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Tages-Werrigkerten.

Calw, 28. Juni. Eine Korrespondenz der württ. Landeszeitung aus Calw sagt in Nr. 146 dieses Blattes:Leider ist in hiesiger Stadt seit einigen Wochen der Typhus in nun ziemlich hohem Grade aufgetreten. Man zählt bereits gegen 50 Kranke, auch sind schon einige Todesfälle vorge­kommen. Neben anderen Ursachen soll es vor Allem verdorbenes Wasser sein, was die Epidemie verursachte."

Dieser Darstellung gegenüber ist auf Grund angestellter Erhebung mit­zuteilen, daß derzeit 9 Typhuskranke in ärztlicher Behandlung stehen, davon ist nur 1 schwer krank, die übrigen Fälle sind leichterer Art, wie auch 5 weitere Personen, welche vorher gastrisch-typhöse Krankheiten hatten, nach wenigen Wochen wieder genesen sind,^gestorben ist 1 Person.

Was das angeblich verdorbene Wasser anbelangt, so ist es die Wurst­brunnenquelle, welche manchfach schon beschuldigt wurde, ungesundes Trink­wasser zu liefern. Diese Beschuldigung ist aber völlig unbegründet. Das Wasser der Wurstbrunnenquelle ist nach der neuestens wieder in dem chemischen Laboratorium der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel vor­genommenen eingehenden Untersuchung em durchaus gesundes Trinkwasser, in welchem diesesmal so wenig als bei der im Jahr 1878 vorgenommenen Untersuchung irgendwelche gesundheitsschädliche Stoffe vorgefunden wurden. Bei der im Jahr 1878 vorgenommenen Untersuchung des Wassers der 3 hie­sigen Quellen ist gesagt: insbesondere ergiebt die Wurstbrunnenquelle ein sehr geeignetes Trinkwasser.

Was das Wurstbrunnenwasser in den Verdacht der Ungesundheit ge­krackt hat, ist lediglich der Umstand, daß in Folge der starken Zerklüftung der Fellen im Quellengebiet bei stärkerem Regenfall das Wasser sich leicht trübt.

Was die Beschaffenheit des Wassers der 3 hiesigen Quellen anbelangt, so ist vorauszusckicken, daß ein brauchbares Trinkwasser in 100,000 Teilen noch 50 Teile feste Bestandteile, darunter 5 Teile organische Substanzen, ent­hüllen darf. Nach den im Jahr 1878 und im Juni 1887 vorgenommenen Untersuchungen ist die Zusammensetzung unserer Quellen folgende:

Bestandteile:

Hafnerquelle.

feste

organische

0,16

Walkmühlequelle ....

... 15

0,00

Wurstbrunnen.

... 6

0.14

bei starkem Regenwetter:

8 1,30

Die festen Bestandteile sind besonders kohlensaurer Kalk, während Salpetersäure fast ganz und Amoniaksalze ganz fehlen.

Mögen diese Zeilen dazu beitragen, unbegründete Befürchtungen zu zersti euen und für die Zukunft Veröffentlichungen vorzubeugen, dre rm Interesse der Stadt besser unterbleiben. Stadtschultheiß Hasfner.

« ' * A l t h e n g st e t t. Am letzten Montag brachten auch die letzten Nach­

zügler ihre Heuernte vollends unter bas schützende Dach. Rasch und ohne jeglichen Unfall konnte Heuer bei herrlichster Witterung der reiche Segen von Wiesen- rrnd Kleeheu geborgen werden. Nach einer Woche voll Mühe und Anstreng­ung si-hl man nun zufriedene und fröhliche Gesichter beim Anblick des überaus reichen Wintersutters. Besonders zeichneten sich an reichem Ertrag diejenigen Giunostücke aus, welche Mit Hallerbe oder künstlichem Dünger bestellt waren, die auf Veranlassung des Darlehenskassenvereins in ca. 475 Ztrn. angewendet wurden. Ein seltenes Pcachtfutter lieferte Esparsette und Rot- kle-; weniger reichlich war der Ertrag in blauem Klee. Demnach werden wir bei der Masse des Futters einer Steigung des Viehpreises kaum ent- gegrns den dürfen, wenn nicht anhaltend trockene Witterung einen Ausfall in d>> Oehmdernte verursacht.

