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Samstag den 18. Mär)

1893 .

Rach fünf Jahren

Wie doch die Zeit dahinflicgt! Fünf Jahre sind bereits verstrichen, seit in der frühen Morgenstunde eines kalten u. rauhen Märztages der I. Hohenzollern- kaiser, der greise Kaiser Wilhelm I., die Augen zum ewigen Schlummer schloß. Biel Beschwerde und Sorge war dem Nestor'unter den Fürsten im Ver­lause seines langen Lebens beschicden, im hohen Greisenalter richtete sich noch die Waffe eines Mord­buben auf den ehrwürdigen Fürsten und führte ihm schmerzende Wunden zu; aber alle Kümmernisse ver­blassen vor der wahren und herzlichen Zuneigung, welche die deutsche Nation dem Oberhaupte des Rei­ches widmete. Wir erkennen heute so recht, was an dem alten Kaiser das Große war, wenn eine Anzahl von hervorragenden Männern zusammenwirkte, den Grundstein zu legen, auf welchem der Bau des neuen deutschen Reiches sich erheben sollte, Kaiser Wilhelm I. ist es vor allen Dingen gewesen, welcher Kaiser und Reich den deutschen Stämmen lieb und teuer machte. Der greife Kaiser, der auf harte Lebenserfahrungen zurückschaute, war keine geniale Feuernatur, aber alle guten Charaktereigenschaften des echten deutschen Mannes schmückten ihn, und sie brachten uns des Reiches Wicderhersteller auch menschlich nahe. Das war vom größten Wert, denn man blieb nicht immer in der enthusiastischen Begeisterung, unter welcher has neue Reich entstand. Kaiser Wilhelm I. war es. welcher dafür sorgte, daß Deutschlands Bürger die Entwicklung unserer inneren Verhältnisse nicht mit dem kühlen, kritischen Verstände allein, .-sondern auch mit warmem Herzen betrachteten. Und Kaiser Fried­rich, der nach gramvollem, entsetzlichem Leiden so bald der Tod vom Thron riß, den er nach dem Tode des Vaters bestiegen, trug dieselbe Seelengüte im Herzen, und Tausenden und Abertausenden ist er näher getreten durch die Leutseligkeit seines We­sens, durch den freundlichen, gemütvollen Humor, der ihn beseelte. Es ist zutreffend, wenn s. Z. be­tont wurde, der Kummer um des einzigen Sohnes Schicksal habe des alten Kaisers Kraft gebrochen und sein Hinscheiden herbeigeführt.

Seitdem sind fünf Jahre vergangen; nichts ist geschehen, was dem Recht und der Verfassung des deutschen Reiches widerspräche, niemand kann behaup­ten, daß Deutschland im Geringsten an dem gelitten habe, was die Wurzel des Gedeihens aller Staaten ist, au der Befolgung des strengsten Rechtes für alle. Unser Kaiser bestieg den Thron, beseelt von schönen Hoffnungen, und es mag ihm wohl vorgeschwebt haben, eine Versöhnung und Befreundung zwischen bisher einander widerstrebenden Elementen des Staa­tes herbeizuführen. In seiner letzten Rede, welche der Monarch auf dem Festmahle der Brandenburger in Berlin gehalten hat, hat derselbe die Zuversicht geäußert, es werde ihm gelingen, alle diejenigen zu­frieden zu stellen, welche zufrieden sein wollen. Und das ist das Höchste, was überhaupt auch dem mach tigsten Herrscher zu erreichen möglich ist. Die neue Zeit hat im rastlos vorwärts stürmenden Drange Zustände und Gebilde geschaffen, denen keines Men­schen Hand bestimmte Formen zu geben vermag, ebensowenig, wie sein Wille ermöglichen kann, den verschiedenen Faktoren des öffentlichen Lebens be­stimmte Richtschnuren vorzuschreiben. Wir leben in einer Periode ungeheurer und allgemeiner Gährung, in welcher mit Gewalt sich Luft zu machen sucht, was lange zurückgehalten worden ist, in welchen ganz verschieden erscheinende Elemente einander nähern, wieder ähnliche sich abzusioßen scheinen. Dieser Gährungsprozeß braucht seine geraume Zeit bis zum Abschluß, der nicht gewaltsam oder Plötzlich herbei­geführt werden kann, der von selbst eintreten muß. Die Aufgabe des Staates und seines Oberhauptes ist es hier vor allen Dingen, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, und dafür zu sorgen, daß die Auseinandersetzung sich genau im Rahmen der Ge­setzgebung vollzieht. Es wäre ums ganze Staats­wesen geschehen, wenn es gelänge, das Bollwerk der Gesetzgebung zu sprengen, das von allen, vom Ersten bis zum Letzten, beachtet und geachtet werden muß.

