wohl aber die doppelte Mühe! Um übrigens eigene gründliche Erfahrungen hierüber zu sammeln, werden Stadtförster Weinland und Gärtner Raaf Heuer an hiesigen Bäumen mit diesen Leimsorten genaue Ver­suche anstellen, und die Ergebnisse veröffentlichen. Sehr wichtig ist noch der Rat: vor Anlage dieser Klebgürtel, also in der ersten Hälfte des Okt., die Obstbäume von den dürren, mit schädlichen Rüssel­käfern besetzten, Arsten zu säubern, solche aber am nämlichen Tag vom Obstgarten zu entfernen und möglichst bald zu verbrennen, sodann alles Moos, Flechten und abgestorbene Rinde vom Stamm und von den starken Äesten mit der Baumscharre abzu­kratzen, das Abgekratzte aber gleichfalls sofort in Tücher oder Säcke zu sammeln und zu verbrennen, auch bei diesem Ausputzen der Bäume alle Raupen­nester und Eierhaufen abzunehmen und alsbald zu verbrennen, sodann den Stamm mit einer Mischung von Kalkmilch und Rindsblut (oder Lehm), als Schutz gegen Kälte, Hitze und Jnsektenunter- schlupf, anzustreichen, und dann erst die Klebgürtel anzulegen. Eine Anfrage wegen eines, okulierte junge Bäume beschädigenden, Wurms (vielleicht der Weiden­bohrer) konnte, weil das Insekt nicht vorgezeigt wurde, nicht endgiltig erledigt werden. Man wird aber von einer pomologischen Autorität Auskunft einholen und veröffentlichen. Unser Bezirksvorstand Herr Oberamtmann Ritter, beehrte auch diese Ver­sammlung mit seiner Teilnahme, bewies damit aufs Neue seine rege Förderung aller Zweige der Land­wirtschaft, und mahnte die Versammlung zu ener­gischer Benützung erprobter Ratschläge. Wenn auch unser heuriger Jahrgang uns wieder lehrte, daß unsere Arbeit ohne den Segen von oben nicht ihren Lohn findet, und wenn auch die Landwirtschaft ohne Beihilfe seitens des Staates nicht gedeihen kann, so ist eben doch sonnenklar, daß ein nach­lässiger Schlendriansbauer trotz der besten Witterung und ausgiebiger Staatsunterstützung keine reichliche Ernte bekommt und auch nicht verdient, daß also unsere Landwirte vor allem auf die Selbst­hilfe d. h. eigenen Fleiß, und insbesondere auf Benützung aller erprobten Fortschritte und neuen Erfahrungen zu verweisen sind, um sich nicht nur über Wasser zu halten, sondern trotz der ausländischen Konkurrenz noch vorwärts zu kommen und ihres Lebens wieder froh zu werden.

Oeschelbronn, O.-A. Herrenberg, 4. Oktober. Brandsall: 1 Wohnhaus samt Scheuer.

Freudenstadt, 1. Okt. Trotz der ungewöhn­lichen Ungunst der Witterung ist das christliche Hotel Palmenwald bis heute recht belebt gewesen. Unter anderen waren zuletzt eine größere Zahl evangeli­scher Geistlicher hier, um auf Veranlassung einiger Missionsfreunde von berufener Seite eine Reihe von Vorlesungen über die Sache der Heidenmission zu hören.

Stuttgart, 3. Okt. Der Hauptgewinn der Württembergischen Rennvereins-Lotterie mit 15,000^ wurde von 10 Mannheimer Arbeitern gewonnen, die sich heute hier eingefunden haben, um das Geld zu erheben.

