Empfänge und Reden brachten ihn darüber weg; die aufmerksame Pflege, >die ihm zu teil wurde, die lebende witzsprüheude Unterhaltung, die namentlich von der Gräfin Rantzau (seiner Tochter) geführt wurde, ließen ihn das Gefühl der Einsamkeit, über das er hin und wieder geklagt, vollständig vergessen und an seinem 80. Geburtstage war der Fürst mun­terer und frischer als je. Wenn also dem Befinden des Fürsten die ungezählten Reden, die er gehalten, nichts geschadet, im Gegenteil, da sie wesenlich dazu beitrugen, ihn immer von Neuem geistig zu beschäf­tigen und in lebendige Berührung mit den Massen zubringen, vielleicht eher günstig gewirkt haben, so war doch seine schriftstellerische Thätigkeit, die er kurz vor der Eröffnung des Nordostseekanals mit Lebhaf- tigkeit wieder begann, nicht dazu angethan, seinen Gesundheitszustand günstig zu beeinflußen. Die ganze Schärfe und Bitterkeit, die in einzelnen Ar­tikeln zum Abdruck kamen, waren Zeugnis von einer etwas krankhaften Gereiztheit, die man bei der Be­urteilung nicht übersehen darf. Wie in allen Pro­zessen, so folgte auch hier auf die Anspannung aller Kräfte die Reaktion. In unterrichteten Kreisen hält man dafür, daß wieder eine Besserung in dem Be­finden platzgreifen wird; freilich wird es notwendig sein, daß der Fürst sich größte Schonung auferlegt.

Berlin, 4. Juli. In dem großen Wellblechschupven des Kasernenhofes der Militär-Luftschister-Abteilung hat gestern Abend beim Transport eines kleinen mit Leuchtgas gefüllten Uebungsballons eine Explosion stattgefunden, wobei 3 Soldaten erheblichere Verletzungen davongetragen haben. Einer ist bereits den Brandwunden erlegen. Die Ursache der Explosion ist bisher nicht ermittelt; man nimmt an, das ausströmende Gas in Verbindung mit der atmosphä­rischen Luft Knallgas gebildet und daß sich dieses an einem elektrischen Funken entzündet hat.

Berlin, 5. Juli. Bezüglich des Attentalsversuches gegen den Polizeioberst Krause steht derNationalzeitung" zufolge nunmehr fest, daß die Höllenmaschine von einer Frauensperson in Männerkleidern in Fürstenwalde aus der Post aufgegeben wurde. Die Person war den Bahn­beamten bei der Rückkehr ausgefallen, bei der Ankunft in Berlin aber plötzlich verschwunden.

Berlin, 6. Juli. DasBerl. Tagebl." meldet aus Brunsbüttel:Die Kanalfirma Glaeschke und Hennings expedierte heute als ersten Handelsdampfer unter englischer Flagge den DampferWebster" von 4500 Tonnen Gehalt durch den Kaiser Wilhelm- Kanal. Die Dauer der Kanalfahrt betrug 8 Stun­den 40 Minuten.

Berlin, 6. Juli. Die Untersuchung durch Dr. Jeserich ergab, daß die Flaschen, welche sich in der an den Polizeioberst Krause adressierten Raketenkiste befanden, nicht Benzin, sondern Ligroin (leicht ent­zündliches Erdöl-Destillats entbi-lten.

Arolsen, 6. I crmählung des Für­sten von Waldeck-*' . der Prinzessin Ba-

thildis von Sck pe findet Ende dieses

Monats auf d' tachod in Böhmen statt.

Preistr Allmählich könnten die

Europäer um Uankee's lernen. Zum

dritten- ,albjahr werden wir von der

pb'° > ,cung eines Artikels überrascht.

Kreide, dann Petroleum und jetzt < oer. Zu all' diesen Unternehmungen >tz in den Vereinigten Staaten kapital- Spekulanten, die zuerst Getreide, dann Erdöl .w nun Häute und Leder in Masse aufkauften.

