62 . Jahrgang
Mo. 4
Amts- uml Intelkigenzbkatt Eür äen Aezir^.
Erscheint Kieustag, Z>o««er»tag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile in, Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 11. Januar 1^^?.
Abonnewentspreis halbjährlich 1 80 -H, durch
die Post bezogen iw Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 «iL 70 H.
Bestellungen
auf das Wochenblatt werden heute noch für das kommende Quartal entgegen' genommen und bercils erschienene Nummern nachgeliefert. Auswärts abonniert man bei den Postboten oder bei der nächsten Postanstalt.
Wed. und Krped. des ßakwer Wochenblatts.
Amtliche Wekanntmachirngen.
Calw.
An die Ortsvorsteher.
Nach einer Anzeige des Oberamlsbaumwarts werden viele Obstbäume von Wild angenagt, ohne daß deren Eigentümer etwas davon wissen und ihre Bäume durch Einbinden (zur Zeit eignet sich hiezu Stroh oder Tannenreis) schützen. Es werden deßdalb die Orlsvorsteher aufgesordert, die Baum» besitzer ihrer Gemeinden ohne Säumen entsprechend zu belehren.
Den 10. Januar 1887. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
'Aokrtrfche Wachvichten.
Deutsches Reich. ^
— Die Feststellung des Berichts der Militärkommission ist in dreistündiger Sitzung erfolgt. Den Anfang der Verhandlung machte die Berichterstattung des Äbg. Buhl als Referenten über die zum Gegenstände bisher eingegangenen Petitionen. Buhl bemerkte, daß 109 Petitionen mit etwa 19,000 Unterschriften eingegangen seien und schilderte kurz und gruppenweise den Ursprung und das Petitum derselben. Ricke:t und Richter protestierten gegen die sogenannten Entrüstungskundgebungen, ebenso Windthorst. Die Beratung schloß mit dem herkömmlichen Antrag, die Petitionen durch die im Plenum zu fassenden Entscheidungen für erledigt zu erklären. Es folgt dann die Verlesung des Berichts durch den Abgeordneten v. Huene. Derselbe gab nur an ganz wenig Stellen zu redaktionellem Bedenken Anlaß. Bei der Zurückhaltung der für die Regierungsvorlage günstigen Parteien gewinnen die Opposititionsredner in der Darstellung namentlich auch deshalb äußerlich ein Uebergewicht, weil die von dem Kriegsministcr gemachten Gegenargumente zum großen Teil vertraulicher Patur waren. Freiherrn v. Huene
JeuiLteLorr. m-chd«-
Verlorene Ehre.
Roman von W. Köster.
(Fortsetzung.)
Jetzt erst verstand er ihr Schweigen, ihr ganzes großherziges Verzichten auf jede Genugthuung, jeden Ersatz des Geraubten. Es war die Rücksicht gegen ihn selbst, von der sie sich in erster Linie leiten und bestimmen ließ. Und wie vorhin seine unglückliche Frau, so sagte auch er sich: Sie muß Denjenigen, dem sie ohne Besinnen alles opfert — sie muß mich lieben!"
Julius' Herz schlug schneller; sogar in dieser schrecklichen Stunde fühlte er die Seligkeit des Gedankens. Ja, ja, sie liebte ihn, und noch mehr, jetzt war es keine Sünde, das zu wissen, es ihr zu sagen — jetzt durfte er hoffen, das ganze volle Glück des Lebens dereinst sein eigen zu nennen. Nur gewaltsam rieß er sich los von dieser schmeichelnden, Alles beherrschenden Idee. Die bittere Wirklichkeit forderte gebieterisch ihre Rechte. — Was sollte er jetzt der schuldigen, grenzenlos unglücklichen Frau sagen?
Sie tonnte in seinem Hause nicht bleiben, es war unmöglich, mit ihr ferner das Leben zu teilen, aber ehe er das Urteil sprach, wollte er doch von ihr selbst hören, inwieweit sie wissentlich gegen ihn gesündigt hatte.
Als er das Schlafzimmer betrat, saß sie zusammengekauert im Halbdunkel der herabgelassenen Vorhänge. Nur die Uhr tickte unangenehm hörbar, sonst war in dem lauschigen kleinen, gegen das Gärtchen gelegenen Raum Alles todenstill. Die junge Frau erschrak nicht, sie hob kaum den Kopf, ihre Blicke blieben gesenkt.
Etwas Mitleid schimmerte in den Zügen des beleidigten Mannes. Auch diese Bedauernswerte hatte ihn glühend und selbsllos geliebt.
wurde für die rasche Ausarbeitung des Berichtes große Anerkennung gezollt. Die zweite Beratung im Plenum soll am Dienstag, den 11. d. M., vor sich gehen, sodaß die dritte Lesung auch noch möglicherweise in die nächste Woche fallen kann. Die Entscheidung über die Heeresvo. rlage ruht jetzt bei dem Reichstage selbst. Auf die Mitwirkung der deutsch-freisinnigen Partei kann nicht mehr gerechnet werden. Beharrt diese und das Centrum bei ihrem Streben, die parlamentarische Macht auf Kosten der Festigkeit und Sicherheit unserer Wehrkraft zu vergrößern, so haben wir ohne Zweifel in wenigen Tagen die Reichstagsauslösung.
