allerlei Paragraphen vor den Kopf stoßen. Sonn­tagsruhe schafft man nicht damit, sondern nur Sonn­tagssorgen. Und weil es noch an der Zeit ist, diese zu verhüten, mag daraus hingewiesen sein.

Hages-Weuigkeilm.

Deutsches Reich.

Nagold. Einer neuesten Mitteilung zufolge wird Physiker G. Dähne erst anfangs Feb­ruar Hieherkommen, um seine Experimentalvor­träge zu halten. Man bittet, der Sache bis dahin ein reges Interesse bewahren zu wollen.

Nagold. (Musikalisches.) Wie wir hören, wird Herr Musikdirektor Fehr in seinem uächsten Kon­zert (siehe Inseratenteil) sämtliche Instrumente, welche er spielen kann, unter der bekannten künstlerischen Begleitung des Herrn Musikoberlehrers Heg eie durch das Pianoforte, versichern und dürste durch die reiche Abwechslung im Programm ein schöner musikalischer Genuß zu erwarten sein.

In Altensteig war die Magd eines Gerbers mit dem Abladen eines Rindenwagens beschäftigt, um die Rinde mittels Auszug am Hausgiebel auf die Bühne zu schaffen. Dabei wurde durch den Aufzughaken ein großer Laden ersaßt und von die­sem ausgehängt. Der Laden fiel herab und stürzte der nichtsahnenden Magd auf den Kopf, so daß sie bewußtlos zusammenbrach. Der gerufene Arzt kon­statierte einen Schädelbruch.

Kayh, 14. Jan. (Schultheißenwahl.) Von 117 wahlberechtigten Bürgern wurden 108 Stim­men abgegeben. Gewählt wurde Herr Konrad Rol­ler, Kirchenpfleger, mit 79 Stimmen.

Stuttgart, 12. Jan. Heute Vormittag wurde auf dem hiesigen Bahnhof ein Viehwagen ausgela­den, welcher so überfüllt war, daß 2 Stück Vieh tot aufgefunden wurden. Die betr. Viehhändler wurden zur Anzeige gebracht.

Ulm, 15. Jan. Die vor Weihnachten hier ausgeteilten neuen Gewehre haben sich als mangel­haft erwiesen. Die aus der Löwe'schen Fabrik stam­menden Hauptteile sind korrekt; aber die aus Span­dau stammenden, erst hier eingesetzten Schlösser zei­gen Konstruktionsfehler, so daß die Soldaten oft gar nicht laden können.

Karlsruhe, 12. Jan. Der Großherzog gab 1000 ^ zur sofortigen Anschaffung von Steinkoh­len für würdige bedürftige Arme.

Augsburg, 15. Jan. DieAbendzeitung" enthält eine Privatmeldung, wonach das Befinden des Fürsten Bismarck infolge der Witterung wieder ungünstig sei. Zu den heftigen neuralgischen Schmer­zen habe sich ein starker Katarrh gesellt. Die Fol­gen der Kissinger Krankheit seien noch nicht über­wunden.

Verbotene Jesuiten-Vorträge. In Aachen sind die Vorträge eines Jesuiten über sozialpoliti­sche Gegenstände von der Polizei verboten worden. Der Jesuit wurde verpflichtet, mit der nächsten Ge­legenheit abzureisen. Wenn sich katholische Blätter über diese Vorgänge sehr entrüstet zeigen, so muß doch darauf hingewiesen werden, daß den Jesuiten schon früher in verschiedenen Städten eine solche Thätigkeit untersagt worden ist. Da es sich hierbei zweifellos um die Ausübung einer Ordensthätigkeü handelt, so konnte die Polizei nicht anders verfah­ren, so lange die Bekanntmachung vom 5. Juli 1872 zum Jesuitengesetz in Kraft ist.

Saarbrücken, 13. Jan. Gestern nachmittag wurde beim Schießstand des 70. Infanterieregiments ein Soldat, der unvorsichtigerweise bei schußfertiger Scheibe aus der Anzeigedeckung vortrat, erschossen.

