chl. offen. Alle Palais und öffentlichen Gebäude haben Halbmast geflaggt.
Berlin, 6. Jan. Der Prozeß gegen den Assessor Wehlan, bekanntlich ein Nachspiel zum Prozeß Leist, nimmt morgen vor der kaiserlichen Disziplinarkammer seinen Anfang. Assessor Wehlan wird beschuldigt, während seiner Thätigkeit als Reichsbeamter in Kamerun eine große Zahl von Grausamkeiten begangen zu haben.
Berlin, 6. Jan. Wie verlautet, wird Prinz Heinrich von Preußen im Laufe ds. Monats dem König Humbert einen Besuch abstatten, und zwar im strengsten Inkognito.
Berlin, 6. Jan. Der Präsident der südafrikanischen Republik, Krüger, richtete an den Kaiser folgendes Telegramm: Ich bezeuge Ew. Majestät meinen sehr innigen tiefgefühltesten Dank wegen Ew. Majestät aufrichtigen Glückwunsch. Mit Gottes Hilfe hoffen wir weiter alles Mögliche zu thun für die Handhabung der teuer bezahlten Unabhängigkeit und Beständigkeit unserer beliebten Republik.
Berlin, 7. Jan. Das „B. T." meldet,' die gestrige Audienz des Staatssekretärs von Transvaal, Dr. Leyds, beim Kaiser währte 20 Minuten. Leyds ist vom Ergebnis derselben hochbefriedigt. Er telegraphierte darüber sofort ausführlich nach Prätoria.
Berlin, 7. Jan. Gestern sind die ersten Telegramme aus Johannesburg seit 8 Tagen wieder eingetroffen und zwar die am 30. Dezember aufgegebenen. Das Kabel an der afrikanischen Küste ist bekanntlich im geeigneten Moment gebrochen, die Telegramme mußten deshalb über Kapstadt gehen und dort hat man sie zurückgehalten.
Berlin, 7. Jan. Hier geht das Gerücht, daß es zwischen dem Kaiser und dem Prinzen Friedrich Leopold aus Anlaß des Unfalls, welcher der Gemahlin des Letzteren begegnete, als sie ohne männliche Begleitung Schlittschuh lief, zu ernsten Differenzen gekommen sei und daß der Kaiser sich infolge dessen zu disziplinären Maßnahinen veranlaßt gesehen habe. Bis jetzt hat sich noch nicht feststellen lassen, was Wahres an der Sache ist.
Berlin, 7. Jan. Zu dem Konflikt des Kaisers mit dem Prinzen Friedrich Leopold, dessen bereits Erwähnung -geschah, bringen Berliner Blätter allerlei nähere Mitteilungen, deren Richtigkeit allerdings nicht nachzuweisen ist. Es scheint nach dem Unfall der Prinzessin Friedrich Leopold beim Schlittschuhlaufen zwischen ihr und ihrem Gemahl zu einem heftigen Auftritt gekommen zu fein. Der Kaiserin, die bald darauf auf Schloß Glienicke eintraf, wurde der Bescheid, daß ihre Schwester sie nicht empfangen könne. Seitens der Kaiserin sei nun der Kaiser telephonisch herbeigerufen worden, der mit feinem Adjutanten sofort vom Neuen Palais nach Potsdam hinüber ritt. Das, was über die Begegnung des Kaisers mit dem Prinzen verlautet, ist nach dem „Berl. Tagebl." so abenteuerlich, daß es sich der Wiedergabe entzieht. Thatsache ist, daß bald darauf eine aus Potsdam sofort requirierte Ehrenwache auf Schloß Glienicke eintraf und bis jetzt dort verblieben ist. In Potsdam verlautet, die Zurückgezogenheit des Prinzen, der seither nicht sichtbar geworden ist, werde sich auf insgesamt 14 Tage erstrecken. Der Stadtkommandant von Potsdam zieht täglich Erkundigungen über das Befinden Sr. königlichen Hoheit ein.
Frankreich.
Paris, 4. Jan. Sämtliche Blätter billigen das Telegramm Kaiser Wilhelms an den Präsidenten Krüger. Der „Soleil" führt aus, daß England den ihm vom deutschen Kaiser versetzten Hieb hinnehmen, aber ihm die Sache nachtragen werde.
Italien.
