schließt mit der Aufforderung zum Kampfe für die heiligsten Güter. (Lebh. Beifall rechts.) Liebermann v. Sonnenberg (Antis.) fordert erhöhten Schutz der Militärdisziplin, da das Heer der wirksamste Wall gegen die Sozialdemokratie sei. Redner befürchtet die Beschränkung der berechtigten Kritik, wenn die Preßfreiheit weiter beschränkt würde. Das Judentum müsse bekämpft werden dürfen. Dasselbe habe alle Zeit an dem Umsturz große Mitschuld gehabt.
Berlin, 11. Jan. In einer gestern Abend abgehaltenen, von 400 Personen besuchten anarchistischen Versammlung wurde die Frage erörtert, ob der „Sozialist" angesichts der polizeilichen Verfolungen weiter erscheinen solle. Fast alle Redner sprachen für Einstellen des Erscheinens und es wurde schließlich beschlossen, den „Sozialist" eingehen zu lassen, eine Liquidations-Kommission wurde gewählt und eine Kollekte für die Familien der inhaftierten Genossen angeregt.
Berlin, 11. Jan. Wie verlautet, wird die Geschäftsordnungs-Kommission des Reichstags zur Beratung über die Verstärkung der Disziplinargewalt des Präsidenten am Montag zusammentreten.
Berlin, 12. Jan. Dem „Berl. Tageblatt" wird geschrieben, daß der Abschiedsbesuch des Grafen Schu- waloff beim Fürsten Bismarck auf direkten Wunsch des Zaren erfolgt sei, der an dem Befinden des Altreichskanzlers wiederholt lebhaften Anteil bekundet habe. Der Fürst gab seiner Freude hierüber bei der Begegnung mit dem Grafen Schuwaloff Ausdruck.
Berlin, 12. Jan. Der Kaiser sandte gestern dem Fürsten Bismarck durch den Flügeladjutanten v. Moltke ein prachtvolles Blumenarrangement mit der Ankündigung seines Besuchs event. in Schönhausen für Anfang März. — Fürst Bismarck verlebt seinen Geburtstag wahrscheinlich in Varzin.
Frankreich.
Paris. Der „Temps" berichtet, daß am Montag in 12 Armeekorps das Regiment ausgelost worden ist, aus welchem die „eompuAnis kuvorisös", die für den Madagaskarkrieg bestimmte Kompagnie, durch das Los ausgeschieden wird. Diese Kriegskompagnie bleibt mit ihren Offizieren und Unteroffizieren so wie beim Regiment; nur werden die zu jungen oder schwächlichen Soldaten ausge- schiedes und durch Freiwillige des nämlichen oder eines anderen Regiments ersetzt, welche kräftig genug sind, die Strapazen und ein ungewohntes Klima zu ertragen.
Die Rechnungen der Pariser Weltausstellung von 1889 sind nunmehr endgiltig abgeschlossen. Die Einnahmen betrugen 50 002 798 Frcs., die Ausgaben 48 949 948 Frcs., der Reingewinn also 1 052 850 Frcs. Allerdings begreifen die Einnahmen sehr erhebliche Zuschüsse des Staates und der Stadt Paris in sich, sonst war ein Defizit da.
Italien.
Rom, 12. Jan. In Mentone wurde ein Ulanenrittmeister als angeblicher deutscher Spion verhaftet.
England.
London, 10. Jan. Ein in den letzten Jahren von den hiesigen Anarchisten aufgenommener, anscheinend in trauriger Lage befindlicher junger Franzose entpuppte sich als der berühmte Polizeispitzel Polin. Derselbe wurde in einer geheimen Zusammenkunft seitens der Anarchisten mit sofortigem Tode bedroht, wenn er nicht ein volles Geständnis ablege und ein wichtiges Dokument von dem französischen Ministerium des Innern ausliefere. Die Anarchisten mißhandelten den Franzosen mit Stöcken rc. Derselbe reiste nach Paris zurück.
Asien.
Aokohama, 11. Jan. Reuter meldet, eine amtliche Depesche teilt mit, eine japanische Division unter General Rodzu nahm gestern Kaissing nach 4stünd. Kampfe ein. Die Chinesen flohen in der Richtung auf Haischaksai und wurden verfolgt. Die beiderseitigen Verluste sind unbekannt. Die Depesche fügt hinzu, daß die 1. japanische Armee von der Bevölkerung gut ausgenommen worden sei, welche unter Japans Oberhoheit zu bleiben wünsche.