' Erst als die Ware knapper zu werden begann, wurde man bei uns aufmerksam, mußte aber dann den Hankee's großen Nutzen geben.Den letzten beißen aber die Hunde", sagt das Sprichwort. Bereits ist Getreide wieder billiger erhältlich, Petroleum ist auch stark im Preis zurückgegangen und so wird es mit dem dritten Artikel gehen, aber nicht eher, als bis die Großmacher ihren Profit eingethan haben werden. In Nordamerika verfügen diese Spekulanten über unermeßliche Summen und sie können den Artikel, den sie gerade beherrschen wollen, völlig auskaufen und dem Markt entziehen. Wir sind neugierig, welche Ware das nächstemal als Ziel der Spekulation genommen wird. Für uns ergiebt sich die Lehre: kaltes Blut und nur das unentbehrliche gekauft. Sobald solche Spekulanten die Ware nicht los werden können, müssen sie nachgeben.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 6. Juli. Nach Berichten aus Belgrad treibt die Situation dem Staatsbankrott zu. Auch der Versuch einer Kabinettsbildung mit den Radi­kalen ist gescheitert; nunmehr soll Nowakowitsch (der Führer der Fortschrittlichen) die Neubildung der Re-, gierung durchführen und ein gemischtes Kabinett mit Ausschluß der Radikalen bilden.

Frankreich.

Paris, b. Juli. Heute erscheint eine Broschüre des bekuimlett Figaro-Mitarbeiters St. Genest, be titeltDer wahre Patriotismus und der dumme Chauvinismus", worin der Verfasser das Verlangen Frankreichs, Deutschland solle ihm Elsaß-Lothringen herausgeben, als in der Geschichte unerhört bezeichnet. Frankreich habe selbst nie derartige? gethan.

Italien.

Venedig, 5. Juli. Die Zeitungen bringen aus­führliche Meldungen über das Blutbad bei Mar­seille, wo französische Arbeiter Italiener überfielen. 8 Italiener sollen getötet und 11 verwundet sein. Die Blätter führen eine äußerst heftige Sprache gegen Frankreich und drücken die Hoffnung aus, daß sich der Fall von Aigues Mortes nicht wiederhole.

Afrika.

Aus Dar-es-Salaam wird gemeldet: Die Un­ruhen auf englischem Gebiete in Mombaffa haben einen größeren Umfang angenommen. DerSee­adler" hat sich zur Rekognoszierung nach Moa, nördlich von Tanga begeben. Ein Uebergreifen der Unruhen aus deutsches Gebiet ist nicht zu befürchten.

Kleinere Mitten«« ge«.

Nagold, 6. Juli. Ti- Gerichtsferien dieses Jahres beginnen am 15. Juli und dauern bis zum 15. Sept. ein­schließlich. Während dieser Zeit ruhen insbesondere die Zivilprozeßsachen, während in schleunigen Sachen, speziell in Wechsel- und Arrestsachen, die Ferien den Gang der Sache nicht aufhalten. Strafsachen sind keine Feriensachen.

Tübingen, 4. Juli. Der kürzlich verstorbene Ober­bibliothekar Prof. Dr. v. Roth hat der Universität ein großartiges Vermächtnis hinterlassen. Es sind dies 60 seltene Handschriften, die, wie Kenner versichern, von un­schätzbarem Werte sind.

Schramberg, 4. Juli. Nachdem das Ergebnis der letzten Gewerbezählung nachgeprüft worden ist, stellt sich das Ver; .mis wie folgt: Gesamteinwohnerzahl 7021 und zwar 5319 der katholischen, 1201 der evangelischen Kirche angehörend, ferner 1 Jsraelite. Die Zunahme seit 1890 beziffert sich auf 838.

Reutlingen, 4. Juli. Polizeikommissär Kauffmann von hier, gegen den scyon seit einiger Zeit eine Untersuchung wegen Vergehens gegen tz 182 des St.-G.-B. im Gange ist, wurde vorgestern vor die Staatsanwaltschaft Tübingen ge­laden und nach erfolgtem Verhör vor dem Untersuchungs­richter in Haft genommen.

Zuffenhausen, 4. Juli. Heute vormittag geriet der Inhalt eines mit Zug 802 von Stuttgart kommenden Güter­wagens in Brand. Derselbe war hoch mit Säcken beladen, in welchen Papier- und Lederabfälle waren. Nachdem ver­sucht wurde, denselben mittelst ^rabwerfens^ndBefpritzens

möglich erwies/wurde er in die 'Schwellensiederei gefahren und dort mittels der Wasserleitung gelöscht.

