Zeit von Ludwig XIV. und Ludwig XV. bewohnten Räumen hergerichtet waren. Um 6 Uhr begann die Illumination, die einen herrlichen Anblick darbot.

Versailles, 9. Okt. Von der Fahrt durch den Park zurückgekehrt, verließen die russischen Majestäten den Wagen. Präsident Faure bot der Kaiserin den Arm. Der Zug stieg die Königintreppe empor, oben von Madame Faure und Fräulein Faure erwartet, welche sich anschlossen. Der Zug durchschritt die einzelnen Gemächer. Die Majestäten verweilten länger in den Zimmern Ludwigs XIV. Sie erschienen darauf in der Spiegelgallerie und betraten den Balkon des Zentralpavillons. Auf der Terrasse hatten sich 15 000 Zuschauer eingefun­den und brachten Ovationen dar. Die Majestäten sprachen sich über die Wasserkünste entzückt aus. Als es zu dunkeln anfing, wurde das Schloß und die öffentlichen Gebäude, sowie die Prioathäuser beleuchtet. In den nach dem Schloß führenden Avenuen waren die Bäume mit venetianischen La­ternen und Girandolen bedeckt. Auf den Plätzen wurde musiziert und gesungen. Die Menschenmaffen machten ein Vorwärtskommen unmöglich. Im Schlosse wurde den Majestäten eine goldene Gedenktafel des Instituts überreicht. Das von Präsident Faure gegebene Diner fand um 7 Uhr abends in der Gallerie des Batailles statt. 100 Personen nahmen an einer Tafel daran Teil. Der Kaiser und Prä­sident Faure saßen sich gegenüber, zur Rechten des Kaisers Madame Faure, zur Rechten Faure's die Kaiserin. Es wohnten die Minister und Präsidenten beider Kammern, Baron v. Mohrenheim, Schischkin und Montebello bei. Bei der Ankunft des Wagen­zuges vor dem Schlosse gingen beide Pferde des Finanzministers durch und warfen etwa 20 Personen um. Sechs davon sind verwundet, darunter 3 schwer.

Versailles, 9. Okt. Um 10 Uhr abends fand ein Konzert zu Ehren der russischen Majestäten statt. Der Kaiser führte Madame Faure, der Präsident die Kaiserin. Unter den Künstlern befanden sich Sarah Bernhardt, Delanney, Coquelin. der Säuger Delmas und die Sängerin Delma. Die Tänzerinnen der Oper führten alte Tänze aus. Um 110« Uhr be­gaben sich die Majestäten unter den Ovationen der Bevölkerung durch die glänzend erleuchteten Straßen nach dem Bahnhof und reisten um 11 Uhr 35 Min. ab. Faure reiste um 11 Uhr 45 Min. ab.

Paris, 8. Okt. Kaiser Nikolaus gab telegra­phisch Befehl, daß der für die Gruft Carnots be­stimmte goldene Kranz raschestens vollendet werde und die Inschriftst 6urnot, Xioolnus II" tragen soll.

Paris, 9. Oktober. Der Zarenbesuch hat im Elysöe bereits zu einer Krise Anlaß gegeben. Glück­licherweise handelt es sich um keine politische Krise und der Zwischenfall hat keine größere Tragweite, obwohl derselbe ein wichtiges Mitglied des Hof­staates des Präsidenten betrifft. Niemand geringerer als der Küchenchef des Herrn Faure hat seine De­mission gegeben. Als Grund für diesen Aufsehen erregenden Entschluß wird gekränkter Ehrgeiz ge­nannt; das vorgestrige Galadiner im Elysöe war nämlich bei einem hiesigen berühmten Restarateur bestellt worden, da man offenbar zu der Kunst des Küchenchefs kein besonderes Zutrauen hatte. Der Vater des Elysöes aber handelte wie ein Minister angesichts eines Mißtrauensvotums. Er trat mit würdigem Selbstbewußtsein von seinem Posten ab.

Chalons, 10. Okt. Der Zar verlieh Hanotaux sein Bild mit einer herzlichen, in seiner Gegenwart geschriebenen Widmung, dem Grafen Montebello den Alexander-Newsky-Orden und ernannte Giers zum Haushofmeister, Baron Frederiks zum General­adjutanten, den Prinzen Orloff zum Adjutanten. Bei der Abfahrt des Zarenpaares bildeten 70000 Mann Spalier mit Trommelwirbel und Fahnen­senken. Am Bahnhofe angekommen verabschiedeten sich der Zar von Loubet, Brisson und Barthou. Präsident Faure verabschiedete sich im Kaiserwaggon. Hochrufe begleiteten die Abreise des Kaiserpaares. Faure reiste eine Viertelstunde später ab und traf in Paris um 10 Uhr unter der Ovation der Menge ein.