Friedrichsruh, 13. Jan. Ueber Fürst Bis­marcks Befinden berichtet dieZukunft": Der Fürst ist nicht unverändert; er ist beträchtlich schlanker, und namentlich das Gesicht ist kleiner geworden, so daß nun das leuchtende, des raschesten Wechsels im Ausdruck fähige Auge, das früher oft kleine Fett­ansammlungen bedrängten, Heller noch und mächti­ger als sonst hervortritt. Die Hautfarbe ist frisch und zart, wie man von den letzten Bildnissen Len- bachs sie kennt, die Gesichtsschmerzen, ein alter, bö­ser Gast, sind in schlimmer Treue zu dem Gesun­denden auch wieder zurückgekehrt, und der Gang und die Haltung sind genau so straff und elastisch, wie vor dem Kissinger Anfall.

(Münzenprägung.) Nach einer llebersicht der in den deutschen Münzwerkstätten bis Ende Dezem­

ber 1893 ausgeprägten Reichsmünzen betrug die Gesamtausprägung abzüglich der wieder eingezogenen Stütze Ende Dezember vor. Js. 2,734,462,700 -// in Goldmünzen, 471,010,096,50N in Silbermün­zen , 51,585,283,60 ,/st in Nickelmünzen und 12,287,285,98 in Kupfermünzen.

Berlin, 13. Jan. Für den 18. Januar ist eine große Kundgebung der Anarchisten geplant. Alle Arbeitslosen sind nach dem Saal der Brauerei Friedrichshain, von dem bekanntlich die Februar- Tumulte vor zwei Jahren ihren Anfang nahmen, einberufen. Der heute erschienene Aufruf des Anar­chisten Rodrian läßt an Aufreizung der Arbeitslosen gegen die Besitzenden nichts zu wünschen übrig.

Berlin, 13. Jan. Der Botschafter in Wien, Prinz Reuß, hat sein Abschiedsgesuch eingereicht.

Berlin, 13. Jan. Für den 9. Februar, an welchem vor 25 Jahren der Kaiser in die Armee eintrat, wird in Offizierskreisen ein großes militä­risches Fest beabsichtigt.

Berlin, 13.Jan. Reichstag. Das Handelsprovisorium mit Spanien wird nach kurzer Debatte in dritter Lesung ge­nehmigt. Es folgtFortsetzung der Generaldebatte über die Tabaksteuervorlage. Dr. Clemm (nat.-lib.) bespricht die Vorlage vom Standpunkt des Tabakbaues, dem sie viele Vorteile bringe, wenn auch mancher Wunsch, wie die Er­höhung des Tabakzolls, unerfüllt bliebe. Auch die Höhe der Besteuerung des Rauchtabaks mache die Vorlage Man­chem unannehmbar. Die Agitation der Tabaksabrikanten sei unverantwortlich übertrieben worden; werde die Vor­lage nicht Gesetz, so werde er eine Erhöhung des Tabak­zolles um 60 Mark beantragen. Schneider (sreis. Volksp.) bekämpft die Vorlage aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen. Ter bayerische Finanzminister Riedel hält die Bedenken wegen des Konsumrückganges ebenfalls für über­trieben; dagegen spreche schon Gewohnheit und Bedürfnis des Rauchers. Die Ablehnung der Tabaksteuer werde, selbst abgesehen von der Steuerreform, zur Erhöhung der Matrikularbeiträge und damit zu fühlbarere Belastung derjenigen Klassen führen, die man schonen wolle. Ham­merstein (d. kons.) bekämpft die Vorlage und empfiehlt eine Biersteuer. Böckel (Antif.) will auch von einer verbesserten Tabaksteuer nichts wissen und wünscht eine kräftige Börsen-, Lotterie-, Totalisator-, Wehr-, Jagdschein- und Luxussteuer. Er beschuldet den Reichskanzler, daß er seine Versprechungen nicht gehalten, nicht wie ein Ehrenmann gehandelt habe. (Ordnungsruf des Präsidenten.) Die Antisemiten hätten einmal Vertrauen zu ihm gehabt, nie wieder. Staatssekre­tär Posadowsky unterzog sich unverdrossen einer ausführ­lichen Widerlegung sämtlicher gegen die Regierungsvorlage ausgetretenen Redner, wogegen wieder der Abg. Rösike diese Vorlagen entschieden ablehnte und eine Reichseinkom- inensteuer für die Einkommen über 30000 Mark (!) empfahl. Dann wurde die Debatte auf Montag vertagt.

