ring der Mörder und aller Schuldigen getroffen worden. Die Vorschläge, betreffend die Reformen in Armenien würden noch vom Sultan erwogen. Sie erwarte den Beschluß des letzteren. Schließlich erklärte die Königin, angesichts der vorgerückten Jahreszeit werde es wahrscheinlich für angemessener gefunden werden, die Beratung irgend welcher wichtiger Gesetzentwürfe auf eine andere Session zu verschieben, ausgenommen diejenige, betr. die Verwal- tungskosten dieses Jahres.
London, 17. Aug. Die „Times" fordert die Regierung auf, sofort mit dem Bau der Ugnada- bahn zu beginnen, sonst würden die Deutschen eine Bahn bis zum südlichen Ufer des Viktoriasees bauen und der englischen Bahn Konkurrenz machen. (Ist das die vom „Standard" gerühmte Loyalität Englands speziell in Afrika?)
Bulgarien.
Sofia, 16. Aug. Eine zahlreiche Bande überfiel das Grab Stambuloffs und verwüstete dasselbe und die Kranzspenden. Dieselbe wollte die Ueberreste des Toten herausnehmen. Die Polizei zerstreute die Attentäter.
Kleinere Mitteilungen.
Rexingen, OA. Horb, IS. Aug. Ein tragisches Geschick ereilte eine hiesige Familie. Das letzte von 8 schon der kühlen Erde übergebenen Kindern, ein Mädchen von 14 Jahren, harte das Mißgeschick, sich in die Peitschenschnur knallender Kinder mit den Füßen zu verfangen. Es siel, stand aber wieder auf, sank nochmals und starb noch in derselben Nacht infolge einer Gehirnerschütterung.
Wildbad, 16. Aug. Die Luftschifferin K. Paulus aus Frankfurt stieg gestern abend in Baden-Baden um 6 Uhr auf. Um ^,7 Uhr wurde sie oberhalb des Windhofs bei Wildbad m den Tannen festgehalten. Zwei Stunden verblieb sie daselbst, bis ein Kurgast die Hilferufe vernahm. Um 16 Uhr wurde sie mit ihrem Begleiter aus ihrer bedrängten Lage befreit. Beide sind wohlbehalten angekommen.
Ulm, 15. Aug. Ein Kanonier der 1. Compagnie des (preuß.) Fußartilleriebataillons Nr. 13 hat sich vor seiner Rückkehr von dem Schießplatz in seinem Quartier erhängt. Was den bedauernswerten Mann zu diesem Schritt getrieben ist noch unaufgeklärt.
Walldürn, 16. Aug. Ueber einen Doppelmord wird berichtet: Der 51 Jahre alte Dienstknecht Wilhelm Mehl von Hornbach hat sich gestern nachmittag, wie der hiesige „Landbote" mitteilt, hier ausgehalten und im Gasthaus zum „römischen König" ca. 68 ^ empfangen; vor 6 Uhr trat er seinen Heimweg an. Dienstknecht Hilbert hatte bei seinen Eltern einen Besuch gemacht und war wieder auf dem Rückwege nach Walldü n begriffen. Die Mordthal muß gegen 7 Uhr begangen worden sein. Man vermutet, oaß Niehl von hinten überfallen wurde; durch zahlreiche Stiche in Hinterkopf und Nacken ist er niedergestreckt worden. Dem jugendlichen Hilbert, welcher des Weges kam, und wahrscheinlich Zeuge der Mordthat war und deshalb von dem oder den Mördern aus dem Wege geräumt wurde, war der Hals durchschnitten und der Körper zeigte sonst noch etwa 8 Stiche. Die beiden Leichen lagen 150 Schritte auseinander. Die Gendarmerie, durch auswärtige verstärkt, ist in fieberhafter Thätigkeit.
Ein gefahrvoller Mt.
