Berliner sind etwas boshaft und machen gern Witze. Ich denke, wir nennen den Brunnen „Schloßbrunnen"." Oberbürgermeister v. Forckenbeck versicherte, daß dieser Name gewiß allen erwünscht sein werde.
Posen, 2. Nov. Auf Antrag des Magistrats beschloß die Stadtverordneten-Bersammlung einstimmig wegen des hier herschenden Notstandes die Errichtung von Suppenküchen.
Schwei).
Basel. Die Entschädigungsforderungen der beim Eisenbahnunglück bei Mönchenstein am 14. Juni d. I. Verunglückten sind immer noch nicht erledigt, obschon die Mehrzahl der Geschädigten in dürftigen Verhältnissen lebt und fortgesetzt drängt, daß die Sache erledigt werde. Die Bahnverwaltung der Jurasimplonbahn bestreitet die Verpflichtung, für Weiteres als für die Heilungskosten und den entgangenen Arbeitsgewinn aufzukommen, da sie keine Verschuldung an dem Unglück treffe. (!)
Brsterreich-Ungsrn.
Wien, 3. Nov. Den Blättern zufolge ist nunmehr der erste Fall von Entschädigung eines unschuldig Verurteilten aus Staatsmitteln vorgekommen; dem wegen Brandstiftung zu zweijährigem Kerker verurteilten, nachher aber als unschuldig erkannten Georg Papst werden aus dem Justizbudget 3000 Gulden angewiesen.
Aus Ungarn kommen traurige Berichte über die landwirtschaftlichen Arbeiten. Die schon zwei Monate andauernde Trockenheit übte auf das Ackern und auf die Anbauarbeiten eine ungünstige Wirkung. Dem Anbau fehlt die Feuchtigkeit der Erde. Die Saaten können sich nicht entwickeln und stehen im ganzen Lande schwach. Die Landwirte getrauen sich nicht auszusäen, in der Befürchtung, daß Mäuse und Insekten die Saat zu Grunde richten, bevor sie auskeimt. Uebrigens ist die Erde so schollig und steinhart, daß die Saat noch gar nicht keimte.
Triest, 3. Nov. Die Torpedofabrik Whitehead entläßt 600 Arbeiter wegen Arbeitsmangel.
Frankreich.
Paris, 3. Nov. Morgen hält das Syndikat der Handlungsgehilfen eine große Versammlung ab. Dieselben verlangen den zwölfstündigen Arbeitstag, von dem zwei Stunden Ruhe sein sollen, und eine Ausdehnung der Thätigkeit des kaufmännischen Schiedsgerichts.
Italien.
Der gestrigen (3. Nov.) Eröffnung der Friedenskonferenz in Rom wohnten nur etwa 150 Deputierte bei, da viele angemeldeten Deputierten noch nicht eingetroffen sind. Am Präsidialtische saß auch Bonghi. Präsident Manchen begrüßte die Versammlung in längerer Rede. Hierauf dankte im Namen der deutschen Deputierten und in deutscher Sprache Abgeordneter Baumbach, die tiefe Friedensliebe des deutschen Volkes betonend. Einen unangenehmen Kontrast hiezu bildete der namens der Franzosen sprechende Douville-Maillefeu, der auf die Stärke Frankreichs hinwies, das niemand fürchte, allein trotz seiner territorialen Verstümmelung nur die Losung des Rechtes auf sein Banner geschrieben habe. Marllefeus impertinente, übrigens von Komplimenten für Italien gespickte Rede wurde im ganzen Saale frenetisch bejubelt. Mehrere Versuche Jm- drianis, die Reden der fremden Deputierten zu unterbrechen, wurden vom Präsidenten energisch zurück- gcwiesen. In deutschen Deputiertenkreisen herrscht wegen des Benehmens der Franzosen ziemliche Verstimmung.
Rom, 3. Nov. In der heutigen ersten Sitzung der Friedenskonferenz begrüßte Präsident Manchen die Gäste und erklärte, die Konferenz werde alle über ihre Ziele hinausgehenden Fragen meiden. Ein praktisches Mittel, die Kriege zu beseitigen, sei das internationale Schiedsgericht. Es folgten 20 Redner in den verschiedensten Sprachen. Der deutsche Abgeordnete Baumbach sagt, ein Deutscher spreche in Rom nicht als Fremder, Rom sei den Deutschen ein zweites Vaterland. Das deutsche Volk wolle ehrlich den Frieden. Die deutsche Einheit sei wie die Italiens aus dem Rechtsgefühl des Volkes hervorgegangen. Wer das Recht wolle, wolle auch den Frieden. Der Eindruck der ersten Sitzung ist nicht besonders günstig. Es fällt auf, daß die kleineren Staaten stärker verrieten sind, als die größeren Mächte, ferner, daß fast alle in ihrer den anderen unverständlichen Muttersprache redeten.
Rom, 3. Nov. Die „Opinione" sagt, indem sie den Friedenskongreß begrüßt, man dürfe dessen Bedeutung nicht übertreiben, müsse aber anerkennen, daß er den friedlichen Ideen mächtigen Vorschub leiste. „Fanfulla" meint, Rom sei der geeignetste Sitz des Kongresses, da das italienische Volk am friedliebensten sei.
Rom, 4. Nov. Die zweite Sitzung der Friedenskonferenz verlief friedlicher als erwartet wurde. Jmbriani, der die angeblich verletzten Nationalrechte der Franzosen und Italiener verfocht, wurde vom Präsidenten wiederholt gerügt; auch die Versammlung nahm seine Rede kühl auf. Nur die Delegierten lateinischer Nationalität sowie die Schweizer applaudierten schwach. Ebenso erging es dem Franzosen Hubbard, der Jmbriani's Ausfälle unterstützte. In der darauf abgehaltenen Kommissionssitzung fiel der Vorschlag der Delegierten Frankreichs und Italiens betr. sofortiger Errichtung einer internationalen Zentralstelle für die Friedensbewegung durch, dagegen wurde der deutsch-englische Antrag, Errichtung parlamentarischer Komite's in allen Ländern, angenommen; ferner wurde beschlossen, Pandolsi solle bis zum nächsten, voraussichtlich in Wien stattfindenden Kongreß die Geschäfte ohne offizielle Funktionen weiterführen. — Der deutsche Botschafter hat sämtliche Abgeordnete zu einem Diner eingeladen.
Rom, 4. Nov. Die deutschen Teilnehmer am Friedenskongreß haben einen Lorbeerkranz am Sarkophage Viktor Emanuels niedergelegt.
Rom, 4. Nov. Jmbriani erklärt: er werde die elsaß-lothringische „Frage" unter allen Umständen zur Sprache bringen.
Beim Friedenskongreß, der in Rom abgehalten wird, müssen die Diskussionen auf der Grundlage des sich aus den Verträgen ergebenden Status guo geführt werden. Sollte man eine andere Basis annehmen oder sollten die Sprecher die Na- tionalitäten-Frage aufrollen wollen, so würde dies schließlich zum Konflikt führen. Der ehrenwerte Herr Bonghi treibt „Verstandes-Gymnastik", ich hoffe, ohne daß er selbst von dem überzeugt ist, was er zu Tage fördert. Das gleiche war der Fall vor 16 Jahren, als er Minister des öffentlichen Unterrichts war und seiue Kollegen sich über ihn beklagten. Die Revision der Nationalitäten-Frage ist eine ernste Frage für Europa, und es kann dem allgemeinen Frieden nur nützen, wenn eine Lösung derselben nicht versucht wird. Von den großen Staaten der alten Welt kann außer Italien keiner sagen, daß er nicht irgend ein Stück Land zurückzuerstatten hätte, wenn die Nationen auf ihrer natürlichen Basis wieder hergestellt werden sollten. Frankreich, England, Rußland. Oesterreich, die Türkei sind nicht frei von dieser Sünde. Was würde Frankreich sagen, wenn man beim Kongreß zu Rom die Rechtsfrage der Rückgabe Nizzas und Korsikas diskutieren würde? Doch genug, es wird nicht einmal der Versuch gemacht werden, dieses Thema zu berühren, und der ehrenwerte Herr Bonghi hätte besser daran gethan, wenn er geschwiegen hätte.
Belgie n-H o l l s n d.
Die Tabakmagazine der Firma Oly in Amsterdam sind durch eine große Feuersbrunst vernichtet worden. Der Wert des verlorenen Tabaks (besonders Sumatra-Deckblatt) wird auf mehrere Millionen geschätzt.
England.
London, 4. Nov. Das Reuter'sche Bureau meldet aus Rio de Janeiro von heute: Der Kongreß ist aufgelöst, das Kriegsrecht proklamiert und die Diktatur wieder hergestellt.
Rußland.
Petersburg, 3. Nov. Die Regierung beabsichtigt, zur Linderung der Hungersnot eine Zwangsanleihe von 300 Mill. Rubel aufzulegen.
Warschau, 4. Nov. Der Ukas über die Ausdehnung des Ausfuhrverbots rief eine förmliche Panik hervor. Bedeutende Posten von Sommer- Getreide und Kartoffeln, welche auf Vorschuß nach Deutschland verkauft sind, müssen infolge des sofortigen Inkrafttretens des llkases zurückgehalten werden.
Von einer schrecklichen Blutthat wird aus Warschau berichtet: Im Forsthaus Osowiec im Gouvernement Grodno wurde der reiche Holzhändler E. Apferblaum mit Familie, im Ganzen 12 Personen, darunter 4 Männer, 2 Frauen, nachts von Räubern überfallen und durch Axthiebe grausam er-
mordert. Nach Mitnahme einer bedeutenden Geldsumme steckten die Raubmörder das Forsthaus in Brand. Die Gendarmerie hat sechs des Mordes verdächtige Individuen verhaftet. Die ganze Bande soll aus mindestens 20 Personen bestan den haben.
