Beilage zürnGesellschafter

74.

Nagold, Samstag den 27. Juni

1896.

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Gesellschafter

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Hages-Aeuigkeiten.

Deutsches Reich.

Nagold, 26. Juni. Am 15. Juli beginnen die Gerichtsserien, welche bis zum 15. Sept. dauern. Während dieser Zeit werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Feriensachen sind 1) Strafsachen, 2) Arrestsachen und die einstweilige Verfügung für betr. Arrestsachen, 3) Meß- und Marktsachen, 4) Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von Wohnungs- und an­deren Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückstellung der vom Mieter in die Mietsräume eingebrachten Sachen. 5) Wechselsachen, 6) Bausachen bei Streit über be­gonnenen Bau. Seitens des Gerichts können auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnet werden.

Freudenstadt, 22. Juni. Gestern fand bei herlichem Wetter eine Zusammenkunft der Sektionen Freudenstadt und Oberkirch des württ. und bad. Schwarzwaldvereins auf der Zuflucht (Kniebis-Roß- bühl) zur Besprechung wegen der längst schwebenden Frage der Errichtung eines Aussichtsturms auf der Zuflucht statt. Der Blick von dort nach dem Rhein und dem Straßburger Münster mit den Vogesen im Hintergrund ist wunderschön, leider durch den herauf­wachsenden Hochwald etwas beeinträchtigt, dem nun durch einen entsprechend hohen Turm an Stelle des niederen baufälligen Aussichtsgerüsts abgeholfen wer­den soll. Man einigte sich nun auf den Bau eines Aussichtsturms von Eisen mit Holzverschalung und einen! 3 in hohen Steinsockel, bei einer Gesamthöhe von 2025 m, wobei die Frage der Verteilung der Kosten im Betrag von ca. 5000 ^ zwischen den beiden Sektionen noch offen gelassen, bezw. von den zu erwartenden Zuschüssen des württemb. und bad. Schwarzwaldhauptvereins abhängig gemacht wurde. Unter den 7080 Teilnehmern herrschte in der lufti­gen Waldeshöhe eine fröhliche Stimmung und freund­nachbarliche Gesinnungen wurden von den beiden Vereinsvorständen, OA.-Mann Schellenberg von Oberkirch und Stadtschultheiß Hartranft von

Freudenstadt, in kräftigemWaldheil"ruf auf die beiden Vereine zum entsprechenden Ausdruck gebracht.

Stuttgart, 23. Juni. Am 26. März d. I. hat die K. Kultministerialabteilung für Gelehrten- und Realschulen einen Erlaß behufs Einführung der Stenographie von den höheren Lehranstalten an die betr. kgl. Rektorate hinausgegeben. Hiebei wurde die Wahl unter den 4 Systemen Gabelsberger, Stolze, Roller und Schrey freigestellt. Von den bei Einfüh­rung der Stenographie in Betracht kommenden 40 (mindestens Massigen) höheren Lehranstalten haben nach den bis jetzt gemachten Erhebungen 5 das Be­dürfnis nach Stenographie überhaupt verneint, 22 Anstalten haben sich für Einführung der Stenographie ausgesprochen und zwar sämtliche für Gabelsberger. Von den restlichen 13 Anstalten ist bis jetzt ein Be­schluß noch nicht bekannt geworden. Damit sind die Worte des Herrn Kultusminister in Erfüllung ge­gangen, daß nach seinem Dafürhalten auch ohne Anordnung eines bestimmten Systems doch das Ga- belsberger'sche in der weitaus größten Anzahl von Unterrichtsanstalten eingeführt werde. Nachdem sich nun die weitaus größte Anzahl der Anstalten für Gabelsberger ausgesprochen hat, ist es im Interesse der Schrifteinheit dringend erwünscht, daß auch die noch ausstehenden Anstalten sich diesem System an­schließen, welches zudem noch in 4 anderen Staaten als Einheitssystem gepflegt wird, nämlich in Bayern, Sachsen, Oesterreich-Ungarn und Sachsen-Weimar.!

Stuttgart, 23. Juni. Bei den IV. Bataillo- § nen der Jnfanterieregimenter des Armeecorps rückten j heute ca. 100 Volksschullehrer zur Ableistung ihrer dritten vierwöchigen Uebung ein, dieselben werden am 21. Juli wieder entlassen.

Auf dem Feldberg hat man mit dem Aufbau des Bismarckdenkmal begonnen. Das Gerüst auf dem Seebuck, das dem Schwarzwaldwanderer schon aus größerer Entfernung die Stelle des künftigen Monuments bezeichnet, läßt jetzt schon erkennen, daß die Felspyramide ein weithin sichtbares Wahrzeichen unseres Bergkönigs bilden wird. Eine Anzahl Ita­liener ist mit der Ausmauerung beschäftigt, bis jetzt ist der Sockel etwas über Erdbodenhöhe geführt. Schwierigkeiten bereitet die Beschaffung des Stein­materials, dessen Bedarf ein größerer ist, als ur­sprünglich angenommen wurde. Doch ist lt.Brsg. Z." die Fertigstellung bis Ende September, welcher Termin für die Einweihung in Aussicht genommen ist, als gesichert zu betrachten.