„In blutiger Attacke hatten wir Schleswig-Holsteinischen Dragoner bei Ville für Aron die franz. 2. Chasseurs ä cheoal geworfen und kaum gesammelt, hatte uns Oberst v. Brauchich einer anstürmenden Husarenbrigade entgegen geworfen. Im furchtbaren Handgemenge waren uns die 10. Husaren zu Hilfe gekommen und eine ungeheure Staubwolke umhüllte den Einzelkampf. In wilder Wut wurde gekämpft, Mann gegen Mann wurde gehauen, gestochen und geschossen. Wer zu Fall kam, wurde in dem furchtbaren Staube von den Pferden zertreten. Längst hatte das Hurrah aufgehört und nur Ausrufe der Wuth, das Klingen der Säbel gegeneinander treffend, das Schnauben der Pferde gab die Musik zum verzweifelten Kampfe. Dann war's, als ob die dichte Masse, die himmelhochsteigende Wolke, sich weiter bewege — immer schneller — bis die Franzosen in voller Carriere zurückfluteten — und wir ihnen aus den Fersen und zwischen ihnen in erbitterter Verfolgung. Eben hatte ich meinen Gegner zu Falle gebracht, meine Klinge hatte ihm die Schulter durchbohrt. Um Licht und Luft zu finden, mir einen neuen Gegner zu suchen, jagte ich dem äußeren Flügel zu und — ganz zufällig gewahre ich hinter uns und seitwärts ab von der wilden Jagd drei der feindlichen Reiter zu Fuße einer Schutz bietenden Vertiefung zustreben, in der Richtung aus die Gefechtsstellung der franz. Infanterie. Ich erkannte sofort, daß einer der Männer geführt wurde und daß er ein Offizier sei. Sofort ritt ich auf die Gruppe los. Ein Husar, den Carabiner in der Hand, trat mir kühn entgegen, aber der Schuß ging fehl, ich ritt ihn nieder. Die andern Beiden versuchten keinen Widerstand mehr — um so weniger als der ältere Offizier verwundet
war. Mein Regiment sammelte sich eben, als ich mit meinen Gefangenen daher kam — ganz langsam. Immer wieder mußte ich die beiden Offiziere ansehen. Es lag ein so tiefer Schmerz auf ihren Gesichtern. „Wenn's umgekehrt wäre",, dachte ich mir, „wenn Du mit Deinem Oberst, Deinem Rittmeister Einem von denen da folgen müßtest!" Noch waren keine 15 Minuten vergangen, seit ich mit Begeisterung drauf geschlagen auf die Schädel der Franzmänner und dann — that's mir fast leid, den schon alten braven Verwundeten und seinen jungen Offizier und den Husaren, die sich für ihn geopfert hatten, mitzunehmen — zur Gefangenschaft. Als ich dann dem alten Herrn aus meiner Feldflasche anbot — zur Stärkung — da nahm er den Trunk an, — er mochte wohl dürsten nach dem Blutverlust aus der Säbelwunde, am Kopfe, — aber ich vergesse nicht den Ausdruck von Schmerz und Dank zugleich, als er die Fasche zurückgab. „Älsroi mou eamsrucls", sagte er. Ich lieferte meinen Gefangenen ab. Erst nachher sagte mir Lieutenant v. Thümen, daß der ältere Offizier der General Montaigu gewesen. — Noch einmal kam ich mit einem franz. Offizier in persönliche Berührung. Das war auf einem nächtlichen Patouillenritte vom 6. auf den 7. Jan. Die 12. Brigade lag damals in Belhomert, westlich Chartres, und meine Eskadron hatte eine Sicherungsstellung in Fontaine Simon. Ich war meinem Eskadronsführer, v. Thümen, als besonders eifriger Patrouillenreiter bekannt und hatte schon zu der Zeit, als wir bei Paris lagen, mehrfach seine Zufriedenheit gewonnen bei Ueberbringung wichtiger Meldungen oder Aufträgen in das Vorterrain. Auch an dem Tage — dem 6. gegen abend — fragte er mich: „Gefreiter Breitholz, möchten Sie einen gefährlichen Patrouillenritt machen — einen recht wichtigen, den ich eigentlich einem