Cannstatt, 2. Okt. Die 4. Abteilung des Feldart.-Reg. 13 hielt gestern vormitt. 10 Uhr unter den Klängen ihrer Musik, von Ludwigsburg herkommend, ihren festlichen Einzug in die mit Fahnen und Gewinden reich geschmückte Stadt, um ihre neu erbaute Kaserne zu beziehen. An der Spitze der Abteilung befand sich der kommand. General, Gen. d. I. v. Lindequist, gefolgt von einer statt­lichen Reihe von Offizieren aller Waffen, darunter der Regimentskommandeur. Vor dem Rathaus, wo sich die hier wohnenden Offiziere des Beurlaubten­standes, der Stadtvorstand mit den bürgerl. Kollegien, sowie die Mitglieder des Krieger- und Militärvereins aufgestellt hatten, wurde Halt gemacht, worauf Ober­bürgerm. Na st die Abteilung Namens der Stadt herzlich willkommen hieß und ein Hoch auf dieselbe ausbrachte, in daS die Anwesenden begeistert ein­stimmten. Der Abteilungskomm., Major Fritsch, dankte sodann für den überaus freundlichen Empfang mit einem herzlichen Grüß Gott, auf gute Kamerad­schaft. Gen. d. I. z. D. Frhr. Pergler v. Perglas, der Bezirksoffizier Major z. D. v. Bünau, sowie die Vorstände des Krieger- und Militärvereins be­grüßten hierauf die Abteilung, worauf der Weiter­marsch in die Kaserne erfolgte. Dort hielt der komm. General v. Lindequist eine kernige Ansprache an die Abteilung, die unter den Klängen der Königs­

hymne mit einem Hoch auf den König schloß. Abends versammelten sich die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, sowie ein großer Teil der Einwoh­nerschaft in dem sehr hübsch ausgeschmückten Kursaal zur gegenseitigen Begrüßung.

Bei der gestern erfolgten feierlichen Eröffnung der neu erbauten Eisenbahn Untertürkheim- Münster-Kornwestheim über die wir bereits berichtet haben hat das größte Bauobjekt, die Brücke, welche das Neckarthal überbrückt, mit Ge­nehmigung des Königs den NamenKönig Wil­helms-Viadukt" erhalten. Staatsminister Frhr. v. Mittnacht brachte in seiner Eröffnungsansprache folgende Daten über das bedeutende Bauwerk: Der König Wilhelms-Viadukt wird die größte Brücke in Württemberg sein und eine der größten in Deutsch­land. Er hat eine Gesamtlänge von 675 Meter, eine größte Höhe von 34 Meter über der Thalsohle. Der Enzviadukt bei Biethigheim ist 287 Meter lang bei einer größten Höhe von 33 Meter. Die König Karls-Brücke bei Cannstatt ist 290 Meter lang, 10 Meter hoch. Die Elbebrücke bei Hamburg 400 Meter lang, 8 Meter hoch. Die Pfeiler des Viadukts sind von Stein, die Ueberbauten von Eisen. Er hat 11 Oeffnungen, 10 Landöffnungen 1 Fluß­öffnung, diese von 66 Meter Weite. Bei der Her­stellung dieses Bauwesens sind alle Erfahrungen der Neuzeit verwertet. Auf der Höhe der heutigen technischen Wissenschaft stehend, vermag das Bauwerk Jahrhunderte zu überdauern. Die Baukosten be­tragen 1400000 Mark.

