Der „Köln. Ztg." wird bestätigt, daß die Kaisermanöver zwischen dem 8. und 16. Armeekorps stattfinden. Das Manöverfeld befindet sich zwischen Die- denhosen und Saarlouis.
Die Sozialdemokraten im Reichstage haben den Antrag eingebracht, die Regierung zu ersuchen, das Unsallversicherungsgesetz dahin abzuändcrn, daß die Rente für Verletzte bereits vom Beendigungstage des Heilverfahrens an zahlbar sei.
Das neue preußische Volksschulgesetz erregt die schlimmsten Bedenken bei allen Liberalen, zum Teil auch bei den Konservativen. Die „Nat.-Ztg." sagt: „Der Entwurf ist unannehmbar für jeden Liberalen, wir zweifeln, daß er annehmbar ist für Konservative, die in der Ueberlieferung des preußischen Staates teben. Er wird in den weitesten Kreisen der Bevölkerung, zahlreiche Katholiken eingeschlosfen, den übelsten Eindruck machen, vor Allem im Beamtentum. Mit solchen Vorlagen bekämpft man nicht den Pessimismus, man ruft ihn hervor.
Der preußische Landtag würde gestern (14.) in einfachster Weise eröffnet. Der Ministerpräsident Graf v. Caprivi, umgeben von sämtlichen Mitgliedern des Staatsministeriums, verlas die Eröffnungsrede, die schweigend angehört wurde. Nach dem Schluß der Verlegung brachte der Präsident des Herrenhauses Herzog von Ratibor auf den Kaiser ein dreifaches Hoch aus.
Berlin, 13. Jan. Die Zahl der Selbstmorde soll nach einer Berechnung des Statistikers William Matiheus aus der ganzen Erde jahrl. etwa 180,006 betragen und beständig zunehmen. In Berlin sind im vorigen Jahre 62 Selbstmorde von Kindern vorgekommen. Darunter befanden sich 46 Knaben und 16 Mädchen. 24 hatten das fünfzehnte Lebensjahr erreicht, 14 das vierzehnte, 9 das dreizehnte, während 7 erst zwölf Jahre alt waren und l sogar noch nicht einmal 7 Jahre.
Berlin, 15. Jan. Der Bundesrat hat das T r n n k f uch t s g ef e tz im wesentlichen in der von den Ausschüssen vorgeschlagenen Fassung angenommen
Berlin, 15. Jan. Für den Herzog von Clarence ist eine lOtägige Hoftrauer angeordnet. Die große Cour bei dem bevorstehenden Krönungs- und Ordensfest unterbleibt; die Verteilung der Orden erfolgt ohne Hoffeftlichkeit. Die Kaiserin Friedrich, Taute des Herzogs von Clarence, gab ihrem tiefen Mitgesüyl in einem Beileidstelegramm an den Prinzen von Wales Ausdruck. Ein ähnliches Telegramm richtete sie an ihre Mutter, die Königin von England.
Berlin, 16. Jan. Im Staatsministerium stimm ten Finauzminister Miguel und ein weiterer Minister gegen das Volksschulgesetz.
Bückeburg, 15. Jan. Vor 7 Uhr fuhren heute der Kaiser und Prinz Adolf nach Brandshof, wo auf Sauen gejagt wurde. Der Kaiser erlegte 37 Sauen.
Eine von 30U0 Personen besuchte Buchdrucker- Versammlung erklärte gestern den Ausstand für beendigt. Gleiche Parole wurde für das ganze Reich ausgegcben.
Der Kayeivazar in Berlin, der vor kaum einem Jahre unter mächtigem Reklametantam ins Leben tral, ist heule mit Glanz pleite. Man halte sich von Anfang an nicht nach der Decke gestreckt und zu unuberlegt darauf losgewirtschaftet.
Wie lief eingewurzelt der blinde Haß gegen den Fürsten Bismarck u> einzelnen Parteien und Per- fönuchteiien ist, davon gab einmal wieder die Sitzung des Reichstags von Dienstag ein beredtes Zeugnis. Dr. Lieber vom Zentrum, Eugen Richter vom Freisinn und Herr Singer von der Sozialdemokratie, sie reichten sich die Hände zum schönen Bunde, um,den fingeren Reichskanzler m allen Tonarten zu schmähen, uno wenn der Präsident diesem taktlosen Treiben iliegt Einya.l getyan haue, der Haß jener drei Herben uno Parteiführer hälfe sich wohl in noch unqüali- fieicdareren Anklagen und Schmähungen Luft gemacht. Der größte Aerger dieser Feinde des Alt- Reichskanzlers »ft, daß es dieser verschmäht, sich feinen kleinen Gegnern auf dem parlamentarischen Kampfseide zu stellen. Sie haben sogar den traurigen Mac, dem Fürsten Bismarck bei diesem Fernbleiben vom Reichstag Motive unter^uschieben, durch die sich jeder einfache Mann aus dem Volke auf das tiefste be.eidigl fühlen würde; denn den Vorwurf der Feigheit erträgt >o leicht kein Mann, wenn er nicht eben ttus einer fo.chen Höhe steht, daß ihn die Schmähungen
der Kleinen da unten im Thale nicht erweichen können. Die Feinde des Fürsten Bismarck haben kein Gefühl für die Motive, welche den Fürsten bestimmen, den Reichstagsverhandlungen vorder Hand fern zu bleiben. Er ist nicht ein Politiker gewöhnlichen Schlages, der um jede kleine politische Streitfrage zu Felde ziehen muß; er kann sich nicht in das alltägliche politische Gezänk mischen, welches jetzt einmal wieder Sitte geworden ist. Die großen Gesichtspunkte verschwinden ja mehr und mehr aus unserer inneren Politik, welche ein epigonenhaftes Ansehen anzunehmen beginnt. Die kleinen Geister eines Lieber, eines Richter, eines Singer, fühlen sich in diesem kleinen täglichen Kampfe wohl, das ist ihr Element, sie haben nicht die großen Gesichtspunkte, welche die Politik eines Fürsten Bismarck leiteten.
