118
wandten anderer Reiche beeilen sich schon schon jetzt, ihre Ankunft zu melden. Daß kein deutsches Land, groß oder klein, unvertreten bleibt, ist selbstverständlich. Es wird, so schreibt die Nat..Ztg., ein Fürstenkongreß sein, wie ihn die Welt nie zuvor gesehen. Unsere Berliner Bevölkerung ist bereits mit Begeisterung in den Festmonat eingetreten. Vor den Fenstern des k. Schlosses spielen sich Tag um Tag zur Mittagsstunde Scenen ab, die, unvorbereitet, wie sie sind, gerade durch ihre Ursprünglichkeit überraschen und fesseln. Es ist, als ob alle Tage Sonntag wäre, oder Geburtstag — Tausende und aber Tausende harren des Augenblicks, bis die Schloßwache aufzieht, um dann mit Hurrahrufen und patriotischen Liedern ihrer Freude Ausdruck zu geben, wenn der Kaiser erscheint. Berlin ist schon mitten in den weitgehendsten Vorbereitungen für die Feier. Säle für Festlichkeiten sind nicht mehr zu haben. Für Kommerse und Essen ist längst jeder Saal belegt. Gasfabriken, elektrische Unternehmungen, Lichtfabriken sind mit Aufträgen überhäuft. Kein Zweifel, die Illumination wird eine so große werden wie nie zuvor, nur viel eigenartiger und anziehender. Die Kunstindustrie arbeitet mit Anstrengung aller Kräfte. Zahllos sind die Adressen, für welche ein besonders schönes Gewand erdacht wird und die dereinst im Hohenzollern- museum ihren dauernden Platz finden werden. Für die Ausschmückung der Straßen sind ebenfalls große Vorbereitungen im Gange. Wir erfahren, daß hier wie bei der Illumination ein förmlicher Wettstreit zu neuen Formen führen wird. In zahllosen Läden der Stadt siebt man heute schon Jllumi- natwnskörper, in den Kunstläüen überwiegen die Bilder und Statuetten des Kaisers. Aus den Hotels berichtet man von einem Andrange von Bestellungen, die einen riesigen Zufluß von Fremden erwarten läßt. Auf dem Polizeipräsidium beschäftigt man sich überaus eingehend mit der Frage der Aufrechterhaltunq der Or^nuna und der Sicherheit an dem Festtage. Namentlich der Avenv des 22. März wird, falls das Wetter günstig ist, ungeahnte Anforderungen in dieser Beziehung stellen. Schw. M.
Belgien.
Brüssel, 7. März. Nachdem die hiesigen Blätter seit Wochen die Frage erörtert haben: „wer wird im nächsten Kriege unsere Neutralität verteidigen?" und nachdem sie alle zu dem weisen Schluß gelangt sind: „am besten, man verläßt sich nicht auf seine guten Freunde, sondern auf die eigene Kraft", beschäftigten sie sich jetzt mit den geplanten Befestigungen von Lüttich und Namur. Fisile-Orban hat bekanntlich vre Regierung aufgefordert, die Kammer etwas mehr in die Karten sehen zu lassin und ihre Vorschläge deutlich zu erklären und zu begründen. Er vertrat seine früheren Ansichten, daß eine Befestigung von Lüttich unnütz, fast gefährlich für das Land werden möchte. Entweder müsse in diese große Festung eine starke Garnison gelegt werden und dadurch würden die zur Bewachung der Grenzen und zur Verteidigung von Antwerpen nötigen Streitkräfte beträchtlich geschwächt, oder die Befestigungen von Lüttich erhalten eine ungenügende Besatzung und sind dann wertlos. Beernaert ui d Ponius gingen auf diese Argumente nicht ein, begnügten sich mit Allgemeinheiten, behaupteten, die gegenwärtige Besatzung werde auch später für die t t Foits ausreichen und im Üebrigen solle man doch auch einer Autorität wie Brialmont mehr Glauben und Vertrauen schenken. Allein sie sollten dies in erster Linie selbst thun. Brialmont hat deutlich erklärt, daß er zur Verteidigung res Landes eines Heeres von 160—190,000 Mann bedürfe, und daß unsere A-mee weder der Zahl, noch der Beschaffenheit nach genüge. Obgleich sitzt auch Fachleute die Ansicht von Fröre-Orban vertreten, schweigt Brialmont. Er denkt wohl, wenn die Festungen einmal gebaut seien, werden die Verhältnisse selbst die Regierung auch zu einer Vergrößerung des Heeres zwingen. Die Minister wollen bei der Kredttforderung die Kabinets- frage füllen, dazu wird wohl die viel wichtigere Frage betreffs der allgemeinen Weh! Pflicht Gelegenheit schafsin.