Schwieberdingen, 28. Sept. Heute fand hier eine stark besuchte Versammlung statt zu Gunsten der Erbauung einer Eisenbahn von Kornwestheim nach Pforzheim; erschienen waren auch die Abgg. Aldinger und Schnaidt. Der Vorsitzende des Aus­schusses, Schultheiß Mühleisen von Nußdorf, be­richtete, daß ihm Präsident von Balz mitgeteilt habe, daß eine schmalspurige Bahn Aussicht habe, gebaut zu werden, wenn die Gemeinden sich willig erwiesen, kräftig beizusteuern. Für die nötige Um­ladung der Güter sorge dann der Staat. Eine Entlastung der Linie über Mühlacker sei nicht nötig, da der Verkehr dort, namentlich auch der Personen­verkehr ein geringer sei. Der Staat könne nicht mehr auf normalspurige Bahnen eingehen, weil die schmalspurigen viel billiger zu bauen seien, den Bedürfnissen aber vollständig genügen. Auch dürfe man nicht erwarten, daß eine Eisenbahn schnell kommen werde. Aus dem Bericht ist noch hervor­zuheben, daß sich drei Privatgesellschaften erboten haben, die Bahn zu bauen, worunter zwei mit Elektrizitätsbetrieb. Es können aber dann nur fünf Wagen geführt werden. 20 Gemeinden haben sich für eine Eisenbahn ausgesprochen; Pinnache, Eschel- bronn, Schöckingen sandten dagegen einen ablehnen­den Bescheid. In der Beratung trat Gras Leutrum von Unterriexingen entschieden für eine Normalspur ein; das Strohgäu mit seinen bedeutenden Geld­kräften dürfe nicht länger dem Weltverkehr entzogen werden. Die Abg. Aldinger und Schnaidt sind jedoch der Ansicht, daß man von einer Norinalspur absehen müsse, wenn man Wert darauf lege, die Bahn bald zu erhalten. Beide Abgeordnete ver­sprachen ihre lebhafte Unterstützung. Die Abstimm­ung darüber, ob man auf eine Normalspurbahn mit Sekundärbetrieb oder eine Schmalspurbahn hin­arbeiten wolle, wurde bis nach Einlauf des Gut­achtens des Staatstechnikers verschoben.

Karlsruhe, 3. Okt. DieKarlsr. Ztg." ver­öffentlicht folgendes Handschreiben des Großherzogs an den Staatsminister Nokk aus Schloß Mainau: Nach 5wöchiger Abwesenheit zurückgekehrt, drängt es mich, den Gefühlen innigster Dankbarkeit Ausdruck zu geben. Die Veranlassung meines 70. Geburts­tages hat im ganzen Lande eine so lebhafte Be­wegung in allen Kreisen der Einwohnerschaft hervor­gerufen und zu so ausdrucksvollen Kundgebungen treuer und liebevoller Gesinnung geführt, daß ich mich in tiefster Seele davon ergriffen fühle. Ueber meine Erlebnisse in der Residenzstadt Karlsruhe habe ich Gelegenheit ergriffen. Ihnen zu sagen, wie dank­bar ich dessen gedenke, was mir in diesen Tagen an Liebe und Treue zu Teil geworden ist. Ich kann dem nur beifügen, daß mir die Eindrücke dieser Tage unvergeßlich bleiben werden, gleich einem Denk­mal von Erz unvergänglich, aber zugleich liebevoll, auf künftige Generationen wirkend. Diesen Ereig­nissen folgten neue Kundgebungen in anderen Städten

des Landes und in so manchen größeren Landorten, zuletzt die in Mannheim und Konstanz, die den Fest­lichkeiten in Karlsruhe in warmer Liebe und treuer Anhänglichkeit, in der Lebhaftigkeit und Sinnigkeit ihrer Anordnungen recht nahe standen. Es waren Kundgebungen der Liebe und Treue von sehr über­wältigender Wärme für die Großherzogin und mich, daß wir keine Worte finden, welche der Tiefe unserer Gefühle entsprechen, um zu schildern, wie lebhaft wir die Dankbarkeit dafür empfinden. Aber gern ergreifen wir diese Gelegenheit zum Ausdruck der Versicherung, daß wir die uns ferner durch Gottes Gnade geschenkte Lebenszeit gewissenhaft benutzen wollen, um in treuer Pflichterfüllung unsere Kraft dem Wohle und Gedeihen unseres Landes und Volkes in Liebe zu widmen und uns dadurch so großer Liebe würdig zu erweisen. Ich ersuche Sie, diesen Dankes­ausdruck zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Schloß Mainau, den 30. September."