Chalons, 11. Okt. Das Zarenpaar ist gestern abend 6 Uhr unter lebhaften Zurufen der Bevöl­kerung abgereist. Der Kaiser und Präsident Faure verabschiedeten sich herzlichst.

tz Mit berechtigter Spannung sah man aller Orten nicht nur m Frankreich, sondern in der

ganzen civilisierten Welt den Worten entgegen, die der Zar bei dem Diner im Palasts des Präsidenten der Republik sprechen würde. Nunmehr liegt der Wortlaut des Toastes vor, und die Kritik macht sich eilends daran, ihn zu deuten und auf seinen Wert festzulegen. Jeder unbefangene Leser des Kaiserlichen Trinkspruchs wird den Eindruck gewinnen, daß der Zar auch im Elysöe mit unverkennbarer Reserve gesprochen hat und daß die französ. Blätter doch wohl übereilt handeln, wenn sie aus den Worten des russischen Gastes Beweise für das Bestehen eines franko-russischen Bündnisses herauslesen. Für die völlige Hingabe seines Gutes und Blutes hätte Frank­reich wohl noch wärmere Worte verdient und ein noch rückhaltloserer Trinkspruch hätte nirgends Be­fremden oder Ueberraschung hervorgerufen. Weder das WortAlliance" noch das zum mindesten erwar­tendeEntente" hat der Zar in seinem Trinkspruch angewendet, er begnügte sich von denBanden" zu sprechen, welche die beiden Nationen verbinden und von der gegenseitigen Freundschaft, von welcher die gedeihlichsten Folgen zu erwarten seien. Weniger konnte der Zar kaum sagen, wenn anders ihm an der Freundschaft Frankreichs etwas gelegen war, die er doch in der That nicht entbehren kann.

Petersburg, 8. Okt. Das russische und das deutsche Kaiserpaar werden am Darmstädter Hofe Zusammentreffen, weil das Befinden der Zarin Schonung fordert.

Kleinere Mitteilnnge«.

Stuttgart, 8. Okt. Die eisernen Träger für die Drähte der elektrischen Straßenbahn in der Neckarstraße haben infolge der mehrfachen durch sie direkt oder indirekt verursachten Unglücksfälle eine weit über Stuttgart hinaus­gehende traurige Berühmtheit erlangt. Ein in den letzten Tagen wieder vorgekommener Unfall mit tötlichem Aus­gang war Ursache, daß im Gemeinderat heute für sofortige Entfernung der Träger plaidiert wurde, aber vergebens, denn durch Stichentscheid des Oberbürgermeisters wurde beschlossen, sie noch bis zum nächsten Frühjahr stehen zu lassen, bis zu welchem Zeitpunkt die Einführung des Accu- mulatorenbetriebs die Masten überflüssig macht. Hoffen wir, daß bis dahin kein weiteres Malheur durch die un­glückseligen Masten verursacht wird.

Stuttgart, 9. Okt. Der Verlag der hier wöchentlich 2mal erscheinendenStuttgarter Nachrichten" hat die Ein­richtung getroffen, daß jeder Abonnent des genannten Blat­tes ohne weitere Zuzahlung mit 500 ^ versichert ist, falls er infolge eines Unfalls gänzlich invalid wird oder das Leben verliert. Der am letzten Sonntag von der Stuttg. Straßenbahn totgefahrene Heizer K. Klotz, gebürtig aus Nonnenmühle OA. Backnang, war seit August d. Js. auf das genannte Blatt abonniert. Infolgedessen ist dem Vater des Verunglückten, Gottl. Klotz, als nächstem Erbberechtig­tem der Betrag von 500 durch den von der Allgemeinen Deutschen Vers.-Gesellschaft in Rückversicherung genomme­nen Verleger des erwähnten Blattes ausbezahlt worden.

Stuttgart, 9. Okt. Der erste Gewinn der Frank­furter Pferdemarkllotterie ist einem Einwohner Frankfurts zugefallen, dessen größter Reichtum acht Kinder sind.

Untertürkheim, 10. Okt. Schultheißenamtsassistent Brüstle wurde unter 26 Bewerbern zum Polizeikommissär in Gmünd gewählt.

Reutlingen, 8. Okt. Heute nachmittag wurde an der Straße von Eningen nach Reutlingen in der Nähe der Eifertshöhe die ledige Fabrikarbeiterin Julie Rauscher von Eningen ermordet aufgefundsn. Der Verdacht, die That begangen zu haben, richtete sich sofort gegen den Ge­liebten der Ermordeten, den Fabrikarbeiter Ernst Walter von Eningen, der sich versteckt hielt, jedoch heute mittag im Felde angetroffen wurde. Beim Hsrannahen der Poli­zei j choß sich Walter eine Kugel in den Kopf und liegt nun schwer verletzt darnieder. Die Mordthat hat er, wie' er zugestanden, aus Eifersucht begangen.

Reutlingen, 9. Okt. Ein tragischer Fall hat sich hier ereignet. Einem Gerber erkrankte letzter Tage eine Gans. Dieselbe wurde geschlachtet und verzehrt. Bald nach dem Genuß erkrankten die Familienmitglieder an heftigen Leib­schmerzen, und heute ist die Frau gestorben. Mann und Kinder liegen noch krank darnieder, doch ist Hoffnung vor­handen, dieselben am Leben zu erhalten. Bei der Unter­suchung der Gans ergab sich, daß diese Gift bekommen hatte, was sich hauptsächlich in der kranken Leber zeugte, welche zur Fülle verwendet und mit dieser verzehrt wor­den war.

Aus dem O,-A. Ehingen, 7. Okt. Eine hübsche Anekdote wird aus dem letzten Manöver erzählt. In R., einem Dorfe in unserem Oberamt, hatte sich der Bruder unserer Königin, Prinz Max, einquartiert. Leutselig ließ sich der hohe Gast in ein Gespräch mit seinem Quartier­geber ein. Auf einmal meinte dieser naiv:Aber Eure Schwester, die hat eine gute Partie gemacht!" Lachend erwiderte der Prinz:Ja, ja. Ihr habt recht. Das muß ich doch gleich meiner Schwester wieder erzählen, wenn ich nach Stuttgart komme."

Plochingen, 9. Okt. Gestern abend wollte in dem benachbarten Altbach ein junger Mann ans dem Eisenbahn­zuge sich entserneu, als derselbe schon in Bewegung war, wobei er so unglücklich zu Boden geschleudert wurde, daß er schwer verletzt in das hiesige Johanniterkrankenhaus ver­bracht werden mußte.

Heidenheim, 9. Okt. Vergangene Nacht wurde die Einwohnerschaft durch Feuerlärm aus dem Schlafe gcweckl.

Es brannte ein dem Brauereibesitzer Mackh zum Gesell­schaftsgarten gehöriger Stadel samt Stallung. Der rasch herbeigeeilten Feuerwehr gelang es, den Brand auf seinen Herd zu beschränken. Man vermutet, daß das Feuer durch Selbstentzündung von Heu entstand.

Friedrichshafen, 9. Okt. Heute morgen wurden von einem Fischer 2 Leichen im See, unweit vom Schloß, gefunden. Dieselben waren am Oberarm mit einem Strick zusammengebunden. Die eine der Leichen wurde als der etwa 30 Jahre alte Monteur Stock hier und die andere als eine 26 Jahre alte ledige Frauensperson von Eßlingen, welche seit etwa 4 Wochen bei Stock auf Besuch war, er­kannt. Stock hinterläßt eine Frau und ein Kind. Die beiden Ertrunkenen wurden seit 10 Tagen vermißt. Vor 8 Tagen fand man am Schloßdamm ein Notizbüchlein, in welchem St. die selbstmörderische Absicht mitteilte, doch glaubte man allgemein, es sei auf Täuschung abgesehen.

Frankenthal, 8. Okt. (Röntgenstrahlen.) Einem Mädchen von Gerolsheim, welches hier im Dienste stand, kam beim Putzen eine Nadel in die Hand, und ein Stück der Nadel war trotz allen Suchens nicht aufzufinden, so daß Gefahr bestand, die Hand abnehmen zu müssen. Das Mädchen ging in die Klinik nach Heidelberg, wo die Hand mit Röntgenstrahlen photographiert wurde; der Sitz des Nadelstückes wurde entdeckt und dasselbe dann entfernt. Die Hand des Mädchens ist hierdurch gerettet worden.

Köln, 8. Oktober. Am Mittwoch vormittag warf sich, wie man der Fr. Ztg. aus Köln schreibt, ein ungefähr 40 Jahre alter Engländer vor den von Elberfeld kommen­den in den Zentralbahnhof einlaufenden Zug. Der Ma­schinist bremste sofort; zugleich sprangen mehrere Eisen­bahnbeamte hinzu, und es gelang ihnen, den Lebensmüden, der mit dem Halse auf einer Schiene lag, im letzten Augen­blick fortzuziehen. Der Herr wurde im Krankenzimmer des Bahnhofs untergcbracht. Er gab an, von Moskau über Blissingen nach England reisen zu wollen. In Ober­hausen habe er irrtümlich einen falschen Zug bestiegen und sei so nach Köln gelangt. Dieses Vorkommnis habe ihn so hochgradig erregt, daß er im Augenblick der That nicht bei Besinnung gewesen sei. Der Herr hatte einen größeren Geldbetrag bei sich.

St. GoarshauseO, 8. Okt. Bei Nochern ist am Sonntag ein schrecklicher Unglücksfall passiert. Aus der Brücke zwischen Weyer und St. Goarshausen scheute das Pferd eines mit zwei Frauen und einem Fuhrmann be­setzten Wagens vor der Dampfstrabenwalze und ging zurück, so daß das Gefährt von der Brücke herabstürzte. Der Wagen überschlug sich. Eine der Insassen, die Schwieger­mutter des in Weyer stationirten Gendarmen Schmidt, war sofort tot. Die beiden anderen Personen erlitten leichte Verletzungen. Das Pferd blieb unbeschädigt.

Schweidnitz, 8. Okt. Wegen Verweigerung einer Butterschnitte hate der zwölfjährige Reinhold Rieger den neunjährigen Franz Güttler in Leutmannsdorf gräßlich ermordet. In der hiesigen Garnison ist der Typhus ausgebrochen. Ein Breslauer Generalarzr ist zur Unter­suchung eingetroffen.

Berlin, 9. Okt. In der Angelegenheit des Attentat­versuchs gegen den Polizeioberst Krause soll nunmehr die Voruntersuchung soweit beendet sein, daß gegen den Anar­chisten Koschemana und Genossen Anklage wegen Mord­versuch erhoben werden kann.

Lima, 7. Okt. Reuter meldet: Die Telegraphenver­bindung mit Guayaquil ist infolge einer furchtbaren Feuersbrunst unterbrochen; die halbe Stadt soll zerstört sein.

Wien, 9. Okt. Die N. Fr. Pr. meldet aus Bozen, der Abendschnellzug aus Italien stieß mit einem Rekruten­separatzug bei der Stadt Auer in der Nähe von Bozen zusammen. Einzelheiten fehlen noch; doch werden schwere Opfer befürchtet. Ein Hilfzug ist abgegangen.

Paris, 6. Okt. Der Kaiser von Rußland hat vor seiner Abreise von Paris 100000 Fr. für die Armen ge­spendet.

London, 9. Oktober. Allerseits wird ein furchtbarer Sturm gemeldet, besonders im irischen Meer. Bei Holi- head ist ein Schooner untergegangen, 3 Personen sind um­gekommen. Das Leuchtschiff bei Daunts Rock aus der trans­atlantischen Route nach Holihead ist verschwunden; man ^ befürchtet, daß die aus 10 Mann bestehende Besatzung er­trunken ist. Bei der Insel Skomer bei Milsordhaven ist ein großes Schiff gescheitert. Die Mannschaft ist ertrunken. Depeschen berichten von überallher Ueberschwemmungen in Großbritannien. _

Landwirtschaft, Handel är Verkehr.

Neuenbürg, 10. Okt. Auf dem heutigen Schweine­markt wurden 40 St. Milchschweine zu 48 ^ per Paar rasch abgesetzt.

Tübingen, 9. Okt. (Schranne.) Neuer Dinkel per 100 Kilo ^ 15.90, 14.64, 14.10, alter Dinkel 15.40, 15.22, 15., neuer Haber 13.22, 13.11, 13., alter Haber 16.40, 16.28, 16., Gerste 16., 16., 16., Mischling 16.. 16., 16..

Stuttgarr, 10. Okt. (Kartoffelmarkt.) Zufuhr 1100 Ztr. Preis per Ztr. ^ 3.503.80. (Krautmarkt.) Zu­fuhr 3000 Stück Filderkraut. Preis per 100 St. ^ 16.18.

Stuttg ar t, 10. Okt. (Obstmarkt auf dem Wilhelms­platz.) Zufuhr 1200 Ztr. württb. Mostobst, Preis per Ztr. ^ 5.20 bis ^ 6.50.

Durst el i. Elf., 8. Okt. Die Aepfelernte fällt hier außerordenrlich reich aus. Tausende von Mark sind allein für abgefallene, sog. Rießäpfel, bereits erlöst worden, uno noch jeden Tag werden ganze Waggons an der Station Adamsweiler zum Versandt in die Städte verladen. Zum größten Teil werden die Rießäpfel zur Ciderbereitung be­nutzt. Anfänglich wurden 2,50 ^ für den einfachen Zent­ner bezahlt, zur Zeit gelten die Rießäpfel bis 3,50 Tafelobst gilt je nach Qualität und Sorte 5 bis 6 ^ der einfache Zentner. _

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.