Berlin, 14. Jan. Als Fürsprecher für den Bombenwerfer Vaillant tritt mutig und unbefangen derVorwärts" auf. Zwar wagt das sozialdemo­kratische Zentralorgan nicht, für glänzliche Freispre­chung des anarchistischen Gesinnungsgenossen zu plä­dieren; aber als Mörder will es ihn nicht behandelt, sondern nach den zukunftsstaatlichen Prinzipien in eine Irrenanstalt gebracht wissen.

Aus dem Reichstage. Die Steuerkommission des Reichstags hat die Beratung der Stempclsteuer- vorlage begonnen. Der Stempel von 1. Proz. aus Aktien und Anteilscheine wurde ohne Weiteres an­genommen. lieber einen Antrag des Abg. Garnp, einen Stempel auch zu>. erheben von ausländischen Aktien, im Besitz von Inländern, kam es zu einer langen Debatte. Der Antrag wurde genehmigt. Man hat sich darüber schlüssig gemacht, erst das Stempelsteuergesetz in der Kommission fertig zu be­raten, was wohl 23 Wochen in Anspruch nehmen wird, und dann zur Tabaksteuer überzugehen. Es wird wohl kaum noch vor Ostern die Kommissions­arbeit erledigt werden.

Schweiz.

St. Gallen, 14. Jan. Vor dem Offiziersge­bäude, in welchem der Offiziers-Verein einen Ball abhielt, demonstierte am Samstag abend eine mehr­hundertköpfige Menge, weil eine württembergische Militärmusik statt einer einheimischen Kapelle enga­giert war. Die Fensterscheiben wurden eingeschlagen. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen.

Frankreich.

Aus Paris: Der zum Tode verurteilte Anar­chist Vaillant fährt fort, in eitler Weise den Mär­tyrer zu spielen und will deshalb auch von einer Berufung nichts wissen, die ihm freilich nicht das mindeste Helsen würde. Vaillant macht allerlei prahlerische Redensarten, welche die Zeitungen komischerweise genau verzeichnen. Ein Haufe von Anarchisten brachte die Hochrufe von Vaillant aus. Die Bureaus der Kammern haben sich am Don­nerstag konstituiert. Besondere Zwischenfälle kamen nicht vor. Die Pariser Zeitungen berichten, der

belgische Ministerpräsident Beernaert sei zu seinem Rücktritt wesentlich entschlossen.

General Petit in Paris, Sohn des Obersten Petit, den Napoleon I. beim berühmten Abschied von Fontainebleau umarmte, wurde in einem Anfall von Trübsinn zum Selbstmörder.

Paris, 13. Jan. Der Sozialist Viviani über­reichte heute Abend dem Präsidenten Carnot ein von 80 Deputierten unterzeichntes Gnadengesuch für Vaillant.

Paris, 15. Jan. Die Polizeipräfektur von Paris hat gegen die ausländischen Gewerbetreiben­den und Arbeitgeber, die Ausländer beschäftigen und den Vorschriften des Fremdengesetzes vom 8. Au­gust 1893 nicht Folge geleistet haben, das Straf­verfahren eingeleitet. Bisher haben 72 Ausländer Strafbefehle erhalten; 6 Arbeitgeber wurden zu 5 > Franken Buße verurteilt. 16 Verfügungen wurden gegen Arbeitgeber erlassen. Am 12. Januar be­trug die Zahl der ausländischen Gewerbetreibenden 89 825.

