Wort. Dafür sah man die Herren Landboten alsbald nach den heiligen Hallen des kgl. Hofbräuhauses wallen, wo seit Sonnabend der Quell des Hofbräu­hausbockes fließt, der daS wundervollste bedeutet was sich der bierkundige Münchener denken kann. Alle, ohne Unterschied der Partei, lobten sic den Finanz­minister, der so wundersame Labsal brauen läßt. Ganz im Widerspruch mit den anspruchlosen bierdemokra- tischen Gepflogenheiten der Münchener schlürfen aber die Herrn Landboten den würzigen Trunk im abgeschlossenen wolligen Separatraume. In Hof und Hallen dagegen drängt sich dasgewöhnliche Volk," als da sind Präsidenten der obersten Gerichtshöfe. Schneidergesellen, Soldaten, Ministerialräthe, arme und reiche Rentner, Studenten, Universitätsprofessoren, ehrsame Bürgerfrauen rc.

Ueber den Gebrauch der Schußwaffen durch Wachtposten hat der bayerische Kriegsminister v. Safferling vor kurzem eine Instruktion erlassen, die dahin geht, daß ein Soldat nur in dem Fall von der Schußwaffe Gebrauch machen darf, wenn ein ge­waltsamer Angriff erfolgt oder Gefahr für sein Le­ben zu befürchten ist; in allen anderen Fällen ist das Schießen den Posten untersagt.

Frankfurt a. M., 6. Mai. Die Frankfurter Zeitung erhält über Marseille die Nachricht, der Defraudant Jäger habe sich auf einem französischen Dampfer unter falschem Namen nach Ceylon einge- schifft. Der dortige deutsche Konsul ist beauftragt, Jägers Verhaftung vorzunehmen. Die Frankfurter Zeitung giebt übrigens die Möglichkeit zu, daß ein Irrtum in der Person des Verfolgten vorliege.

Potsdam, 6. Mai. Der Kronprinz wurde anläßlich seines zehnten Geburtstages in das erste Gurde-Jnfanterie-Regiment ausgenommen. Der Kaiser hielt folgende Ansprache an das Regiment:Mit dem heutigen Tage tritt Mein ältester Sohn nach alter Tradition in die Reihen der Armee. Wenn er auch wegen seiner Jugend noch nicht im Stande ist, alle militärischen Hebungen mitzumachen, so hat er doch den besten Willen dazu. Ich selber denke noch mit Dank und Freude dieser Zeit, welche Ich unter den Augen meines hochseligen Großvaters erlebte." Zu dem Kronprinzen sagte der Kaiser:Nun, mein Sohn, tritt ein und thue Deine Schuldigkeit." Der Kron­prinz trat mit den anderen Prinzen ein, der Kaiser führte das Regiment im Parademarsch der Kaiserin vor. Der Kronprinz wurde allen fremden Offfzieren und Attaches vorgestellt. Im Stadtschloß fand Nach­mittags größere Festtafel statt, wobei der Kaiser auf das Wohl des Kronprinzen trank.

DerN. Fr. Pr." zufolge sendete Fürst Bismarck nach Fiume ein Telegramm, worin ec dem jungen Paare (Grafen Herbert Bismarck und Gräfin Mar­garethe Hoyos) feinen herzlichsten Segen erteilt und die Freude ausdrückt, seine junge Schwiegertochter bald kennen zu lernen.

Der Altreichskanzler Fürst Bismarck wird voraussichtlich Ende Juni in Kissingen zu längerem Aufenthalt eintreffen.

In Königsberg i. Pr. hat das dortige Kürassier- Regiment in diesen Tagen sein I75jähriges Jubi­läum gefeiert.

Aus Berliner Hoskreisen verlautet, der Besuch der russischen Kaiserfamilie am deutschen Kaiserhofe sei jetzt offiziell angemeldet. Die Abreise aus Petersburg soll am 21. Mai erfolgen. Ob die Reise erst nach Berlin oder erst nach Kopenhagen geht, dürste von der herrschenden Witterung abhängig gemacht werden.

Die Weltausstellung in Berlin wird, wenn nicht ganz besondere Zwischenfälle eintreten, im Jahre 1897 doch zu Stande kommen. Die Angelegenheit unterliegt zur Zeit der Prüfung durch den Reichs­kanzler und den preußischen Handelsminister, die im Prinzip dem Projekte durchaus geneigt sind, und sicher in Detailfragen keine unüberwindlichen Schwierig­keiten erheben werden. Daß der Kaiser der Idee sehr sympathisch gegenübersteht, ist bekannt.

