Stuttgart, 29. März. Gestern ist der langjährige ritterschaflliche Abgeordnete für den Schwarzwaldkreis, Oberjustizrat a. D. E. v. Ow, gestorben.

Stuttgart, 30. März. S. Maj. der König hat bestimmt, daß bei den Linien- und Landrvehr- vionieren für Neubeschaffungen die Litewka aus blauem Molton nach der Probe für Infanterie mit dem vor­gelegten Musterkragen, sowie mit Treffen aus Silber und Chargenknöpfen aus Britannia zur Einführung kommt, der Arbeitskittel dagegen fortfällt.

Letzten Sonntag fanden in Stuttgart die Landes­versammlungen der Deutschen und der Volks­partei statt; erstere war sehr gut, letztere überaus zahlreich besucht. Aus den Beschlüssen der Landes­partei ist die daselbst gemachte Mitteilung hervor­zuheben, daß die Deutsche Partei bei dem Wieder­zusammentritt der Kammer als besondere Fraktion sich konstituieren will, umklein aber rein" die Prin­zipien der Partei zu verfechten. In dem Reichs­gerichtsrat a. D. v. Geß hat sie einen tüchtigen und erfahrenen Führer. Die Landesversammlung der Volkspartei war in der Hauptsache eine Siegesfeier über die letzten Wahlen. Bemerkenswert ist die von Haußmann abgegebene Erklärung, daß die Fraktion der Volkspartei in der Kammer durchaus nicht ge­willt sei, das Ministerium Mittnacht zu bekämpfen. Einen ziemlich stürmischen Charakter nahm die ge­nannte Versammlung an, als der Reichstagsmehrheit die Billigung, der beschlossenen Nichtgratulation an den Fürsten Bismarck ausgesprochen und das Tele­gramm des Kaisers an den Fürsten Bismarck einer abfälligen Kritik unterzogen wurde. Diesen Stand­punkt der schwäbischen Volkspartei teilt übrigens die demokratischeFrks. Ztg." nicht und auch aus be­sonnenen Kreisen der württ. Volkspartsi kann man Aeußerungen des Bedauerns über jenen Beschluß der Reichstagsmehrheit hören.

GöppinAen, 28. März. In der heute vormittag staitgefundenen Gemeinderatssitzung stellte das Ge­meinderatsmitglied Fetzer, Vorstand der deutschen Partei, den Antrag, ein Huldigungstelegramm an den Fürsten Bismarck im Namen der hiesigen Bürger­schaft abgehen zu lassen. Da ihm jedoch von ver­schiedenen Seiten Opposition gemacht wurde und selbst ein Parteimitglied von ihm auf Zurückziehung seines Antrages drang in Anbetracht der hiesigen Parteiverhältniffe, nach welchen mehr als die Hälfte der Einwohnerschaft der demokratischen und sozial­demokratischen Partei angehören, zog Gemeinderat Fetzer schweren Herzens seinen Antrag wieder zurück.

Ulm, 29. März. Unter Vorsitz des Oberregie- ruugsrats Mosthaf vom K. Ministerium des Innern fand gestern in Beimerstetten die endgültige Konsti­tuierung der zwölften Albwasserversorgungsgruppe jUlmer-Alb-Gruppe) statt. Der Gesamt-Bauaufwand ist aus 288000 berechnet, wozu den Gemeinden ein Staatsbeitrag von 20°,v gewährt wird. Das Hochreservoir kommt nach Luizhausen.

Ulm, 30. März. Gestern war hier eine Ver­trauensmännerversammlung der deutschen Partei wegen der Reichstagswahl. Es kam jedoch zu keiner Einigung über einen Kandidaten. Rektor Magirus von Geislingen hat abgelehnt. Morgen hält die agrarische Wirtschaftspartei eine Versammlung im benachbarten Jungingen zur Besprechung der Lage.

