Hages-Aeuigkeilen.

Deutsches Reich.

<1. Nagold, 30. Jan. Letzten Sonntag fand im Saale des Gasth. z. Rößle eine Versammlung der freien Vereinigung von Banken des Schwarz­walds statt, die wider Erwarten gut besucht. war. Vertreten war Altensteig, Calw (2 Banken), Freu­denstadt, Haigerloch, Horb, Magstadt, Nagold, Obern­dorf, Sindelfingen, Schwenningen, im Ganzen ca. 50 Personen, auch war der Revisor der freien Ver­einigung, Herr Bankcassier Fritsch aus Stuttgart, als Referent anwesend. Auf der Tagesordnung stand die Gründung einer Centralkasse (Geldaus­gleichstelle) in Stuttgart. Die Leitung der Versamm­lung übernahm auf Wunsch der Vorsitzende der Hand­werkerbank Nagold. Zur Verlesung kam ein Rund­schreiben, das an alle Banken des Landes versandt werden soll, um zum Beitritt einzuladen; dasselbe wird gutgeheißen. Sodann werden die Vertreter der Banken aufgefordert, sich zu äußern, ob sie für oder gegen Gründung der Centralkasse seien. Die über­wiegende Mehrzahl ist für Gründung, behält sich aber die Genehmigung je ihrer Generalversammlung vor. Weiter kam ein Statuten-Entwurf für die zu gründende Centralkasse zur Verlesung; eine eingehende Durchberatung und Feststellung soll der engeren Com­mission und einer späteren Landesversammlung Vor­behalten bleiben. Es wurde nun beschlossen, sowohl das Circular, als auch den Statuten-Entwurf un­verzüglich drucken zu lassen und hinauszugeben, damit die Äankleitungen bei den allgemein im Fe­bruar und März stattfindenden Generalversamm­lungen Gelegenheit haben, die Genehmigung ihrer Genossenschafter einzuholen. Allgemein wurde der Wunsch geltend gemacht, in der angefangenen Sache beharrlich weiter zu machen, weil gegründete Aus­sicht vorhanden ist, daß eine stattliche Anzahl Ban­ken des Landes beitreten wird, wenn nur einmal die Gründung der Centralkasse erfolgt ist. Es ist viel­leicht noch gestattet, bei dieser Veranlassung den eigentlichen Zweck der Centralkasse kurz darzulegen. Wie schon oben angedeutet, soll die Centralkasse eine Geldausgleichstelle sein. Die beitretenden Ge­nossenschaftsbanken sollen das Recht haben, bei Be­dach Gelder zu möglichst niederem Zinsfuß zu er­halten (ca. 4°,») und umgekehrt bei überflüssigem Geldstand Gelder zu möglichst hohem Zinsfuß (ca. 3",») vorübergehend anlegen zu können (bei Privat- banquiers war die Spannung bisher zwischen 2"» und 56",,). Allerdings müßten die beitretenden Banken Mitglieder der Centralkasse werden und je nach der Anzahl ihrer Mitglieder 110 Stamman­teile sich erwerben (Nagold z. B. 4 Stammanteile u -/( 300), und da die Centralkasse eine Genossen­schaft mit beschränkter Haftpflicht wäre, noch eine Haftpflicht in Höhe des fünffachen Betrags der Ein­lagesumme übernehmen. Das Risico würde sich demnach für ein einzelnes Mitglied auf etwa -/(. 15 stellen, es ist aber an ein Risico kaum zu denken, da meist nur mit Genossenschaften mit unbeschränk­ter Haftpflicht gearbeitet wird, bei denen ein Ver­lust undenkbar ist und weil für hinreichende Ueber- wachung und Stellung von Cautionen der anzustel­lenden Beamten Fürsorge getroffen wird. Mögen diese zeitgemäßen und nützlichen Bestrebungen mit Erfolg gekrönt werden!

