Herrenberg, 5. Mai. Der neugewählte Stadt­schultheiß Haußer ist gestern abend von Biberach hier eingetroffen und mit Böllerschüssen vom Schloßberg und Musik begrüßt worden. Auch der Turnverein hatte mir Fackeln am Bahnhof Aufstellung genommen und derLiederkranz" ließ das Lied:Sei uns in unserm Kreis willkommen" ertönen. Bei der gemüt­lichen Unterhaltung imOchsen". nach dem man sich im Zug begeben hatte, brachte der neue Stadtschult­heiß ein Hoch auf das Wohl Herrenbergs aus. Die Amtsübernahme wird in etwa 8 Tagen erfolgen.

Calw, 4. Mai. Heute hatten wir einen rechten Schreckenstag. Kurz nach 1 Uhr ertönten die Sturm­glocken. Im Hinterhause des an der Straße nach Hirsau gelegenen, wohlbekannten Gasthofsz. bodi- schen Hos" war Feuer ausgebrochen, das in kurzer Zeit das Hintergebäude und die angebaute Kegel­bahn samt einigen prächtigen Obstbäumen zerstörte. Da auf dem Dachraum Heu und Stroh aufbewahrt war, so fand das Feuer reichliche Nahrung und drohte schon das Hauptgebäude zu ergreifen. Der angestrengten Thätigkeit der Feuerwehr gelang es jedoch, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Der Schaden ist beträchtlich; eine in der Miete wohnende Familie verlor ebenfalls ihre ganze Fahrnis. Entstehungsursache unbekannt. Kaum waren die Feuerwehrmänner zu Hause, als um 5 Uhr wieder Alarm geschlagen wurde. Es brannte am entgegen­gesetzten Ende der Stadt in der Kratzensabrik, der sogenannten Walkmühle von Fabrikant Baumann. Der Schaden ist hier groß, da die meisten Maschi­nen unbrauchbar geworden sind und die Gebäude sehr gelitten haben. Das Feuer ist wahrscheinlich durch Heißlaufen einer Walze entstanden.

Wildbad, 2. Mai. (50jähriges Jubiläums- Festschießen des Schützen-Vereins Wildbad.) Mit hoher Befriedigung kann dieWildbader Schützen­gilde" auf den Verlauf ihres Jubiläumsschießens zurückblicken. Aus ihre Einladung hin hatten sich besonders zahlreich die Schützen der Nachbarstadt Neuenbürg eingefunden, ferner waren vertreten die Gilden von Calw, Hirsau, Weil der Stadt, Pforz­heim, Mannheim, Heilbronn, Hall, Eßlingen und Stuttgart; alles zusammen waren es mit den hiesi- gen Schützen 65 Schießende. Um '/s2 Uhr mar­schierten die Schützen in gemeinsamem Zug mit der Wildbader Feuerwehr-Kapelle nach dem Schießplatz auf den Windhof, wo nun in regem Eifer geschossen wurde, bis die Nacht hereinbrach. Galt es doch nicht bloß eine silberne Festmünze zu erringen, welche in gelungener Gravierung ein wertvolles Andenken an Wildbad und sein Jubiläumsschießen bildete, sondern in erster Linie wurde der Eifer der Schützen angespornt durch die prachtvolle Ehrengabe Seiner Majestät des Königs, welche, in einem hohen silbernen Pokal bestehend, in dem Gabentempel an erster Stelle prangte. Die übrigen Ehrengaben waren nicht blos zahlreich, sondern auch sehr wert­voll ausgefallen. Abends fand im Gasthaus zum kühlen Brunnen" eine musikalische Unterhaltung mit Tanz statt, wobei den hiesigen Schützen als bleiben­des Angedenken ein silberner Vereins-Pokal, den ebenfalls die Frauen und Jungfranen Wildbads ge­stiftet hatten, von Frl. Rometsch mit einer Ansprache übergeben, mit großem Dank angenommen und mit edlem Naß eingeweiht wurde. Bei dem gemeinschaft­lichen Festessen auf demWindhof" sprach der Schützenmeister, Wilh. Treiber, den erschienenen Schützen den Dank der hiesigen Gilde aus und en­dete seine Rede mit einem Hoch auf Seine Majestät den König. Hieraus erhob sich der Landesschützen­meister Föhr, dankte Namens der eingeladenen Schützen für die Einladung zu dem in so gelunge­ner Weise arrangierten Feste. Oberschützenmeister Kiefer erwiderte hierauf mit einem Dank für die Einladung und forderte sämtliche Schützen zu einem Hoch auf den altbewährten Landesschützenmeister Föhr auf, in das alles brausend einstimmte.