Rom, 7. Jan. „Tribuna" meldet: Der preuß. Postdampfer „Bayern" spielte die italienische Königs- Hymne als er im Suezkanal an einem italienischen Transportschiff vorüberfuhr, das Truppen nach Masfauah brachte. Die Begeisterung der italienischen Truppen hierüber soll außerordentlich groß gewesen sein.
Neapel, 4. Jan. Wie dem Corriere di Napoli aus Rom gemeldet wird, hätte Leo XIII. in einem Brief an den Zaren sich darüber beklagt, daß der römisch-katholische Klerus in Rußland wieder neuen Vexationen ausgesetzt sei.
Portugal.
Liss abon, 7. Jan. Der von den Portugiesen gefangen genommene Verbündete Jamesons, der König Gungunbena, dessen Sohn und sein Truppenführer wurden nach Lorenzo Marquez gebracht und sind s
dort bereits an Bord des Packetschiffes „Afrika" nach Europa eingeschifft worden.
England.
London. 4. Jan. Die englischen Blätter zeigen sich heute sehr erregt über das Telegramm des deutschen Kaisers an Hen Präsidenten Krüger in Transvaal. „Daily Graphic" erklärt, man brauche dem intelligenten Engländer diejenigen Punkte des kaiserl. Telegramms nicht hervorzuheben, welche die Gesetze der Diplomatie überschritten und an der Grenze einer internationalen Beleidigung ständen. Der deutsche Kaiser habe eine schwerwiegende Kundgebung gethan; das Telegramm sei ein offizielles diplomatisches Dokument, weil der Kaiser darüber vorher mit den Ministern konferiert hätte.
London, 6. Jan. Präsident Krüger hat die Freilassung aller Gefangenen mit alleiniger Ausnahme Dr. Jamesons angeordnet. (?) Dr. Jameson wird, wie bestätigt wird, vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Die Intervention, welche von englischer Seite zu Gunsten Jamesons erhoben wurde, ist von dem Präsidenten Krüger kategorisch zurückgewiesen worden.
London, 6. Jan. Chamberlain hat soeben die Telegramme veröffentlicht, die zwischen ihm und Krüger gewechselt worden sind. Krügers Antwort auf Chamberlains Bitte, die Freibeuter nicht zu erschießen, ist in würdiger, selbstbewußter Sprache abgefaßt und enthalt die Versicherung, daß die Freibeuter nach dem Landesgesetz abgeurteilt werden sollen. Bemerkenswert ist, daß Krüger, der gegenüber den Lügen der englischen Presse um Publikation bittet, ausdrücklich von der teuer erkauften Unabhängigkeit des Landes spricht, worauf Chamberlain mit der Versicherung antwortet, daß England an der Konvention von 1884 festhalte. Krüger erklärt sein volles Mißtrauen zu Rhodes und versichert, daß er entgegen dessen Versicherung, daß in Buluwayo alles ruhig sei, Nachrichten von der Vorbereitung einer zweiten Expedition gegen Transvaal habe und fordert das Einschreiten der Regierung dagegen. Chamberlain versichert in einer Antwort, daß er Ordres erteilt habe, um einen weiteren Aufstand unmöglich zu machen.
Klrirrrre MiNettrruge«.
Herrenberg, 3. Jan. In der Neujahrsnacht hat sich in Nufringen der 19jährige Sohn des Schreiners S. erschossen. Furcht vor Strafe scheint den jungen Mann zu diesem traurigen Schritt veranlaßt zu haben.
Rottweil, 4. Jan. In Rottweil fand in der Nacht vom 1./2. Jan. eine blutige Schlägerei statt. Im Engel waren mehrere junge Leute in Streitigkeit geraten. Als der an demselben nicht beteiligte Wagenwärter Spöhele aus dem genannten Wirtshaus trat, wurde er von den Streitenden überfallen, geschlagen und mit Stichen traktiert und nur sein beim Fallen über den Kops sich stülpender Mantelkragen hinderte eine gefährliche Kopfstichwunde. Dagegen erhielt er in der einen Hand, mit welcher er abwehrte, eine tiefe Schnittwunde, die großen Blutverlust nach sich zog. Die Thäter sind verhaftet.