Nagold, 31. Jan. Am Lichtmeßfeiertag, den 2. Febr. d. I., findet hier im Zellersaal von nachm. 1 Uhr an die jährliche Missionskonferenz statt, an welcher u. a. Vorträge von Missionaren gehalten werden. Zu der Konferenz werden alle Missions- sreunde der Stadt und Umgegend freundlich einge­laden.

* Der Bericht über die landwirtschaftliche Ple­narversammlung in Altensteig folgt im nächsten Blatt.

Stuttgart, 27. Jan. Dem Reichstage ist eine Berechnung der Matrikularbeiträge für 1894 95 zugegangen. Danach zahlt Württemberg 18974360 Mk., also 2 472 358 Mark mehr als im Vorjahre, Baden 14845188 Mk., Bayern 52409931 Mk., Hessen 8218 758 Mk. u. Elsaß-Lothringen 14399 878 Mark.

Stuttgart, 29. Jan. Der bei Neckarrems Ermordete ist nunmehr in der Person eines gewissen Schwinghammer von Ludwigsburg festgestellt worden.

Stuttgart, 30. Jan. In Sachen Hegelmaier wird demBeobachter" aus Heilbronn eine sensatio­nelle Nachricht gemeldet, die wir unter allem Vor­

behalt wiedergeben. Am letzten Samstag sei im Auftrag S. M. des Königs ein adeliger Herr aus Stuttgart bei dem suspendierten Oberbürgermeister Hegelmaier in Heilbronn erschienen und habe ihm mitgeteilt, der König habe die Ueberzeugung gewonnen, es sei Herrn Hegelmaier Unrecht geschehen, weshalb seine Rehabilitierung durch eine Staatsanstellung erwogen werde.

Essen a. d. Ruhr, 27. Jan. Kaiser-Wilhelm- Bismarck-Stistung. Kommerzienrat Krupp hat der Stadt Essen hunderttausend Mark zu einer Kaiser- Wilhelm-Bismarck-Stiftung überwiesen.

DieHamb. Nachr." erfahren aus Friedrichs­ruh, Fürst Bismarck sei hie gestrige Reise nach Berlin gut bekommen; der Fürst, der nachts vortreff­lich geschlafen habe, habe sich am Samstag völlig erholt gefühlt. Desgleichen berichten die Blätter eine Aeußerung von Professor Schweninger, daß Fürst Bismarck die Strapazen seiner Reise gut überstanden habe. Gras Herbert Bismarck reiste nbch in der Nacht nach Berlin zurück, während Grfif Wilhelm Bismarck nach Hannover abreiste.

Deutscher Reichstag. Die Freitagssitzung stand unter deni Eindruck des Besuches des Fürsten Bismarck in Berlin, das Haus mar recht schwach besetzt. Beraten wurde zunächst die Vorlage wegen Entnahme von 67 Mill. ^ aus denr Reichsinvalidenfonds zur Verstärkung des Be­triebsfonds des Reichs. Staatssekretär Graf Posadowsky befürwortete die Vorlage unter Hinweis darauf, daß der Jnvalidenfonds reich genug dotiert sei. Abg. Graf Oriala >ntl.) stellte das in Abrede. J>n Gegenteil würden noch manche Maßnahmen im Interesse der Invaliden zu treffen sein. Heute, wo zur großen Freude des Volkes Fürst Bis­marck nach Berlin gekommen, möchte man doch auch etwas an die Männer denken, die für das Vaterland Gut und Blut hergegeben hätten. Abgg. Fritzen (Ctr.) und Graf Roon (kons.) meinen ebenfalls, man dürfte nicht ohne Wei­teres dem Jnvalidenfonds eine so große Summe entneh­men. Abg. Herbert (Soz.) schließt sich dem an und meint, es sei ein Irrtum zu glauben, das Volk empfinde über den Besuch des Fürsten Bismarck in Berlin große Freude. Die Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetz wird in zwei­ter Lesung angenommen. Es folgt Beratung der Novelle zur Konkursordnung, zu der Abg. Rintelen (Ctr.s den Bau­arbeitern ein Vorzugsrecht in Konkursen sichern will. Die Sache wird abgesetzt. Montag: Erste Beratung des Fi­nanzreformgesetzes.

