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Amts- und Intelligenz-Blatt für den Obrramts-Bezirk Nagold.
96.
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Donnerstag 15. August
Jnsertions-Geü'rhc für die Ispaltige Zeile aus gewöhn!. Schrift bei einmaliger Einrückung 9 ^s, bei mehrmaliger je 6 ^s. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.
189».
Gestorben: I. G. Holzinger, Oberlehrer in Tübingen. Katharine Kraiß, Schullehrers Wtw. Herrenberg. Julie Dessecker, Stadtpfarrersgatlin, Alpirsbach.
Zur Weltlage.
Die nicht unbedenkliche Trübung, welche der europäische Horizont in letzter Zeit infolge der Vorgänge ouf der Balkanhalbinsel angenommen hatte, beginnt allmählich wieder zu weichen. Voraussichtlich werden weder die bulgarischen Schwierigkeiten, wie sie durch die schmachvolle Ermordung Stambuloffs hervorge- vufen worden sind, noch die mit ihnen in unverkennbarem inneren Zusammenhangs stehende aufständische Bewegung in Macedonien einen für den europäischen Frieden ernstlich beunruhigenden Charakter annehmen. Die verzettelte revolutionäre Erhebung der christlichen Macedonier gegen die türkische Herrschaft hat ihren -Höhepunkt anscheinend überschritten, und auch die bulgarische Frage verliert allmählich wieder die bedrohliche Seite, die sie nach außen infolge der bekannten Sofiaer Ereignisse ursprünglich aufgewiesen halte. Fürs erste ist von einem Rücktritte des Fürsten Ferdinand, trotz der sensationellen gegen ihn gerichteten jüngsten russischen Erklärung, nicht mehr die Rede, auch das Ministerium Stoiloff in Sofia scheint vorläufig noch am Ruder bleiben zu sollen. Was aber die neuerdings anfg-tonchten beunruhigenden Gerüchte über eine geplante serbisch-bulgarische Personal-Union unter König Alexander usw. anbelangt, so sind sie leicht als bloße Combinationen erkennbar, denen keinerlei Wert zuzulegen ist. Endlich tritt auch die armenische Angelegenheit wieder in den Hintergrund zurück, die letzte Antwort der Pforte auf die Reformvorschläge Rußlands, Frankreichs u. Englands wegen Armenien lauten ungemein entgegenkommend; ob die türkischen Zusicherungen jetzt ihre Uebertragung vom Papier ins Praktische einmal erfahren werden, dies bleibt freilich zweifelhaft.
Jedenfalls ist nach menschlichem Ermessen wieder begründete Hoffnung vorhanden, daß die im „europäischen Wetterwinkel" aufsprühenden Funken auch diesmal Dank den vereinten Bemühungen der Diplomatie wieder ausgetreten werden, ehe sie sich zu einer verderblichen Flamme zu entwickeln vermögen. Besonders dürfte zu diesem Resultat die soeben in Aussee stattgefundene erstmalige Begegnung zwischen dem deutschen Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und dem österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen Grafen Goluchowski beitragen, denn es wird von ihr sehr glaubwürdig gemeldet, daß die Hauptpunkte der Besprechungen beider Staatsmänner mit einander die bulgarische und makedonische Angelegenheit gebildet hätten. Es bedarf aber keiner -besonderen Versicherung, daß Fürst Hohenlohe und Graf Goluchowski die neuesten Vorgänge auf der Balkanhalbinsel vom Standpunkte der Erhaltung des Friedens aus erörtert und sich demgemäß über die von Deutschland und Oesterreich-Ungarn gegenüber den orientalischen Wirren einzunehmende Linie verständigt haben. Dies darf auch von allen anderen politischen Fragen, an denen beide Reiche gemeinsam interessiert sind, gelten, es wird dann auch über die Diplomaten-Begegnung von Aussee weiter gemeldet, Laß sie eine vollständige Uebereinstimmung der beiden Staatsmänner in allen Fragen ergeben habe. Die -Entrevue von Aussee stellt also der unentwegten Fortbauer des deutsch-österreichischen Bündnisses ein neues Zeugnis aus. Fast gleichzeitig mit diesem Ereignisse — nur um einen Tag später — hat auch der an- gekünde(e Besuch des rumänischen Königspaares beim ^Kaiser Franz Joseph in Ischl anläßlich der Durch
reise der rumänischen Majestäten nach Bad Ragaz stattgefunden. Die politische Bedeutung der Begegnung zwischen Kaiser Franz Joseph und König Karl, welcher auch der Minister Goluchowski beiwohnte, mag hie und da vielleicht überschätzt werden, immerhin zeugt letztere erneut für die bereits feststehende überaus sreundschastlicheStellung Rumäniens gegenüberOester- reich-Ungarns und dem Dreibund überhaupt, gewiß ist aber eine feste Anlehnung Rumäniens an die mitteleuropäische Friedensallianz von unleugbarem Vorteil für die Bestrebungen der Mächte zur Erhaltung der Ruhe im Orient.
