zug zu eröffnen, der sich unter Glockengeläute und den Klängen der Stadtmusik in Bewegung setzte. Demselben schlossen sich der Militärverein, die Feuerwehr, der Liederkranz und der Turnverein mit ihren Fahnen an. Es ging durch die beflaggte Stadt ins schöne Gotteshaus. Die Festpredigt hielt Stadtpfarrer Dieterle. Er redete über 5. Mose 8,20—25. Zuerst erinnerte er an den 2. Sept. 1870. Damals haben im Feindesland die siegreichen deutschen Soldaten das Lied: „Nun danket rc. rc. angestimmt. Auch in der Heimat sei der Jubel groß gewesen, als man von den großen Ereignissen Kunde erhalten habe. Redner sprach daun von den greifbaren Früchten des Sieges: der Feind war vernichtet und zu Spott geworden. Wie viel hatte Deutschland zuvor von Frankreich zu leiden gehabt, von Ludwig XIII. an im dreißigjährigen Kriege bis zu den Gewaltthaten Napoleons I. Frankreichs Macht war nun gebro- chen, und wir bekamen ein großes, geeinigtes Vaterland, das man so lange schon ersehnt hatte. Wem gebührt der Dank dafür? Vor allem jenen Helden, die dabei thätig waren, vom greisen König Wilhelm und seinen obersten Feldherren an bis zu den Kämpfern, die ihr Leben für Deutschlands Ehre und Ruhm opferten. Wie aber damals der oberste Feldherr Gott die Ehre gab, so sollen auch wir bei der Wiederkehr dieser Gedenktage ausrufern Lobe den Herrn, meine Seele! Leider aber hat das geeinigte Reich viele Feinde, selbst unter seinen Volksgenossen. Viele rütteln an seinem Bestand; es ist zerspalten in manche Parteien und zerklüftet. Es kommt eben (vergl. Text) nach und nach ein anderes Geschlecht auf, das jene großen Thaten nicht mehr schätzt, sondern meint, es sei selbstverständlich gewesen, daß die Deutschen haben siegen müssen, da doch damals unverkennbar eine höhere Hand eingriff. Dafür hätten die Deutschen dankbar sein und die göttlichen Gedanken verstehen sollen. Statt dessen zeigt sich bei vielen nach und nach immer mehr der Abfall von Gott. Darum kamen seither auch wieder andere Zeiten, denn: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. Lasset uns, hieß die Schlußmahnung, nicht vergessen, was Gott damals gethan. Dies soll fortklingen von Geschlecht zu Geschlecht; auch unsere Jugend soll's immer wieder hören. Auch in den patriotischen Vereinen soll diese Gesinnung gepflegt werden. Ja, lasset uns nie vergessen: Der Herr hat Großes an uns gethan, des sind wir fröhlich! —^ Nach dem feierlichen Gottesdienst versammelte sich jung und alt auf dem Festplatz. Es regnete sanft. Man sang unter Musikbegleitung: Nun danket rc. rc Dann hielt Lehrer Kleiner von hier die Festrede. In derselben wurde zuerst daran erinnert, daß unser Fest nicht nur dem 2. Sept. gelte, sondern dem ganzen herrlichen Verlauf des deutsch-französischen Kriegs. Es seien allerdings kaum jemals größere Erfolge aufzuweisen gewesen als dort bei Sedan, indem daselbst mehr als 80000 Franzosen mit ihrem obersten Feldherrn gefangen genommen worden seien. Es sei wohl auch kein Krieg zu nennen, in welchem nach nur 7monatlicher Dauer mehr als 100 Schlachten siegreich für einen Teil geschlagen worden seien. Daß infolge dieser Siege Deutschland wieder einen Kaiser aus dem preußischen Königshause erhalten habe, sei ein großer Erfolg gewesen. Dieser Kaiser sei ein Mehrer des Reichs geworden, indem