Straßburg i. E. Die hiesige Kaiserl. Tabak- Manufakmr gilt nicht uur als ein musterhaft be­triebenes industrielles Unternehmen, die Verwaltung erblickt auch in der Hebung und Förderung des Ta­bakbaus, der im Elsaß einen integrierenden Teil der Landwirtschaft bildet, eine ihrer Hauptaufgaben. Die Manufaktur ist nicht allein eine gute Abnehmerin, sie geht vielmehr dem Tabakbauern auch noch mit Rat und That an die Hand, indem sie selbst Proben mit dem Anbau der verschiedensten ausländischen Tabake vornimmt, je nach Boden und Klima die passenden Sorten auswählt und die Producenten mit Samen versieht. Auf der Industrie- und Gewerbe- Ausstellung wird die Manufaktur in entsprechender Weise vertreten sein. In einem besonderen Pavillon werden neben einer reichen Sammlung der Rohtaback- lypen der ganzen Erde eine Cigarrettenhülsen- und »me Cigarettenmaschine ausgestellt werden. Beide Maschinen, durch Motoren bewegt und je von einer Arbeiterin bedient, sollen im Betriebe gezeigt werden. Weiter kommen eine Ausstellung sämtlicher Fabrikate der Manufaktur in etwa 150 Mustern und die Her- Wellung von Cigarren und Handcigarretten zur An­schauung. An den Pavillon schließt sich ein Vor­

gärtchen, das eine Kollektion von etwa 200 Sorten lebender Nicotianapflanzen enthält.

Berlin, 29. März. Der Großherzog und die Großherzogin von Baden verlassen heute früh Ber­lin und begeben sich zunächst an den großherzoglichen Hof zu Weimar. Die Großherzogin sandte dem einstigen Generalstabschef des Kaisers Friedrich, ihres Bruders, dem Generalfeldmarschall Grafen Blumen­thal, einen kostbaren Blumenkorb.

Berlin, 29. März. Die Beteiligung an den Preisentwürfen zum Bismarck-Denkmal für das Reichstagsgebäude ist eine ganz außerordentliche. Es ist sicher anzunehmen, daß Hunderte von Arbeiten einlaufen. Infolgedessen beschlossen die großen Meisterateliers, ihre Arbeiten erst kurze Zeit vor dem 1. Juli dem Konnte einzusenden.

Deutscher Reichstag. (69. Sitzung.) Am Dienstag war die 2te Etatsberatung beendet worden. (70. Sitzung.) Am Mittwoch wurde dis durch die Amtsniederlegung der Herren v. Levetzow und Dr. Bürklin notwendig gewordene Neuwahl des Präsidiums vorgenommen. Zum Präsident wurde der bisherige erste Vizepräsident v. Buol (Centr.) mit 18g Stimmen gewählt. 105 Zettel sind unbeschrieben, v. Buol nimmt die Wahl unter dem Ausdruck rühmender Anerkennung sür seinen Vorgänger v. Levetzow an. Damit ist auch die Wahl des ersten Vizepräsidenten erforderlich geworden, und das Haus beschließt auf Befragen des Prä­sidenten, dieselbe sofort vorzunehmen. Gewählt wird Abg. Schmidt-Elberfeld (freis.) mit 181 Stimmen, 103 Zettel sind unbeschrieben, und nimmt die Wahl an. Zum zweiten Vizepräsidenten wird Abg. Spahn (Ctr.) mit 176 Stimmen gewählt, 100 Zettel sind unbeschrieben. Debattelos in 3ter Lesung wird der Gesetzentwurf betr. die Berufs- und Ge­werbezählung angenommen. Es folgen Wahlprüfungen. Die Kommission beantragt, die Wahl des Abg. Will (Stolp- Lauenburg) für giltig zu erklären, während Lenzmann (freis.) die Ungiltigkeit der Wahl beantragt. Es entsteht darüber eine längere Debatte, die schließlich damit endet, daß die Wahl für giltig erklärt wird. Mehrere Wahlen wurden dann noch für giltig erklärt, andere beanstandet und die Wahl des Abg. Gerlach sür ungiltig erklärt. Nächste Sitzung Donnerstag. Etatsberatung.

Berlin, 29. März. Dem Reichstagspräsidium ging die Mitteilung zu, der Kaiser werde dasselbe am 1. April kurz vor dem Hofdiner empfangen.

Berlin, 29. März. Der Kaiser wird die Schiffs­taufe des Panzerschiffes 4. Klasse 1 auf der kaiser­lichen Werft zu Kiel in der ersten Aprilwoche per­sönlich vollziehen.