Pinache, OA. Maulbronn, 2. Januar. Ueber die in letzter Nummer gemeldete Kirchhofsschändung wird der H. Z. geschrieben, daß sich heute die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht hier befanden um die Untersuchung einzuleiten. Der Kirchhof wurde photographisch ausgenommen. Leider hat man noch keine Spur des schändlichen Thälers, der, wie mitgeleilt, sämtliche Grabsteine umwarf, alle Kreuze von den Gräbern riß, solche auf das Feld trug und teilweise an Obstbäumen aufhing. Man möchte fast glauben, es wäre die That eines Wahnsinnigen. Die ganze Gegend erwartet mit Spannung die Lösung des traurigen Rätsels. Der Ortsgeistliche hielt den gestrigen Nachmittagsgottesdienst auf dem Kirchhofe ab unter Teilnahme fast sämtlicher Gemeindemitglieder.
Ravensburg, 4. Jan. Heute Nachmittag wurde der Raubmörder Quirin Eisele, welcher den Bauern Bodenmiller in Au, Gemeinde Göttlishofen, OA. Wangen, umgebracht hat, hier einge.wferk. Eine große Menschenmenge hatte sich angesammelt und stieß gegen den Verbrecher Verwünschungen aus, die derselbe kühl hinnahm. Eisele wird jedenfalls vor das nächste Schwurgericht gestellt.
Ein Konflikt zwischen Militär und Zivil erregt in München großes Aufsehen. Ein Sergeant Zech vom Train war in der Neujahrsnacht im Pschorrbräu von einem Soldaten des 1. Jnfanterie-Rgts. nicht gegrüßt worden, weshalb der Erster« den Mann zur Rede stellte. Das zahlreich anwesende Publikum nahm für den Soldaten Partei und das veranlaßt« den Sergeanten, eine Patrole zu holen, die ihm bei Festnahme des Soldaten behilflich sein sollte. Als die Unteroffiziere in Begleitung eines Mannes das Zimmer betraten, stand alles auf und schrie „Hinaus". Zech hat deshalb, in der Annahme bedroht zu sein kommandiert: „Infanterist chargieren Sie, Gewehr in Ruh, Gewehr ab!" Nach anderen Meldungen soll Zech „Feuer" kommandiert haben, doch habe ein Veteran die Ausführung des Befehls verhindert. Man wird, da eine strenge Untersuchung eingeleitet ist, die amtliche Darstellung des Vorfalls ab- warten müssen.
Lokales.
(Einges.) Gerüchtweise verlautet, daß in dem unmittelbar bei Nagold gelegenen „Kneippbad Waldeck" von seiten einer badischen (?) Gesellschaft eine Heilanstalt für Schwindsüchtige eingerichtet werden solle. Diese soll, hört man erzählen, auf eine großeZahl von Kranken mit der Zeit gebracht werden. Jetzt schon soll sich eine ziemliche Anzahl derartiger Kranker dort befinden; einer sei bereits gestorben. — Wir wissen wohl, wie viel man gegenwärtig in der ältlichen Wissenschaft gerade für Bekämpfung der Schwindsucht von der „Anstalts- Behandlung" Hält. Wir gönnen auch jedem der Aermsten unter den Armen, wenn er Heilung irgendwo,
— und wäre es auch in unserer nächsten Nähe,
— finden kann. Eine geziemende Bitte aber erlauben wir uns im Namen aller derjenigen, die wissen, welche schwere Gefahr der Uebertragung die massenhafte Ansammlung von Schwindsüchtigen für die Umgebung mit sich bringen kann, an die zuständigen Behörden (Physikat, Oberamt, Medizinalkollegium) hiermit zu stellen: „es möchten zeitig, d. h. bevor die Anstalt auch nur teilweise in Betrieb gesetzt wird, alle gesetzlich zulässigen Bestimmungen und Vorschriften, Einrichtungen und Schutzmaßregeln getrofen werden, welche die hiesige Einwohnerschaft, menschlich gedacht und gesprochen, davor schützen und bewahren sollen, daß keine ernstliche Gefährdung der Gesandheitsverhältniffe unserer Stadt aus dem Verkehr mit den Kranken dieser Anstalt erwachse."
Zum neuen Jahr« sendet der landwirtschaftliche Schriftsteller den Lesern dises Blattes freundlichen Glückwunsch.
