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„Blutenstecher" oder „Schwarzbrenner" a'ngesetzt hat. Bedeutenden Abbruch machte der viele Mairegen auch den Gerbern. Die im Wald befindliche Schälrinde wurde immer wieder durchnäßt und hat durch das Ablaufen der Regennässe viele Gerbsäure mitgeschwemmt. Der Ztr. Glanzrinde kommt auf 5—6 -,-L, ein solcher „Grobrinde" auf 2,30—3 zu stehen. Auch den Bienen ist es in diesem Blütenmonat, abgesehen von den letzten warmen Tagen, nicht gelungen, ihre Arbeitsamkeit in einem für den Imker zufriedenstellenden Maße auszuüben. Doch schwärmen seit kurzem die Völker in reichlicher Fülle. Möchte nun der kommende Brachmonat Juni unfern Weinstöcken in ihrer Blüte und den Feldfrüchten, wie der gesammten Pflanzenwelt eine förderliche Witterung angedeihen lasten.
Von der hohenzollernschen Grenze, 1. Juni. Dieser Tage ist die Frau Fürstin Antonia von H o h e n z o l l e r n, Infantin von Portugal, mit ihrem Hofstaat und dem Hofmarschall v. Arnim von ihrer Reise nach Lissabon wieder in Sigmaringen eingetroffm. — In Hech - ingen wurde gestern abend der 69 Jahre alte Güterbeförderer Pfister von dort auf der Heimfahrt von einer Hochzeit von den scheugewordenen Pferden bei einer Biegung der Straße innerhalb der Stadt so unglücklich aus seinem Gefährt geschleudert, daß er bewußtlos vom Platze getragen werden mußte und heute früh den erlittenen bedeutenden Verletzungen erlag. Der allgemein beliebte Mann wird tief bedauert. — Bei den schweren Gewittern vom letzten Freitag schlug der Blitz in Frohnstetten und in Gausel - fingen ein und äscherte an beiden Orten die betroffenen Häuser ein.
Berlin, 2. Juni. Der Kaiser ist heute nachmittag um 3 Uhr mit den Prinzen Wilhelm und Leopold nach Kiel abgereist.
Wien, 2. Juni. Die Theiß durchbrach gestern eine Schleuß«, wodurch hunderttausend Joch der besten Felder in Alsöld überschwemmt sind. Der Schaden beträgt 10 Millionen Gulden. (Frkf. I.)
Werrrnischtes.
— Apotheker R. Brandt's Schweizerpillen. Am 12. April dieses Jahres standen die Apotheker R. Brandt's Schweizerpillen vor der Strafkammer in Elberfeld vor Gericht, es sollte die Frage endlich prinzipiell entschieden werden, ob die Schweizerpillen in den Apotheken verkauft werden dürfen, d. h. ob das Präparat gleichmäßig zusammengesetzt sei und nicht über die Arzneitoxe verkauft würde. Das Gericht hat zu Gunsten der Schweizerpillen entschieden. Die Sachverständigen haben erklärt, daß der Preis von -/K 1. — noch unter der Arzneitaxe sei. — Es muß doch auch ein Unterschied gemacht werden, zwischen einem reellen seit vielen Jahren allgemein beliebten Volksmittel, über das Klagen von Seiten des Publikums niemals laut geworden, und solchen Mitteln, welche lediglich die Ausbeutung des Publikums bezwecken. Für jeden Vernünftigen ist es schon längst kein Geheimnis mehr, daß die große Verbreitung der Apotheker R. Brandt's Schweizerpillen einzig und allein auf ihrer sicheren und absolut unschädlichen Wirkung beruht.
LiiLevcrrisches.
„Jflustrierte Geschichte Deutschlands", herausgegeben von der Verlagshandlung Emil Hänselmann in Stuttgart, mit Text von Th. Ebner und unter der artistischen Leitung von Maler MaxBach. 80 Lieferungen L 40 Pfennig.
