Jahren war das Streben vorhanden, auf dem Oesterberg einen Aussichtsturm zu errichten, um dem Beschauer ein landschaftliches Bild, das zu den schönsten in unserem Lande gehört, zu gewähren. Von den Verschönerungsvereinen wurden schon unter der Vorstandschaft des Professors Dr. v. Köstlin viele Jahre Beiträge zu einem solchen Turm gesammelt. Nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. bildete sich ein Ausschuß, um auf dem Oesterberg einen Aussichtsturm zu errichten, der zugleich ein Denkmal zur Erinnerung an die Gründung des Deutschen Reiches zu Ehren Kaiser Wilhelms I. sein sollte. Reichlich flössen die Beiträge. Ein von Baumeister Peter entworfener Plan wurde angenommen, und zugleich beschloß man, den Turm mit den Kolossalbüsten der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich und unseres Königs zu schmücken. Der im Sommer vorigen Jahres begonnene Bau wurde vor einigen Wochen fertig. Die Büste des Kaisers Wilhelm I. wurde von der verstorbenen Frau v. Meynier, die Büste des Königs von der Universität durch den jetzigen Rektor Professor Dr. Buder gestiftet.
Stuttgart, 2. Juli. Staats-Einnahmen für das Etatsjahr 1891/92. Nach einer von der Staatsschuldenzahlungskasse aufgestellten Berechnung beläuft sich ihr Geldbedarf über Abzug der von dem Eisenbahnbaufonds zu deckenden Summe von 28 000 Mark auf 18 684 372 91 Es werden daher
nach getroffener Uebereinkunft mit dem ständischen Ausschüsse der Staatsschuldenzahlungskasse folgende Staatseinnahmen zum Bezug angewiesen: 1) direkte Steuern von dem Grundeigentum von den Gefällen, Gebänven und Gewerben 4 470 000 2) direkte
Steuern von Apanagen, Kapital- und Renten-, Dienst- und Berufs-Einkommen 2 814 372 91 ^s,
3) Wirtschaftsabgaben 3 000 000 »-L, 4) Reinertrag vom Eisenbahnbetrieb 8 400 000 Mark zusammen 18 684 372 91 — Es trifft auf das Ober
amt Nagold direkte Steuer vom Grundeigentum, Gefällen, Gebäuden und Gewerben 40 000 Wirtschaftsabgaben Kameralamt Altensteig 16000 Mark, Kameralamt Reuthin 30 000 -M.
Stuttgart, 3. Juli. Nachdem heute eine Aufsichtsratssitzung der Straßenbahngesellschast stattgefunden, scheint Aussicht vorhanden zu sein, daß die Differenzen zwischen den Bediensteten und der Direktion beigelegt werden, ohne daß es zum Streik kommt. Die Bediensteten haben einen Ausschuß gewühlt, mit welchem die Direktion in Verhandlungen treten wird. Die Direktion ist, wie wir hören, zu möglichstem Entgegenkommen bereit und auch aus Seiten der Bediensteten herrscht eine versöhnliche Stimmung.
Die Volkspartei hatte auf gestern abeud ins Bürgermuseum eine Versammlung in Sachen der Gelreidezölle einberusen, die gut besucht war. Musikalienhändler Galler übernahm den Vorsitz und sprach die Hoffnung aus, daß, wie schon verschiedene Vismarck'sche Gesetze gefallen seien, auch die Getreidezölle fallen werden. Hauptredner war Bankier Hausmeister, der gegen die Getreidezölle zu Felde zog und die baldige Einberufung des Reichstags hiesür verlangte. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, worin an die K. Staatsregierung die Bitte gerichtet wird, sie möge im Bundesrat für sofortige Suspendierung der Getreidezölle eimreten. Landtagsabgeordneter C. Haußmann brachte noch die Forderung der stärkern Vertretung der Stadt Stuttgart im Landtag zur Sprache. Er meinte u. a., es wäre ganz gut, wenn auch ei» paar Sozialdemokraten gewählt würden, Württemberg würde dabei nicht zu Grunde gehen.
Langenburg, 3. Juli. Major von Wißmann ist gestern mittag im fürstlichen Schlosse auf Besuch angekommen und wird, wie man vermutet, einige Tage dortselbst verweilen. Die Stadt hatte sich ihm zu Ehren in einen Flaggenschmuck von deutschen und hohenlohe'schen Farben geworfen.
Hausen i. Th., Heute Mittag hat ein fürchterlicher Sturm alles an den Ufern der Donau lagernde Heu in dieselbe geweht, hochdeladene Heuwagen umgcworfen und die Ladung fortgeweht. Ein zurzeit über die Donaubrücke fahrender geladener Wagen, worauf ein 6jähriger Knabe saß, wurde um- geworsen und der Knabe mit der halben Ladung in die Donau geschleudert. Leute, die aus dem Felde arbeiteten, mußten sich aus die Erde legen, damit sic nicht mit fortgetragen wurden. Gleiche Nachrichten kommen von Neidlingen.
Vom Oberamt Gerabronn, 3. Juli. Bei Espersheim wurde eine Frau, welche ein Bündel Gras auf dem Kopse nach Hause trug, vom Blitz erschlagen; man vermutet, daß die im Grase steckende Sichel den Blitz anzog. Die hinter ihr folgende Tochter erholte sich nach kurzer Betäubung wieder.