— Von den Studierenden der evangelischen Theologie in Bonn ist ein Aufruf an die Studenten der evangelischen Theologie in Deutschland erlassen worden, welcher Anschluß fordert an eine dem Reichstage zu unterbreitende Bittschrift, dahingehend: der Reichstag wolle dahin wirken, daß das Recht auf Teilnahme an der allgemeinen Wehrpflicht den Studenten der Theologie bewahrt bleibe.
Frankreich.
Aus Bordeaux wird dem Schw.M. geschrieben: Sehr wichtig zur Lage ist die Kenntnis dessen, was das wirkliche französische Volk denkt und nicht nur was die Zeitungen für gut finden zu sagen oder zu verschweigen, und da geht es durch alle Schichten des Volks hindurch: „Krieg wollen wir keinen, aber Elsaß-Lothringen müssen wieder zu uns kommen und dazu ist uns kein Opfer zu groß!" Da sie nun aber wohl wissen, daß ihnen diese Provinzen nicht, von selbst in die Hände fallen, so macht man sich eben auf den unvermeidlichen Krieg gefaßt. Ganz allgemein gilt der Satz, sobald Kaiser Wilhelm die Augen schließt, ist der Krieg da, weil man daraus hofft, daß das deutsche Reich-mit dem Tode seines ersten Kaisers in inneren Verfall geraten werde. Die Thatsache des auszufechtenden Kriegs wird von Niemand bezweifelt, nur der Zeitpunkt ist unbestimmt, obgleich allgemein das nächste Frühjahr genannt wird. Früher sagte man: „Wir zwingen durch unsere Rüstungen Deutschland, so lange fortzurüsten, bis es bankerott ist!" ,1m xuerro ä piäoos cke cent 8ou8" nannte man es im Volke; aber nun sie sehen, daß ihr Steuerfaden bald nicht mehr straffer gespannt werden kann, ohne zu brechen, kommt die Wut und der Neid mit all seinen häßlichen Folgen zum Durchbruch und gemeines Hetzen ist an der Tagesordnung, wie in den Julitagen 1870. Eigene Zeitungen werden gegründet, um den „mnuckito allem»nä8" die Meinung zu sagen, und gleichzeitig die Namen der hier wohnenden Deutschen veröffentlicht, damit ja der liebe Pöbel gleich weiß, wo er die ?ru88ien8 zu suchen hat, wenn es losgeht. Die Stimmung ist für den Krieg und schließlich muß eine französische Regierung losschlagen, weil die Steuerschraube nicht noch mehr angezogen werden kann ohne bestimmtes Ziel.
„Wir müssen uns jetzt über die nächste Zukunft mhig zu vereinbaren suchen", sagte er, ohne sie indessen bei den: gestohlenen Namen, unter welchem er sie kennen gelernt, anzureden. „Ich werde für Dich thun, was in meinen Kräften steht — darauf darfst Du Dich verlassen."
Ein nervöses Zittern durchlief die regungslose Gestalt. Elisabeth erhob den Kopf und faltete ihre Hände. Es schien, als wolle sie sich ihm zu Füßen werfen.
Aber er wehrte ihr.
„Laß^as!" — Zwischen uns ist jede Beziehung erloschen. Es gibt Dinge, über die hinweg eine Verzeihung der Ehrlosigkeit gleich käme, und Dein Fall ist ein solcher. Ich will nur wissen, wie alle diese empörenden Einzelheiten innerlich Zusammenhängen, hauptsächlich inwieweit Dir das Zuchthaus etwa jetzt noch droht und zwar, um danach meine Maßregeln zu treffen. Was ich Dir vorhin zusicherte, war eine materielle Unterstützung.
Ihre verwirrten Blicke fixierten die seinigen.
„Julius", kam es heiser und klanglos über ihre Lippen, „Julius vergib mir!"
Er schüttelte den Kopf.
„Das kann ich nie — nie im Leben. Es ist vergebens, davon zu sprechen. Eine ehemalige Strafgefangene kann keines ehrlichen Mannes Weib mehr sein."
„O", schrie sie, „o barmherziger Gott, Du verstößest mich!"
„Nicht ich!" versetzte er ernst und langsam. „Du selbst hast es gethan durch Deinen schamlosen Betrug. Du hast abermals Zuchthausstrafe verwirkt. Unsere Ehe besteht seit der Entdeckung aller dieser schmachvollen Verhältnisse nicht mehr zu Recht, hat niemals zu Recht bestanden. Und jetzt sprich, wer bist Du in Wirklichkeit —?"
Sein Ton voll Verachtung zerriß ihr das Herz.
„O, Du bist grausam, Julius, Du bist grausam. — Seit ich Dich kennen lernte, war mein Leben ohne Tadel!"
Er blieb bei seiner früheren Kälte.
„Das Alles kümmert mich heute nicht mehr", antwortete er. „Ich wiederhole