-ß Tein ach. Letzten Freitag tagte hier im großen Saalezum kühlen Brunnen" der Verein für Bienenzucht vom Bezirke Calw. S.m? Verhandlungen begannen um 2 Uhr und endigten gegen 6 Uhr. Von den 75 Mitgliedern waren ca. 50 erschienen, die der Vorstand begrüßte und dabei >ehr stark die Beständigkeit des Vereins betonte, da ja auch der Land- m. nn firne Mißernten habe; weshalb ein Fehljahr niemals der Grund zum Belassen des Vereines sein dürfe, die älteren Mitglieder vielmehr die Lehr­

meister der jüngeren werden müßten. Auch die rationelle Bienenzucht sei eine Kunst, welche erlernt werden müsse, wolle man möglichst großen Nutzen erzielen. Dieser sei allerdings nicht auf Seiten der Korbbienenzucht zu finden, sondern auf Seiten des Mobilbaus, was der letzte Winter wieder klar gezeigt habe. Es wurden daher die Anwesenden gebeten, es möge jeder in seinem Teile dazu beitragen, die Korbbienenzucht nach und nach immer mehr ein­zuschränken. Zwischen die Verhandlungen hinein fand die Verlosung der vom Verein angekauften Geräte für Bienenzucht im Betrage von ca. 40 statt. Unter mancherlei Beschlüssen bot die Debatte über eine Ehrengabe für die Wanderversammlung deutsch-österreichischer Bienenzüchter in Stuttgart kommenden September größeres Interesse, indem Herr Kaufmann Graser von Unterreichenbach der Versammlung die Umrisse eines neuen aus Holz und Stroh herzustellenden Kastens, der sehr billig wäre, vordemonstrierte. Nach Erledigung einer Masse Vereinsangelegenheiten endete die lebhafte Ver­sammlung mit einem von vielem Beifall begleiteten Vortrag über 6 Fälle der Weisellosigkeit von Seiten des Vorstands.

Vom Wald. Am 15. d. M. kam eine Brieftaube in den Schlag von Hrn. Schulth. Kübler in Breitenberg. Auf einer Flügel­feder fand man in BuchstabenM. F. 817 Courier Barmen", wodurch man über ihre Herkunft nicht mehr sehr im Zweifel sein konnte und bereits ist auf eine Anfrage von Hrn. Schult. Kern beim Brieftaubenclub in Barmen, von dem Eigentümer eine Antwort eingelaufen. Die Taube hatte die Strecke Fürth-Barmen zu fliegen und war mit vielen andern (von Elberfeld, Barmen, Cöln rc.) in Fürth bei Nürnberg aufgelassen worden. Nachdem sie die Rich­tung verfehlt, hatte sie der Hunger schließlich gezwungen auf einen fremden Schlag zu gehen. In einigen Tagen geht dieselbe pr. Post ihrem Eigen­tümer wieder zu.

Aus dem Oberamt Böblingen, 27. Juni. Gestern abend etwa um 7 Uhr nahm man Rauchwolken wahr m westlicher Richtung, man ver­mutete einen größeren Brand in Dätzingen oder Ostelsheim, später kam die Nachricht, daß in dem kleinen Weiler Lehenweiler, zu Aidtlingen gehörig, 5 Häuser durchs Feuer zerstört worden. Ein 5jähriger Knabe habe an einer Ltalllhüre mit Streichhölzern gezündelt und in wenigen Minuten seien die Häuser in Flammen gestanden. Die Löschung des Brandes soll erschwert worden sein, weil Wasser nur mühsam habe beigeschafft werden können.

Gmünd, 26. Juni. Heute um die Mittagszeit kam auf einer Uebungsrelse ein Kommando der Ziethenhusaren, garnisoniert in Rathenow, Mark Brandenburg, hier an, begrüßt von den Gmünder Offizieren und angestaunt von Hunderten hiesiger Emwohner. Es sind 19 Offiziere, 2 Unteroffiziere und 15 Mann; letztere kamen mit der Bahn. In Nörd« lingen ging es heute früh >/ 5 Uhr ab. Beim Festmahl im Rad werden die aktiven und die Reserveoffiziere, dann auch einige Herren der Garnison Ludwigsburg teilnehmen. Der Radsaal ist außergewöhnlich schön geziert und prangt in herrlichstem Grün. Abends wird man sich auf dem reizend gelegenen schattigen Lmdenftrst zu einem Plknik mit Musik treffen; zu diesem sind auch Einladungen an Beamte rc. ergangen. Für Feuerwerk ist Füisorge getroffen. Die Führung der Husarenabteilung ist m den Händen des Oberst- lieutenantS v. Podbielski. Morgen früh geht es weiter nach Ludwigs­burg. Das htestge Offizierskorps hat sichtlich alles aufgeboten, um den Kameraden aus Norddeutschland den Aufenthalt in Gmünd zu einem an­genehmen zu machen.