Elsaß- Lothringen durch ihn zu Deutschland gekommen sei. Alle diese großen Erfolge haben wir vor allem der Gnade Gottes zu verdanken, dessen Hand in jenem Kriege sichtbar unter den Deutschen, die zu ihm um Hilfe riefen, gewaltet habe. Nach dem erfolgreichen Krieg sei Gott dafür die Ehre gegeben worden von Hoch und Nieder. Die Kinder wurden ermahnt, aus Anlaß dieser Dankfeier gute Vorsätze und Entschlüsse zu fassen, sich der Frömmigkeit zu befleißigen, ernste Beter zu werden, die religiösen Schätze als eine Quelle des Trostes in Ehren zu halten und zu benützen. „Seid wahr, treu und gewissenhaft in Wort und That! Befleißigt euch des Gehorsams!" Die Knaben wurden noch besonders gemahnt, ihren Leib abzuhärten und durch viele Leibesübungen zu stärken. Mit den Worten Gustav Adolfs, des Schwedenkönigs: „Gott ist mit uns, und wir mit Gott; wir werven Sieg erlangen!" schloß Redner, worauf ein gemeinsamer Choral gesungen wurde. — Nun kam die Jugend in aktive Thätigkeit. Drei Knaben deklamierten, Söhne und Töchter sangen patriotische Lieder. Nachdem „die Wacht am Rhein" erklungen war, setzte sich die Jugend au ihre Tische,
wo sie den städtischen Imbiß erhielten. Wettspringen um Preise in vier Bahnen, Belustigungen am Kletterbaum, Turnen und Aufführen von Spielen füllte die Zeit aus. Dazwischen erklangen ernste und heitere Weisen der Stadtmusik und die schönen Vorträge des Liederkranzes und Militärgesangvereins. Die Zahl der Teilnehmer auf dem Festplatz war groß. Mehrere Wirte sorgten für Speisen und Getränke. Nach 6 Uhr wurde zum Rückzug geblasen. Die Jugend kehrte unter Musikbegleitung in die Stadt zurück. Die Vereinen hatten sich angeschlossen. Auf dem „alten Kirchenplatz" wurde der Choral angestimmt: „Lobe den Herren, o meine Seele rc." Dies war der Schluß der schönen Feier, die zur Belebung des Patriotismus bei alt und jung beitragen möge.
* Nagold, 4. Septbr. Gestern erstattete der Gesangverein von Ergenzingen unserem Liederkranz und Stadt einen freundnachbarlichen Besuch ab. Leider war die Witterung so herbstlich kühl, daß der gemeinschaftliche Aufenthalt im Waldhorngarten nicht lange rötlich schien, deshalb zogen die Gäste nach Vortrag einiger Lieder es vor, sich in den Knodelschen Saal zurückzuziehen, wo ein gemütliches Leben durch abwechselnde Gesangsvorträge beider Vereine, die wohlverdienten Beifall ernteten, sich entwickelte; auch einige humoristische Vorträge weckten herzliche Lachlust. Mit dem gegenseitigen Ausdruck der Ehre und Freude über den Besuch durch die Herren Direktoren beider Vereine schickten die lieben Gäste sich an, gegen 9 Uhr den Heimweg anzutreten.
** Nagold, 4. Sept. Am kommenden Mittwoch vormittags 9 Uhr findet hier aus Anlaß der jährlichen Bezirkssynode ein Gottesdienst statt. In demselben wird Pfarrer Müller von Ebhausen die Predigt halten. Die Verhandlungen selbst beginnen unmittelbar darauf im Zellersaal. Hauptgegenstand der Besprechungen ist außer dem dekanatamtlichen Bericht das Thema: Unsre Stellung zur Bekenntnisfrage, worüber Stadtpfarrer Dieterle von hier referieren wird. — Nächsten Sonntag den 10. Sept. wird hier von nachmittags 1'/- Uhr das jährliche Bezirksmissionsfest gefeiert. Als Redner bei demselben werden u. a. auftreten die Missionare Daur von Kornthal und Fritz von Stuttgart.