An dieser Festigkeit und Energie hat cs der Kaiser niemals fehlen lassen und wir haben auch zahlreiche Vorkommnisse zu verzeichnen, in welchen uns der Monarch mit seinem teilnehmenden und empfänglichen Herzen nahe getreten ist, wie sein Vater und Groß­vater. Und will sich dieser oder jener Wunsch, der an und für sich berechtigt ist, noch geltend machen, so wird doch nicht zu vergessen sein. daß man nicht immer nach Acußerlichkenc» urteilen kann. Vielleicht würde manches in ganz anderem Lichte erscheinen, wenn volle Klarheit über einzelne Vorgänge gegeben werden könnte. Monarchen und Regierungen haben gewiß die Pflicht, aus ihren Ueberzeugungen und Grundsätzen kein Hehl zu machen, und wenn ein Fürst in dieser Beziebung seinem Volke Offenheit gegeben hat. gerade, ungeschminkte Offenheit, die sich in Worte kleidet, an denen nichts sich drehen oder deuteln läßt, so hat dies Kaiser Wilhelm II. gethan. Aber, die Interessen des Staates machen unter Um­ständen auch Schweigen zur Pflicht, und steht ein Kaiser noch so hoch, so steht er doch nicht über den nationalen Interessen. Wer dies ruhig erwägt, dem wird vieles klar werden, woran sich manch' lebhafter Meinungsstreit knüpft.

Kaiser Wilhelm II vereinigt in sich eine ganz außer­gewöhnliche, rastlose Arbeitsfreudigkeit und Schaffens­lust. Es ist seit seinem Regierungsantritt unver­kennbar ein energischerer, rascherer Charakter in die Erledigung aller Regierungsachen gekommen, und das Wort des Kaisers hat manche Dinge beflügelt, die sonst langsam sich von Bureau zu Bureau schlep­pen. Streng verfassungsrechtlich ist des Kaisers Re­gierung, und darum trifft auch der Widerstreit über einzelne Züge in der Regierungspolitik auch nicht das Oberhaupt des Reiches. Es ist ein fatales Zu­sammenkommen gewesen, welches in demselben Moment sehr große soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten mit der Durchführung großer Reformgesetze vereinte, die nicht ohne wesentliche Lasten durchgeführt werden konnten. Die sozialpolitische Gesetzgebung, besonders die weit umfassende Alters- und Jnvalidcn-Bersi- cherung für Arbeiter, ist noch unter der Reichskanz­lerschaft des Fürsten Bismarck geschaffen. Der ei­serne Kanzler war ein welterfahrener Mann und hätte er voraussehen können, daß ein so rapi­der Niedergang des ganzen wirtschaftlichen Lebens eintreten würde, wie er that'ächlich eingetreten ist, so würde vielleicht manches unterblieben sein, was so ins Leben gerufen wurde. ES gilt, mit Ruhe und Sachlichkeit über den herrschenden kritsichen Stand der Dinge fortzukommen, weder die Flinte ins Korn zu werfen, noch aber sich in exzentrischen Ansichten zu ergehen, als ob das deutsche Reich nächstens an allen vier Ecken brennen würde. Wer mit Recht zu klagen hat, der hat das Recht, laut seine Stimme zu erheben, und sie wird dann auch nicht ungestört verhallen, denn wir sind in Deutschland und nicht etwa im Zarenreiche. Aber wir werden um so schneller vorwärts kommen, wenn alle Kreise sich gegenseitig Zugeständnisse machen.

Ueber Obstbau. (Aus einem Bortrag des Schultheißen und Baumschulbesitzers Roll in Am- lishagen.) Zu einer richtigen Baumpflege gehört auch eine Düngung der Obstbäume und in die­ser Hinsicht wird noch Vieles unterlassen, oder nicht in richtiger Weise ausgesührt. Will man den Baum mit Erfolg düngen, so muß man demselben auch seine Nahrung dazubieten suchen, wo die Wurzeln, welche die Nahrung aufsaugen und dem Baum zu­führen, vorhanben sind. Man nimmt an, soweit die Kronenäste und -Zweige in den Luftraum hinaus­reichen, so weit breiten sich im Verhältnis die Baum­wurzeln auch im Boden aus. Die feinen äußeren Faserwurzeln saugen vorzugsweise die Nahrung auf und in deren Nähe müssen wir den Dünger unter­zubringen suchen. Wir düngen deshalb in der Weise, daß wir der Traufe der Krone entsprechend, bei äl­teren Bäumen einen Schritt von der Traufe der Krone einwärts, spatenstich weite und spatenstich tiefe Stufen auswerfen, oder auch eine Furche im Kreis ziehen, was in regelmäßig angelegten Baumgütern,

namentlich in Baumwic;ec>, auch mu dem Pflug geschehen kann. In diese Stufen oder Furchen bringt man Gülle Mistjauche oder mit Wasser verdünnten Abtrittsdung, welchem noch Asche bci- gcmischt wird. Am besten ist es, rechlzeitig im Früh­jahr oder im Sommer, namentlich in Grasgärten etwa nach der Heuernte zu düngen. Düngt man im Sommer, so gefchiebt dicie bei regnerisLer Witterung; wenn bei trockenem Boden gedüngt nnrd, wird im Sommer noch Wasser nachgegosfen. Man rechnet auf einen kleineren Baum 23. auf einen grö­ßeren 36 Kannen des erwähnten, mir Äsche ver­mischten Düngers. Statt dem Auswer'en von Stufen können auch mir dem Erdbohrer oder msi einem Hopfeneisen Löcher in den Boden gemacht und in diese der Dünger gebracht werden. Der Erfolg einer solchen Düngung ist ein sehr günstiger: Die Bäume wachsen viel kräftiger, setzen mehr Fruchrholz au und tragen viel reichlicher und das Obst wird viel schöner und vollkommener. Bei jüngeren Bäumen ist auch ein Unterhacken von Komposterde um den Baum von sehr günstiger Wirkung Seit jüngerer Zeit wird auch Kunstdünger mit günstigem Erfolg für Obstbäume angewendct und hielt hierüber Herr Professor Strebet in Hohenheim bei der Haupt­versammlung des Württembergischen Obstbauvcreins im Februar l89l einen sehr interessanten Vortrag über Kunst-Dünger für Obstbäume, über dessen In­halt die Monatsschrift des ObstbauvcreinsDer Obstbau" in Nr. 4 folgendes berichtet:Zur Dün­gung eignen sich, beziehungsweise sind nötig 1) die Phosphate, 2) die kalireichen Mittel. DaS Tho­masphosphat ist mit Erfolg in die Landwirtschaft eingesührt. Das Mehl löst sich nur nach und nach; somit wird dabei eine plötzliche Ueberschwemmung der Pflanze mit Nährstoffen vermieden, es findet viel­mehr eine Art richtigen, allmählichen Fütterns statt. Für die Zwecke des Obstbaues würde sich die grö­bere und billigere Sorte des Thomasmehls am ebesten eignen. Die Superphosphatc sind zwar leicht löslich, aber dem Thomasmehl nicht überlegen. Die Zufuhr von Kali erfolgt durch Chlorkalium das sich im Boden rasch und tief verteilt und nicht schon von den obern Schichten des Bodens absolviert, aufge­saugt wird. Somit ist zu empfehlen in erster Linie: Thomasphosphat: in zweiter L>nie kommen die Su­perphosphate. -eiden Mitteln wird Kali zuaegeben in Gestalt von Calmkalium. Mit diejcr Mischung hat Professor Wagner in Darmstadt Versuche ge­macht und günstige Wirkungen erzielt. Für die Mischung selbst empfiehlt sich ein Gemenge von gleichviel Thomasmehl (oder Superphosphat/ und Chlorkalium. Auf 100 gm rechnet man 6 Kilo I dieses Gemenges. Man streut im November die f Mischung unter die Traufe des Baumes und gräbt i sie dort unter; im Mürz läßt man Chilisalpeter, '23 Kilo auf 100 gm. folgen, welcher gute Kali­dünger, als im Wasser sehr leicht löslich, sofort den Wurzeln zugeführt wird. Die Kosten einer derar­tigen Düngung werden sich auf I ^ 40 für 100 gm belaufen. Die Düngung eines etwa drei­ßigjährigen Baumes stellt sich auf 3035 Wei­

ter wurde von Professor Strebel auch die Anwen­dung genannter Mischung von Kunstdünger beim Baumsatz durch Einmischung zu der Erde empfohlen und die guten Erfolge, die hiebei hinsichtlich des Wachstums der Bäume erzielt wurden', heroorgeho» ben. Das beschriebene Gemenge kann auch mit Wasser oder Gülle zu einem flüssigen Brei ange­rührt und die Mischung mittels eines Erdbohrers den Wurzeln zugeführt werben. Für oen Baumsatz empfiehlt Herr Professor Strebe! den Dünger scbon im Winter einzustrcuen und dann erst im Frühjahr zu pflanzen; hervorgehoben ist in dem genannten Vortrag, daß die Anwendung von Kunstdünger beim Baumsatz sich besonders da empfehlen dürfte, wo an den Platz eines eingegangenen Baumes ein anderer gesetzt werden soll. Pflanzen wir nun schöne Bäume, pflegen wir unsere Obstbäume besser und düngen wir auch solche in rechter Weise, dann werden wir auch reichlichere Obsterträge bekommen, besonders dann, wenn wir auch im Besitze passender Obstsorten sind.