Ein jeder Versuch, das nationale Bewußtsein zu heben, unserem deutschen Volke zu zeigen, daß es neben den Interessen des Tages auch noch ideale Güter zu hegen und zu pflegen hat, ist mit Freude und Dank zu begrüßen. Der Nutzen, den die Kennt
nis seiner Geschichte für ein Volk haben kann und haben muß, wird täglich wieder von den verschiedenartigsten Standpunkten aus hervorgehoben und indem wir heute den uns vorliegenden acht ersten Lieferungen des Werkes einige Worte widmen, möchten wir zugleich dem schönen Unternehmen bei dem ganzen deutschen Volke die freundlichste Aufnahme wünschen. „Die Urgeschichte der Deutschen bis zum Beginn der Völkerwanderung", „Die Völkerwanderung", „Die Franken und Karolinger", finden in den uns vorliegenden Lieferungen ihre Schilderung in lebendigster und anschaulichster Weise, kräftig unterstützt durch einen reichen und von kundiger Hand ausgewählten Bilderschmuck. Der Verfasser des Textes liebt es, die Quellen für die einzelnen Zeiträume selbst sprechen zu lassen, der Text erhält dadurch eine Lebendigkeit und Frische, die um so anziehender wirkt, je deutlicher uns gerade dadurch die Zeit selbst charakterisiert wird. Wir sehen die Deutschen aus halb sagenhafter Vergangenheit sich mehr und mehr entwickeln zu einem gewaltigen Volke, mit dem die Weltgeschichte mehr und mehr zu rechnen hat, wir sehen auf den Trümmern des römischen Reichs deutsche Kraft und deutschen Mut einhergehen, und blicken mit Grausen und doch auch mit Bewunderung hinein in die wilde Gährung der Völkerwanderung, eine Todesjagd der Völker, wie sie kunstvoller niemand als eben die Geschichte selbst darstellen kann. Und dann treten vor unser Auge all die kräftigen und heldenhaften Gestalten, an denen noch heute das deutsche Volk mit dankbarer Bewunderung emporschaut, Männer, deren gewaltiger Wille, deren manchmal elementares Walten wie ein mächtiges Schöpfungswort in das Chaos der Völkerwanderung hineindrang, und ein neues Reich ins Leben rief, das über die Geschicke der Nationen waltete. Wir freuen uns aufrichtig des bis jetzt Erschienenen; Text und Bilder ergänzen sich glücklich und aufs -Schönste. Nach den besten Mustern der Neuzeit ausgewählt, regen letztere zur Lektüre selbst an, und was von gleichzeitigen Darstellungen gebracht ist, ist um so wertvoller, als die Wiedergabe eine ganz treffliche zu nennen ist. — Alles in allem, haben wir ein Buch vor uns, das vermöge seines Inhalts wie seiner Ausstattung eine würdige Bereicherung einer jeden Familienbibliothek zu werden verspricht!
Kgl. Standesamt ßakw.
Vom 28. Mai bis 1. Juni 1887.
Getraute:
28. Mai. Georg Friedrich Klein, Gutspächter auf Hof Dicke mit Maria Wagner von hier.
30. « Leonhard Vock, Kutscher in Weinheim a. d. B. mit Rosine Keppler
von hier.
30- „ Wilhelm Dingler, Fabrikarbeiter hier mit Marie Gökeler von hier.
Gestorbene:
1. Juni. Marie Agnes geb. Lutz, Witwe des Leopold Bauer, gewes. Taglöhners hier, 81 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 5. Juni (Fest äer k. Dreieinigkeit). Vom Turme: Nro. 37. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Berg. Nachmittagspredigt um 2 Uhr in der Kirche: Hr. Helfer Braun.
Eottesäienste in äer Metkoäistenkapekke am Sonntag, den 5. Juni 1887.
Morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
Calw.
Ean^wirt^ckmftkiekier Kezir^8verem.
Am 1. Juli beginnt ein neues Abonnement auf das landwirthschasts liche Wochenblatt. Dasselbe wird den Mitgliedern des landwirthschaft- lichen Bezirksvereins frei in's Haus geliefert, und haben deshalb diejenigen, welche das Blatt zu lesen wünschen, ihren Eintritt in diesen Verein bei dem Unterzeichneten anzumelden. Anmeldungen, welche die Lieferung des Blattes vom 1. Juli ab zur Folge haben, sind spätestens am
Mittwoch, den 8. Juni,
schriftlich anzubringen und können spätere Anmeldungen den bestehenden Vorschriften gemäß für das laufende Jahr nicht mehr berücksichtigt werden.
Calw, 30. Mai 1887.
E. Horlacher, Secr.
JeuiLleton.
In sKIZsis.
Novelle von Woksgang Arachvogek.
(Schluß.)
Dann saß sie an seinem Lager, und da er nicht viel sprechen sollte, mußte sie die Kosten der Unterhaltung tragen; und es ist wohl selbstverständlich, daß sie ihn von dein unterhielt, was er am liebsten hörte, von ihrer großen Liebe.