Stuttgart, 5. Mai. Im Hause Nr. 25 der Thorstraße hier begoß Versicherungsbeamter M., der im 2. Stock daselbst wohnt, sämtliche Möbel eines Zimmers mit Petroleum und zündete sie dann an; während es brannte, schoß er sich durch den Kopf und wurde tot aufgefunden, als ein Schutzmann in die Wohnung drang. Die Berufsfeuerwache löschte das Feuer. M. war ein entlassener Lehrer; seine Frau ist vorgestern in der Hebammenschule von einem Sohne entbunden worden. Das eheliche Leben

ließ viel zu wünschen übrig; M. soll auch dem Trünke ergeben gewesen sein.

Stuttgart, 5. Mai. Landtag. Die Kammer der Standesherren nahm heute die Beratung des Etats des Ministeriums des Innern vor. Die Fürsten von Jagstberg und von Löwen stein traten zu Gunsten einer Revision der Feuerlösch-und Waldfeuerlöschordnung ein. Dem ersteren Redner will es namentlich scheinen, als ob der Eifer der pflichtigen Feuerlöschmannschaften bei Brand­fällen auf dem Lande bedeutend im Abnehmen begriffen sei. Ueber die Petition der oberamtlichen Revisionsassistenken um Besserstellung ihrer ökonomischen Lage ging das Haus ohne weiteres zur Tagesordnung über. Bei Kap. 31 trat Fürst von Langenburg zu Gunsten einer etatsmäßigen Anstel­lung der Oberamtstierärzte ein, wie dies in Baden bereits der Fall ist. Bei späterer Gelegenheit sprach Fürst Hohe n- lohe-Langenburg zur Lage verdeutschen Landwirt­schaft. Es werde niemand bestreiten können, daß seit Ab­schluß der Handelsverträge mit Oesterreich, Italien und der Schweiz Grund und Boden im Wert bei uns zurückgehen. Durch einen Handelsvertrag mit Rußland machen wir dieses Land kapitalkräftiger und Deutschland ärmer. Der Abschluß des Vertrags bedeute für Deutschland eine große Gefahr, denn wir werden einfach nachher nicht mehr existieren können. Persönlich anwesend im Hause war heute Herzog Wil­helm von Württemberg.

Stuttgart, 6. Mai. Kammer der Standcs- Herren. Heute ist der Kammer eine Petition, betreffend den Bau einer Lokalbahn von Buchau nach Schussenried zuge­gangen. Bei der Beratung des Kultusetats stimmte das Haus der Pensionsberechtigung der Landwirtschaftsinspektoren, sowie der Exigenz für Entsendung von vier Professoren der Technischen Hochschule nach Chicago zu. Sodann begann man mit der Beratung des Justizetats, wobei auch dem im andern Hause schon zur Sprache gekommenen Wunsch nach Anlage von Pfiegschaftsgeldern auch in andern deutschen, also nicht allein württembergischen, Staatspapieren Ausdruck gegeben wurde.

Ludwigsburg, 4. Mai. Die Königinnen der Niederlande sind gestern abend mit einem Gefolge von 40 Personen hier eingetroffen zum Besuche des Hofes.

Regierungspräsident v. Luz in Reutlingen ist an Lungenentzündung erkrankt. Die letzte Nachricht lautete, daß das Fieber nachgelassen habe, aber eine nicht unbeträchtliche Schwäche zurückgeblieben sei.

Villingen, 4. Mai. In Donaueschingen sind heute früh 3 Häuser abgebrannt. Der Brand­platz des am 26. April fast vollständig abgebrann­ten Ortes Klengen war am vergangenen Sonn­tag wohl von etwa 10,000 Personen besucht. Auf der Bahnstation Marbach trafen Tausende aus Württemberg (Schwenningen rc.) ein. Für die Brand­beschädigten sind beim Kassier Herr Julius Stern in Villingen schon etwa 16,000 ^ eingegangen. Aus allen Gegenden des Landes und auch aus Württemberg treffen täglich viele Gaben ein, so daß den vielen Unversicherten ein Teil ihres Schadens an Mobilar und Gebäudefünftel wird ersetzt werden können.

Freiburg i. B., 5. Mai. Der Kaufmann Willmann in Riegel erschoß seine vierzehnjährige Tochter und dann sich selbst.