Offizier geben müßte? Na — ob ich wollte! „Zu Befehl," sage ich, und eine Stunde später war ich unterwegs — mit drei Mann nur, aber gut beritten und tüchtige Reiter. „Reiten Sie nach Longni, und bringen Sie Meldung, ob der Ort noch vom Feinde besetzt ist," so lautet mein Befehl. Mit ähnlichen Aufträgen waren auch verschiedene Offiziere und Unteroffiziere in das waldige Vorterrain abgeritten. Auf der Karte hatte ich mir das Terrain genau angesehen und in Gottes Namen ritt ich in die Dunkelheit hinein. Infame Waldwege, hart gefroren, erschwerten das Vorwärtskommen. Stockfinster war's schon, als ich das Bois de Senonches durchquert hatte und in ein tief eingeschnittenes Bachthal gelangte. Der Weg wurde besser — aber nun begann auch die Gefahr. Am Tage vorher war Schnee gefallen — das erleichterte einmal des Erkennen des schon befahrenen Weges, machte uns aber gegebenen Falles auch selbst sichtbarer. Der Schnee dämpfte aber auch den Schall der Hustritte und im Trabe ging's vorwärts im Eure-Thale. Bald hatten wir die Nähe des einzigen Dorfes erreicht, das zu passieren war — Nouilli s. E. lag friedlich da — nur in einzelnen Häusern noch Licht — kein auffälliges Geräusch verdächtiger Art. Eine Weile hatte ich gelauscht, dann «vertierte ich meine Patrouille. „Wir werden schlank durchtraben!" Also — wir traben an, dicht aufeinander folgend. Am Dorfeingange aber „Units" und unmittelbar darauf schon ein Schuß. Im Galopp weiter! Als wir aber über den Marktplatz des Oertchens kommen, da erkenne ich im Vorbeijagen auf einer großen Scheunentenne Cavalleriepferde — die Reiter dabei — wohl beschäftigt ihre Tiere zu füttern. Der Stall war durch Laternen beleuchtet und Laternen wurden hin und her getragen. Der Marktplatz war von einigen Menschen belebt — trotz der eisigen Kälte, und der Ruf „1s8 kru88isn8^is8 UIan8" pflanzte sich mit ungeheurer Schnelligkeit jetzt fort bis zu den fütternden Cavalleristen. Ich sah noch, daß die Laternenbewegung lebhafter wurde, aber — bald waren wir auch schon draußen — konnten ruhig weiter traben. Niemand folgte uns. Eine halbe Meile weiter führte mein Weg zwischen ein Paar ausgedehnten Seen hindurch, hier eine Defilee bildend. „Wenn der besetzt ist, sind wir ausgeschrieben, ein anderer Weg ist nicht!" hatte ich schon meinen Kameraden gesagt. Aber — es war wohl den Franzosen zu kalt da draußen gewesen — er war unbesetzt. Dafür stieß ich aber bei Le Mage, einem Walddorfe, wie vor Longni auf feindliche Vorposten — vor letzterem Orte kam ich so nahe an die Feld- l wachen heran, daß ich die von Chateaudun her be-1
kannten Franctireurs Lipowskis unterscheiden konnte. Lange ließen die mich freilich nicht zusehen — ein Paar Schüsse — und ich war im Walde verschwunden. Reiter, wohl zur Feldwache gehörig, oder Offiziere kommen vorgesprengt auf der Landstraße — da suchten sie uns aber vergebens. Mein Auftrag war erfüllt. „Longni und Umgegend sind besetzt — wir sind auf Infanterie- und Reiterpatrouillen gestoßen." Das war die Meldung, die ich zur Vorsicht auch meinen Leuten einschärfte. Es konnte gegen */s4 Uhr früh sein, als ich das Seen- defilee wieder erreichte. Diesmal ritt ich schon vertrauter vor. Aber kaum ist oer Mann drin, als auch schon dicht hinter uns Kommandos und Pferdegetrappel. „Ein Hinterhalt!" rufe ich, und im Galopp eilen wir vor, um dem Feinde bald aus der Fühlung zu kommen. Aber die Mausefalle war ganz richtig angelegt. Kaum haben wir den Ausgang erreicht, als