Kleinere Mitteilungen.
Stuttgart, 2. Nov. Freunde des gestirnten Himmels machen wir aufmerksam, daß in der Zeit vom 12.—14. d. M. voraussichtlich wieder zahlreiche Sternschnuppenfälle beobachtet werden können. Dieselben gehen vom Kopf des Löwen aus und führen den Namen „Leoniden".
Ein junger Kaufmann in U l m fütterte den Ete- phanten einer Menagerie mit Brot und neckte sodann das Tier so lange, bis es die Geduld verlor, ihn erfaßte und heftig zu Boden warf. Glücklicherweise waren Wärter zur Hand zu seiner Rettung.
Darmstadt, 4. Nov. Eine entsetzliche Rohhe't wurde heute am Hellen Mittag mitten in der Stadt auf der Rheinstraße verübt. Ein Bursche von etwa 17 Jahren schlug fast ohne vorausgegangenen Streit einen Knaben mit einem Beil derart auf de» Kopf, daß dasselbe in dem Schädel des Getroffenen stecken blieb und auf dem Transport des zu Tode Verletzten, der sofort bewußtlos nach dem Krankeuhause verbracht wurde, stecken bleiben mußte, da es sich ohne Anwendung von Gewalt nicht entfernen ließ. Der verletzte Knabe dürfte schwerlich mit dem Leben davonkommen.
Der 101 Jahre alte Professor der Chemie Ignaz Vonberg zu Kiew hielt dieser Tage auf einem chm zu Ehren veranstalteten Commers bei völliger Geistes- und Körperfrische eine einstündige Rede, welche von der Universitätsjugend mit endlosem Jubel ausgenommen wurde Professor Vonbcrg, welcher am 17. Januar 1791 zu Wilna geboren und im Jahre 1828 in Anerkennung seines fünfbändigen Werkes über die theoretische und praktische Chemie als Docent an die Universität Kiew berufen wurde, hat die besten Aussichten, dem vor Jahresfrist gestorbenen französischen Chemiker Chevreul, welcher 103 Jahre alt wurde, an Langlebigkeit gleichzukommen. In jener seiner jüngsten Rede erklärte Vonberg, daß dieses hohe Atter einzelner Vertreter der chemischen Wissenschaft durchaus nichts Wunderbares sei, sondern nur beweise, daß die Chemie zugleich auch die ihr naturgemäß obliegende Aufgabe zu erfüllen suche, die Lebensdauer der Menschheit zu erhöhen. Die Erforschung der Kräfte der organischen und anorganischen Natur habe nur dann einen Zweck, wenn sie uns lehre, diese Kräfte zur Erhaltung unseres Körpers nutzbar zu machen. Niemand aber sei mehr dazu verpflichtet, diesem Gebote nachzukommen, als der Chemiker selbst, weshalb er iu seinen 101 Jahren lediglich das Ergebnis einer strengen Pflich terfüllung erblicke. _
Allerlei.
— Reinigung schwarzer, fleckiger Zähne. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes wende man folgendes Verfahren an, wodurch die Zähne in wenigen Minuten gereinigt werden, ohne daß dadurch der Zahnschmelz beschädigt wird. Man vermische gepulverten Bimsstein mit einer 4proz. Wasserstoffsuperoxydlösung zu einer steifen Masse, reibe dann mit dieser Pasta die Zähne ab und spüle hernach den Mund mit lauem Wasser aus. _
Handel und Berkehr.
Stuttgart, 4. Nov. Güterbahnhof. Zufuhr 20 Waggons 4000 Ztr. (8 österr., 1 bayer., 11 schweiz.) Mo st ob st. Preis per Waggon 9oO bis 940 per Ztr. 4 90 -s bis 5 -K 10 (schweiz. 880 bis 920 Pr. Ztr. 4 50 4 dis 4 80 -!.).
Cannstatt, 31. Okt. Heutige Verkaufspreise pro 3 Hektol. Vom Zuckerbcrg: von Kaulla weißes Gewächs 252 Mark, rot Gewächs 277 ^, von Schweickhardts Erben 260 Mark. Im übrigen bewegen sich die Preise zwischen 170 bis 200 Mark.
Fellbach, 2. Nov. 47 -52 pro Hektol. Vorrat noch ca. 60 Hektol.
Asperg, 2. Nov. Käufe zu 138, 140, 145, 150 für 3 Hektoliter.
Mundelsheim, 2. Nov. Käufe zu 155—170 pr. 3 Hektol. Vorrat noch ca. 250 Hektol.
Horrheim, 2. Nov. Preise gesunken auf 120 bis 125 pro 3 Hektol. Vorrat noch ca. 100 Hektol.
Konkurseröffnungen. Wilhelm Ottmar, scm, Kaufmann in Backnang. — Jakob Fritz, Söldner in Hin- terlinthal, Gmde. Ruppertshofen. _
Hiezu das Uuterhaltungsblatt 45 u. eine Beilage.
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck und Verlag der G- W. Zaiser'schen Buchdruckerei.