möglich gemacht und erleichtert ist, sich durch Ver­sicherung der zum Lebensunterhalt unentbehrlichsten Felderzeugnisse bei eintretendem Unglücksfall vor empfindlichem Schaden, beziehungsweise drückenden Nahrungssorgen geschützt zu wissen.

t. Aus dem.Bezirk Nagold, 4. Juni. Am Dienstag wurden auf der Straße bei Bösingen zwei Pferde vom Blitzschlag niedergestreckt, sodaß beide sofort tot waren. Zwei in der Nähe sich aufhaltende Männer wurden ebenfalls getroffen, ka­men aber nach längerer Betäubung wieder zu sich, und ein Nachteil für ihre Gesundheit ist nicht ein­getreten. In Wenden wurde dieser Tage ein Mann beim Ausrichten eines Hauses durch einen herabfallenden Sparren lebensgefährlich verletzt.

Stuttgart. 3. Juni. Gestern abend hielt die hiesige Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft im Saal des Graf Eberhard eine öffentliche Ver­sammlung ab, die von über 100 Damen und Herren besucht war. Der Vizevorstand, Stadtpfr. Umfrid, behandelte in anregender und eindringlicher Rede das Thema: Ist der Frankfurter Friede ein wahrer Friede? Nachdem er den Segen der 25jährigen Friedensperiode, der sich Deutschland erfreuen durfte, anerkannt hatte, wies er im einzelnen nach, daß bei der gereizten Stimmung diesseits und jenseits der Vogesen, bei den Unsummen, die für die Kriegsrüstungen der Landheere und der Marine jährlich ausgegeben wer­den, ein wahrer Friedenszustand nicht bestehe. Er beklagte, daß die Friedenssache noch immer nicht die Anerkennung finde, die sie verdiene, und die große Mehrzahl nicht merken wolle, daß es sich um ihr Vermögen, um ihre Kinder, um ihr Leben handle. Die Rede wurde mit warmem Beifall ausgenommen. An der Diskussion, die Herr Assistent Hartmann leitete, beteiligten sich die Herren Bühler, Professor Größler und Fabrikant Reiff. Letzterer wies beson­ders darauf hin, daß bei den kommenden Wahlen, insbesondere zum Reichstag, die Kandidaten gefragt werden müssen, wie sie sich zur Friedensfrage stellen, insbesondere ob sie bereit seien, sich dafür auszusprechen, daß kein Krieg ohne die Zustimmung des Volkes bezw. des Reichstages begonnen werden dürfe.

Friedrichsruh, 3. Juni. Wie diePomm. Reichsp." erfährt, wird Fürst Bismarck in diesem Jahre längeren Aufenthalt auf seiner pommerschen Besitzung Varzin nehmen. Voraussetzung für die Ausführung dieses Planes ist natürlich, daß der Ge­sundheitszustand des Fürsten keine Verschlechterung erleidet. Im vorigen Jahr gestattete ihm sein Be­finden nicht, den Aufenthalt zu wechseln.

Berlin, 1. Juni. Das amtlicheD. Kolonial­blatt" schließt einen Nachruf für den in Kleinpopo verstorbenen Lehrer Karl Köbele mit folgenden Worten:Das Schutzgebiet verliert in dem Ent­schlafenen einen pflichttreuen, fleißigen Beamten, dessen Scheiden allseitig bedauert wird." _

Ausland.

Zürich, 3. Juni. Der Ingenieur Jlg, der langjährige Berater des Königs Menelik, verhandelt mit der italienischen Regierung über die Freilassung der Gefangenen. Die Verhandlungen werden ab- wechselnd in Rom und Zürich geführt und dürften bald zum Abschluß gebracht werden.

Paris, 3. Juni. Dem Pariser Gemeinderat wird in seiner nächsten Sitzung der Antrag unter­breitet werden, den Hinterbliebenen der auf dem Chodynski-Felde bei Moskau Verunglückten 50 000 Frcs. zu spenden.