Konstanz, 22. Juni. Während sich am Sams­tag die Offiziere der Bodenseeufergarnisonen hier ein Rendez-vous gaben, trafen gestern bei schönstem Sonnenschein die Verkehrsbeamten aus Württemberg, Bayern, Oesterreich und Baden hier ein. Aus der Schweiz stellten sich rund 120, aus Oesterreich 60, aus Bayern 200, aus Württemberg 150 und aus Baden 150 Verkehrsbeamte ein.

Hamburg, 24. Juni. Vizekönig Li-Hung- Tschang traf gestern gegen 1 Uhr nachmittags auf dem Dammthorbahnhof ein, wo er in dem festlich geschmückten Empfangsraume von den Senatoren empfangen wurde. Nach kurzer Erwiderung auf die Begrüßungsworte begab sich Li-Hung-Tschang mit dem Senator Hartmann und anderen Herren zu Wagen nach dem Hamburger Hof. Nach einem dort eingenommenen Frühstück stattete der Vizekönig den Bürgermeistern Dr. Mönkelberg und Dr. Vers- mann Besuche ab, welche dieselben alsdann erwider­ten. Der Aufenthalt Li-Hung-Tschangs ist auf zwei Tage bemessen. Auf Donnerstag nachmittag ist der Vizekönig bei dem Fürsten Bismarck angemeldet Freitag erfolgt die Rückfahrt nach Berlin.

Kleinem Mtttrttirngen.

Pforzheim, 23. Juni. Heute mittag begaben sich Polizeibeamte in das Haus Scheuernstraße Nr. 2 und nahmen in demselben eine Haussuchung vor, deren Resultat die Verhaftung zweier Personen, die angaben Jaworsky und Müller zu heißen, und die Beschlagnahme verschiedener Gegenstände war. Wie man hört, handelt es sich um die Festnahme zweier Falschmünzer, bei denen falsche Geldstücke, Werkzeuge und Gipsmodelle zur Herstellung solcher gefunden wurden. Auffallend ist, daß die beiden Verhafteten, die behaupteten Engländer zu sein, ihre poli­zeiliche Wohnungsanmeldung zu Hintertreiben suchten.

Reutlingen, 23. Juni. Ein jüngerer Handlungs­gehilfe hat im Laufe der letzten 4 Monate raffinierte Be­trügereien verübt, indem er, so oft er von seinen Prin­zipalen zur Erhebung von Geld auf die Bank geschickt wurde, unterwegs das verschlossene Couvert, in dem die Anweisung erhalten war, öffnete, den Betrag auf den sie lautete durch Ausradieren und Fälschen der Zahlen um 30100 ^ erhöhte, die Anweisung in einem zweiten zu diesem Zweck vom Geschäft mitgenommenen Couvert verschloß und jeweils den der der Bank zu viel erhaltenen Betrag für sich ver­wendete. Der größte Teil des erschwindelten Geldes ging bei einer Vergnügungsreise nach Stuttgart darauf, die der Betrüger mit anderen jungen Leuten mitmachte, wobei er letztere vollständig frei hielt. Nachdem derselbe anfangs des Monats wegen mangelhafter Leistungen aus dem Ge­schäft entlassen worden war, begab er sich in die Schweiz, von wo er vor einigen Tagen zurückkehrte. Zufällig kamen die Schwindeleien gestern an den Tag und konnte der Thäter auf erstattete Anzeige sofort in Haft genommen werden.

Reutlingen, 23. Juni. Ein in einem hiesigen Geschäft angestellter jüngerer Packer hat im Laufe des letzten halben Jahres wiederholt daselbst Waren entwendet und die­selben zu seinem Vorteil veräußert. Außerdem hat derselbe als Ausschußmitglied eines hiesigen Vereins Gelder, die er zur Anschaffung einer Vereinsfahne gesammelt hatte, ver­untreut. Derselbe ist lautSchw. Krsztg." in Haft ge­nommen.

Nürnberg, 23. Juni. Ein gräßliches Unglück hat sich verflossene Nacht im hiesigen Hauptbahnhof ereig­net. Ein Amtsgehilfe der Staatsbahnen, der sich als Fahr­gast in einem Zuge befand, wartete das Stehen des Zuges nicht ab, sondern wollte vorher aus dem Wagen springen. In demselben Augenblick bekam der Wagen einen Ruck, der junge Mann wurde unter die Räder geschleudert und förmlich zermalmt.

Fürth, 24. Juni. Hier erhängte sich gestern der Kaufmann I. Lehner. Derselbe soll beim Darlehenskassen­verein bedeutende Unterschlagungen begangen haben. Lehner bekleidete mehrere Ehrenposten und war sehr geachtet und beliebt.

Mülhausen i. E., 23. Juni. Der Kaiser hat dem Fabrikarbeiter Karl Friedrch Währer von hier die Ret­tungsmedaille am Bande verliehen. Bei dem großen Fabrik­brande bei Frey u. Cie. am 17. April d. I. hat Währer mit eigener Lebensgefahr eine Mitarbeiterin aus dem be­reits völlig in Flammen stehenden Gebäude vom Tode errettet.

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