Der Kaiser hat an seinem Geburtstage das Dienstauszeichnungskreuz, welches die Offiziere der preußischen Armee nach 25jährigen treuen Diensten erhalten, angelegt.

Berlin, 27. Jan. Im königl. Schlosse waren, als Fürst Bismarck eintras, im ersten Zimmer die Herren vom Hauptquartier des Kaisers aufge­stellt. Fürst Bismarck wechselte mit ihnen kurzen Gruß und begab sich dann sofort in den zweiten Saal, in welchem der Kaiser allein weilte und den Fürsten stehend empfing. Die Unterredung, welche dann stattfand, hatte keine Zeugen; über ihren Inhalt ist bisher auch nichts bekannt gewor­den. Man will aber wissen, daß zwischen dem Kaiser und Bismarck thatsächlich ein politisches Gespräch nicht geführt worden sei. Die gestrigen Anordnungen zum Empfang des Fürsten Bismarck sind mit Umgehung des Hosmarschall-Amts bis in die kleinsten Einzelheiten vom Kaiser selbst ausge­arbeitet und angeordnet worden. Die beiden älte­sten kaiserlichen Prinzen hatten Befehl, sich als jüngste Offiziere der Armee heim Fürsten Bismarck als einem Generaloberst der Armee in Uniform zu melden. Außer dem Grafen Lehndorf hat Fürst Bismarck niemand persönlich empfangen. Als Gast­geschenk verehrte der Kaiser dem Fürsten den Stoff zu einem grauen Militärmaytel. Das Essen, wel­ches vor 7 Uhr in den Gemächern des Fürsten stattfand, war gleichfalls vom Kaiser angeordnet, und zwar als Hoftafel, zu der nicht nur Graf Herbert, sondern auch Graf Wilhelm Bismarck ein­geladen war. Der Kaiser gab dem Grafen Herbert den ausdrücklichen Wunsch zu erkennen, ihn bei der heutigen Cour zu sehen. Gegenüber der Meldung einzelner Blätter, die von einer längeren Unterre­dung zwischen Caprivi und dem Fürsten Bismarck erzählen, wird nochmals konstatiert, daß Caprivi den Fürsten Bismarck weder gesehen noch gesprochen hat.

Berlin, 30. Jan. Die Morgenblätter erfah­ren aus Reichenberg in Böhmen: Aufsehen erregt in dem benachbarten Marnsdorf die Auffindung zahlreicher anarchistischer Flugblätter, welche in al­len Häusern zerstreut lagen.

Am Tag des Bismarcksbesuchs waren die städ­tischen Schulen nicht geschlossen, während die Re­gierung alle königlichen Schulanstalten hatte schlie­

ßen lassen. In der freisinnigen Presse war die Losung ausgegeben worden, sich am Empfang des Fürsten Bismarck nicht zu beteiligen. (O Freisinn!)

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 27. Jan. Der reichsdeutsche Verein Niederwald" beging in seinen Vereinsräumen die Geburtsfeier des Kaisers Wilhelm. Rotter toastete aus den Kaiser von Oesterreich, Oertel auf den deut­schen Kaiser, Hardegen auf den Fürsten Bismarck, indem er der innigsten Freude über die Aussöhnung des Kaisers und des Altreichskanzlers Ausdruck gab. An Kaiser Wilhelm wurde nachstehendes Telegramm abgesandt:Unter dem überwältigenden Eindrücke des hocherfreulichen Ereignisses, welches dem deut­schen Volke und der ganzen Welt einen so herrlichen Beweis der Seelengröße und Herzensgüte Euerer Majestät gegeben hat, bringen wir Euerer Majestät zum heutigen Tage unsere innigsten Glück- und Segenswünsche dar und rufen voll Begeisterung: Hoch lebe unser Kaiser, hoch sein blühendes Haus, hoch unser deutsches Vaterland."