Berlin, 29. März. Das offiziöse Wolff'sche Bureau versendet folgende Bestätigung der Meldung über den Schluß des Reichstags: Aus sicherer Quells verlautet, der Reichstag werde am Samstag nicht in die Ferien gehen, auch nicht vertagt, sondern ge­schloffen und erst im September wieder einberufen werden. Durch Schließung des Reichstags wird auch eine Neuwahl des Präsidiums im Herbste notwendig.

Der preußische Kriegsminister und der Minister des Innern haben an die Oberpräsidenten folgenden Erlaß gerichtet: In der ausgesprochenen Absicht, sür sämtliche Inhaber des Eisernen Kreuzes einen Ehrensold zu erwirken, haben sich seit einigen Jah­renVereine der Ritter des Eisernen Kreuzes" ge­bildet. Die Anregung dazu ist von Berlin ausge­gangen, an den hiesigen Hauptverein haben sich, über das Gebiet des Reichs zerstreut, Vereine in größeren Städten, Provinzialvereine und Vereine für einen oder mehrere Bundesstaaten als Zweigvereine an­geschlossen. Derartige Vereine sind von einigen Orts- Polizeibehörden auf Grund der Allerhöchsten Ka­binettsordre vom 22. Februar 1842 als Kriegeroereine bestätigt worden. Als Kriegervereine mit den diesen zukommenden Vorrechten können sie jedoch nicht gelten, da ihr angegebener Zweck über den Rahmen der für Kriegervereine zulässigen Aufgaben: Pflege und Bethätigung der Liebe für Kaiser und Reich, Belebung des kameradschaftlichen Geistes, Veranstal­tung militärischer Leichenbegängnisse für verstorbene Mitglieder, wesentlich hinausgeht. Außerdem sollen Kriegervereine als solche sich auf den Bezirk einer Orts-Polizeibehörde oder doch einer landrätlichen Be­hörde beschränken. Aber auch die Bildung von Ver­einen der Inhaber des Eisernen Kreuzes, die sich in den für Kriegervereine gezogenen Schranken halten, verdient keine Förderung, denn nur in allgemeinen Kriegervereinen kann der im Felde erprobte und mit Ehrenzeichen geschmückte Kamerad den vollen Einfluß auf den jüngeren üben und die hohen Ziele des Kriegervereinswesens mit ganzer Kraft fördern helfen. Treten dagegen die Teilnehmer der Feldzüge oder gar ausschließlich die Inhaber eines Ehrenzeichens, wie des Eisernen Kreuzes, zu besonderen Vereinen zusammen, so fallen jene Vorzüge fort, und es liegt die Gefahr des Sondergeistes und der Zersplitterung

nahe. Auch wird hiedurch die ebenso mühsame wie dankbare Aufgabe, die Kriegervereine im Anschluß an die Verwaltungsbezirke des Staats in freiwillige Verbände zusammenzufaffen, erschwert.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 28. März. Das neueWien. Tagebl." meldet, daß der bekannte Sportsmann und Rittmeister Zukovics eine neue Expedition ausgerüstet hat, um den in der Gefangenschaft des Mahdi schmachtenden Karl Neufeld zu befreien.

Wien, 28. März. Finanzminister Plener erklärte in der Budgetrede, er bedaure, daß seit 6 Monaten ein ver­derbliches Spiel auf der Börse stattfinde. Der Minister konnte an der Hand der gegenwärtigen Gesetze keine Hand­babe finden, um dem gefährlichen Spiel entgegenzutreten. Der Krebsschaden sei, daß das Publikum durch die Börsen- komptoirs spiele. Nach dem Gewerbegesetz ist es nicht mög­lich, die Börsenkomptoirs einfach zu sperren. Der Minister könne das Publikum nicht genug vor der Beteiligung am Börsenspiele warnen.

Wien, 29. März. DasWien. Extrabl." meldet aus Paris, daß dort aus Nancy Depeschen eingelaufen seien, welche melden, daß dem Herzog von Aosta ein Unglücksfall zugestoßen sei. Einzelheiten sollen darüber noch fehlen.

Belgien-Holland.