Heggbach, O.A. Biberach, 3. Juli. Gestern erklärte in einer Wirtschaft in Maselheim der Bauer G., er wolle sich erschießen. Emige Bekannte folgten ihm nach Hause und sahen dort zu ihrem Schrecken, daß G. Anstalt machte, den schrecklichen Entschluß auszuführen. Man suchte ihn gewaltsam hieran zu verhindern; gegen den kräftigen Mann aber, der zudem mit Schießen drohte, war nichts auszu­richten und seine Bekannten mußten mit ansehen, wie sich der Bedauernswerte entleibte. Ein Grund zur That ist völlig unerfindlich, weshalb man nur einen Anfall von Geistesstörung vermuten kann.

Saulgau, 4. Juli. Das Ergebnis der Berufs- und Gewerbezählung ist folgendes: Dasselbe ergab 1998 männ­liche und 2165 weibliche Personen zusammen 4163 Ein­wohner. Im Jahr 1890 ergab die Volkszählung 4117 Einwohner, somit Zuwachs 46 Personen.

Waldshut, 5. Juli. Ende Februar sandte ein hie­siger Schüler eine Postkarte folgenden Inhalts an das Kriegsministerium in Tokio (Japan):Gratuliere bestens zu Ihren vielen Siegen. Waldshut im Februar 1895. öl. öl." Vor einigen Tagen traf nun, lautAlbb.", eine Postkarte folgenden Inhalts ein:Tokio, den 30. April 1895. Besten Dank für ihre freundliche Gratulation zu den erfochtenen Siegen unserer Armee. Mit Gruß Oberst Oyamonechy, Chef der Zentralabteilung des kaiserl. jap. Kriegsministe, riums."

Eisenach, 4. Juli. Der durch seine zahlreichen päda­gogischen Schriften weit in deutschen Landen bekannte hie­sige Seminaroberlehrer Adam Pickel, der zu Anfang dieses Jahres unter Teilnahme weitester Kreise von hier und auswärts seinen 70. Geburtstag in aller Frische des Geistes und Körpers feiern konnte, tritt am 1. Oktober d. Js. in den wohlverdienten Ruhestand. Se. Kgl. Hoheit der Großherzog hat dem verdienten Schulmann in Aner­kennung seiner segensreichen Wirksamkeit den Hausorden vom weißen Falken verliehen.

Für die Feierlichkeiten bei Eröffnung des Nord­ostseekanals wurden nach dem Vereinsblatt des Harzklubs 40 000 Kränze und Gewinde von Tannengrün in Harzgerode hergestellt. 240 Frauenhände haben mehrere Wochen lang volle Tagesarbeit daran gewandt und verbrauchten nicht weniger als 20 Ztr. Bindfaden. Zur Beförderung dieses 40 Kilometer langen Tannengrüns nach dem Bestimmungs­ort Holtenan mit Sonderzug waren zehn Güterwagen zu je 20 Ztr. Ladungsfähigkeit erforderlich.

Ein angehender Ehemann in Suhl hatte das Bedürfnis, seine Braut zum Hochzeitstag recht zu schmücken. Zu diesem Zweck beraubte er ein kleines Gärtchen seines herrlichen Rosenschmuckes. Unmittelbar nach vollzogener

Ziviltrauung wurde er jedoch schon von der heiligen Her- mandad am Kragen gefaßt unv von der Seite der ihm eben angetrauten jungen Frau hinweg auf das Polizei­bureau ftstiert, aus dem er erst entlassen wurde, nachdem er diesen duftenden Diebstahl eingestanden hatte. Die Er­innerung an seinen Hochzeitstag wird dem jungen Mann wohl für alle Zeit etwas getrübt sein.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht sorgen! Das erfuhr in Meerane kürzlich ein renommistischer junger Mann an sich, der in einem Restaurant dort Auf­sehen erregen wollte. Nachdem er eine ziemliche Zeche gemacht hatte, griff er nach der Zigarrentasche, entnahm ihr bedächtig eine Havanna, schnitt die Spitze ab und steckte die Zigarre in den Mund. Ebenso bedächtig griff er nun nach der Brieftasche, entnahm dieser einenblauen" (S-Mark) Schein, brannte ihn an und mit diesem seine Zigarre. Als man ihm aus dem Kreis der Gäste bemerkte, daß er damit einem armen Teufel größere Freude bereitet hätte, als ihnen dieses Schauspiel wert sei, lachte der jugendliche Held laut auf und zeigte den verbliebenen Rest des Scheines. Ei, das ist ja ein echter!" kam es über seine Lippen. Rasch zog er nochmals die Brieftasche hervor und nun mußte er. unter dem Gelächter der Anwesenden konstatieren, daß die nachgeahmten Scheine, die er bei sich führte, noch sämtlich vorhanden waren, aber von seinen beiden echten Scheinen einer verschwunden war. Hoffentlich hat der andere noch zum Bezahlen gelangt!