Die Zahl der Altersrenten ift seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Jnvaliditäts- und Altersver­sicherung, also seit I. .Januar 1891 bis zum 3l. März d. I. (in 65 Wochen) auf 143 959 gestiegen, un welche jährlich rund 18 Millionen Mark Alters­rente gezahlt wird; außerdem treten seit 18 Wochen die ersten Arbeiter-Invaliden auf, deren 1503 ins­gesamt etwa 300 000 jährlich bereits beziehen. Welche reale Leistung haben die Führer der Sozial­demokraten der Jahreszaylung von 18 300 090

gegenüberzustellen? Hätten die parlamentarischen Ver­treter dieser Partei das ganze, von ihnen so gering geschätzte Wohlthätigkeitsgesctz zu Falle gebracht, wie sie gern wollten, wer hätte den 145 562 alten, in­validen Arbeitern eine ähnliche Unterstützung gezahlt? Es wäre wünschenswert, wenn man den sozialdemo­kratischen Hetzern gelegentlich einmal solche Fragen vorlegen wollte.

Berlin, 5. Mai. Zur Feier des morgigen zehnjährigen Geburtstages des Kronprinzen treffen die Prinzen Heinrich und Albrecht, der Regent von Braunschweig, sowie die übrigen Prinzen in Pots­dam ein; ebenso werden sämtliche Minister erscheinen.

Berlin, 6. Mai. Der bekannte Chemiker Dr. August Wilhelm Hoffmann, Professor an der hiesigen Universität, ist heute Nacht gestorben.

Berlin, 7. Mai. Das Tageblatt meldet aus Sansibar: Unverbürgten Meldungen von Arabern zufolge wäre Emin Pascha gestorben.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 6. Mai. Heute um Mitternacht beginnt der allgemeine Kutscherstreik. Der greise Freiherr v. Schmerling ist schwer erkrankt.

Lemberg, 7. Mai. Wie polnische Blätter be­richten, mußten zufolge strenger Handhabung des Fremdengesetzes vorgestern mehrere tausend Juden Odessa verlassen.

Frankreich.

Paris, 6. Mai. Die Mehrzahl der Blätter sieht in dem Sturze Rudinis den Beweis dafür, daß das italienische Parlament den Dreibund nicht mehr wolle. DasJournal des Debats" meint, die Demission werde in Anbetracht der unzweifelhaften Ehrlichkeit der Absichten und des Patriotismus Rndi- nis gewiß das Bedauern Europas Hervorrufen. Rudini sei an dem Widerspruch zwischen den Verpflichtungen der Allianz einerseits und der Ersparungspoluik andererseits gescheitert.

Den- Franzosen erwachsen aus den Anarchisten immer neue Verlegenheiten: Der wegen seiner Pariser Verbrechen zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte Ravachol hat bekanntlich früher schon einen Raubmord verübt, aus dem natürlich die Todesstrafe steht und wegen dessen er von dem Schwurgericht der Stadt Montbrison abgeurteilt werden soll. Ravachols Ge­nossin haben mit neuen Attentaten gedroht, wenn ihr Freund zum Tode verurteilt und hingerichtet werde, und die heldenhaften Bewohner von Montbrison haben nunmehr furchtbare Angst und wünschen Ravachol mit seinem Prozeß ins Pfefferland. Der Prozeßbeginn ist thatsächlich hinausgeschoben, aber das wird doch nicht zu lange dauern können, wenn der anarchistische Uebermut nicht alle Grenzen übersteigen soll.

Pariser Kopflosigkit. Der Sorge wegen des 1. Mai sind die Pariser nunmehr ledig, aber das Zittern nimmt bei ihnen darum kein Ende. Die Anarchisten sind nach wie vor der Gegenstand des Gespräches aller Kreise, bis zur Kinderwelt hinab. Die Gassenjungen, namentlich in den Vorstädten, spielen mit Vorliebe Ravachol, wie sie sonst Kcicg- führen, Räuber und Gendarmen und Buffalo-Billsche Rothäute gespielt haben.

In Paris sind jetzt 357 Munizipalwahlen aus Städten und Hauptorten bekannt, von denen 257 republikanisch ausgefallen sind. 73 Hauptorte haben ausschließlich republikanische Gemeinderäte, in Narbonne ist der Gemeinderat ganz sozialistisch, 14 Orte haben ganz ultramontan gewählt.

Belgie n-H o l l a n -.

Brüssel, 6. Mai. Die Ausweisung aller frem­den Anarchisten ist in vollem Gange. Nicht nur Anarchisten, sondern auch alle verdächtigen Fremden erhielten Befehl, das Land binnen 24 Stunden, zu verlassen:

Italien.

Rom, 5. Mai. Das Kabinet Rudini wurde nach heftigen Angriffen Giolittis gegen dessen Fi­nanzpolitik mit 10 Stimmen Minorität gestürzt.

Das italienische Kabinett ist gestürzt. Die Kammer lehnte die Tagesordnung Grimaldi, wonach die Kammer die Erklärungen der Regierung billigt und zuk Tagesordnung übergeht, mit 193 gegen 185 Stimmen ab. Marchese die Rudini erklärt, er werde die Befehle des Königs entgegennehmen. Die Sitzung wurde aufgehoben.

England.

Die Königin Victoria von England und der Prinz und die Prinzessin Battenberg sind in der

Nacht zum Dienstag aus Darmstadt noch Londorr zurückgereist. Der König und die Königin von Sachsen sind am Dienstag von ihrem Ausflug nach Stuttgart wieder in Dresden cingetroffen.