Die Influenza kann bald „Fürstenkrankheit" getauft werden, denn sie hat auffallend zahlreiche fürstliche Personen dahingerafft. Wir erinnern nur an die deutsche Kaiserin Augusta, an den Herzog von Arsta, den Bruder des Königs von Italien, den Prinzen Balduin von Flandern, die Großfürstin Olga von Rußland, die Erzherzoge Heinrich und Ferdinand von Oesterreich und Andere, und nun schließt sich diesem Reigen der Khedive Tewsik von Aegypten an, der allerdings von seinen heimischen Aerzten gründlich falsch kuriert zu sein scheint. Dieser plötzliche Todesfall rief zeitweise lebhafte Bewegung hervor, denn es lag der Gedanke doch sehr nahe, daß Rußland und Frankreich begierig diese schöne Gelegenheit zu Jntriguen ergreifen würden, um den Engländern, die es sich nun schon seit einem Dutzend Jahre am Nil wohl sein lassen, einen gründlichen Possen zu spielen. Die traurigen Zustände in Rußland haben aber die Petersburger Diplomatie veranlaßt, für diesmal von solchen Zetteleien abzustehen, und daraufhin haben auch die Franzosen den Mund gehalten. Der Sultan hat sofort den ältesten Sohn des verstorbenen Khedime, den Prinzen Abbas, als Herrscher von Aegypten bestätigt, und so ist den keinerlei Störung veranlaßt worden. Khedive Abbas wird regieren, wie sein Vater, oder richtiger, die Engländer für sich regieren lassen.
Schwei).
Bern, 14. Jan. Die Kommission des Natio- nalrats für Kriegsbereitschaft stimmte der Vorlage des Bundcsrats zu. Die Gesamtsumme des gesvr derten Kredits beträgt 7^/s Millionen. Der Bundesrat wurde ermächtigt, eine Anleihe von 5 Millionen aufzunehmen.
Bekerreich-Ungarn.
Wien, 12. Jan. Unter den in Warschau verhafteten Slundenten befand sich auch ein Lemberger Namens Schleien, der im administrativen Wege zu 3 Jahren Gefänguis in Schlüsselburg verurteilt wurde. Im Aufträge des Grafen Kalnoky erbat die Botschaft in Petersburg die Mitteilung der Ur teilsgründe, was aber die russische Regierung verweigerte, da das Begehren in den russisch-österreichischen Verträgen nicht begründet sei.
Wien, 13. Jan. In Fortsetzung der Debatte über die Handelsverträge traten Dtpanli und Gasser gegen den italienischen Vertrag auf, Dipauli bezeich- nete den Weinzoll als eine wahre Vermögenskonfiskation für Süd-Tyrol. Durch solche Politik werde den Patrioten der Patriotismus vergällt. Gomperz trat für die Verträge ein. Der Jungczeche Adamek nannte Caprivis Worte, Deutschland müsse seine Verbündeten stärken, eine Beleidigung Oesterreichs; die jetzigen Tarifverträge seien nur eine Etappe zur vollständigen Zolleinigung, wenn die verwirklicht sei, dann Adieu Oesterreich! Wir können nicht dulden, daß der König von Böhmen ein Vasall des Kaisers von Deutschland werde!
Wien, 15. Jan. Die Buchdrucker und Schriftgießer beauftragten den Ausschuß, mit den Arbeitgebern wegen eines neuen Lohntacifs oder der Beibehaltung des asten zu verhandeln u. auf ^/»ständigem Arbeitstag zu bestehen.
Der Grazer Bischof Zeineger hat Gebete gegen die Influenza-Seuche verordnet.
Frankreich.
