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der Hausbesitzer nachher zur Stelle kam und Mühe hatte, die Flamme zu löschen.
Rottweil, 31. Juli. Während die Tagesblätter von Berichten über Gewitter mit reichlichem Regen — allerdings auch zündenden Blitzschlägen — gefüllt sind, ist von hier aus zu berichten, daß wir wohl jeden Tag den Donner ferner Gewitter hören, nie aber Regen bekommen, den die lechzende Erde so wohl brauchen könnte. Vor der nahe bevorstehenden Ernte wäre ein ergiebiger Regen sehr erwünscht.
Heidenheim, 3l. Juli. Die Maschinenfabrik von I. M. Voith hier, welche vor 25 Jahren gegründet wurde und die nunmehr über 300 Arbeiter beschäftigt, hat im vergangenen Jahre wieder bedeutende Erweiterungen erfahren, namentlich wurde ein stattlicher, 3'^stockiger Bau errichtet, welcher bestimmt ist, das Comptoir, die Zeichensäle und Modelle in sich auf- zunebmen. Dieser Bau wurde in vergangener Woche bezogen. Gleichsam zur Einweihung desselben und zugleich zur Feier des 25jährigen Bestehens der Fabrik gab gestern der Besitzer, Herr Friedrich Voith, seinen Angestellten und Arbeitern in seinem Garten ein schönes Fest, wobei in verschiedenen Reden und Toasten das gute Einvernehmen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern der Fabrik gefeiert und betont wurde, wie Herr Voith stets bemüht sei, für das Wohl seiner Arbeiter zu sorgen, was er in verschiedenen Einrichtungen, die er in der Fabrik getroffen, bis jetzt schon bethätigt hat. Das Fest wurde durch Vorträge des Gesangvereins der Fabrik und der städtischen Musik verschönt.
Welzheim, 30. Juli. Der Schneiderlehrling Heinz von hier, dem es gelungen ist, das Gericht und die Landjägerschaft so frech zu belügen, es habe zwischen Lorch und Welzheim ein räuberischer Ueberfall auf ihn stattgefunden, ist auf dem besten Wege, das Räuberhandwerk selbst zu erlernen; denn am Tage vorher, als er die Erdichtung inscenierte, war es, wie bestimmt erwiesen ist, dieser Bursche, welcher den 11jährigen Knaben des Schullehrers Heiß in Breitenfürst, der ihm im Tannenwalde zwischen hier und Bceitenfürst begegnete, -überfiel und unter Anwendung von Drohungen seine Börse samt Inhalt sich rechtswidrig zueignete. Der kleine Heiß wurde hierher gesandt, um Lebensbedürfnisse einzukaufen, und da er einen Korb bei sich trug, so mochte der junge Räuber wohl angenommen Hal en, hier eine gute Beute erhaschen zu können. Auf die Annäherung zweier von Welzheim kommender Knaben, der zuvor mit dem Räuber handgemein geworden war und sein Geld nicht so leichten Kaufs herausgab, warf Heinz den Geldbeutel mit Inhalt von sich und suchte das Weite, und der Ueberfallene kam so wieder in den ungeschmälerten Besitz seiner Barschaft.
Münsingen, 30. Juli. Wie Heuer schon in mehreren Gegenden des Landes, besonders des Oberlandes, weil es nicht trocken genug eingebracht worden, in der Scheuer zur Verbrennung gekommen ist, so drohte auch unserer Stadt und zwar an einem bedenklichen Punkte aus dem gleichen Grunde eine Feuersbrunst, deren Ausbruch bei dem derzeitigen geringen Wasserstand hätte gefährlich werden können. Das in der alten Rößlesscheuer massenhaft untergebrachte Heu hatte sich entzündet, was durch den sich überall zum Dach herausdrängenden Rauch glücklicherweise noch gestern abend bei Tag bemerk- lich wurde, so daß das Feuer erstickt und die Scheuer vollständig ausgeräumt werden konnte. Bis aber dieses viele Stunden in Anspruch nehmende mit Rauch und Flammen begleitete Geschäft beendigt war, war die Besorgnis keine geringe. _
Mainz, 1. August. Die mit Pionierabteilungen vom 6. Armeekorps zu den großen Belagerungsübungen in unserer Festung eingetroffene militärische Luftschiffer. Abteilung hat heute vormittag zwischen 6 und 7 Uhr mit der Füllung eines mächtigen Seidenballons begonnen und war mit dieser Arbeit heute abend 9 Uhr noch nicht zu Stande. Allerdings ist einmal eine größere Quantität Gas durch einen Schaden an der Zuleitung entwichen. Der Ballon faßt etwa 4000 Kbm.; er wird an einer eigens konstruierten Maschine, auf welcher sich ein Drahtseil auf- und abwickelt, auf- und abgelassen, hat also nur in beschränktem Maße freie Be
wegung. Dem Vernehmen nach soll das Deutsche Reich das Patent des Erfinders um eine sehr hohe Summe erworben haben. Der Ballon soll morgen früh 6 Uhr zum ersten Male aufsteigen, bei späteren Nachtübungen werden in der Gondel elektrische Apparate zur Erzielung von Lichteffekten auf dem rekognoszierenden Terrain mitgeführt.
L6. Frankfurt a. M., 1. August. Kurz nach 4 Uhr sind gestern nachmittag zwei Züge dicht hinter der Eisenbrücke in Sachsenhausen auf- einandergefahren und zwar stieß ein Personenzug der Hess. Ludwigsbahn auf den abfahrenden Bebraer Personenzug. Im ersten Momente herrschte eine schreckliche Verwirrung, indessen zeigte sich bald, daß das Unglück nicht die Dimensionen angenommen hatte, die es an dieser gefährlichen Stelle leicht hätte erreichen können. Leider ist ein Menschenleben zu beklagen. Einem Bremser der Hessischen Ludwigbahn wurde der Brustkasten eingedrückt und blieb derselbe auf der Stelle tot. Soweit bis jetzt bekannt, wurden weiter noch 17 Personen mehr oder minder leicht verwundet, welche indessen alle nach der Stadt zurückkehren konnten. Sechs Wagen des Bebraer Zuges sind zum Teil sehr stark beschädigt, auf dem Mainzer Zug, dessen Lokomotive den Schlot verlor, wurde Niemand verletzt. Das Unglück ereignete sich dadurch, daß der 12 Uhr 40 abfahrende Berliner Courierzug entgleiste und alle folgenden Züge Verspätung erlitten. Der 2,35 von hier abfahrende Bebraer Personenzug wurde erst 3.15 von hier abgelaffen. Er hielt jenseits der Brücke, um den von Mainz 3.28 hier fälligen Zug vorübergehen zu lasten, der Mainzer Zug aber, der zu spät von der Sache benachrichtigt war, fuhr in den stehenden Zug hinein. Da die Züge auf einem hohen, schmalen Damme zusammenstießsn, hätte das Unglück, zumal beide stark besetzt waren, leicht ein sehr großes werden können, verhütet wurde dies nur durch die Geistesgegenwart des Führers des Mainzer Zuges, welcher, als er die Gefahr erkannte, sofort Contredampf gab. Die Telegraphenleitung war an jener Stelle, da eine Telegraphenstange umgeworfen wurde, zerstört und bis abends 9 Uhr gesperrt. Die Bahnvsrwaltung hatte zur Hilfeleistung die Feuerwehr requiriert, welche indessen, da gleichzeitig zwei große Brände in der Stadt ausgebrochen waren, nicht sehr zahlreich erscheinen konnte, und wurde sofort mit den Arbeiten zur Wiederherstellung der Geleise begonnen. Heute morgen ist die Stätte, auf welcher leicht unermeßliches Unglück hätte eintreten können, nur noch durch einige Trümmerreste gekennzeichnet.
Aus Mühlheim a. Rh., 1. Aug., wird der „K. Z." gemeldet: Ein seit langer Zeit gesuchter Raubmörder wurde vorgestern von unserer Polizei verhaftet. Bekanntlich sind vor 12 Jahren die Eheleute Joesten in Solingen ermordet und beraubt worden; es wollte lange nicht gelingen, der Thäter habhaft zu werden. Zu Anfang des vorigen Jahres weilte am Rhein ein Kriminalkommissar aus Berlin, welcher mit dem hiesigen Polizeikommissar in Verbindung trat. Bei einer Vernehmung hiesiger Zeugen wurde unser Polizeikommissar auf zwei Menschen aufmerksam gemacht, die in der Verbrecherwelt die Namen „Kruuskopp" und „Platekopp" führen. Der Krauskopf war unserem Kommissar bekannt, da er ihn vor vier Jahren wegen schweren Diebstahfs verhaftet hatte. Derselbe saß dafür im Zuchthause und sollte in einigen Tagen entlassen werden. Er leugnete bekanntlich erst die That, bis ein merkwürdiges Ereignis ihn zum Geständnis brachte. Im Zuchthaus« zu Jauer, wo er seine Strafe verbüßte, befand sich eine Katze; das Miauen dreses Tieres ließ ihm keine Ruhe, bis er dem Geistlichen und später vor Gericht bekannte, daß in jener Nacht, als sein Genosse den Raubmord beging und er vor dem Hause Wache gehalten habe, eine Katze oben ängstlich gegen die Fenster gesprungen sei und jämmerlich geschrien habe. Die böse That käme ihm stets vor Augen, sobald er eines solchen Tieres ansichtig werde. Bekanntlich wurde dieser Gustav Kampmann im vorigen Jahre vor dem Schwurgericht zu Elberfeld wegen Hilfeleistung beim Raubmord zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der eigentliche Mörder, der Platekopp, (August Kimpel aus Dabringhausen) wurde endlich hier am Samstag nachmittag von unserer Polizei in einer Wirtschaft festgenommen und nach Elberfeld abgeliefert.
„Wie Ihr uns da seht, ziehen wir mit dem Grafen von Stintenau nach Venedig er hat sich mit einer Söldnerschaar der Republik verschrieben, um für sie gegen die Türken zu kämpfen. Geht mit! In einigen Jahren kehrt Ihr wieder, Ihr habt dann so viel Sold eingenommen und Beute gemacht, daß Euer Vater Euch nicht mehr wie einen Schulbuben behandeln kann, wegen ein paar lumpigen Dickthaler."
Immer verführerischer stellten mir dis Fremden die Sache dar und immer deutlicher suchten sie mir das Entwürdigende meiner jetzigen Abhängigkeit klar zu machen, der starke Wein mochte auch seine Wirkung gethan haben, kurz und gut, ich sagte zu, erhielt meinen Emstand und war Soldat der Republik Venedig."
„Teukel!" rie der gespannt horchende Landsmann, „Ihr seid Werbern in die Hände gefallen, die ihr Geschäft verstanden, freilich seid Ihr aber auch — nichts für ungut, Kamerad — wie ein richtiger Gimpel ins Garn gegangen."
„Ihr habt recht, wenn Ihr mich ausspottet, aber bedenkt wie selten ich aus unserm Thale hinauskam und wie wenig ich noch die Menschen kannte."
„Hm", machte der Andere, „Euer Schulkamerad wäre aber doch nicht gefangen worden."
„Nein, der gewiß nicht", gab der Soldat zu. „Für fünf Jahre habe ich mich verbindlich gemacht; drei sind nun bald vorüber, wie ich aber die beiden andern aus- halten soll, ohne am Heimweh zu sterben, weiß ich nicht. Wohl habe ich mir schon eine schöne Summe erworben, denn Würfelbecher und Karten habe ich seitdem nicht mehr berührt, wenn ich mir nun auch damit einen Ersatzmann erkaufen könnte, müßte ich als armer Teufel heimkehren und das thue ich nicht, arm mag ich meinem Vater, der es so treu mit mir gemeint, nicht unter die Augen treten. So schleiche ich nun hier herum mit dem Gedanken an die Heimat und quäle mich mit Vorwürfen, meinem Vater seine Stütze beraubt zu haben. Vorigen Sommer hatte ich eine Erscheinung, ich laste es mir nicht nehmen und seit jener Zeit — doch hört erst. Es war am Jakobitage, der bei uns zu Hause mit Spiel und Tanz festlich begangen wird. Ich
dachte den ganzen Tag an die Heimat, denn wißt, außer meinem Vater und meiner Schwester lebt dort auch noch eine blondhaarige Dirne, Ihr versteht mich?"
„Verstehe, verstehe", nickte der Andere.
„Nun, meine Sehnsucht war stärker wie sonst, da träumte mir in der darauffolgenden Nacht, die Erde habe sich gespalten und aus dem weiten Riß schlüge eine Feuersäule empor; jenseits derselben sah ich Vater und Schwester sehnsüchtig die Arme nach mir ausbreiten, sie schwebten in großer Gefahr vom Feuer erfaßt zu werden und doch war ich nicht im Stande ihnen zu helfen. Schweißgebadet erwachte ich endlich, ein Heller Feuerschein, der die Wände unseres Schlafsaales überzog, ließ mich entsetzt vom Lager emporfahren, ich stürzte ans Fenster — es waren aber nur einige Vornehme, die mit ihren Fackelträgem unten vorübergingen. Seit jener Zeit ist mir's oft, als hörte ich meinen Namen rufen und immer meine ich die Stimme meiner Schwester zu erkennen."
„Ach, was!" schalt der Andere, „das hext Euch das Heimweh vor, Ihr seid halt ein ächter deutscher. Derlei Anfechtungen habe ich in meinen jüngeren Jahren auch manchmal gehabt; seit mein Bart aber anfängt grau zu werden, hat der Spuk aufgehört. Jetzt handelt es sich vor allem dämm, wie Ihr mit guter Manier heim kommt und doch auch Euern Mammon mitbringt. Da ist freilich guter Rat teuer. Wie heißt der Graf bei dem Ihr in Sold seid? — I, schau mal Einer den Burschen an", rief er aus, nachdem er den Namen vernommen, „Ihr habt ja teufelmäßiges Glück. Kommt, stoßt an auf glückliche Heimkehr! Glotzt mich nicht so an Landsmann", fuhr er lachend fort, als ihm der Andere verwundert ins Gesicht schaute, kommt morgen Abend wieder in diese Schenke, wo man einen so vortrefflichen Dalmatiner trinkt."
Laut lachend hatte er seinen Gürtel umgeschnallt, nochmals dem Soldaten die Hand geschüttelt und diesen verblüfft zurücklastend, machte er sich etwas unsicher» Schrittes auf den Heimweg.
(Fortsetzung folgt.)