Kleinere Mitteilungen.
Horb, 9. Jan. Baron v. Münch in Mühringen hat mit dem Herrenkleidergeschäft Hölzle Stuttgart einen neuen Schneiderprozeß wegen Nichlannahme eines im September gelieferten Winteranzugs, zumal der Lieferungstermin nicht eingehalten worden sei. Der Geschäftsherr bezeugte heute eidlich, daß ein Termin von Manch gar nicht festgesetzt worden sei.
Stuttgart, 9. Jan. Die Kosten des Neubaues des Hotel Marquardt sind auf 1 Million Mark veranschlagt.
Cannstatt, 10. Jan. Die Gewinnung des Neckareises beschäftigt zurzeit viele Personen, ist aber ein gefahrvolles, kaltes Geschäft. Gestern brachen zwei Arbeiter auf Neu-Eis auf dem Cannstatter Badplatz ein, konnten jedoch mit Hilfe von Seilen aus ihrer gefahrvollen Lage befreit werden. Die Abfuhr des Eises ist infolge der großen Schneemassen äußerst schwierig.
Plieningen. 9. Jan. Ein böser Gast,die Geflügel- Cholera, hat sich nicht nur hier, sondern auch in andern Filderorten eingestellt. Auffallend ist, daß die meisten Tiere über Nacht fallen. Tie Seuche äußert sich bei allen einzelnen tast ohne vorgängige auffallende Erscheinungen förmlich schlagartig, während andere den Schnabel aufsperren, den Kopf rückwärts legen und Schleim und Geschwüre im Hals haben. Es wird empfohlen, die gefallenen Tiere sofort aus dem Stall zu entfernen, den Stall auszumisten und die gesunden, wenn irgend möglich, in einem anderen Stall unterzubringen. Die Stallstreu ist öfters zu erneuern oder täglich mit etwas frischem Strob, Sägmehl oder Torfmull wieder zu überstreuen. Außerdem soll täglich reines Trinkwasser gereicht und in dasselbe etwas Schwefelsäure gegossen werden. Drei bis vier Tropfen Kreolin (aus der Apotheke), den Hühnern aufs Brot oder direkt eingegeben, soll ebenfalls von guter Wirkung sein.
Eßlinger Berge, 9. Jan. In den letzten Tagen erhielten wir sehr viel Schnee und weil derselbe meistens bei völliger. Windstille in großen Flocken niederwirbelte, so setzten sich auf Aesten und Zweigen unserer vielen Obstbäume größere Massen fest. Die wärmere Mittagssonne schmolz wohl immer einen Teil der Last; bei Nacht aber gefror der zurückgebliebene Rest und bildete für nachkommende Flocken bequeme Unterlagen. Heute tanzten wieder ununterbrochen die flaumigen Gebilde nieder und vermehrten die Last der Bäume so, daß mancher Ast, der nicht mehr gestützt war, mit dumpfem Krachen niederfiel und auch ganz altersmüde Bäume sich niederlegten aufs kalte Leichentuch. Die Baumbesitzer mühten sich durch den mehrere Fuß hohen Schnee und schüttelten eifrig die gefährige Last ab. Diese Arbeit muß fortgesetzt werden, denn bei 6" Kälte schneit es noch und bleiern schwer hängt der Himmel und droht noch viel Schnee zu schicken.
Ludwigsburg, 9. Jan. Dem Erfinder der Zündhölzchen, Fr. Kämmerer von hier, soll in der Kirchstraße 21, am Hause des Malers Seitter, ein einfaches Denkmal errichtet werden.
Als der Pfarrer und Heiligenpfleger in Killer bei Hechingen den Opferstock öffneten, fanden sie in demselben zu ihrem großen Erstaunen zwei Hundertmarkscheine nebst 18 in Silber vor.
Ulm, 8. Jan. Gestern fand auf dem hiesigen Rathaus in Vorbereitung der Ziehung der 7. und letzten Münsterbaulotterie unter Leitung des Polizeiamtmanns Goll die Einlegung der Los- und Gewinnnummern in die beiden Ziehungsräder statt. Die Ziehung findet unwiderruflich am 15., 16. und 17. Jan. statt. Von der Generalagentur sind sämtliche Lose verkauft.