uns auch von dort eine dunkle Kolonne entgegen tritt — „UsuckkA vou8, vou8 enfsi-ms8" brüllt es uns entgegen. Aber von eutsrms war nicht die Rede. „Auseinander nach allen Seiten — einer wird überkommen mit der Meldung!" so rufe ich, und ehe das letzte Wort heraus ist, stäuben wir schon auseinander, rechts und links über die Weggraben und hinauf den Hang zum Walde. Gerade hat ein Kerl schon die Hand nach mir ausgestreckt gehabt, und gerade habe ich noch Zeit gehabt, ihn über die Finger zu hauen. Nun aber gings vorwärts — die wilde Jagd. Der Mond war eben im Ausgehen und sah ich denn bald, daß ich nicht allein durch das furchtbar unebene Waldterrain ritt — eine ganze Bande folgte mir. Ab und zu fiel ein Schuß, ich hörte die Kugel einschlagen — aber das machte nichts, so lange mein Fidelio beinig blieb. An dem Tag habeich gesehen: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen — den setzt er auf ein edles Pferd!" Immer kleiner ist die Zahl meiner Verfolger geworden und endlich ist's nur noch einer gewesen. Und als ich ihn mir näher kommen lasse, da sehe ich, daß es ein Offizier ist, ein Dragoner-Offizier. Er denkt wohl, mein Fidelio kann nicht weiter. „Usncksr: vou8!" ruft er von Neuem. Aber er irrte sich — ich hatte ganz anderes vor, wie „rsncksA vorm!" Ich hatte nämlich eine Beobachtung gemacht. Er hatte die Zügel auch mit der Säbelfaust ergriffen — sein Pferd schien hart. Ich pariere plötzlich meinen Fidelio, lasse den Franzosen rechts an mir voröei- schießen und in dem Augenblick haue ich ihm eins über den linken Arm, daß er den Zügel sofort losläßt und das Blut unmittelbar nur so heraus spritzt. Die Bestie brennt aber mit ihm weiter und 30 Schritte weiter, da liegen Beide. Noch einen Versuch, den Revolver zu ziehen, aber schon war ich da. „Hand von der Butter!" rief ich und legte ihm meine Klinge flach über die Faust, der der Säbel entfallen war. Das verstand er. Da waren wir nun. „Usiulsi? vou8" in der Waldeinsamkeit — aber das war diesmal deutsch zu verstehen. „LlEisur", sagte ich ganz artig — „nixs mul mehr, vou8 51688«! Aber her mit Allem, was Sie an Papier bei sich haben — tont xnpisr-6Lits8!" Eine Weile besann er sich —- ich mußte wieder etwas aufdrücken, dann kramte er aus — eine ganze Brieftasche voll. Es waren auch noch blaue Scheine drin, die gab ich ihm zurück — „Xixs monnnis" — sagte ich, „das können Sie behalten." Dann — trennte ich mein Verbandzeug aus dem Rockschoße und gab ihm das, und er machte dann ein mildes Gesicht und fing auch sofort an zu verbinden, denn seine Wunde hat barbarisch geblutet. Eben nahm ich meinen Karabiner, um seinem Rappen eine Mitgift zu geben, denn ich wollte doch verhüten, daß man etwa vorzeitig meine Marschrichtung kennen lerne — aber ich sah dann, daß die Bestie stocklahm war vom Sturze und auf drei Beinen stand. Da habe ich denn in aller Freundschaft Abschied genommen vom Herrn Lieutenant, und er hat sich noch artig „remercirt". Einen Heidenweg mußte ich dann freilich machen, — über Nou- illy, darin hatte ich ein Haar gefunden. Aber so um Nachmittag langte ich dennoch bei der Schwadron an. Man hatte uns schon aufgegeben, aber auch meine Leute kamen sämtlich noch an demselben Tage zurück. Heute — nach 25 Jahren — ist's Patrouillieren für mich vorbei — der Nachwuchs wird's auch schon machen, wenn's Not thut!"
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiserffchen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.