konrad aus, nachdem die Freude der Ueberraschung vorüber, „Du kommst gerade recht, mein Glück mit mir zu teilen. Siehst Du diese Röhren hier? Jede derselben hat durch mich eine Vorrichtung erhalten, Töne von sich zu geben, nun fehlt nur noch die Mechanik, welche die nötige Luft zuführt — auch damit hoffe ich noch zum Ziele zu gelangen.
„Aber wie ist Dir dieses möglich, Konrad? Wie kannst Du tastend allein das vollführen, was Sehenden sogar eine schwere Kunst ist?"
„Wie ich es vollbringen soll, weiß ich selbst noch nicht, aber glaube mir, Amandus, es wird mir gelingen. In heißem Gebete ringe ich Tag und Nacht mit dem Herrn und spreche gleich Jakob: ich lasse dich nicht. Du segnest denn mein Werk. — Und hat Gott mich nicht schon gesegnet? Als der Herzog von meiner völligen