Italien.

Die Dinge in Italien haben sich äußerlich in Folge der Verhängung des Belagerungszustandes über Sizilien, durch Anordnung energischer Polizei- maßnahmen in den Großstädten des Festlandes und durch ein Massenaufgebot von Militär äußerlich zwar ruhiger gestaltet, im Jnuern dauert aber die Gäh- rnng fort. Lärmszenen sind in Rom, Neapel, Mai­land, Genua, Turin u. s. w. etwas so Häufiges, daß sie kaum noch erwähnt werden, auch die Lumul e in Sizilien zeigen sich immer noch, wenngleich die Expedenten größere Vorsicht anwenden, um nicht verhaftet zu werden. Der Energie der Regierung ist gewiß der im Staatsinteresse so nötige Erfolg zu wünschen, aber der Geldmangel ist heute sehr groß, der Verdienst knapp, und wenn nun erst im Parlament die unvermeidlichen neuen Steuervorlagen zur Verhandlung kommen, dann wird wohl leider der Tanz von Neuem beginnen. Man bezweifelt heute allerdings nicht mehr, daß mehrere radikale und franzosenfreundliche Abgeordnete die Hände im Spiele haben, und die Aufregung nach Kräften spüren, aber die Hauptursache der Tumulte ist und bleibt doch der Volksunwille über den bei den schlechten Zeiten doppelt empfindlichen Steuerdruck.

Rom, 14. Jan. Der offiziösen TurinerGa- zetta des Popolo" zufolge.besitzt die Regierung Be­weise für eine klug angelegte Verschwörung, die von Sizilien aus fünf weitere Punkte Italiens in Brand stecken sollte. Noch sei nicht alle Gefahr beseitigt. Crispi gedenke, sämtliche Dokumente dem Parlamente zu unterbreiten, um sein Verhalten zu rechtfertigen.

Rom, 15. Jan. Die italienische Regierung hat ein Zirkular an sämtliche Präsekten erlassen, worin die sofortige Festnahme aller in ihrem Distrikt wohnenden Anarchisten, sowie aller des Anarchis­mus verdächtigen Ausländer besohlen wird. Die italienischen Anarchisten sollen den zuständigen Ge­richten zur weiteren Veranlassung überwiesen wer­den, während die Ausländer an die Grenze zu brin­gen und dauernd des Landes zu verweisen sind. Daraufhin haben bereits in den größeren Städten zahlreiche Verhaftungen stattgefunden. Es steht ein Massenprozeß gegen die Anarchisten bevor. In Rom wurden über 200 verhaftet, und die Gefängnisse sind bereits so überfüllt, daß viele Untersuchungs­gefangene für kleinere Verbrechen bis auf Weiteres entlassen werden mußten, um nur Raum zu schaffen. Man fahndet mich lebhaft aus bestimmte anarchisti­sche Führer, unter andern aus den Advokaten Fran­cesco Merlino, der, als Mönch verkleidet, sich im Neapolitisch verstreckt halten soll. Derselbe gilt mit Malatesta und Ciprini als einer der Haupt- rädelssührer.

Aus ganz Italien laufen noch immer "Nach­richten über außergewöhnliche Schneefälle und Kälte ein. In Oberitalien herrschten furchtbare e-chnee- stürme. In Neapel, Palermo und Messina hat es gleichfalls geschneit. In Mailand, Florenz und Venedig fielen seit Jahren nicht solche Schneemassen. In Ciineo reichte der Schnee bis zum ersten Stock­werke der Häuser.

Kleinere Mitteilungen.

Nagold, 10. Jan. Das Osterfest fällt in die­sem Jahre bekanntlich auf den 25. März. Es ist dies in diesem Jahrhundert das letzte Mal, daß man Ostern bereits in den Märztagen feiern kann.