Kcrges- Neuigkeiten
* Oberreichenbach, 9. März. Heute vormittag 11 Uhr wurde im Siaatswald Kirchhalde der Holzhauer Leopold Kappler von einer fallenden kleinen Forche erschlagen. Der Gelötete war ein fleißiger und
beliebter Mann, er hinterläßt 6 unversorgte Kinder; vor ca. 2 Jahren starb seine Ehefrau. Möge dieser Fall alle mit Holzfällen Beschäftigte zu größerer Vorsicht ermahnen, nimmt doch namentlich ein Familienvater eine große Verantwortung mit in's Grab.
— In Ostelsheim brannte am Donnerstag morgen eine Doppelscheuer total nieder. Das Feuer war in der Scheune des Schmied Lohre zum Ausbruch gekommen und befindet sich der Letztere wegen Verdachts der Brandstiftung bereits in Haft.
Stuttgart, 7. März. (Landgericht.) Der Kaufmann Ernst Kölle in der Cannstatterstraße hier und Mechaniker W. Bräuninger hatten sich politischer Streitigkeiten wegen entzweit. Am 30. März v. I. war es in der Wirtschaft von Bäßler in der Retraitestraße zu einem von beiden Seiten mit gleicher Heftigkeit geführten Wortwechsel gekommen. Kölle entfernte sich schließlich, kehrte aber in kurzer Zeit mit seinem Sohne Ernst Philipp Kölle, Zimmermaler, zurück. Bräuninger, zugestandenermaßen angetrunken, trat wiederum an den Tisch der Beiden. Vom Zerren und Stoßen kam es zu Thätlichkeiten, wobei Kölle (Vater) einen Faustschlag ins Gesicht erhielt. Sein Sohn Karl, kaum 18 Jahre alt, ergriff nun, um dem Vater beizustehen, ein Bierglas und versetzte damit dem Angreifer einen so unglücklichen Schlag ins Gesicht, daß derselbe um sein linkes Auge kam. Das Gericht nahm zu Gunsten des Angeklagten dessen jugendliches Alter und die vermeintliche Notwehr an, hielt aber dafür, daß diese überschritten wurde, und erkannte unter Zulassung mildernder Umstände auf eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten.
Maulbronn, 9. März. Hier trägt man sich ernstlich mit dem Gedanken, höheren Orts für Errichtung einer Straßendampfbahn nach dem 3 km entfernten Bahnhof Schritte zu thun. Diese große Entfernung von der Station bildet einen schwer empfundenen Mißstand, der durch den Postbetriev nicht gehoben werden kann. Einstweilen wird eine durchgreifende Slraßenkorrektion zwischen Station und Stadt im Anschlag von 46,000 vIL vorgenommen.
U.l m , 8. März. Die seit mehreren Jahren kranke, 75 Jahre alte Zimmermannswitwe Seeg er wollte sich gestern nachmittag von ihrem Bette aus mit einer Spirituslampe einen Kaffe kochen, warf aber aus Unvorsichtigkeit die spirituslampe um, die das Bett entzündete. Bei dem Versuche, es zu löschen, wurden die Kleidungsstücke der Frau ergriffen und brannten, bis Hilfe herdeikam, lichterloh. Oogleich mittelst nassen Tüchern die brennenden Kleidungsstücke bald gelöscht wurden, waren die Verletzungen doch derart, daß sie heute abend im Hospital unter groß n Schmerzen starb.
— In Zürich wurde am Sonntag früh ein Stuttgarter Handlungsreisender im Zentralyotel von 2 Herren, Emil Krüger und Studiosus Hückstädt, derart mit Stöcken behandelt, daß sein Bewußtsein erst am Montag zurückkehrte. Der Fall ist besorgniserregend. Die Affarre kam dadurch, daß die beiden obengenannten den deutschen Kaiser und Bismarck in den unflätigsten Aus rücken beschimpften, worauf Petzsch, so soll der Stuttgarter heißen, dem einen sein Weinglas ms Gesicht goß. Die Beiden sind verhaftet.
Kgl. Standesamt Kalw.
Vom l. bis 9. Marz i887.
Geborene:
t. März. Reinhold Julius, Sohn des Reinhold Julius Hauber, Seifensieders hier. 3. » Johanna Auguste, tochter des Viktor Haeberlen. Postsekretärs hier.
3. „ Sofie, Tochter des Johann Georg Keller, stuhrknechtS hier.
5. „ Pauline, Tochter des Daniel Losch, Strnmpfwebcrs hier.
9. „ Lutte Karoline, Tochter des Johannes Rembold, Bahnwärters hier.
9. „ Walther Oskar Pbilipp, Lohn des Auaust Rettich Professors hier.
Gottesdienste um Sonntag, oen 13. März 1887.
Vom Turme Nro: l3l. Vormittags-Predigt: Hr. Helfer Braun. Christenlehre mit den Söhnen. Abendpredigt, nm d Uhr in der Kirche, Hr. Dr. Gundert.