* Nagold, 4. Sept. Der heurige reiche Obster- trag gab unserem Gemeinderat Veranlassung, in hiesiger Stadt einen Obstmarkt und zwar nächsten Samstag erstmals zu errichten (s. Inseratenteil). Hiebei wäre es vielleicht angethan, wenn starke Zufuhren zuvor angekündigt würden, um Käufern von großen Quantitäten die Erstellung der Keller, Fässer rc. zeitig zu ermöglichen.
> Altensteig, 3. Sept. Die am Samstag im Gasthof „zum grünen Baum" vom hies. Kriegecverein veranstaltete Sedanfeier nahm einen sehr schönen Verlauf. Der hies. Liederkranz leitete die Feier mit dem Lied „Brüder reicht die Hand zum Bunde" ein, worauf Herr Präzeptor Schnürle die kernige, von echt patriotischem Geiste durchdrungene Festrede hielt, welche er mit einem dreifachen Hoch auf unfern deutschen Kaiser schloß. Den übrigen Teil der Feier füllte der Liederkranz mit seinen präzis ausgeführten Gesangsvorträgen aus, welchem der verdiente Beifall von Seiten der Anwesenden zu Teil wurde. Nachdem noch ein anderer Redner die Verdienste des verstorbenen Königs Karl als Mitbegründer des neuen deutschen Reiches hervorhob und ein Hoch auf unfern König Wilhelm ausgebracht hatte, ging die Versammlung mit dem Bewußtsein, einen genußreichen Abend verlebt zu haben, auseinander.
E» Haiterbach, 3. Sept. Gestern früh Punkt 5 Uhr verkündeten Böllerschüsse und die Wirbel der Tagwache der hiesigen Einwohnerschaft die Wiederkehr des Sedanfestes. Um 7 Uhr versammelten sich die Schüler sämtlicher Klassen zu einer Schulfeier dieses nationalen Festtages. Sie bestand in Ansprachen der Lehrer und dem Gesang vaterländischer Volkslieder seitens der Schüler. Den Schlußakt der Schulfeier bildete jdie Verteilung von Sedanbretzeln an die Schuljugend. Auf Einladung des Kriegerverems fand abends im Gasthaus zur Linde eine zahlreich besuchte gesellige Vereinigung statt, die durch Reden und den Vortrag patriotischer Gesänge sehr belebt war. Der heutige Sonntag brachte noch eine kirchliche Nachfeier. Nach dem Zusammenläuten zum Hauptgottesdienst sangen die Schüler der oberen Klassen mit ihren Lehrern: Großer Gott wir loben dich rc. Dann folgte der Zug der Schüler
zur Kirche, dem sich der Kciegervein, die bürgerlichen Kollegien und noch weitere Teilnehmer anschlossen.
N Oberjettin gen, 2. Sept. Bei der hier gestern vorgenommenen Schultheißenwahl haben von 178 Stimmberechtigten 175 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Es erhielt Gemeindepfleger Bai- tinger 63, JohS. Renz, Gemeinderats Sohn 52, Gemeinderat Köhler 33 Stimmen. Weitere Stimmen erhielten Gemeinderat Fleischle u. res. Schultheiß Renz.
Stuttgart, 30. Aug. (IX. allgem. Vereinstag der deutschen landw. Genossenschaften.) Die Zahl der Teilnehmer am Kongreß beträgt 220. Unter dem Vorsitz von Dr. Havenstein-Bonn wurden heute die Verhandlungen fortgesetzt. Dr. Nuckern- Bitburg führte aus, daß sich die Form der eingetragenen Genossenschaft zur Anwendung für ländliche Biehversicherungsvereine besonders eigne, wenn die kleinen Vereine sich zu Nückoersicherungs-Genossen- schaftsverbänden zusammenschließen. Ein Vertreter aus der Schweiz teilte mit, daß dort eine ganze Anzahl von Kantone an die baldige obligatorische Einführung der Viehversicherung denke. — Um eine Besserung der Absatzverhältnisse für Molkeceiprodukts anzubahnen, empfiehlt Mahlstett Oldenburg die Gründung von Verkaufsvereinigungen innerhalb der Molkereigenossenschaften. — In Verbindung damit beantragt Chambeau-Pcenzlau die Bildung starker leistungsfähiger Butterverkaufs-Berbände und aus diesen heraus die Schaffung eines Zentralorgans. Das sei der beste Weg, um ein gegenseitiges Unterbieten des Preises zu verhindern. — Inzwischen war ein K. Kabinetschreiben eingelaufen, in welchem S. M. der König sein Interesse an den Verhandlungen kundgab, welches natürlich mit großem Beifall ausgenommen wurde. — Dr. Schneider-München sprach über den Antrag des württ. Verbandes, betr. den Verkauf der landw. Erzeugnisse auf genossenschaftlichem Wege ohne Zwischenhandel. — Große Genugthuung rief die Mitteilung hervor, daß verschiedene Armeekorps — man nennt das 7. und 17. — die landw. Produkte nur noch direkt von den Produzcnien beziehen wollen und man will sämtliche Korpskommandanten um ein ähnliches ersuchen. Gutsbesitzer Pleher-Lichtenthal sprach gegen die Verfälschung der Butter und des Fettkäses. Hier müsse eine Aenderung der Gesetzgebung herbeigeführt werden, dahingehend, daß die Vermischung von Margarine mit Rahm oder Milch zur Buttcr- fabrikation verboten wird. Das Gleiche gilt bezüglich des Fettkäses. Hiermit war die Tagesordnung der öffentlichen Verhandlungen erschöpft. — Aus den geheimen Verhandlungen erwähnen wir noch eine an die württ. Eisenbahndirektion beschlossene Eingabe um Herabsetzung der Fracht für Buttertransporte. —> Kceisrat Haas dankte noch für die gute Aufnahme der Gäste im Schwabenland und erklärte den nennten Verbandstag für geschlossen. Heute machen die Teilnehmer noch eine Lustfahrt nach dem Hasenberg.
Villa Seefeld, 31. Aug. Se. Königliche Majestät haben auf die Nachricht von dem Ableben des Obersts a. D. v. Sautter den Hinterbliebenen Allerhöchst Ihre aufrichtige Teilnahme an dem erlittenen Verluste aussprechen zu lassen geruht.
Würzburg, 31. Aug. In der dritten öffentlichen Versammlung des Katholikentags sprachen Antoni aus der Pfalz, Professor Ehrhardt-Würzburg, Graf Tarucca aus Oesterreich und Abgeordneter Dr. Lieber; letzterer erklärte, das Zentrum werde nicht Nachlassen in seinen Bestrebungen. Das durch den Zivilkabinetschef Geheimrat Dr. Lucanus übermittelte Danktelegramm des Kaisers rief große Begeisterung hervor. — Der heutigen letzten öffentlichen Versammlung des Katholikentages wohnte Bischof v. Stein von Würzburg bei. Licentiat Heuser-Augsburg sprach in äußerst wirkungsvoller und geschickter Weise gegen die Gottlosigkeit der Sozialdemokratie und richtete unter stürmischem Beifall der Versammlung einen warmen Appell an die evangelischen Brüder, die mit den Katholiken doch eins seien im Glauben an Christus den Gekreuzigten, um die Ungläubigen gemeinsam zu bekämpfen und den christlichen Staat und die christliche Kirche zu retten und zu erhalten. Rechtsanwalt Schmitt-Mainz sprach über die Papstfrage und über die territoriale Unabhängigkeit des Papstes. DaS Dilemma bestehe. Italien habe den heiligen Vater seines Eigentum beraubt und dieses sein Unrecht wieder gut zu machen. Italien habe dazu die Wege zu ebnen. Vorsitzender Graf Galen schloß dann mit einer den Verlauf der Tagung zusammenfassenden Ansprache den 40. Katholikentag.