Wenn auch das Ausland zeitweise mit äußerst billigen Preisen uns den Absitz der landwirtschaftlichen Produkte streitig macht, so stehn wir doch nicht hilflos da, diesem zu begegnen. Die Wisenschast hat uns schon seit 40 Jahren die Mittel gezeigt, weche wir anwenden müssen, um diese Concurrenz zu bestehe!; seit 25 Jahren sind solche in tausend Millionen Zenturn angewendet worden.
Es sind dies vorzugsweise die Phosphorsäuredünger.
Zumeist hat nicht allein der Landwirt, sondern auch der Gärtner und Barmzüchter wirksame Phosphorsäure mitzuverwenden, damil seine Stalldünger, die Jauche und Latrine, doppelt und drifach wirksam werden, also doppelt und dreifach so große Krnten liefern. Diesen müssen wir es immer wieder sag er, daß dis Phosphorsäure der erste und notwendigste Stoff ist in der Pflanzenernährung: sie bildet in den Pflanzei das Pflanzeneiweiß, den Knochen- und Fleischbilder in alen Nährstoffen, welche wir für Vieh und Menschen ziehen md diese werden allein durch die Pflanzen gebildet, durch die Mitwirkung der Phosphorsäure. Es ist keine Blüte fruchtbar ohne Phosphorsäure, jedes Samenkorn lagert ei« bestimmte Menge Phosphorsäure bezw. Knochen und Feisch bildende Substanz in sich ab und befähigt das Sanenkorn, ein ganz vollendetes junges Pflänzchen neu herarchutreiben.
Man hat Wiesengms ohne Phosphorgehalt mit halbem Nährwert als ein gute! Stroh. Man hat aber auch Wiesengras mit Phosphorsäire gedüngt, mit zwölfsachem Nährstoffgehalt, als gutes Futterstroh. In 200 Pfund gutem Heu ist ein Pfund Pkpsphorsäure, in 100 Pfund Getreide- körnern aller Art — ruch Oelsamen — ist durchschnittlich ein Pfund enthalten.
Da möchte Dir, lieber Landwirt oder Gartenbesitzer, gesagt sein: Alle Pstmzen, welche Du ziehst, haben diese Phosphorsaure nötig und wenn Du auch Stallmist, Jauche und Latrine verwendst, erst recht, denn mit 8 Ztr. Stall- nnst kannst Du erst 1 Ztr. Getreide ziehen, fügst Du aber zu 200 Ztr. Stallmif 2 Ztr. Phosphorsäuredünger hinzu, mag er nur 4 oder t Mark kosten, so verdoppelst Du die Wirkung des StallmÄes, Du erhältst in den nächsten 2 bis 3 Jahren anstatt 24 Ztr. Getreide 48 Ztr. und noch einen schönen Kleewuchs, dm Du allenfalls noch extra Mit 2 bis 3 Ztr. Phosphorsäucedünger versehen könntest, um noch eine volle und sichereFutterernte zu machen.
30 Millionen Zentter Phosphorsäuredünger werden jährlich in Deutschland Kreits verwendet und ebensoviel Morgen Land tragen da! Doppelte wie früher. Da wir aber mehr wie 150 Millionen Morgen Ackerland und Wiesen haben, so müßte ungefähr noch fünfmal soviel verwebet werden. Es würde dann aufhören, daß man der deutschen Landwirtschaft den Vorwurf machte, daß sie nicht imstande wäre, den nötigen Bedarf an Fleisch und an Brotfruchten zu ziehen. Jährlich gehen noch 300 Millionen Mark für ausländisches Getreide, Vieh und Pferde aus dem Lande hinaus, das macht iri 10 Jahren 3 Milliarden Mark, welche im Lande bleiben müßten und welche im Lande blerven.
- könnten, wenn die nötigen Phosphorsäuredünger verwendet l würden. Zwar sind eine Unmasse unfruchtbarer Böden ! wie Sand-, Thon- und Moorböden vorhanden, welche außer der Phosphorsäure noch Kali und Kalk bedürfen, um zuerst ! in Lupinen- und Kleefelder und dann in Getreideacker, oder selbst in anbaubare Wälder umgewandelt werden zu können.
! Beherzige aber vor allem die Phosphorsauredungung !und glaube daran, daß mit einer Ausgabe von 2 Mark >pro Morgen jedes Jahr, oder 6 Mark alle A Jahre, große ! Ernten und in der Viehzucht der doppelte Geld-Erlös zu erreichen ist. ___
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen