Reih und Glied zu treten, was Martz jedoch be­harrlich zurückwies, weil es sonst unter der Mann­schaft heiße: da sehe man wieder die Einjährigen, die nichts leisten können.

Zu den diesjährigen Kaisermanövern wird auch der König von Württemberg erwartet. Die Einladung fand vorläufige Annahme.

Stuttgart, 6. Juli. Gestern saß der 19jährige le­dige Schneider Wilhelm Bauer von Hildrizhausen, OA. Herrenberg, wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode ans der Anklagebank vor den Geschworene». Derselbe ist angeklagt am Sonntag 10. Juni abends den 21jährigen ledigen Bauern Job. Metzger in den Leib gestochen zu haben, an welcher Verletzung derselbe am 14. Juni starb. Ter Angekl. ging am 12. Juni abends 5 Uhr mit 2 Kameraden und 2 Mädchen von Böblingen nach Hildriz­hausen. In Böblingen hatte er mit Metzger einen Streit gehabt, infolgedessen Metzger auf der Straße fortwährend schimpfte und es zu Schlägereien kam. Endlich zog der Angekl. sein Messer kam von der Seite aus Metzger zu und stach es ihm in den Leib, daß derselbe ohnmächtig zu­sammensank. Am 14. Juni starb Metzger im Krankenhaus zu Böblingen. Der Angekl. entschuldigt sich mit Notwehr, da er von 'Metzger fortwährend mit Schirm und Stock an­gefallen worden sei. Die Zeugen bestreiten das größten­teils; im Gegenteil soll Bauer mit dem Schlagen an­gefangen und ganz plötzlich, ohne besonderen 'Anlaß mit dem Messer auf Metzger zugestoßen haben. Tie Geschwo­renen verkündigten nach nur zehn Minuten langer Bera­tung den WahrspruchSchuldig unter Annahme mildern­der Umstände." Das Urteil lautet aus 1 Jahr 6 Mon. Gefängnis.

Pforzheim, 6. Juli. Der Fleischverbrauch ist hier gegenwärtig ein ausfallend geringer und die Metzger find mit dem Konsum nichts weniger als zufrieden. Was im städtischen Schlachthaus zur Zeit geschlachtet wird, sollkaum der Rede wert" sein. Die Ursache hiervon liegt einesteils in der gegenwär­tigen heißen, dem Fleischkonsum ungünstigen Witter­ung, ferner in dem allgemeinen schlechten Geschäfts­gang, und andererseits in dem Umstande, daß die Fleischpreise ziemlich hoch sind, ivas wiederum auf den ganz bedeutend erhöhten Einkaufspreis znrückzu- führen ist. Bei dem Futterreichtum dieses Jahres find die Landleute nicht mehr zur Abgabe von Vieh gezwungen; sie sind vielmehr darauf bedacht, durch die Aufzucht des Jungviehes den durch die Futternot des vorigen Jahres reduzierten (verkleinerten) Vieh­stand zu komplettieren(ergänzen).

Bayreuth, 7. Juli. Der Banquier Nathan Heß- leiu wurde gestern nach dreitägiger Verhandlumg zu 7 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrenverlust verurteilt. Die Anklage lautete auf betrügerischen Bankerott, 37 Vergehen wegen Unterschlagung, 2 Vergehen wegen Betrug und 1 Vergehen wegen Un­treue. Nathan Heßlein und sein Bruder Jakob, der sich der irdischen Gerechtigkeit durch den Tod entzo­gen hat, standen im Rufe besonderer Solidität, weß- halb vor allem kleine Leute ihnen ihr Geld anver­trauten, die nun mit ihrem Vermögen zum Opfer gefallen sind. Das Defizit betrug 2 600 000 Mk., dem nur 60000 Mk. Aktiven gegenüberstanden.

Berlin, 6. Juli. Zeremonienmeister v. Kotze wurde gestern abend 7'.2 Uhr aus der Haft ent­lassen. DerLokal-Anzeiger" fügt hinzu: Den letzten Anstoß zu der Entlassung gab ein Hand- schriftenvergleich, welcher nicht den geringsten Anhalt für die Autorschaft v. Kotze's erbrachte.

Frankreich.

Paris. Der Präsident der Republik Unter­zeichnete 374 Begnadigungen für Verbrechen, Ver­gehen und Streikdelikte.

Paris, 5. Juli. Am Dienstag morgen starb im Alter von 92 Jahren die Mutter des Generals Boulanger. Seit dem Tode ihres Sohnes hat sie, wie derGaulois" erzählt, ihre Wohnung nicht mehr verlassen.

Paris, 7. Juli. DerFigaro" berichtet: Ca- serio bat den Präsidenten um etwas Geld zur Auf­besserung seiner schlechten Gefängniskost, und schrieb dazu: Im Grunde schuldigen Sie, Herr Perier, mir jdoch eine Unterstützung; denn mir verdanken Sie, daß Sie Präsident der Republik sind.

Eine interessant Eigenschaft des neuen Präsidenten dcr französischen Republik ist noch von keiner Seite berührt worden. Casimir Perier spricht nämlich nicht nur geläufig deutsch, er beherrscht diese Sprache schon aus seinen Kinderjahren und aas kommt daher, daß sein Jugendlehrer und Er­zieher ein Deutscher 'Namens Tr. Strime war. Dr. Struve, ein Hannoveraner von Hauie, lernte den Vater des jetzigen Präsidenten zur Zeit seiner An­wesenheit als Gesandter in Hannover um die Mitte der Vierziger Jahre kennen. Als Casimir Perier

1846 seinen Posten in Hannover verließ, nahm er Dr. Struve mit nach Paris, in seinem Palais wohnte auch der Deutsche und leitete später einen großen Teil der Erziehung des jungen Casimir Perier. Personen, die mit Struve und dem jungen Casimir Perier zu verkehren Gelegenheit hatten, behaupteten, der Ernst und die Festigkeit des Charakters Casimir- Perier's rühre nicht zum kleinsten Teil von dem Einfluß seines deutschen Lehrers her.

Schweden-Norwegen.

Odde, 6. Juli. Das deutsche Kaiserpar ist nach herrlicher Fahrt durch den Hardanger Fjord gestern abend um ' -8 Uhr in Odde eingetroffen. Das Wetter ist klar und warm; an Bord ist alles wohl.

Belgien.

Brüssel, 6. Juli. DieJudepedance belge" erhielt ein anonymes, aus ausgeschnittenen Buchstaben zusammengesetztes Schreiben folgenden Inhalts:Die Beseitigung des gemeinen Halsabschneiders Carnot scheint Sie zu überraschen. Jeder Fürst wird an die Reihe kommen. So wird der Despotismus ausgerottet. Unsere Verbindungen sind mächtig. Bald fällt ein anderes Opfer. Unterzeichnet ist: Ein entschlossener Anarchist."

Italien.

Rom, 7. Juli. Das gesamte Personal der päpstlichen Druckerei ist plötzlich entlassen worden, weil die Correkturbogen der letzten Encyclika schon geraume Zeit vor deren Erscheinen im Besitz der französischen Presse waren. Mit der Untersuchung der Angelegenheit, der ein höherer Würdenträger zum Opfer fallen soll, wurde Cardinal Mocelli be­traut.

Bulgarien.

Sofia, 6. Juli. Das Anklagematerial gegen Stambulow wegen Verletzung des Briefgeheimni,fec­und Mißbrauch der Amtsgewalt häuft sich derart an, daß die neue Sobranje aller Wahrschnulichkeii nach die Anklage gegen Stambulow beschließ-u wird.

Rußland.

In Petersburg sind in der Zeit vom l. bis 3. d. M. 21 Personen an Cholera erkrank! und 6 gestorben.

Amerika.

Newyork. Mit dem Fortschritt der Untersu­chungen gegen die Polizei-Verwaltung treten immer häßlichere Dinge zu tage. Die während der letzten Tage angestellten Verhöre ergaben die erschreckende Gewißheit, daß die.heilige Hermandad Newyorks sich nicht darauf beschränkte, die Inhaber und In­haberinnen von zweifelhaften Häusern und Cafes mit Dameubedienung sowie Schankwirte und Spiel­hausbesitzer zu brandschatzen, sondern daß sie sich sogar so tief erniedrigte, mit thatsächlichen Verbre­chern einen regelrechten Bund einzugehen. Bekannt­lich giebt cs sowohl in Europa wie auch in Ame­rika Gauner, dis Gimpel dadurch um gutes Geld zu beschwindeln wissen, daß sie ihnen gegen irgend einen Betrag einen ungleich höheren Betrag gut nachgemachtes Falschgeld in Papiernoten versprechen. Dem Gimpel, der auf diesen Leim geht, werden stets echte Geldscheine gezeigt, dieses Päckchen aber im betreffenden Augenblick mit einem gleich aussehenden Päckchen wertlosen Papiers vertauscht. Die Verhöre ergaben nun. daß jene Gauner nicht nur Helfers­helfer im Post- und Telegrafenamt besitzen, welche die Rundschreiben und Depeschen der Bande durch­gehen lassen, sondern sie ergaben ferner, daß New- yorker Polizisten von den Verbrechern ansehnliche G-ldzuweudungen erhielten und sie dafür unbelästigt ließen. Das Vertrauen' in die städt. Polizeiverwal­tung ist infolge dieser Aufdeckung so gesunken, daß der Vorschlag aufgetaucht ist, man möge sämtliche Polizisten zum Teufel jagen und die Sicherheit der Stadt in die Hände der Milizen legen.

Chicago, 6. Juli. Die Nachrichten über den Ausstand lauten sehr beunruhigend. Der Anführer fordert die Arbeitervereine auf, sich dem Ausstand anzuschließen.

Chicago, 7. Juli. Die Lage verschlimmert sich, Anarchie und Gewaltthätigkeit herrschen überall in der Stadt. Die Aufständischen plünderten die De­pots, verbrannten Züge, schnitten die Leitungsdrähte für das elektrische Licht ab, kuppelten von einem Zuge die Maschine ab, gaben derselben große Ge­schwindigkeit und ließen sie mit Züge Zusammen­stößen, wodurch letztere zertrümmert wurden. Die Polizei schoß auf die Ausständigen, von denen 2 getötet, mehrere verwundet wurden. Die Volksmenge

griff abends einen Zug auf der Linie Baltimore- Ohio an; hiebei wurden mehrere Streikende ver­wundet, 4 Personen getötet.

Asien.

Nach einer Meldung aus Washington wendete sich der König von Korea an die Ver. Staaten um Schutz gegen Japan. Staatssekretär Gresham antwortete, die Regierung könne dem Gesuch nicht entsprechen, sei aber bereit, als Vermittler zwischen Korea und Japan aufzutreten. Nach einer Meldung desDaily Chr." aus Sanghai sind die dortigen Europäer auf einen Zusammenstoß zwischen China und Japan gefaßt. Japan habe eine bedeutende Macht in Korea stehen, China sende weitere Trappen.

Kleinere Mitteilungen.

Herrenberg, 6. Juli. Gestern abend ließ sich ein von Darmsheim gebürtiger Schlosserlehrling in der Stühe des Eisenbahnübergangs über die Nagolderstraße von dem 11 Uhr 8 Min. nach Stuttgart abgehenden Personenzug, überfahren. Der Köpf und ein Arm wurden ihm vom Rumpfs getrennt. Furcht vor Strafe wegen eines von ihm begangenen unbedeutenden Diebstahls scheinen den jungen Mann zu diesem verzweifeltem Schritte veranlaß: zu haben.

Sigmaringen, 5. Juli. Die Wildseuche im fürst­lichen Wildpark schreitet leider unaufhaltsam weiter, be­sonders unter dem Damwild. Professor Hoffmann an der ticrürztl, Hochschule zu Stuttgart weilte schon mehrere Tage hier, um mir äußerster Sorgfalt die Krankheit zu ee- ergründen und ihrer Ursache nachzugehsn. Wie man a n- nimmt, muß der Kcankheitsitoff von außen her durch irge > o eine». Bazillus eingeschleppc worden sein, er habe sich ent­wickelt und sei dann plötzlich mit elementarer Gewalt ver­heerend über das schöne Wild hereingebrochen. Fortgesetzt.' Forschungen werden die Natur dieses Bazillus und damit vielleicht auch sein Herkommen wohl klar steilen. Mit v:r Unschädlichmachung des gefallenen Wildes und alles Ma­terials, was zur Weitertragung des Bazillus dienen , t e, wird seitens der fürstl. Verwaltung mit aller Umsicht vov- gegangen.

Göppingen, 5. Juli. Beim Baden ertrank heute Mittag der hier in Arbeit stehende Zim»,:rmann Joh ru i Hagel von Jebenhausen. Hagel ist In.-re alt und Bi- ter von 6 Kindern. Der Leichnam ist noch nicht gehoben. Es ist dies der zweite Fall innerhalb 8 Tagen.

Ter Lenbachsche Bilder-Diebstahls-Proze ß hat am Montag vor dem Landgericht in München seinen Anfang genommen. Wie schon früher gemeldet, waren dem Professor Franz v. Lenbach in München eine Anzahl «Lckiz- zen und Oelgemälde gestohlen worden. Als Dieb wurde der langjährige Hausmeister Lenbachs Namens Wagner von der Polizei festgestellt, ger gegen geringes Entgelt die kostbarsten Oelgemälde und Skizzen an Hehler verkauft hat. Zn den Hehlern gehört in erster Linie der Kunst­maler Zankl, dessen Hintermänner wiederum der Porzell, maler Bnbenick und der Antiquitätenhändler Deiningrr waren. Es wurden weggestellte Skizzen und wertvolle Bilder gestohlen; teilweise wurden letztere aus den Rahmen oder größeren Bildern roh herausgeschnitten. Einige Mün­chener Händler kauften massenhaft Bilder um Spottpreise an und verkauften sie oft um das Fünszigfache wecker. Um 40 Fztz 300 , /zs (Paul He,sie), 200 ,,/zs (Bismarck). 620 ^ (Kaiserin Friedrich) erworbene Bilder verkauften sie um 2000, 3000, 6000, 10000 Auch Künstler sollen von Dsininger und Bubenick Bilder in großer Zahl zu Spott­preisen erworben haben. Wagner wurde wegen fortgesetz­ten Diebstahls zu 14 . Jahre Gefängnis verurteilt, sodann wegen Hehlerei Zankl zu 24., Jahre, Deininger zu 14 , uns Bubenick 14 , Jahre Zuchthaus verurteilt.

München, ö. Juli. Der Prozeß gegen die kompro­mittierten Kunsthändler findet lautKöln. Ztg." im O '. statt. Die Untersuchung richtet sich gegen Keinem, i i, Ackermann, Lapp, vielleicht auch gegen andere Kan,Ihn , > o, Der Prozeß wurde verschoben, weil die Verteidiger im letz­ten Augenblick einen umfangreichen Entlastungsbeweis ab­getreten haben. Die Annahme, als ob die Unterst, h; gegen die Kunsthändler niedergeschlagen werden ko i ne, ist nach den belastenden Ergebnissen des ersten Pro;e s t ausgeschlossen. Einstwecken spielt der Zivilprozeß Len >, h ; behufs Zurückerl.,nzu,g der gestohlenen Bilder, wi > >, allein für 30000 ./zs nach Frankfurt verkauft sind.

Man spricht davon, daß die badischen Steuern,,f- seher, deren Dieustobliegen in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben, Fahrräder für ihre auswärtigen Dienst Verrichtungen erhalten soll,,,.

Wegen fortgesetzter Tierquälereien, begangen an junge., Vögeln, sind in Zöblitz bei Lengefeld in, Königreich Sachien dreizehn Schulkunden polizeilich mit Hieben in Ge­genwart des Arztes und in Anwesenheit der Mitscher durch den Schulhausmann bestraft worden. Der Vater eines der bestraften Kaaben hat bei der Staatsanwattfch Beschwerde eiagereicht, aber ohne Erfolg. Bravo.

In Gohfeld bei Osnabrück hat e,n Mattemn ncher dieser Tage die Taufe seines. Kindes gefeiert.

An Geschichtchen, die etwasrauberhaft küngen, ist in dieser aufgeregten Heit kein Mangel. Zu dem Lyoner Bürger, der bei Caserios Verhaftung mitgeyoifen, sollen zwei wohlgekleidett Männer gekommen sein, die sich fnc Preßleute ansgegeöen und um sein Lichtbild gebeten Hütten, um es einem Antrag ans seine Dekor.ernng beizutegen. Als sie das Bildnis hallen, seien sie mck den Worten o.-.- schwunden:Jetzt haoon wir Deinen Kopf, wir sind A,.re­chtsten!«

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'scher. Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.