Rußland. --

St. Petersburg, 6. Mai. Die Nordische Te legramm-Agentur bestätigt aus bester Quelle, daß die Getreidekommission außer der Freigabe des Exports der augenblicklich vorhandenen Haber- und Mais- Vorräte aus Libau, Riga und Reval auch einer solchen aus Archangel zugestnnmr habe. Desgleichen sei die Freigabe der Maisausfuhr aus dem gesamten Russenreich genehmigt.

Von anderer Seite wird gemeldet, die Aufhebung, der Verbote der Haber und Maisausfuhr sind als Symptome für die Aufhebung aller Ausfuhrverbote anzusehen. Die Freigabe der Weizenausfuhr ist für 15. Mai zu erwarten, während die Roggenausfuhr am l. Juli freigegeben wird, falls sich bis dahin die Ernteanssichten nicht verschlechtern.

Amerika.

New-'Jork, 6. Mai. Der Expreßzug aus San Francisco soll beim Passieren des Missiouri-Fiusses mit der Brücke in den Fluß gestürzt sein. 7 Per­sonen wurden getötet, 15 verletzt.

Kleinere Mitteilungen.

Freuden st adt, 3. Mai. Wozu der Geiz füh­ren kann, zeigt folgender Vorfall: Bei dem heute hier stattgehabten Krämermarkt stahl eine verheira­tete, in sehr guten Vermögensverhältnissen stehende Wirrsfrau aus einer benachbarten Gemeinde, Mutter mehrerer Kinder, einem Schuhmacher ein Paar Schuhe, einem Flaschner einen Schaumlöffel und in einem hiesigen Kaufladen eine Taille. Die Diebin wurde unter großem Auflauf verhaftet und sieht ihrer Be­strafung entgegen.

Eine vollständige Korruption im Znchthause nannte nach demKi. Jour." dieser Tage m einer Kölner Strafkammervechaudlung der Rechtsan­walt das Treiben des Arresthaus-Aufsehers Drcwke, der seit langen Jahren in der Strafanstalt ange­stellt, sein Amt dazu benutzte, den Zwischenträger zwischen verurteilten Verbrechern und deren Ange­hörigen zu spielen und für jene Eßwaren und Ta­bak einzuschmuggeln, wofür er von je 10 3

von je 5 ^ 2 ^ in seine Tasche steckte, wenn er die Beträge nicht ganz unterschlug ! Die Gefangenen, mit denen der pflichtvergessene Beamte solche Ge­schäfte machte, wurden von ihm in auffälliger Weise bevorzugt, die ihm nichts einbrachten, behandelte er schlechter. Der Staatsanwalt beantragte 4 Jahre Zuchthaus, das Gericht aber billigte dem Angeklag­ten mildernde Umstände zu und ließ es bei einem Jahre Gefängnis bewenden. Die in dem Prozeß vernommenen Zeugen waren meist Mörder, Räuber und Einbrecher, die unter starker Bedeckung aus dem Zuchthause dem Gericht vorgeführt wurden.

In Lübeck auf dem dortigen Marktplatz ist am Montag den 2. Mai ein seltenes Jubiläum gefeiert worden. Eine Gärtncrsfrau mit Namen Sonnen­berg hat nämlich den Tag gefeiert, an dem sie vor 50 Jahren zum ersten Mal den Wochenmarkt bezo­gen hatte, damals gewiß mit volleren, rosigeren Wangen als jetzt. Die als durchaus zuverlässig und ehrlich bekannte Frau hat seitdem an keinem Tag auf dem Markt gefehlt. Die Polizeibehörde, die die Marktaufsicht führt, hatte der Jubilarin in Anbe­tracht ihren guten Eigenschaften einen bekränzten Marktstuhl überreicht, Bekannte und Freunde hatten eine Bowle Punsch gestiftet, die am frühen Morgen schon aus das Wohl der Alten, wobei ein Polizei­beamter das Hoch aufdie tapfere Gärtnersfrau" ausgebracht hat, geleert worden ist. Ein Lübecker Blatt meint schließlich scherzhaft, daß sich sonst im Allgemeinen die von der Polizei verehrtenSitzge­legenheiten" keiner großen Beliebtheit erfreuten.

Eine eigentümliche Wirkung hat die Selbstein- schätzung zur Einkommensteuer in Naumburgge­habt. Dem vor Jahresfrist dort verstorbenen Stadt­verordneten, ehemaligen Apotheker Vielstich sollte von der Stadt ein Denkmal gesetzt werden, das be­reits bei seinen Lebzeiten angefertigt war. Da je­doch die Erbin des Verstorbenen ein weit höheres Einkommen angegeben hat, als das von dem Erb­lasser versteuerte, weigern sich die Stadtverordneten, einem Manne ein Denkmal zu setzen, der die Stadt Jahre lang uni eine Menge Prozente der Einkom-