Eine Feldzugsanekdote. Der ehemalige preuß. Kriegsminister General Dr. v. Verdy duVernois veröffent­licht in der D. Rundsch. Erinnerungen an den Krieg von 1870, 71, welchen er als Oberstlieutenant im Generalslab des Hauptquartiers mitgemacht hat. Er erzählt u. a.: Am 17. August brach das Hauptquartier nach dem Schlacht­felde von Vionville-Mars-la-Tour aus und verweilte auf der Höhe südlich von Flavigni, von wo sich eine ausreichende Fernsicht bot.Während der langen Stunden, die wir dort verweilten, mischten sich in den Ernst der Lage auch einzelne Züge ein, die unwillkürlich einen komischen Ein­druck hervorriefen. An der Stelle, an der wir uns den ganzen Tag befanden, lagen noch zahlreiche Leichen umher, - zu deren Bestattung ein paar in der Nähe befindliche Pionierkompagnien beordert wurden. Manche der Mit­glieder des großen Hauptquartiers fühlten bei der brennen­den Hitze das Bedürsms, sich, während nichts zu sehen und nichts zu thun war, ein wenig auszuruhen und streckten sich aus dem Boden nieder. Unter diesen befand sich der russische Militärbevollmächtigte Graf Kutusow, der, mit dem Gesicht zur Erde gewandt, sehr bald in einen tiefen Schlaf verfiel. Während Bronsart und ich zusammen sprachen, bemerkten wir, wie ein paar Pioniere an ihn herantraten und nach einiger Beratung überein kamen, daß der Herr in seiner fremdländischen Uniform wohl ein höherer fran­zösischer Jägerofsizier sein müßte. Durch die Regungslosig­keit des Grasen getäuscht, vielleicht auch durch den Geruch der neuen Juchtenausrüstung desselben, betrachten sie ihn eine Weile und schlossen ihre Betrachtungen mit den Wor­ten:Der ist tot, also vorwärts!" Und sofort fingen sie auch an, unter der Mitte seines Körpers die Erde auszu­heben. Mann kann sich das Staunen der Leute denken, als diese mm plötzlich den Totgeglaubten wieder lebendig werden sahen, aber auch wohl den Ausdruck des Grafen,, als er die eigentümliche Manipulation erkannte, welche man soeben mit ihm hatte vornehmen wollen. Wir traten schnell hinzu und unter allseitiger Heiterkeit fand dieser Vorfall seine glückliche Lösung.

Wien, 6. Juli. In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag um 10^/z Uhr stieß der Postzug von Wien auf einen Gütereilzug. Sechs Wagen wurden zertrümmert. Die Lokomotive des Personenzuges entgleiste. Niemand wurde verletzt. Der Unfall entstand dadurch, daß der Blitz in die Signalleitung geschlagen hatte und infolge dessen die Signale erloschen.

Landwirtschaft, Handel L Verkehr.

Stuttgart, 6. Juli. (Kartoffelmarkt am Leonhards­platz.) Zufuhr 400 Ztr. von Lausten, Aldingen, Münster und Schmiden. Preis per Ztr. 5 ^ 50 ch bis 6 ^ SO

Stuttgart, 5. Juli. Der Ledermesse am 2. Juli waren zugeführt: Sohlleder 68 Ztr. 63 Pfd., Vacheleder 22 Ztr. 65 Psd., Wildoberleder 222 Ztr. 5 Psd., Schmal­leder 12 Ztr. 86 Pfd., Kalbleder 27 Zrr. 61 Pfd., Zaum-, Zeug- re. Leder 56 Ztr. 88 Pfd., zusammen 410 Ztr. 6S Pfd., welches Quantum in wenigen Stunden zu steigenden Preisen an die Käufer gebracht war. Gesamtumsatz 65000 ^

Konkurseröffnungen: Daniel Bäder, Bäckermeister in Stuttgart; Georg Gottlob Wilhelm, Heinrichs Sohn, Weingärtner in Strümpfelbach; Wilhelm Rupp, Metzger­meister in Mergentheim.

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