Dann bat Holger, sie möchte ihm aus der Brusttasche seines Kollers die silberne Kapsel reichen — da er nur den rechten Arm benutzen konnte, mußte sie das kleine Medaillon öffnen.
„Weißt Du, was das ist?" fragte er.
Es war der trockene Stiel der Rose, die sie ihm einst beim Abschied gegeben hatte.
„Die Blätter fielen, noch ehe Tu uns verlosten hattest; ich sagte es Dir ja, Du solltest eine frische Rose nehmen, weil die meinen schon welk waren. Wie ich damals die Blätter auflas und in mein Gebetbuch legte, dachte ich gleich, daß mir wohl Trübsal aus meiner Liebe entstehen möchte."
„Ich habe Deinen Talismann stets bei mir getragen und doch hat er mich nicht davor bewahrt —" er stockte, verschämt den Blick senkend.
Ebba aber streckte ihm schnell ihre Hand hin und fragte:
„Weißt Du aber auch, was das ist ?"
„Da leuchteten seine blauen Augen auf, er hatte seinen Ring mit dem blitzenden Edelstein sogleich an ihrem Goldfinger erkannt.
„Ich habe Dir so viel Unrecht angethan", meinte er leise und zaghaft.
„Denken wir nicht mehr daran", sagte sie schnell, „ich habe einmal gehört, daß man die Menschen, um die man am meisten gelitten hat, auch am meisten liebt."
„Der trockene Wanderstab des Ritters Tannhäuser hat wieder zu grünen begonnen", meinte er innig und ergriff ihre Hand, „aber dem Himmel sei Dank, nicht zu spät, und wir wollen ihn hegen und pflegen, daß das Glück von Bestand bleibe."
Schluß.
Im Herbst, als die Bäume sich wieder färbten, wie zu Anfang unserer Erzählung, als die kleinen Astern an der Schloßmauer blaßviolet schimmerten und die Georginen in den Gartenbeeten in allen Farben prunkten, feierte der Jägermeister Holger Wind auf Gieddesborg Hochzeit mit Fräulein Ebba Giedde.
Als er dann seine junge Frau in dem Schloß seiner Väter herumgeführt hatte, nahm er sie bei der Hand und sagte:
„Ich will Dir noch ein Geschenk zeigen, das ich erhalten habe."
Er schaute sehr ernst darein und führte sie schweigend durch die gewölbten Hallen in den kleinen Saal, in dem Ebba's Ausstattung an Linnen und Silber und das, was die Liebe der Freunde und Verwandten gespendet hatte, aufgestellt war. Da stand auch das Bild, das Holger vor einem halben Jahre der Gräfin Penz gesandt hatte — aber die blauen Augen waren ihm ausgestochen, und so hatte es ihm die ehemalige Geliebte als nicht mißzuverstehenden Ausdruck ihrer Gefühle übersandt.
Erst als sie von Holger's Verlobung gehört hatte, war bei der Gräfin die Ueberzeugung durchgedrungen, daß Uhlefeld und der König nicht allein an ihrem Unglück schuld waren, sondern daß Herr Rosenkrands es nur voll diplomatischen Genies verstanden hatte, jenen Beiden die Ausführung und Verantwortlichkeit dessen aufzubürden, was er mit dem treulosen Junker geplant hatte.
Die junge Jägermeisterin bettachtete das Bild lange gedankenvoll und mit großem Interesse — die ausgestochenen Augen erzählten ihr eine lange Geschichte von Gram und Eifersucht, sie riefen ihr noch einmal die Oualen ins Gedächtnis zurück, die sie selbst im letzten Jahre erduldet hatte. Dann schaute sie dem Gatten in die Augen, lächelte ihn herzlich an und meinte:
„Wie gut für uns, daß die Gräfin kein bestellter und befugter Richter ist, sie hätte sich sicher nicht begnügt, Dich iu ettixie zu bestrafen."--; "
Auch ohne des Königs Schwager zu werden, machte Holger Wind seinen Weg — er wurde Kanzler des dänischen Reichs und durch Ebba Giedde Stammvater aller der vielen blauäugigen und blondhaarigen Herren und Fräulein Wind, deren Wiege in Harrested oder Gieddesborg gestanden. —
Das Bild mit den ausgestochenen Augm erhielt zum ewigen Angedenken einen Ehrenplatz in Harrested und nimmt denselben heute noch ein, obwohl mehr als zwei Jahrhunderte seither verflossen sind.