Ulm, 11. Jan. Um die hier erledigten und neulich ausgeschriebenen Stellen der Hospital- und Stadtpflege und eines Polizeiinspektors haben sich nicht weniger als 160 Bewerber gemeldet, in der Mehrzahl von auswärts. Die Wahl erfolgt in den nächsten Wochen.
München, 11. Jan. Gestern erschoß sich in einem hiesigen Gasthof ein 22jähriger Mann, welcher sich als „Kaufmann Max Schmitt" aus Stuttgart in das Fremdenbuch eingetragen hatte. Derselbe ist von mittlerer Statur und dunkelblond. (Ein Kaufm. Schmitt oder Schmidt mit dem Vornamen Max findet sich nicht im Stuttgarter Adreßbuch.)
Sozialdemokratische Todesanzeige. Folgende Todesanzeige, die für sich selbst spricht, lesen wir in der sozialdemokratischen Fränk. Tagespost in Nürnberg: „Heute endete das Lebensprinzip (!) unserer lieben Gattin und
Mutter im 55. Jahre ihres Daseins.Die Materie (!)
wird Samstag u. s. w. auf dem Bestattungsplatze der Erde wiedergegeben."
Ein Original ist er, der Stiefelputzer pur sxosllonos. Nicht auf der Straße hilft er aus der Verlegenheit, wie feine rotbemützten Kollegen, auf dem Hofe und im Hause ist sein Reich. Es klingelt. Da steht er vor mir, der grauhaarige Alte, die blaue Schürze vorgebunden und einen halben Bürstenladen unterm Arm. „Haben die Herrschaften Stiefel zu putzen oder Teppiche zu klopfen?" Man ist, offen gestanden, verdutzt über das Neue solchen Angebots. Doch ich wollte dieses Original kennen lernen, und so nötigte ich den Mann „rein in die Stube" — wollte sagen in die Küche. Ein Paar reinigungsbedürftige „Stiebel" waren bald gefunden, und während der Alte darauf los putzte, was das Leder hielt, erfuhr ich seine Lebens- und Leidensgeschichte. „Ja, ja, Herr so geht's, wenn man alt wird. Sind die Kinder mit Not und Sorgen großgefüttert, haben sie für uns nichts übrig, halten lieber selbst noch die Hand auf. Was ich früher war? Der schwerste Hammer war diesen Armen zu leicht, heute is det Marks raus aus de Knochen, Keiner will se nich haben; aber sehn Se, blank werden die Stiebel doch noch. Ob ich davon leben kann? Man muß. So weit is's Geschäft noch nicht runter, det man sich gleich n' Sarg bestellen könnte; aber Kummerzien- rat werde ick nich mehr, höchstens Hof-Spiebelputzer!" Das Original fing an, interessant zu werden. Ein zweites „Stiebel"-Paar fand sich und weiter erzählte der Alte. „Die Menge muß es bringen; n' Sechser for'n Stiebel is kein Jeld. Aber de Traute fehlt. Von Zehne wittern Fünfe in mir ollen Krippensetzer einen Schwindler. Als ob ick uff meine ollen Dage mir noch mit'n Teppich auf'n Puckel als Schnellläufer prodezieren werde. Meine feinsten Kunden sind die Küchenfeen. Sage Ihnen, Rackers sind darunter! Stiebelputzen — is nich! Teppichkloppen — erst reckt nich! Ja, wenn ick da nich wäre! Aber altens was recht is, for'n anständigen Happenpappen sorgen die klee- nen Walddeibels so nebenmang immer. So, Herr Doktor, wenn Se wieder was brauchen . . . Zeit is Geld!" . . .
Fort war der Alte. Und ich war reicher um die Bekanntschaft eines jener Berliner Originale, von denen bald auch das letzte das Zeitliche gesegnet haben wird.
Berlin, 7. Jan. Der große Schneefall, der seit gestern hier herrscht, hat die Stadt zur Einstellung von 2100 Arbeitern zur <L>traßenreinigung gezwungen. Pferdebahngesellschaften und Hausbesitzer haben andere zahlreiche Arbeitslose zur Wegschaffung des Schnees angestellt, so daß nun die Gesamtzahl der damit Beschäftigten auf 5000 berechnet wird.