Paris, 12i Jan. Die Frage der Wiedergewinnung von Eisaß-Lothringen wirs wieder einmal in der französischen Presse erörtert. Den Anstoß dazu hat ein Artikel eines .unbekannten Schriftstellers in einer wenig gelesenen Schweizer Zeitschrift gegeben. Hierin wird der famose Vorschlag gemacht,
Frankreich solle Tonkiu und Madagaskar als Entschädigung für Elsaß-Lothringen an das Deutsche Reich abtreten, dann sei jede Ursache der Spannung, des Mißtrauens und des Unfriedens beseitigt, die Staaten könnten abrüsten und sich ganz dem friedlichen Wettkampf hingeben. Diesen hübschen Vorschlag haben verschiedene französische Blätter aufgegrifftn; der „Figaro" hat ihm bereits sogar zwei Leiter gewidmet. Deutschland, sagt er in dem zweiten, besitze Alles, um aus Tonkin ein reiches Land zu machen. In 25 Jahren würden 15 Millionen Deutsche dort wohnen, die China mit deutschen Waren überschwemmen und ganz Hinterasien beherrschen würden. Hamburg werde von 400 000 auf eine Million Einwohner steigen u. s. w. Im „National" befürwortet der Elsässer Waldteufel den Rückkauf Elsaß-Lothringens. Er kenne — schreibt er — Deutschland wie wie seine Tasche. Den Deutschen sei das Geld lie
ber, besonders da sie dann in Sicherheit Geschäfte
machen und verdienen könnten. Einige Pariser Blätter, wie „Lwleil" u. A., sagen aber sehr richtig, daß zu einem solchen Tausche oder Kaufe die Einwilligung Deutschlands erforderlich sei, und, da man diese nicht erlangen könne, uur der Krieg übrig bleibe, um „unser Eigentum" wieder zu gewinnen.
Italien.
Rom, l4. Jan. Kardinal Simeoni ist an der Influenza gestorben.
Rom, 14. Jan. Der Bischof von Monaco überbringt dem Papst als Peterspsennig !00 000 Frks.; ein großer Teil der Summe ist Geschenk der Unternehmer der Spielbank.
Rom, 15. Jan. Cardinal Rampolla empfing die Sterbesakramente.
Belgie n-H o l l s n d.
In Gent in Belgien hat ein Notar seine Zahlungen eingestellt. Der sehr fromme Herr har die Ersparnisse, welche 700 Landleoke ihm anoerrcaut hatten, etwa 2 Millionen, au der Börse verspekuliert.
B u l g a r i e n.
Sofia, 15. Jan. Dem Eclair zufolge wurden gestern etwa 50 Offiziere verhaftet, welche beschuldigt sind, sich zur Ermordung des Fürsten Ferdinand und Stambuloffs verschworen zu haben.
England.
London, 14. Jan. Kardinal M a n n i n g ih heute gestorben.
London, l5. Jan. Die Kaiserin Friedrich und Prinz Heinrich werden den deutschen Kaiser bei der Beisetzung des verstorbenen Herzogs von Cia- rence vertreten.
London, 15. Jan. Der Herzog von Clarence war, wie der ärztliche Bericht meldet, am gestrigen Tage von 2 Uhr morgens ab nicht mehr bei vollem Bewußtsein. Als das Ende herannahte, versammelte sich die ganze königliche Familie, die Braut des Herzogs, Prinzessin Viktoria von Teck sowie deren Eltern im Krankenzimmer, wo ein Hofprediger Gebete sprach. Dem Prinzen und der Prinzessin von Wales sowie der Königin Vckloria sind von allen europäischen Herrschern Beileidstelegramme zugegangen.
Die Influenza wütet mit außerordentlicher Heftigkeit in England fort. Die Zahl der Todesfälle ist ausnahmsweise hoch.
Aus London: Mit dem Tode dös Herzogs von Clarence, ältesten Sohnes des Prinzen von Wales, wird des Letzteren zweiter SoW künftiger britischer Thronfolger. Dieser, Prinz Georg von Wales, ist 18 Jahre alt. Ec erfreut sich einer kräftigeren Natur, als sein so jäh verstorbener Bruder. Rußland.
Petersburg, 15. Jan. Auf den Befehl des Zaren wurden Aerzte und barmherzige Achwestern nach dem Gouvernement Samara gesendet) wo der Hungertyphus in erschreckender Weise grassiert.
Moskau, 12. Jan. In den Gouvernements Pensa und Saratow sind neuerdings Jüdenhetzen vorgekommen. In Sinporowo wurden lO'ü Häuser zerstört, mehrere Juden getötet. Jn SavaUsk würde der Versuch gemacht, ein jüdisches Bankhaus in die Luft zu sprengen. Die Judenhetzen wuyven verursacht durch das Gerücht, die Juden hätten < um die Preise hinaufzuschrauben, große Getreidemaffen heimlich aufgestapelt.
In Rußland ist einer der Hauptkriegsschreier, General Gur ko in Warschau, kaltgestellt. Der General hat doch zu bunt gewirtschaftet, ,u.nd ist deshalb von seinem Statthalterposten abberufen.
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