Budapest, 27. Jan. Zu dem anläßlich des Geburtstages des deutschen Kaisers stattgehabten Hosdiner waren der deutsche Prinz Neuß, der Bot­schaftsrat Prinz von Ratibor, der Botschaftssekretär Prinz Lichnowsky, der deutsche Generalkonsul in Pest Graf Monts, der Minister des Auswärtigen Graf Kalnoky, der Ministerpräsident Wekerle, sowie die obersten Hofchargen geladen. Beim Diner er­hob sich Kaiser Franz Josef und brachte folgenden Toast aus:Indem ich der heutigen Doppelseier des Geburtsfestes und des 25jährigen Militärjubiläums S. M. des Kaisers Wilhelm mit meinen herzlichsten Glückwünschen gedenke, leere ich in treuer Freund­schaft und Anhänglichkeit das Glas auf das Wohl meines treueren Bundesgenossen, S. M. des deut­schen Kaisers und Königs von Preußen."

Frankreich.

Paris, 30. Jan. Der Minister des Aus­wärtigen ließ am Freitag dem italienischen Bot­schafter als Entschädigung für die Opfer von Aigues- Mortes 420 000 Franken auszahlen, nachdem er von Crispi die Zusage erhalten, daß Italien für die in Rom, Genua und Neapel geschädigten Fran­zosen 30000 Franken gewähre.

Italien.

Rom, 27. Jan. Zwischen Crispi und Bis­marck fand gestern eine herzliche telegraphische Be­grüßung statt. Crispi leidet an einer bedenklichen Augenkrankheit und wird sich wahrscheinlich einer Operation unterziehen müssen.

Rom, 28. Jan. Der Papst ließ sich heute nach St. Peter tragen, wo er in einem Seitenschiffe eine Messe las. Begeisterte Akklamationen empfingen ihn. Nach der Ceremonie ließ er eine Rede verlesen, worin er die jetzigen Schwierigkeiten beklagt, die vom Abfall von der Religion herrühren. Er wünscht die Herstellung der Ordnung und stellt was Rom betrifft zwischen dem jetzigen Staat und den Kirchen­staaten, solange sie unter dem Scepter des Papstes standen, eine Vergleichung an. Leo Xlll. sah blü­hend aus und schien von dem Enthusiasmus des Volkes sehr gerührt.

Rußland.

Petersburg, 29. Jan. Ein heute vormittag ausgegebenes Bulletin über das Befinden des Kaisers lautet: Der Kaiser fühlt sich etwas besser, die Ent­zündung verbreitet sich nicht. Die höchste Tempera­tur betrug nachts 39,3, früh 38,6 Grad. Der Puls ist gut.

Bulgarien.

Sofia, 30. Jan. Die Prinzessin Ferdinand wurde heute früh von einem Prinzen glücklich ent­bunden.

Serbien.

Belgrad, 27. Jan. König Milan erschien heute persönlich beim deutschen Gesandten, um seine Glückwünsche für Kaiser Wilhelm darzubriugen.

Das Prozeßverfahren gegen die angeklagten Mitglieder des Kabinetts Avakumowitsch ist mittels Amnest ie des Königs eingestellt. _

der Gesamt-Aultage innerer heutige,»

Nummer liegt eru Prospekt derdeut­schen Warte", Tageblatt für Politik n. Gesellschaft, geistiges und wirtschaftliches Lebe«, bei, welchen wir der Beachtung al- ler Leser empfehlen. _.

I Redaktion, Druck und Vertag der G. W. Zaiser'schen

Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.