Schwanenbesuch. Einen jungen Schwan kann man — so wird aus Berlin berichtet — jeden Mittwoch in dem Gewühl des Potsdamer Wochenmarkts beobachten. An diesem Markttage haben nämlich die Fleischer ihre Verkaufsstellen längs des Stadtkanals aufgeschlagen und öfter die Schwäne mit Fleischresten gefüttert. Der erwähnte Schwan ist nun mit der Zeit so dreist geworden, daß er den Stadtkanal auf eine Treppe verlaßt und dann die Reihe der Schlachterbuden entlang „fechten" geht. Die Schlachter kennen ihren Freund Franki genau und werfen ihn- schon im Wasser manchen Bissen zn. . . Vor einigen Jahren erhielten die Droschkenkutscher auf dem Bahnhof in Potsdam ebenfalls alle Tage zur Frühstückszeit Schwanenbesuch. Das Tier kam aus der Hasel über die Geleise des Güterbahnhofs hinweg, um sich von den Rosselenkern sein Frühstück zu holen. Dies ging so lange, bis durch den Umbau der Langen brücke dem Tier der Paß verlegt wurde.
Grn Denkmal für Immanuel Faißt.
Der schwäbische Sängerbund hat die Absicht, das Andenken seines Heimgegangenen Ehrenchormeisters durch ein einfaches, würdiges Denkmalzu ehren, Immanuel Faißt hat seit der Gründung des Sängerbundes in langen Jahren bis zu seiner letzten Krankheit die musikalische Leitung des Bundes in seiner kräftigen Hand gehabt: er hat weitaus die Mehrzahl unserer schwäbischen Liederfeste geleitet; überall in vielen Vereinen walten als Direktoren seine Schüler in seinem Geiste. Faißt hat dem deutschen Männergesang und besonders unserem Bunde eine Reihe der hervorragendsten Schöpfungen gewidmet, wie den weihevollen Siegespsalm, die Schiller- und Uhland-Hymnen und vieles andere. Wenn der Sängerbund eine hohe Blüte und Leistungsfähigkeit in der musikalischen Kunst errungen hat, so dankt er es an erster Stelle dem Heimgegangenen Meister. Auch im deutschen Sängerbund, an dessen Gründung Faißt mit dem schwäbischen Bunde seinen Teil genommen, war er ein werktägiges und Hochangesehenes Mitglied und wirkte bis an sein Lebensende in dessen Ausschuß. Ju allen Gauen des Vaterlandes ist unter den Sängern sein Rame ein hochgeachteter. Wir bitten die deutschen Sänger an dem Werk der Pietät ihren thatkräfligen Anteil zu nehmen. Wir richten unsere Bitte ferner an die zahlreichen Schüler, welche dem vortrefflichen Lehrer ihre Ausbildung verdanken. Und gewiß werden auch die Angehörigen der Vereine für die kirchliche Kunst, vor allen des Vereins für die klassische Kirchenmusik, welchen Faißt der unübertroffene Leiter gewesen, gerne ihren Anteil an unserem Unternehmen bezeugen. Die Unterzeichneten, Mitglieder des Gesamtausschusses des schwäbischen Sängerbundes, sind bereit, Beiträge für das Immanuel Faißt zu errichtende Denkmal in Empfang zu nehmen. Elben, Dr., Otto, Ehrenpräsident in Stuttgart. Merkel, Oskar, Vorsitzender in Eßlingen. Burkhardt, C., Professor in Nürtingen. Förstler, Professor in Stuttgart. R up p, Carl, in Reutlingen. Steidle, Oberpostmeister a. D. in Stuttgart. Hegele, E , Musikoberlehrer in Nagold. Schmidt, Th., Rektor in Rottweil.
Das beste Mittel gegen dle rSirkuage» schivejel- säurehaltiger Glanzwichfe ist das „Schahfett Marke Büffelhaut". Es verhindert das Eindringen der Nässe und Säure ins Leder, macht und erhält dieses weich und dauerhaft und ermöglicht das Glanzwichsen der Stiefel selbst bei Regenwetter. Verkaufstellen siehe Inserat. _
Hiezu Schwäbischer Landwirt Nr. I.
Redaktion, Druck und Vertag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.
estellungen
auf den
„Gesellschafter"
für das I. Quartal, resp. auf das I. und II. Quartal werden immer noch von allen Postanstalten und Postboten angenommen.
Die bisher erschienenen Nummern incl. des Mandnotirkalenders werden nachgeliefert.
Die Redaktion.
Schützet die HöMume gegen Käsen!
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