Kiel, 4. Mai. Bei dem gestern gemeldeten Anrennen eines Bootes des Schiffsjungenschulschiffs Moltke" im Kieler Hafen sind 7 Schiffsjungen er­trunken.

Altona, 4. Mai. Heute mittag wurde die Ehefrau Hausen in ihrer Wohnung von drei Män­nern überfallen, geknebelt und an einen Bsttpfosten festgebunden. Die Räuber raubten 500 ^ und entflohen

Die Zentrumsfraktion wählte an Stelle des Grafen Ballestrem, der die Wiederübernahme des Vorsitzes der Fraktion entschieden abgelehnt hatte, den Grafen Hompesch zum Vorsitzenden.

Ueberraschung erregte am Mittwoch im Reichs­tag das unerwartete Eintreffen der Elsaß-Lothringer. Wie verlautet, haben sie sich durch die dringliche telegraphische Aufforderung des badischen Centrums dazu bestimmen lassen.

Berlin, 5. Mai. DieKreuzztg." erfährt aus Paris: Marschall Mac Mahon ist bedenklich erkrankt; sein Zustand ruft Besorgnis hervor.

Deutscher Reichstag. Am Dienstag hatte der Reichs­tag den Antrag der Ahlwardtkommission, daß die Beschuldi­gungen des Abg. Ahlwardt durch sein übergebenes Aktenma­terial nicht erwiesen sind, angenommen. In der Mittwochs­sitzung wurde bei dichtbesetztem Hause und überfüllten Tri­bünen in die zweite Beratung der Militärvorlage eingetreten. Ueber die Verhandlungen der Militärkommission, die bekannt­lich alles abgelehnt hat, berichtet Abg. Gröber (Ctr.). Abg. Althaus (frs.) beantragt Aufnahme der zweijährigen Dienst­zeit für die Infanterie in die Verfassung und Bewilligung der Friedensstärke der Armee in Höhe von 486983 Mann vom 1/10. 1893 bis 31/3. 1895. Abg. v. Hüne (Ctr.) be­antragt, die Friedensstärke vom 1/10.1893 bis 31/3.1899 auf 479229 Mann festzusetzen. Abg. Gröber (Ctr.) betont, daß, der Antrag Hüne von der Militärkommission jedenfalls abge.

lehnt worden wäre. Reichskanzler Graf C a p r i v i befürwortet nochmals die neue Heeresorganisation und legt dar, daß sie vor allen Dingen dazu dienen soll, dem deutschen Reiche seine heutige Machtstellung zu erhalten. Alle Generale seien darin einig, daß wir in letzter Zeit in den militärischen Rüstungen hinter den Nachbarstaaten zurückgeblieben seien, es müsse also etwas zur Sicherung des Vaterlandes geschehen. Die poli­tische Lage sei ernst, und wenn ein Krieg erst da sei, sei es zu spät, an neue Rüstungen zu denken. Diplomatische Kunst allein könne nicht alles machen. Es handle sich hier um Ehre und Zukunft der Nation, namentlich müsse auch das Schicksal der Grenzbezirke in einem neuen Kriege berücksichtigt werden. Wirksame Beweise gegen die Vorlage seien nicht ge­geben, was die Kostendeckung betreffe, so wolle die Reichsrc- gierung gern anderweite Vorschläge hören. Werde die Vor­lage abgelehnt, so würden jedenfalls Handel und Verkehr aufs Schwerste getroffen. Annehmbar sei als Aeußerstes der Antrag Hüne. Im Falle von Neuwahlen würden die ver­bündeten Regierungen aber diese Konzession nicht machen können. Redner fordert den Reichstag auf, das zu thun, was für den europäischen Frieden, die Ehre und die Sicherheit des Vaterlandes erforderlich ist. (Beifall.) Kriegsminister v. Kaltenborn legt nochmals die militärischen Seiten der Vorlage dar, die so billig wie möglich sei und nichts unaus­führbares verlange. Abg. v. Hüne (Ctr.) befürwortet seinen Antrag. Redner erkennt die Notwendigkeit einer bedeutenden Armeeverstärkung an. Auf Antrag des Abg. v. Manteuffel (kons.) vertagt sich der Reichstag, damit die Fraktionen den Antrag Hüne näher prüfen können. Donnerstag wurde die Verhandlung fortgesetzt.