Berlin, 2. Okt. DerDeutschen Tagesztg." zufolge ist der Entwurf des Lehrerbesoldungs­gesetzes im Kultusministerim fertiggestellt und wird demnächst dem Finanzministerium zur finanziellen Prüfung zugehen. Der Entwurf kommt den Wün­schen der großen Städten entgegen, behält die Ge­haltssätze der alten Vorlage bei und steht Dienst­alterskassenverbände vor.

Berlin, 2. Okt. Laut telegraphischer Meld­ungen an das Oberkommando der Marine haben folgende Bewegungen der deutschen Schiffe statt­gefunden:Moltke" ist am 1. Oktober in Dartmouth angekommen und beabsichtigt am 6. Oktober nach Madeira in See zu gehen.Arcona" hat am 1. Oktober Tschifu verlassen, um nach Nagasaki in See zu gehen.Cormoran" hat am 1. Oktober von Tschifu aus die Reise nach Sangkaubay.an­getreten.

1- Der Kaiser erfreut sich in Rominten fortgesetzt des besten Wohlbefindens. Letzter Tage nahm der Monarch daselbst wiederholt Vorträge des Chefs des Geheimen Civil- Cabinetts, Dr. v. Lucanus, entgegen. Was die Blätter­nachricht anbelangt, der deutsche Botschafter in Wien, Graf Eulenburg, sei als Vertreter des Auswärtigen Amtes nach Rominten zum Kaiser berufen worden, so findet diese an­gebliche Berufung in den sogenannten Berliner Hofberichten nicht die geringste Erwähnung. Vielleicht handelt es sich nur um ein unbegründete- Gerücht; jedenfalls kann der Botschafter Graf Eulenburg nicht in letzter Zeit in Ro­minten anwesend gewesen sein, da er ja an den Canal- Festlichkeiten in Orsowa teilgenommen hat.

Bremen, 4. Okt. Der Norddeutsche Lloyd in Bremen setzte den Zwischendeckpreis nach New- Aork für Postdampfer auf 140 ^ herab.

Hamburg, 3. Okt. Der Vater des Hingerich­teten Knabenmörders Breitrück wurde lautB. T." plötzlich verhaftet. Ein Komplice entfloh, als er verhaftet werden sollte und ertränkte sich in der Elbe..

Ausland.

Bei den letzten galizischen Manövern stürzte der Ulanenoberst Baron Hagen, als er sein Regi­ment im gestreckten Galopp an dem Kaiser vorbei­führte. Sein Pferd brach tot zusammen, doch der Oberst, obwohl verwundet und voll Blut, schwang sich schnell auf ein anderes Pferd und jagte weiter an der Spitze seines Regiments zum Angriff. In Anerkennung dieser Geistesgegenwart beschenkte der Kaiser den Obersten nunmehr mit einem Pracht­pferde aus dem kaiserlichen Marstall und mit 1000- Gulden bar.

Paris, 2. Okt. Auf den hiesigen Bahnhöfen herrscht ein außerordentlich reger Verkehr. Die Zahl der in den letzen 24 Stunden angekommenen Besucher übersteigt eine halbe Million. Auf den Hauptboulevards ist der Verkehr bereits recht schwierig geworden. Die Mehrzahl der Fremden kommt aus dem Osten.

Rom, 3. Okt. DerAg. Stefani" zufolge empfing der Kriegsminister eine Liste der in Schoa gefangen gehaltenen italienischen Soldaten. Darunter befinden sich General Albertone, Kommandant Ga- merra, 6 Kapitäne, 30 Lieutenants und 11 Unter­lieutenants, deren Namen die Agencia veröffentlicht. Die Liste enthält Namen von ungefähr 1000 Unter­offizieren, Korporalen und Soldaten.

Konstantinopel, 3. Oktbr. Die Stadt war heute Nacht der Schauplatz blutiger Scenen. Sofias der Stambuler großen Medresse verabredeten sich. Nachts behufs Demonstrationen in den Mdiz-Palast zu ziehen. Sie wurden dabei von den Truppen umzingelt, die einen großen Teil der Sofias töteten, und die anderen zur Umkehr zwangen.