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62. Jahrgang.

Aro. 6.

Amts- um! IntekkigenMatt für äen Aezir^.

Zrscheint Atenrlas, Donnerstag L Samstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Aamstag, äen 15. Januar 188?.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

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ganz Württemberg 2 70 H.

'H'otitische WcrcHvicHten.

Deutsches Reich.

Berlin, 12. Jan. Die Berathung über die Militärvorlage wird heute fortgesetzt und blieb unerledigt. Zur Sache sprachen Abg. v. Helldorf (kons.): er glaube, daß, was der Reichskanzler gesagt hat, Alles dasjenige enthält, was in der gegenwärtigen Lage überhaupt gesagt werden kann, dies verdiene unsere volle Aufmerksamkeit. Es würde geradezu den nationalen Interessen widersprechen, auf diesem Gebiete noch weitere Mitteilungen zu machen, die, wie sich Jeder sagen kann, nicht gemacht werden können. Hasenclever (Sozialdem.): Daß die gestrigen Verhandlungen im Auslande keinen schlechten Eindruck gemacht haben, sei er überzeugt, man konnte dort daraus ersehen, daß man im Reichstag Frieden wolle. Im Reichskanzler aber habe Herr Döroulöde seinen Meister gefunden (Gelächter, in das auch Bismarck einstiwmt). Man wirft uns Arbeitern vor, wir hätten keinen Patriotismus; wo soll er Herkommen, wird das Volk doch chrkaniert durch das Sozialistengesetz und die Putlkamerei. Die Rede des R rchskanzlers wird in der französ. Nationalversammlung die Wirkung haben, daß der französ. Kriegsminister mehr durchsetzen wird, als ohne dies geschehen wäre. Wir werden gegen jeden Mann und jeden Groschen stimmen. Krieasminister v. Bronsart führt in längerer Rede die Grundsätze aus, die dre Veranlassung zur Regierungsvorlage waren. Abg. Dr. v. Windthorst (Centrum: Wir bewilligen jeden Mann und jeden Groschen auf B Jahre. Es spricht noch der Reichskanzler, worauf die Vertagung beschlossen wird. Nächste Sitzung morgen Donnerstag 11 Uhr. , - .

Berlin, 13. Jan. Die Spannung in allen Kreisen ist jetzt auf's Höchste gestiegen, da die Abstimmung im Reichstag erwartet wird; alle Bänke sind dicht besetzt; Moltke' s Worte werden mit Aufmerk­samkeit gehört, die auch dem Welsen von der Dccken, wenn auch in anderem Sinne, zu Teil geworden war. Der Erguß des neuen Freundes der Volks. Partei wurde stillschweigend hingenommen, worauf Eugen Richter das Wort nimmt, um mit Umschreibungen das voraussichtliche Wahlmani. fest der Freisinnigen zu erläutern. Seine Beschwerden über die Art, wie die Majorität des Reichstages vom Reichskanzler behandelt werde, erregt große Heiterkeit, welcher die Freisinnigen und Ultramontanen durch lauten Beifall sekundieren. Die polnischen Resolutionen verteidigt Richter mit dem Motiv, daß es aus Rücksicht auf deutsche Interessen geschehen sei. Aber auch nicht ein einziges Zeichen des Beifalls wurde laut, die Halt» losigkeit des Richter'schen Motivs konnte nicht drastischer erwiesen werden.

KeuiLl'eton.

Verlorene Ehre.

Roman von W. KSffer.

(Fortsetzung.)

Ehe wir noch unseren Bestimmungsort erreicht hatten, teilte er mir mit, daß wir von jetzt an einen anderen als seinen wirklichen Namen in das Fremdenbuch der Hotels schreiben müßten. Seine Familie habe entdeckt, daß er sich für verheiratet ausgab, ihm drohte Verfolgung und materieller Schaden die Namensänderung war ja eine Kleinigkeit, wie er meinte. Mir bereitete sie sogar ein Vergnügen. Die Verwandten, die sich bestrebten, um ihrer albernen Standcsvorurteile willen glückliche Menschen zu trennen, hatten ja gewiß reichlich verdient, daß man sie betrog.

So lebten wir bald hier bald dort. Viktor blieb immer zärtlich und aufmerk­sam gegen mich, aber die Hindernisse unserer wirklichen Vereinigung waren immer noch nicht hinweggeräumt; auch wechselten wir mit jedem Hotel den Namen. Trotz­dem fehlte zu meinem Glücke Nichts, eben, well ich mich geliebt wußte nnd well ich wieder im altgewohnten Ueberfluß schwelgen durfte. Wir machten immer ein großes Haus, ich wurde gefeiert, bewundert wie hätten mir die Schatten des Lebens nahen können? Viktor erzählte, daß es ihm Spaß mache, mein Talent für fremde Handschriften zu einer Autographensammlung zu benützen, alle imitiert, zwar, aber darum doppelt interessant; er erklärte mir mit vielem Stolz, daß ich dieser Fertigkeit wegen unter seinen Freunden eine gewisse Berühmthell erlangt habe, und brachte bei solchen Gelegenhellen immer ein Blatt, das ich einschließlich des Namenszuges copieren wußte. Dachte ich über die Sache jemals wirklich nach, so hielt ich sie für eine harm­lose Spielerei, ich glaube aber, auch das geschah nur selten. Einen Verdacht gegen Viktor habe ich niemals gehegt.