Deutscher Reichstag. Die zweite Beratung der Militärvorlage wird bei stark besetztem Hause fortgesetzt. Abg. Richter (frs.) bezeichnet eine so kolossale Heeresoer­stärkung, wie sie hier gefordert werde, als unnötig, da Deutschland hinreichend stark sei. und sich zu dem auf den Dreibund stützen könne. Die militärischen Sachverständigen urteilten einseitig und könnten nicht allein den Ausschlag ge­ben. Deutschland habe schon schwerere Militärlasten als die übrigen Großmächte, die Finanzlage sei so ungünstig, daß schon für kulturelle Zwecke das Geld fehle. Der Reichskanz­ler habe die Konservativen gestern gelobt, aber dieselben Kon­servativen errichteten jetzt einen Bund der Ledensmittelver- teurer. Man spreche von einem Konflikt; aber wenn der Reichstag eine Maßregel ablehne, müsse sie eben unterbleiben, sonst werde Verfassungsbruch geübt, und die Revolution von oben vorbereitet. Gort möge die Regierung vor ihren Freun­den schützen, besonders vor dem Ag. v. Hüne. (Beifall links, Zischen rechts.) Reichskanzler Graf Caprivi erwidert, die Regierung sei stolz, den Abg. v. Hüne zu ihren Freunden zählen zu dürfen. Abg. Richter wolle eben die Notwendig­keit der neuen Vorlage nicht einsehen. Deutschland müsse so stark sein, daß in einem neuen Kriege der Feind überhaupt nicht ins Land könne, denn dann würden Lasten und Kosten weit größer sein. Die Vorlage sei im Interesse der Sicher­heit des dent,chen Reiches erforderlich, wenn auch die Reichs­regierung bereit sei, sich dem Antrag Hüne zu begnügen. Wenn Neuwahlen erforderlich werden sollten, werde der Antrag Hüne die Wahlparole der Regierung sein. (Beifall rechts.) Abg. Frhr. von Stumm (freikons.) befürwortet den Autrag Hüne, der geeignet erscheine, eine Verständigung herbeizu­führen, ohne die Sicherheit des Reiches zu gefährden. Abg. Bebel (Soz.) erklärt sich gegen die Militärvorlage, die der ganzen modernen Kulturentwicklung zu widcrlaufen. Er hofft, daß bei den bevorstehenden Neuwahlen die Ideen der Arvcitcrbevölkerung den Sieg über die Rcichsregierung da- voutragen würden. Alsdann wird die Weiterberatung der Militäroorlage bis Freitag Mittag 12 Uhr vertagt. Ob Freitag Spätnachmittag die Abstimmung erfolgen wird, ist fraglich, wenn auch nicht unmöglich. Wahrscheinlich erfolgt die Entscheidung am Sonnabend Abend.

DieNat.-Zlg." bemerkt:Noch geben wir die Hoffnung nicht auf, daß eine Mehrheit für die HeereSverstärkung sich sogar in diesem Reichs­tage von 1890 findet; wenn aber nicht, so wird eine starke Minderheit dafür in den Wahlkampf gehen, während die Parteien der Mehrheit durch die Vor­gänge innerhalb des Zentrums und der freisinnigen Fraktion unzweifelhaft moralisch ernstlich geschwächt sind; in diesen Parteien selbst haben sich Zeugen gegen die Zulässigkeit des Verhaltens der ersteren erhoben. So viel ist unbestreitbar: in keinem ande­ren Lande der Welt brauchen derartige Kämpfe um die Stärke der Wehrkraft durchgefochten zu werden und doch ist kein anderes Land so darauf ange­wiesen, mit dem Schwerte seine nationale Existenz zu wahren, wie das deutsche Reich. Wir beklagen, daß die Dinge auf dem Punkte angelangt sind, wo wir uns jetzt befinden, und wir glauben, daß manches anders hätte kommen können, wenn anders wäre verfahren worden. Aber sollte der Wahlkampf un­vermeidlich sein, so zählen wir, trotz der herrschenden Verwirrung und Verstimmung, auf die Wirkung, die eine Frage von der Einfachheit und verhängnisvollen Tragweite der von den Wählern vorzulegenden auf diese üben muß.

Berlin, 5. Mai. Die gestrige Rede Richters fand wiederholt auch im Zentrum Beifall. Richter, vorzüglich disponiert, sprach mit großem Feuer, mit dem ganzen Aufgebot seiner Mittel. Rickert sah unmutig vor sich hin. Die Blätter stimmen in der Auffassung überein, daß die gestrige Debatte des Reichstags keine Klärung der Lage geschaffen habe.