Brüssel, 29. März. Die Regierung hat den Bahn­hofvorstehern derjenigen Garnisonsstädte, in welchen ein Ausstand nicht zu befürchten ist, Anweisung erteilt, immer Züge für Truppen-Transporte bereit zu halten.

Bulgarien.

Sofia. Die Antwort des Zaren auf das Bei­leidstelegramm des Fürsten nach dem Tode des Groß­fürsten Alexei war gerichtet anFürst Ferdinand I. von Bulgarien". Das BlattProgreß", das dieses meldet, schließt auf den nahen Triumph der Politik, welche die Ergebenheit sür den Fürsten mit der Dankbarkeit für Rußland zu vereinigen wisse.

Amerika.

Nervpork, 29. März. Zufolge einem Telegramm aus San Jago auf der Insel Cuba wurde Lieute­nant Marra, der Kommandeur des Kreuzers, welcher auf die Allianca gefeuert hatte, seines Kommandos enthoben.

Washintgon, 30. März. Reuter meldet: China, machte das Anerbieten eines Waffenstillstandes. Die japanischen Friedensunterhändler waren von Mikado ermächtigt, das Anerbieten bedingungslos anzunehmen; dies geschieht in Anbetracht des unerwarteten Atten­tats auf Li-Hung-Tschang. Der Direktor des japa­nischen auswärtigen Amtes Kurino erklärte, der Waffenstillstand bleibe in Kraft bis zum Abschluß der Friedensunterhandlungen, werde aber nicht zur Folge haben, daß die Japaner aus China sich zurück­ziehen.

Kleinere Mitteilungen.

Heilbronn, 28. März. In derNeckarztg." wurde vorgeschlagen, aus den verschiedenen Höhepunkten der Weins­berger und Heilbronner Umgebung zur Feier von Bismarcks Geburtstag am 1. April Freudenfeuer anzuzünden, ein Vor­schlag, der auch an anderen Orten allgemeine Nachahmung finden sollte. Am nächsten Montag findet im großen Har­moniesaal eine allgemeine Bismarckfeier statt; die städtischen Kollegien haben sich zurückgehalten.

Heilbronn, 29. März. Bei dem am Mittwoch 12'(st Uhr nachm, von hier über Neckarelz nach Heidelberg ab­gehenden Personenzug Nr. 146 ist ein mit 32 Amerika-Aus­wanderer besetzter Wagen auf eine bis jetzt unaufgeklärte Weise bei der Station Neckarsteinach m Brand geraten.

H. Kaufm. Bohrer von hier, welcher die Auswanderer be­gleitete, hatte große Mühe, die ängstlichen Gemüter zu be­ruhigen, damit dieselben nicht aus dem in voller Fahrt be­findlichen Zuge sprangen. Die Jnsaßen kamen mit dem . bloßen Schrecken davon.

Zn Bismarcks 80. Geburtsfest.

1. April 1885.

Das letzte Jahr zerriß Dein schönstes Band.

Die Gattin, die so gern bei Dir geweitet Und Freud' und Leid' so gern mit Dir geteilet.

Sie zog hinüber in ein schönres Land.

Doch stehst Du nicht allein in Trauernacht,

Denn Millionen treuer Seelen scharen

Sich um den Heldengeist von achtzig Jahren,

Der Deutschland einig, groß und stark gemacht-

Dazu steh'n Dir vor allen andern nah:

Zwei Söhne, die Dein Stolz und Deine Freude,

Und nächst der Leibestochter noch als zweite:

Die hoch gefeierte Germania!

Wer solch' ein Ziel im Leben hat erreicht.

Kann stolz auf seine Bahn zurücke schauen,

Und vorwärts auch mit all' dem Gottvertrauen,

Das keinem Spott und keinem Zweifel weicht.

Niemals erlischt Dein Nam in deutscher Brust;

Drum Dich Hinwiedrum nach dem Kamps dem schweren. Auch heut' in Lieb' und Dankbarkeit zu ehren.

Ist jedem Patrioten eine Lust!

Mög' denn der Herr, der bisher gnädiglich Auf starken Adlersflügeln Dich getragen,

Auch fernerhin bis zu den grauesten Tagen An treuer Va terhand stets führen Dich! _

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen

Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold..