höhle wie auf dem Lichtenstein herrschte ein so gewaltiges Menschengewoge, wie es sich die regelmäßigen Besucher dieser Psingstfahrt kaum erinnern können. Die Nebelhöhle, ebenso die Olgahöhle in Honau wurde viel besucht. Der ganz außerordentliche Verkehr auf der Bahn vollzog sich anstandslos.
Vor zwei Jahren wurden einem Bürger von Sehe er 90 ^ aus seiner Kommode entwendet. Dieses Frühjahr nun erhielt er durch eine Mittelsperson einen Brief und 50 Im Briefe wurde die Bitte ausgesprochen, der betr. Bürger möchte mit den fehlenden 40 ^ zuwarten, er bekomme sie auch.
Pforzheim, 12. Mai. Vor einigen Tagen wurde der Sohn eines Gastwirts in dem benachbarten Jspringen von einem anfangs unbekannten Thäter erschlagen. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen; jetzt hat es sich herausgestellt, daß der Totschläger ein 22 Jahre alter Goldarbeiter ist, der im Aufträge eines Metzgers, welcher ihm 5 Glas Bier versprochen, den Mord verübt hat.
Bei den Verhandlungen der Regierungen von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Mecklenburg und Oldenburg am 8. Mai wurde über die Frage der Sonntagsruhe im Eisenbahngüterverkehr ein Einverständnis dahin erzielt, daß es angängig sei, auf allen Bahnen an Sonn- und Festtagen, abgesehen von den Zeiten stärksten Verkehrs, die Beförderung zwar nicht ganz einzustellen, wohl aber erheblich einzuschränken. Es ist, wie der „Reichsanzeiger" mitteilt, Aussicht vorhanden, daß nach Beendigung der notwendigen Vorbereitungen von den genannten Staaten in diesem Sinne weiter vorgegangen wird.
Berlin, 10. Mai. An kompetenter Stelle wird der Dowe'sche Panzer als für Kriegszwecke ungeeignet betrachtet.
Berlin, 10. Mai. Gegen Ahlwardt wurde von der Staatsanwaltschaft eine neue Anklage wegen Beleidigung des preuß. Finanzministers Miguel erhoben. Die Beleidigung "soll Ahlwardt in einer Berliner Volksversammlung, in der er ffeiu Aktenmaterial besprach, begangen haben.
Berlin, 11. Mai. Die Morgenblätter melden aus Danzig: Die Strafkammer verurteilte den Rechtsanwalt und Notar Groly aus Neustadt (Westpreußen) zu 1 Jahr Gefängnis, 2 Jahren Ehrverlust, sowie 1000 Geldstrafe, weil er eiue Dame bei Abfassung ihres Testaments zu seinen Gunsten beeinflußt hatte.
Oest erreich-U ng arn.
Der „Moniteur de Rome" fordert Welerle auf, er solle das Ehegesetz zurückziehen oder abtreten. Diese unberufene Einmischung dieses italienischen Blattes in Ungarns innere Angelegenheit erregt allgemeine Heiterkeit. Der Papst sandte dem Fürstprimas ein Glückwunsch-Telegramm, dankte ihm für seine Bemühungen und erteilte ihm den apostolischen Segen, weil er der katholischen Kirche zum Siege verholfen habe. Der Glückwunsch kommt ein wenig früh. In der Provinz herrscht große Erbitterung gegen das Magnatenhaus. Die meisten Municipien verlangen eine Reform des Oberhauses.
Pest, 11. Mai. Nach Bekanntwerdeu der Ablehnung des Civilehe-Gesetzes läuteten hier die Glocken sämtlicher katholischen Kirchen. Die Stadt ist in einer großen Aufregung. Wekerle reist heute nach Wien, wie verlautet, um dem Kaiser die Demission der Ministerien zu überreichen.
Eine außerordentliche Leistung auf dem Zweirad hat der englische Botschaftssekretär Vilaume auf der Wiener Rennbahn fertig gebracht, indem er in 6 Stunden 189290 Meter zurückgelegt hat, das giebt auf die Stunde mehr als 91' . Kilometer, also Personenzugsgeschwindigkeit.
Frankreich.
In Nantes ist unter den Zimmerleuten ein Ausstand ausgebrochen. Sie verlangen 55 Centimes für die Stunde, während die Meister nur 50 Centimes bewilligen wollen.
Serbien.
Die Vorboten eines Bürgerkrieges in Serbien werden immer mehr bemerkbar; bereits weigern sich die Gerichte, die Akte willkürlicher Kabinetsjustiz des .Königs anzuerkennen. So wurde der bekannte Ukas des Königs Alexander über die Rehabilitierung Milans vom Belgrader Gerichtshöfe nicht anerkannt, indem letzterer erklärte, das Skupschtinagesetz, welches Milan aller Rechte eines Mitglieds des Königshauses verlustig erklärt hatte, könne durch einen einfachen Ukas des Königs nicht anulliert werden. Die Frage gelangt nunmehr vor den Kassationshof, der sich wohl
den Königen Alerander und Milan gefälliger erweisen wird. Trübe Zustände das!
Rußland.
Die Doppelhochzeit am russischen Kaiserhof soll neueren Meldungen zufolge bereits in den ersten Tagen des August stattfinden. Der Kaiser und die Kaiserin werden deshalb der Feier der silbernen Hochzeit des dänischen Kronprinzenpaares fern bleiben, dafür werden aber der König von Schweden, die Prinzessin von Wales mit ihren Töchtern und der Herzog von Cumberland mit Gemahlin in Kopenhagen erwartet.
MttlMchlen.
Humoreske von Hans Richter.
- (Nachdruck verboten.)
Die drei Jugendfreunde leisteten sich einen Pfingstausflug, der lange dünne Buchhalter Bohrmann, der kleine dicke Musiklehrer Kleidet und der äußerlich minder auffallende Fritz Werner, welcher das einträgliche und bequeme Geschäft eines Rentiers betrieb. Jetzt lagerten sie, während die Sonne sich langsam dem Wasser zusenkte, unweit eines freundlichen Dorfes im Schatten eines Wäldchens. Bohrmann, der immer hungrig war, kaute stumm mit vollen Backen; der nervöse Keidel schimpfte über die Hitze, den Staub, die schlechten Wege, die vielen Menschen, denen man begegnete, und das miserable Bier in den Dorfwirtsyäusern, und Werner, der rauchend auf dem Rücken lag, gab ihm in Allem recht, wobei er ein so erbärmliches Gesicht schnitt, als gehe es ihm über alle Maßen schlecht.
„Donnerwetter!" raisonnierte Keidel, „da kommt wahrhaftig eine Schar Mädels vom Dorfe her auf uns zu. Das hat uns gerade noch gefehlt."
„Hm, hm." knurrte Bohrmann und würgte an einem Stück kalter Ente, daß ihm beinahe die Augen aus den Höhlen quollen.
Werner, der sich über Alles ärgerte, weil er sonst nichts zu thun hatte, schüttelte den Kopf und sagte: „Da sieht man wieder den Leichtsinn und die Vergnügungssucht des weiblichen Geschlechtes. Könnten die jetzt nicht ruhig zu Hause sitzen?"
„Natürlich!" bestätigte Keidel, während sich Bohrmann nunmehr einem ansehnlichen Schinkenrest zuwendete, wobei er immer magerer zu werden schien.
„Und fleißig arbeiten!" fuhr Werner fort.
„Selbstverständlich!"
„Statt dessen stehlen sie dem lieben Gott den Tag und sind noch dazu aufgeputzt wie die Pfingstochsen."
Inzwischen war die Mädchenschar dicht herangekommen, daß diese ungalante Bemerkung auch von ihnen gehört wurde. Die Eine, eine Helle Blondine mit einem bildhübschen kecken Gesichtchen, wandte sich um und sagte im entrüsteten Tone: „Wenn wirklich Pfingstochsen hier anwesend sind, so liegt es doch nur an mangelhafter Selbsterkenntnis, daß sie dieselben an der Unrechten Stelle vermuten."
Dem mageren Bohrmann blieb vor Schreck der Bissen im Halse stecken, sodaß seine dünnen Wangen wie aufgepustet erschienen und sich ordentlich blau färbten; Keidel brummte: „Donnerwetter, die ist grob!" Der aufgeregte Werner aber sprang empor und schrie puterrot. „Meinen Sie etwa mich damit?"
„Fühlen Sie sich getroffen?" fragte die schlagfertige Dame zurück.
„Jawohl!" donnerte der junge Rentier, welche Unbesonnenheit von einem lauten Gelächter der gesamten Mädchenschar beantwortet wurde, während die blonde Wortführerin ruhig sagte: „Dann kann ich Ihnen nicht helfen. Wenden Sie sich nur an einen Tierarzt!"
„Ich werde Sie verklagen."
„Oh, thun Sie sich durchaus keinen Zwang an!"
„Und ins Zuchthaus bringe ich Sie!"
„Das habe ich mir schon längst einmal von inwendig besehen wollen."
„Auf das Schaffst müssen Sie!"
„Das ist noch immer besser als in ein Schlachthaus!"
Jetzt gingen Werner Grobheiten und Lunge aus; ganz echauffiert setzte er sich wieder hin, während Keidel sagte: „Du, die ist Dir über!" und Bohrmann nickte dazu, indem er die letzte Schlackwurst aus der Provianttasche zog. Die Mädchenschar zog kichernd davon. Werner zündete sich seine erloschene
Zigarre wieder an und versank in tiefes Brüten, aus dem er nach einer Weile emporschreckte: „Du, die ermorde ich!"
„Das wird aber schwer bestraft!" mahnte Keidel.
„Mir ganz egal!"
„Und schade wärs auch um sie! Eigentlich warst Du zuerst so unverschämt grob. Und dann ist sie verdammt hübsch."
„Ganz egal! ich vergifte sie. Ich habe noch eine Schachtel voll Fliegentot zu Hause."
„Möchten wir vorerst nicht etwas anderes essen?" schlug Bohrmann vor, und nun ging es nach dem Dorfe hinab, in dessen Wirtshause sie reichlich Speise und Trank fanden.
Während dann Bohrmann und Keidel eine Billardpartie machten, spazierte Werner behaglich auf der Wiese hinter dem Wirtsgarten umher, sich mit seinem rotseidenen Taschentuch Kühlung zuwedelnd.
Plötzlich schrie eine Helle Mädchenstimme: „Der Ochse, der Pfingstochse!"
Wütend drehte er sich um, gewahrte aber sogleich, daß dieser Ruf doch wohl nicht ihm gegolten hatte, denn in kurzer Entfernung von ihm stand ein leibhaftiger Ochse, der zur Feier des Tages ein Gewinde von Laub und bunten Blumen um die Stirn trug, ein richtiger Pfingstochse also. Wahrscheinlich nahm das Tier das unbefugte Eindringen eines fremden Menschen in das ihm zum Grasen überlassene Revier weniger übel, als das Wedeln mit dem roten Tuch, was bekanntlich auf jene nützlichen, vierbeinigen Geschöpfe höchst aufregend wirkt. Drohend senkte er den Kopf, und Fritz Werner suchte sein Heil in der Flucht. Hinter sich hörte er das galoppierende Trampeln seines Feindes, näher und immer näher; schon wurde es ihm schwarz vor den Augen, so daß er gar nicht sah, wohin er lief, schon glaubte er den heißen Atem des wütenden Tieres in seinem Rücken zu fühlen — da wurde vor ihm eine Thür- geöffnet, zwei weiche Hände zogen ihn hindurch und schlugen nun sofort die Thür zu, an welcher es gleich darauf gewaltig anbummste. Sie war ja doch noch solider als der harte Ochsenschädel.
Mühsam kam Fritz Werner zu Atem und Besinnung, und als das geschehen mar, glaubte er beinahe, der Schlag solle ihn von Neuem treffen, denn vor ihm stand die hübsche Blondine mit der flinken Zunge. Donnerwetter, nun, da sie ihm das Leben gerettet, konnte er sie doch nicht vergiften.
„Das beständige Wedeln mit dem Tuche muß den Ochsen gereizt haben, er ist sonst fromm wie ein Lamm," sagte sie freundlich. „Bitte, treten Sie doch einen Augenblick in das Haus, um sich zu erholen."
„Sehr gütig, murmelte Fritz Werner, ihr frisches, errötendes Gesichtchen nun mit ganz anderen Augen betrachtend — ihre Liebenswürdigkeit übertraf ja noch ihre Schnippigkeit — er wurde ordentlich rot vor Verlegenheit und sie wurde es auch noch mehr.
Und das Ende — nun, Fritz Werner findet den Weg nach dem Dörfchen jetzt so reizend, daß er ihn fast täglich zurücklegt, er findet ferner, daß ein alter Junggeselle ein beklagenswertes Geschöpf sei, und am nächsten Pfingstfest wird eine große Hochzeit gefeiert werden, zu welchem Bohrmann, der ein heimlicher Dichter ist, bereis ein Tasellied verfaßt hat, das in einem dreifachen Hoch auf die „Pfingstochsen" ausklingt.
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Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaisrr) Nagold.