Brüssel, 2. Juni. König Leopold hat der Musikabteilung seines Leibregiments Guiden gestern zum erstenmal die jährliche Unterstützung von 15 000 Franks verweigert. Es wird behauptet, der König habe einen großen Teil seines Privatvermögens bei dem Kongo-Unternehmen eingebüßt.

Rom, 3. Juni. Deputiertenkammer. Minister­präsident di Rudini beantwortet gestern die Inter­pellation über das Eintreten des Papstes zu Gunsten der italienischen Gefangenen bei Menelik. Er glaube, daß der Papst dem tiefen Gefühle der Christlichkeit und Menschlichkeit, sowie dem Gefühle der Zuneigung zum italienischen Vater­lande gehorchte (bravo!). Naturgemäß entspreche dieser Gesinnung des Papstes die lebendige Dankbar­keit der Regierung. (Stürmischer Beifall.) Die Inter­pellanten erklärten sich befriedigt. Bavio führte aus, der Staat dürfe aber nicht vergessen, daß er die welt­liche Herrschaft repräsentiere und hätte sich nicht die Initiative nehmen lassen sollen, di Rudini erwidert.

er habe Dankbarkeit gegen Denjenigen ausgedrückt, der beabsichtigte, Gutes zu thun, aber er werde nie­mals die Initiative, welche ausschließlich dem Staate zukomme. Anderen überlassen.

Moskau, 2. Juni. Die vielfach auftauchende Behauptung, dem Kaiser sei der gestrige Schrek- kensvorgang möglichst lange verheimlicht wor­den, ist falsch. Der Kaiser erhielt in den Früh­stunden Meldung darüber und wollte, aufs Tiefste erschüttert, die Festlichkeiten einstellen und vor allem sein Erscheinen am Abend auf dem französischen Ballfest absagen lassen. Hohe Würdenträger legten sich aber ins Mittel. Wie verlautet, erklärte schließ­lich der Minister des Auswärtigen den Besuch des französischen Balls aus politischen Gründen für not­wendig und so vollzog sich denn auch Mittags 2 Uhr der Besuch des Volksfestes auf dem Chodins- kyfelde durch die Majestäten. Das Kaiserpaar ver­weilte auf dem Balkon des am Rande des Feldes errichteten Pavillons bei Absingung der Hymne und jubelnden Hurrarufen ungefähr dreiviertel Stunden. Die vielen Tausende des städtischen eleganten Pu­blikums, das dazu hinausgekommen war und die Tribünen füllte, stimmte in den allgemeinen Jubel ein. Man wußte entweder noch gar nichts von der Katastrophe oder aber hielt die umlaufenden Gerüchte für Klatsch und unerhörte Uebertreibung. Wohl waren Viele von ihnen schon beim Herausfahren großen Feuerwehrwagen begegnet, welche sonderbare Lasten führten, nämlich Menschenleiber, erkennbar an einzelnen, unter der ausgebreiteten Lastdecke her­vorragenden, mit allem möglichen Schuhwerk beklei­deten Füßen. Sie freuten sich der Sorgsamkeit, mit der die frühBetrunkenen" zum Ausschlafen ihres Rausches sofort zur Stadt gefahren würden. In Wirklichkeit aber schliefen Jene, die da auf den , Wagen schon seit Stunden lagen, den ewigen Schlaf. Von den Tribünengästen ahnte kaum einer, daß, keine tausend Schritt entfernt, noch riesige Mengen von schrecklich zugerichteten, zertretenen Menschenleiber umherlagen, zwischen ihnen zerstreut Stiefel, Schuhe, blutige Kleiderfetzen, unheimliche dunkle Blutlachen u. s. w. Nur Waffen und Armaturstücke fehlten, sonst sah es an der Unglücksstätte genau so aus, wie auf einem Schlachtfelde nach einer recht blutigen Schlacht. DieKöln. Zg." bringt in Betreff des Unglücks in Moskau noch nachstehende Mitteilung: Die folgende Depesche unseres Moskauer Berichter­statters vom 31. Mai, die bis zur Grenze brieflich befördert werden mußte und dort erst auf den Draht gelangte, giebt den Grund an. weshalb die Nach­richten aus Rußland seit der Chodinsky-Katastrophe so spärlich zu uns gelangen, sie zeigt leider zugleich an, daß unsere Befürchtung, daß der Umfang des Unglücks viel größer ist, als in den ersten Nachrich­ten angegeben wurde, nur zu gerechtfertigt war. Unsere Korrespondent meldet: Wie ich bereits direkt zu telegraphieren versucht hatte, sind seit gestern plötz­lich die ausländischen Depeschen unter Censur gestellt, ohne daß den Korrespondenten davon etwas gesagt worden wäre. Das. hiesige Telegraphenamt teilte das heute erst auf bezügliche Anfrage mit und zwar erfolgt die Censierung in Petersburg, nicht hier. Nur einige Bureaudepeschen gehen ohne Censur; da­mit sind sämtliche sicher nichtgefärbte" telegraphische Berichte über die Katastrophe unmöglich gemacht. In Petersburg existiert ein einziger Censor, durch dessen Hand sämtliche jetzt oft viele tausend Worte lange Depeschen gehen. Meine Depesche von Sams­tag ist beispielsweise als 7,40 abends abgegangen im Telegraphenamt eingetragen. Hüch wie Niedrig war gestern Nachmittag schon bekannt, daß die Zahl der Opfer mehrere Tausend, 2700 betrug. Nichtsdestoweniger gaben die höchsten Behörden bis 7 Uhr abends nur 365 Tote, plötzlich nach 7 Uhr offiziell 1100 an. Nach englischen Berichten ging das Gedränge morgens von 6 Uhr zuerst und zu­meist von den Fabriksarbeitern aus. Bereits fingen Weiber und Kinder zu schreien an. Allein die un­geduldige Masse drängte und stieß immer weiter vorwärts gegen die Buden, welche in mehreren Pa­rallelreihen standen. Mit Einemmal gab es einen geradezu wahnsinnigen Ansturm nach vorne; Hun­derttausend wollten im nämlichen Augenblick bei den Buden sein. Der Ansturm war unwiderstehlich, und da ereignete sich die Katastrophe. Die wenigen an­wesenden Gorodoroje machten heroische Versuche zu helfen, allein es war unmöglich. Sie wurden über­wältigt und selbst zu Boden geworfen. Die Poli­