Wenn somit der gegenwärtige Stand der Weltpolitik, zunächst was die Lage im Südosten Europas anbelangt, keineswegs die Befürchtungen rechtfertigt, die vielfach an die jüngsten Ereignisse daselbst angeknüpft wurden, so weist die allgemeine Situation auch nach anderen Richtungen hin keine besonders bedrohlichen Verwickelungen auf. Die ostasiatische Frage hat sich nicht weiter verschärft, in den zentralasiatischen Dingen herrscht vorläufig Ruhe und auch die verschiedenen schwebenden afrikanischen Problems bieten zur Zeit nichts dar, was die europäische Diplomatie ernstlich beschäftigen könnte. Schließlich ist auch der Regierungs- und Systemwechsel in England, der daselbst abermals ein konservatives Kabinet unter Lord Salisbury ans Ruder brachte, als ein friede- verbürgendes Moment zu verzeichnen. England unter der politischen Leitung Salisburys wird immer auf Seite der für die Sicherung der Völkerharmonie Europas eintretenden Mächte zu finden sein. (Albbote.)
Hages-Weuigkeiten.
Deutsches Reich.
Nagold. (Einges.) Am nächsten Sonntag, nachmittags 5 Uhr, wird Herr A. Zöppritz, der rührige Secretair der württemb. Hahnemannia, im „Hirschsaal" einen Vortrag halten über „die chronischen Krankheiten, ihre Entstehung und Heilung". Wie wir den Hrn. Zöppritz aus früheren Vorträgen kennen, ist mit Sicherheit zu erwarten, daß er den Zuhörern etwas wirklich Gediegenes bietet. Zu dem Vortrag hat jedermann Zutritt. (Siehe im Anzeigeteil.)
Herrenberg, 11. Aug. Nachdem am Donnerstag den 8. d. M. bei Dürrschnabel eine Vorversammlung der Gewerbebankmitglieder stattgefunden und von den beiden abgesandten Delegierten (zwei hiesige Bürger) die eingeholten juristischen Gutachten abgegeben worden waren, auch Vorschläge zur Wahl eines provisorischen Verwaltungsrats und Vorstands und nötige Aufklärungen gemacht wurden, fand heute in der Turnhalle eine zahlreich besuchte Generalversammlung statt. Von einzelnen Gemeinden wurden Delegierte gesandt, aus anderen Gemeinden kamen die Mitglieder selbst herbei. Zuerst wurde über das Vermögen der Bank berichtet. Dasselbe beträgt auf den 30. Juni 1895 297 350 ^ 02 Schulden sind vorhanden 404329 ^ 96 -H, so daß sich der Fehlbetrag auf 106 979 94 stellt. Mit den
Einlagen der Mitglieder, welche sich auf 186284 ^ 01 belaufen, erhöht sich der Fehlbetrag auf 293 263 Mark 95 -A Ueber die Deckung dieses Fehlbetrags wurde beraten; 50°/« Deckung für die Geschäftsguthaben wurde den Genoffen angeboten. Es kam ein Vergleich zu Stande, so daß die restierenden 93 000 ^ die Mitglieder dadurch aufbringen, daß sie auf die Hälfte ihrer Einlagen verzichten. Vorstand und Aufsichtsrat wurden noch nicht gewählt. Ueber gestellte Anträge wurde noch eine Beratung
geführt. Somit wäre die leidige Banksache zu Ende geführt. (Tüb. Ehr.)
Stuttgart, 10. Aug. Der König, welcher einer Einladung des Kaisers folgend, an der großen Parade über das Gardearmeecorps am 2. Septbr. auf dem Tempelhofer Felde beiwohnen wird, begiebt sich am 30. nach Berlin, von wo er am 3. Sept. nach Stuttgart zurückkehrt. Am 5. d. wird sich Se. Maj. alsdann mit Gemahlin, welche Ende August aus Ratiboritz wieder hier eintrifft, und Prinzessin Pauline zu lOtägigem Aufenthalt nach Holland zum Besuch der Königinregentin (Schwester der ersten Gemahlin des Königs) begeben. Nach Rückkehr von dort erfolgt die Uebersiedelung des Hoflagers nach Marienwahl.
Stuttgart. 11. Aug. Zu den in den Tagen vom 14.—18. Aug. in und um Metz stattfindenden Erinnerungsfeierlichkeiten haben sich auch eine größere Anzahl hier lebender früherer Angehöriger der an den Kämpfen beteiligten Regimenter angemeldet. Im ganzen werden in Metz etwa 20 000 Kriegsveteranen eintreffen und es ist deshalb von Metz aus an die betr. Kriegerverbände die Weisung ergangen, etwaige Nachmeldungen zu beschleunigen. (Schw. B.)
München, 10. Aug. Gegen den Prennerlieutenant a. D. Krafft, der in seiner Broschüre „Glänzendes Elend" den deutschen Offiziersstand zum Gegenstand scharfer Kritik gemacht hat, ist das ehrengerichtliche Verfahren eingeleitet morden.
stj Straßburg i. E. Die Lederfabrikation im Elsaß erfreut sich eines wohlberechtigten sehr guten Rufes. Ihre Produkte werden weit in alle Welt versandt und sind überall gesucht. Auf der Jndustrie- und Gewerbe-Ausstellung sind es in erster Linie drei Firmen, die durch ihre vorzüglichen Erzeugnisse auffallen: Herrenschmidt u. Co., Adler u. Oppenheimer in Straßburg und Lingolsheim und Gebr. Dreyfuß in Straßburg. Was von den drei Firmen ausgestellt wurde, ist durchweg erster Qualität. Gebrüder Dreyfuß haben nur lohfarbiges Leder, Herrenschmidt u. Co. die verschiedensten Ledersorten und besonders sehr schöne Treibriemen ausgestellt; die reichste Kollektion bieten Adler u. Oppenheimer, die so ziemlich alles zeigen, was in die Branche einschlägt. Von nichtelsässischen Fabrikaten verdient die Ausstellung von Gebrüder Krafft in Fahrnau, Baden, besondere Beachtung. Sie weist zunächst alle möglichen Sorten Häute in rohem, ungegerbten Zustande auf, ferner Proben von Rinden uud sonstigen zur Gerberei verwendeten Materialien, außerdem aber farbiges Leder in allen Arten. Auch von K. Duf- ner in Elzach, Baden, sind verschiedene gute Ledersorten zu sehen und von Johann Bosch, Mannheim, vorzügliche Treibriemen.
Vom Niederwald, 8. Aug. Eine improvisierte, für alle Augen-und Ohrenzeugen aber erhebende Szene hat sich heute auf dem Niederwald abgespielt. Ein Bataillon Fußartillerie aus Ulm, das vom Schießplatz auf der Wahnser Heide bei Köln nach seiner Garnison zurückkehrte, war von seinem Kommandeur zur Belohnung für sein ausgezeichnetes Verhalten zum Besuch des Nationaldenkmals hier herauf geführt worden. Der Major hielt vor dem Denkmal eine hochpatriotische, begeisterte und begeisternde Ansprache und brachte ein Hoch auf Kaiser und Reich aus, in das alle Anwesenden, sowohl die vom Besuch der Schlachtfelder heimkehrenden Veteranen, als auch das übrige, zum Teil internationale Publikum, freudig einstimmten. Mächtig brausten die Hochrufe über den Rheinstrom, alle mit der Gewißheit erfüllend, daß die Wacht auch heute noch fest und treu steht, wie vor 25 Jahren zu Deutschlands großer Zeit.