Heilbronn, 26. Juni. Heute wurden nach längerer Unterbrech­ung die Ausstellungen unseres Kun st Vereins wieder eröffnet. Die Unter­brechung war veranlaßt durch einen Umbau, die Herstellung eines Oberlichts, wozu Privatliberalität die Mittel gespendet hatte. Die Wirkung dieser Ver­änderung ist für das Verständnis und den Genuß der Bilder von außer­ordentlicher Bedeutung, und indem der Raum, über den wir verfügen, sich zur Halle erhöht und das Ansehen eines Zimmers verloren hat, gewann er hiedurch zugleich die Würde, welche für eine Wohnstätte der Kunst gerne ge­fordert wird. Die dermalige Ausstellung selbst ist eine glänzende zu nennen. Besonderen Beifall findet ein Seestück von Meckel, welches den Hintergrund der Gallerte ziert und weithin bis zum Eingang sichtbar ist. Auch diesen Fernblick verdankt man dem Umbau. Von schwäbischen Meistern seien er­wähntAch du klar blauer Himmel" von Th. Schüz (für den Verein ge-

Sie raffte ihre Sachen zusammen und schritt nach dem Schlosse zu.

Ich bringe nur meine Blumen in die Presse."

Als sie aber ihr Zimmer betrat, da fiel sie in die Kniee und brach in wildes, leidenschaftliches Weinen aus. Dann sprang sie wieder jäh auf, ergriff ein Album, das auf dem Tische lag, und schlug rasch die Blätter um. Da da dieses Gesicht diese stechen Augen dieser spöttische Mund um dieses Mädchen warb er! Und diesen Mann konnte sie auch nur einen Augenblick in ihrer Seele tragen! Wie

konnte er ein solches Geschöpf.! Sie riß das Bild aus dem Buche und

trat ans Fenster. Und doch es war ja hübsch, dieses Gesicht es konnte reizen. Dieses pikante Stumpfnäschen dieser runde Nacken o! Ein Riß und wieder ein Riß und da lag es nun, das Lärvchen, und sie trat mit den Füßen darauf. Dann kniete sie nieder und preßte die Stirn an das Fensterbrett und weinte aufs Neue.

Da klopfte es an die Thür das Mädchen rief ihren Namen. Sie trocknete die Augen, schob das Haar zurecht und öffnete. Eine Karte Graf Robert Fernegg. Nein, nein ich kann nicht und doch . . . ." Ja, sie wollte ihm zeigen, daß sie ihn verachtete.Führen Sie den Grafen in den Salon."

Einen Augenblick später stand er vor ihr. Ruhig und ernst, wie sie gewohnt war, ihn zu sehen, ein Gegenbild zu ihr, in deren Brust ein schweres Gewitter tobte.

Ah Herr Graf", sagte sie mit gezwungener Lustigkeit.Es freut mich. Sie zu begrüßen."

Er sah sie erstaunt an. Was war das? Das war nicht mehr Johanna.

Sie deutete auf einen Stuhl ihre Augen sprühten um ihren Mund zuckte eine seltsame Ausgelassenheit.

Sie sind munter, Baronesse."

Ja. Wir wollen demnächst fort. Fort nach in ein Weltbad wo man lebt, Gesellschaft hat, sich amüsiert."

Sie hatte dabei ein Buch ergriffen, es rasch durchblättert und dann auf den Tisch geworfen. Jetzt sprang sie auf, trat ans Fenster und öffnete die Flügel.

Es ist so schwül hier finden Sie nicht? Die Landleute wollen nie die Fenster öffnen wenn man's nicht selbst thut, geschieht es nicht. Wie haben Sie den Karneval verbracht? Es soll sehr lebhaft zugegangen sein. Ich habe bedauert, daß meine Krankheit mich ganz fern hielt."

Sie sind wieder gesund?"

Gottlob. Gesünder denn je. Ich war eigentlich immer krank, und jetzt fange ich erst an, zu leben." Sie fiel auf einen Stuhl und fächelte sich mit dem Taschen­tuch Luft zu.Es ist schrecklich schwül hier. Was werden Sie im Sommer unter­nehmen, Herr Graf?"

Ich stehe vor einer bedeutsamen Wendung meines Lebens, und deshalb bin ich hier."

O, das wäre nicht nötig gewesen. Und wann denken Sie"

Am ersten Mai wollen wir reisen."

Im Mai das ist hübsch, das ist sinnig.. Und nach dem Süden?"

Nein, nach dem Norden. Ich bin erstaunt"

Nach Skandinavien? Das ist jetzt Mode."

Nein, weiter hinauf."

Wetter?"

Ja nach dem Nordpol."

Sie ließ die Hände sinken und sah ihn verwundert an.

(Schluß folgt.)