Wie wir auf unserer Tour in Wien gewesen waren und wie ich dort die Ge- nugthuung hatte, aus den seidenen Polstern meiner Karosse der Gräfin spöttisch ohne

Die Berufung Richter's auf einen Artikel der WienerNeuen freien Presse", der die Majorität des Reichstags gegen den Reichskanzler in Schutz nimmt, konnte nur Staunen über die Dreistigkeit erwecken, mit der Richter sein eigenes Opus als Aeußerung eines ausländischen Blattes vorliest. Einen groben Effekt erzielte Richter bei seinen Freunden mit der kaum ernst zu nehmenden Darlegung, daß es nach der Theorie des Kanzlers kein Ministerium, keinen Generalstab des Kaisers gäbe, sondern daß olles vom Parlaments­willen da sei, weil es jährliche Bewilligungen nötig habe. Tie allerdings kapriolenhafte Gebahrung der politischen Pastoren derKreuzzeitung" und desReichsboten" geben Richter die willkommenen Handhaben, die Haltung der oppositionellen Majorität zu verteidigen. Die Konservativen fühlten denn auch den Schlag, den sie so erhielten. Ihre Erklärungen in der Parteipresse, daß sie für einjährige oder dreijährige Bewilligung lieber eintreten möchten, wenn sich das Aeternat nicht erreichen ließe, hat nun die unausbleibliche Folge gehabt, die zu beschauen der Kreuzzeitungspartei unliebsam genug sein mag.

Berlin, 14. Jan., 3 Uhr. Der Antrag Stauffcnberg (3jährige Bewilligung) ist mit 186 gegen 154 Stimmen angenommen.

Berlin, 14. Jannar, 4 Uhr. Reichstag, kaiserliche Ordre, sofort anfgelöst.

Oesterreich.

Wien, 12. Jan. Die Presse betont, was Bismarck gesagt, sei übe.zeugend für jeden Redlichen. Die Bemerkungen über Frankreich zeigten Achtung vor der französischen Nation, und das stolze deutsche Machtbewußt» sein, welches er ausdrückte, sei frei von jeder Verletzung fremder Empfindlich­keit. Das Schwergewicht seiner Ausführungen liege im Appell an gewisse Reichstagsabgeordnete. Die Wahrung des Deutschen Reiches sei die Parole für die Abstimmung des Reichstags oder die Neuwahlen. Das Fremden- blatt hebt den warmen, herzlichen Ausdruck hervor, in welchem Bismarck gestern in Durchführung seiner Friedensmissson Oesterreichs gedacht. Wenn Bismarck den Einfluß der Dreikaisermächte auf die Befestigung des Friedens hervorgehoben, wenn er die freundlichen Beziehungen dieser Mächte zu ein­ander betont, so könne dies Oesterreich nur mit hoher Befriedigung erfüllen.

Frankreich.

Paris, 12. Jan. Man meldet der Straßb. P.: Die Rede Bis­marcks, die vom frühen Morgen an durch Zeitungsverkäufer auf der Straße ausgcrufen wird, macht hier großes Aufsehen. Der erste Eindruck

Gniß in's Gesicht zu sehen, so verlangte es mich im Stillen unablässig, auch nach Hamburg zu kommen, und dort, wo man mein tiefstes Elend gekannt, im Glanze des aristokratischen Namens und des Reichtums wieder einzuziehen. Als ich endlich wagte, diesem glühenden Verlangen Worte zu geben, da traf es auf Viktor's ent­schiedene Weigerung.

Das geht nicht, Kind!" sagte er.Es wäre für uns Beide sehr gefährlich. Bedenke, daß Dein Vormund Dich ohne Zweifel wiedererkennen würde."

Ich fühlte, wie sich in der Erinnerung au den Verhaßten mein Gesicht mit plötzlicher Röte überzog.

Das soll er ja gerade!" rief ich.Das ist's ja, was ich wünsche! Ich will ihn mit kältester Nichtachtung behandeln."

Aber Viktor wollte von meiner Idee während längerer Zeit nichts wissen, bis ich ihm endlich vorstellte, daß ja das Geheimnis, welches uns umgab, gegen jede Neugier gesichert sei, so lange wir im Hotel lebten.

Er wird nicht kommen und nach dem Taufscheine fingen", sagte ich stockend. Ueberdies ist es auch Deine Absicht, mich späterhin zu heiraten nicht wahr, Viktor?"

Er antwortete mit einer Liebkosung.

Ein Trauschein, Schatz? Hm! Unsere Hochzeit kann ja jenseits des At­lantischen Oceans gefeiert worden sein derartige Dokumente hat man für den Not­fall sehr leicht zur Disposition ich meinte aber, daß es nicht geraten wäre, gerade den Ort aufzusuchen, an welchem Deine Erscheinung die allgemeine Neugier erre­gen müßte."

Und doch wäre dieser Tag für mich ein Hochgenuß!" sagte ich seufzend.

Vielleicht bestimmte ihn mein immer wiederholter leidenschaftlicher Wunsch vielleicht war es das Schicksal, welches den Verbrecher trieb, sich selbst der gerechten Wiedervergeltung entgegen zu stürzen genug, wir kamen nach Hamburg, und mein Frohlocken, mein Jubel kannte keine Grenzen. Die Pracht, welche wir jetzt entwickel­ten, überstieg alles Frühere; die Hoffart, womit ich den Bekannten meiner Jugend zu imponieren versuchte, war eben so lächerlich als verhängnisvoll schon am zwecken Tage erschien mein Vormund und forderte Rechenschaft.