zisten rissen den Bauern die Stöcke aus den Hän­den und begannen auf die vordrängende Menge ein­zuhauen. Allein es war nutzlos. Die Massen wa­ren wie wahnsinnig. Wer aus dem Gedränge ent­halte alle Kleider in Fetzen vom Leibe gerissen, nur wie durch ein Wunder entkamen Einige der Vorder­sten, indem sie auf die Dächer der Buden kletterten. An einer Stelle, die ungefähr hundert Meter im Umfange hat, lagen nach wenigen Minuten an 800 Leichen aufgetürmt. Die Menschen kämpften wie wilde Tiere mit und gegen einander. Allein nicht blos die Wildheit, auch der Opfermut der mensch­lichen Natur zeigte sich bei dieser Gelegenheit. Etwa hundert Fabrikarbeiter kamen mit dem jungen Sohne ihres Arbeitgebers in das ärgste Gedränge; sie foch­ten wie die Löwen, um ihn zu retten, was ihnen auch mit vielen Opfern ihrerseits gelang. Die Hälfte von ihnen wurde erdrückt. Die ganze Katastrophe dauerte nicht länger als eine Viertelstunde. Fast alle Opfer gehörten der armen und ärmsten Muschik- Klasse an. Vor allem seien ganze Familien und namentlich Kinder umgekommen. Man spricht von weit über tausend Kindern.

Kairo, 1. Juni. In der Hochschule der Elas- har Moschee sind heute Unruhen vorgekommen. Die Studenten widersetzten sich dem Eintritt von Sani­tätsbeamten, welche Maßregeln bezüglich eines Cho­lerafalles in Anwendung bringen wollten. Die Aufrührer schlossen das Thor der Moschee und em­pfingen den Gouverneur Mäher Pascha und den. Stellvertreter desselben mit einem Hagel von Steinen.. Beide wurden verwundet und gezwungen, sich zurück­ziehen. Die Erregung hat sich nunmehr gelegt, nach­dem die Ordnung durch den Polizeikommandanten wiederhergestellt worden war.