Gotteräieaste in äer Ketboäisteakapelle am Sonntag, den 13. März 1887.
Morgens >/,!<» Uhr, abends 8 Uhr.
Tugend machen und auf dem „Stahlroß" dem nächsten Dorfe zureiten. Seufzend sing er wieder an zu treten, seufzend und schimpfend setzte er seinen Weg fort.
„Ist doch eine niederträchtige Art für einen Offizier der Cavallerie auf einem solch elenden Gefährt zu sitzen!" Da kam ihm wieder der Säbel in den Weg — er war so wüthend, am liebsten hätte er ihn weggeworfen — jeden Augenblick klapperte er an dem großen Schwungrad. - - „Herr Gott, hätte doch der Lümmel — nur wenigstens meinen Spieß mitgenommen!"
Man sieht, der Rittmeister mäßigte sich, aber er schwor, den Lümmel wenigstens zu enterben, oder, um ihm die Erbschaft zunichte zu machen, zu heiraten! —
Den Säbel hatte der Herr Rittmeister Finsterbusch endlich günstig plaziert, und zwar so, als wollte er Attaque reiten, d. h. nach Art der Ulanen, den Griff neben sich auf den Sattel geklemmt, die Spitze nach vorn. Es war ein recht kriegerisches Bild, wenn inan den Herrn Rittmeister auf dem Veloziped, das er bereits meisterhaft handhabte, so hochrot vor Zorn und von Anstrengung antraben sah, den Säbel vorgestreckt, als gelte es CarrS zu stürmen.
„Verdammt, da kommen zwei Kerls, muß der Satan die Esel auch gerad, heute hierherführen — Donnerwetter, die sind noch dazu aus meiner Schwadron. — Was machen!"
Nach seiner Gewohnheit ritt er langsamer, denn er dachte nach. Beim Veloziped ist's aber anders als beim Vollblut. Das Vollblut geht gemächlichen Schritt, das Veloziped aber, wenn man es nicht anspornt bleibt ganz stehen, sofern es nämlich ein Dreiräder ist, wie das des Herrn Wampe.
„Macht, daß ihr sortkommt! Scheret euch, wohin ihr wollt!" Mit diesen Worten trat Finsterbusch wieder energisch los und war bald den Blicken seiner Untergebenen, die sich nur verstohlen umzusehen wagten, verschwunden.
„Himmeldonnerwetter" weiter sagte der Herr Rittmeister nichts mehr, denn er fing an erheblich müde zu werden.
Da — als er gerade so mit größter Anstrengung um die Ecke bog und um ein Haar in den Graben gefahren wäre — da sieht er einen Herrn und eine Dame vor sich.
„Ah, Herr Rittmeister — wußte gar nicht, daß Sie sich auch mit diesem Sport..'
Der Herr Gerichtsrat kam nicht weiter, denn der Herr Rittmeister war nach artigem Gruß und mit den Worten! „Tausendmal Pardon! — Ich habe große Eile!" mit vorgestrecktem Säbel weitergerollt.
„Sonderbar!" sagte der Rat zu seiner errötenden Tochter.
„Ja, Papa!" erwiderte diese geistreich.
„Die ganze Stadt hat sich heute darauf versessen, hier hinaus zu rennen! Gerade den Backel (das war der Rat) gerade den mit der Tochter muß ich treffen! Donnerwetter —" er überlegte und blieb halten, er war so eifrig im Nachdenken, daß er gar nicht merkte, daß er stille hielt — offen gesagt, er war auch vom Treten ein wenig müde und hatte das Ausruhen nötig.
„Ich muß die Kleine heiraten! Warum nicht? Die Kameraden höhnen mich längst schon und necken mich mit ihr — und der Lümmel (so nannte er mit rühmlicher Konsequenz seinen Neffen) soll nichts von mir besehen! — Ja, ich werde ihr den Antrag machen, heut noch — sofort! — Da werden sie wenigstens über die Begegnung hier nicht sprechen!" —
Der kurzsichtige Herr Wampe auf der Jagd nach seinem Dreirad bediente sich der Augen des Kutschers, er hatte während der Fahrt sich auf den Rücksitz plaziert und — er glaubte es wenigstens — durch sein logisches Dotieren wieder einen Droschkenkutscher der wahrhaft liberalen (unteilbaren, allein selig machenden) Partei zugeführt.
„Dort, Herr Doktor, haben wir's", sagte der Rosselenker und wies mit dem Peitschenstiehl auf den eben mit seinem Nachdenken zu Ende gekommenen Rittmeister, welcher sein Fuhrwerk mit vieler Mühe umlenkte und dem Gerichtsrat nachzufahren sich anschickte.
(Schluß folgt.)