Kairo, 1. Juni. Die bei der Moschee eintref­fende Polizei wurde mit Steinwürfen empfangen. Die Polizei schoß darauf und tötete einen Unruhe­stifter und verwundete 3 weitere, 2 davon lebens­gefährlich. Die Menge floh sodann. 170 Verhaf­tungen von meistens syrischen Türken wurden vor- genommen. _

^tetrrere Mtrrett«»-»«.

Reutlingen, 3. Juni. Durch den Genuß verdorbener Leberwurst, welche bei einem hiesigen Metzger gekauft war, sind lautKr.-Ztg." etwa 20 Personen, jedoch nicht lebens­gefährlich erkrankt. Gegen den Metzger ist Untersuchung eingeleitet.

Ebingen, 3. Juni. In Onstmettingen brachte ein Familiendrama die ganze Gemeinde in Aufregung. Der sehr geachtete Gemeinderat B. hatte wegen eines kleinen Erbes mit seiner Ehefrau, mit der er seit 30 Jahren im Frieden lebte, einen Wortwechsel, der damit endigte, daß der Mann sich zu Thätlichkeiten gegen seine Frau Hinreißen ließ; auch drohte er, als er aufs Feld zu gehen sich an- schickle, die Frau zu erstechen, wenn er sie bei seiner Rück­kehr noch im Hanse antreffe. Die geängstete Frau verließ, hierauf das Haus mit dem größten Teil ihrer Habselig­keiten, und als der Mann nach seiner Heimkehr dies gewahr wurde, begab er sich auf die Bühne und machte seinem Leben durch Erhängen ein Ende.

Frommer n, 2. Juni. Am Freitag den 5. Juni ds. Js., dem Jahrestag des großen Ueberschwemmungsunglücks, wird in hiesiger Gemeinde nachmittags 1Uhr ein Trauer­gottesdienst in der Kirche und an den Gräbern abgehalten werden, verbunden mit der Enthüllung eines zum Gedächt­nis der Verunglückten am Eingang des Dorfes errichteten Denkmals. _^

Landwirtschaft, Handel L rverkeyr.

Stuttgart, 1. Juni. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, Äzima 16.S0, Gyrka

16.75, Laplata 16.75, rumän. 16.25 bis 17., Gulka 16.50 bis 16.75, Saxonka 16.50, Walla 16.75, Kernen ober!. In.

18.75, Roggen rumän. 13.75, Hafer Alb 15.20, russ. 14.50 bis 15., Mais Laplata 9.7510..

Stuttgart, 1. Juni. (Mehlpreise.) Wir notieren per 100 Kilogr. incl. Sack bei Wagenladung: Mehl Nr. 0:

27.50 28.50, Nr. 1: 25.5026.50, Nr. 2: 2425, Nr. 3r.

22.50 23., Nr. 4: 20., Suppengries 28.50 , Kleie mit

Sack 8.25. _

Postalisches.

Zur Feststellung des eventuellen Uebergewichts der Briefeüber 15 Gramm benutzen die Reichspostanstalten sehrfein justierte Briefwagen, und es galt bisher als Grundsatz, daß jedes geringste mehr schon die doppelte Tax erwirkte. Dem gegenüber ist im Verwaltungs­wege bestimmt worden, daß bei den postamtlichen Ermittelungen des Briefgewichts rc. überschießende Gewichtsteile von weniger als ^2 Gramm unberück­sichtigt bleiben sollen. Es liegt darin ein immerhin remerkenswertes Entgegenkommen für alle Fälle, in denen das Zünglein der empfindlichen Wage zu Un- g unsten des Briefschreibers nur eben schwankt.

Hiezu das Unterhaltungsblatt Nr. 23 u. eine Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen.

Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.