München, 4. Juli. Ein Berliner Vergnügungszug ist bei Eggolsheim (Bezirksamt Forchheim) entgleist. Die Größe des Unglücks läßt sich noch nicht übersehen. Es sind Aerzte und Sanitätskolonnen alarmiert worden.
Augsburg, 3. Juli. Eine kaum 17 Jahre alte Dienstmagd hat nach geringfügigem Wortwechsel auf freiem Felde ihre ungefähr 25 Jahre alte Nebenmagd mit der Heugabel erstochen.
Crefeld, 3. Juli, lieber den Schaden, welchen die vorgestrigen Wirbelwinde hier und in der Umgegend angerichtet haben, wird weiter gemeldet: In der für das Bundesschießen errichteten Festhalle wurden mehrere Personen leicht verletzt; der in Süchteln an Häusern, Bäumen und Vieh angerichtete Schaden beträgt mindestens 600 000 Die durch den Einsturz eines Ringziegelosens verschütteten Arbeiter wurden sämtlich lebend hervorgezogen. In Aurath blieb fast kein Haus verschont, 40 wurden ganz zerstört und gegen 100 beschädigt.
Die Kgl. Gewehrfabrik in Spandau hat am 1. d. M. 1000 Arbeitern gekündigt.
Königgrätz, 3. Juli. Zur Erinnerungsfeier an die Schlacht im Jahre 1866 sind hier 179 Mitglieder sächsischer Kriegervereine, zahlreiche Veteranen und Offiziere, welche die Schlacht mitgemacht, eingetroffen. Gestern fand eine Serenade mit Zapfenstreich vor dem Platz-Kommando statt. Bei der heutigen Hauptseier wurde ein Requiem in der Kathedrale und dann ein Feldgottesdienst beim Mausoleum von katholischen, sowie evangelischen Geistlichen und einem Rabbiner abgehalten. Die Ehrenwache bilden Vertreter des 8. Dragoner-Regiments, des 17. Infanterie-Regiments und des 10. preußischen Grenadier-Regiments. 47 im Umkreise des Schlachtfeldes gelegene Gemeinden ließen gleichzeitig Messen abhalten. Es folgte hierauf die Einweihung der neuen Monumente und die Besichtigung des Schlachtfeldes.
Berlin, 2. Juli. Ein grauenhaftes Ereignis hat sich heute Abend in dem Hause Kastanien-Alle Nr. 4 zugetragen. Dort hat der Tischler Borgab seine Frau und sein 4jähriges Töchterchen mittelst einer Zuckerschnur, die er beiden dreimal um den Hals geschlungen, erhängt und sich dann selbst auf gleiche Weise den Tod gegeben. Auf dem Tisch lag ein von beiden Eheleuten Unterzeichneter Zettel, wonach B. und seine Frau gemeinschaftlich den Tod gesucht haben. Die Leichen wurden am Abend von Nachbarsleuten entdeckt. Nahrungssorgen sind anscheinend die Ursache dieser Familicntragödie.
Berlin, 3. Juli. Der Ansstand der Omnibuskutscher ist beendet, die Direktion bewilligte den Kutschern eine tägliche Zulage von 50 Pfennig.
Berlin, 3. Juli. Der Kaiser erklärte in Amsterdam nach Berichten, welche von dort einlaufen, der Friede sei gesichert. Niemand werde wagen, uns anzugreifen, und wir unsererseits werden niemand angreifen.
Der „Figaro" bringt einen neuen Artikel über das deutsch-französische Problem. Diesmal bleibt Elsaß-Lothringen ungeteilt. Ein europäischer Kongreß giebt ihm eine freie Verfassung und gewährleistet seine Unabhängigkeit und Neutralität. Nach 10 oder 20 Jahren soll es darüber abstimmen, ob es selbständig und neutral bleiben oder deutsch oder ranzösisch werden will. „Figaro" glaubt, Kaiser Wilhelm, der die Welt noch mehr in Erstaunen setzen werde, bereite in London etwas Besonderes vor; er rege vielleicht eine Abrüstung an. Das Blatt empfiehlt seinen Vorschlag als bestes Mittel hierfür. — Das bleibe dahingestellt. Jedenfalls wird das künftige Schicksal Deutschlands, Elsaß-Lothringen eingeschlossen, nicht im Redaktionsbureau des „Figaro" gemacht.
Die seitens der Sozialdemokratie eingeleitete Bewegung unter den Berliner Maurern zur Erlaungung eines höheren Lohnes bezw. zur Niederlegung der Arbeit will, wie uns ein Gewährsmann aus dem Kreise der Maurer selbst mitteilt, leine rechte Fortschritte machen. Thatsache ist, daß statt des eine Zeit lang bewilligten Lohnes von 60
Pf. die Stunde jetzt nur 55, 50 oder 45 Pf., je nach den Leistungen, gezahlt werden. Es bieten sich außerdem den Meistern so viele Arbeitskräfte an, daß denselben auch bei dem Ausbleiben der gewöhnlichen Arbeiter genügend Arbeitskräfte zur Verfügung bleiben. Infolge dessen herrscht unter dem verständigeren Teil der Berliner Maurer eine große Unlust, in die Lohnbewegung einzutreten, denn sie sehen eine entscheidende Niederlage voraus. Wir sind im übrigen der Meinung, daß die Meister nicht recht daran thun, daß, wenn sich ihnen mehr Arbeitskräfte als nötig anbieteu, sie den Arbeitslohn willkürlich herabsetzen. Haben die Meister in Berlin früher 55 und 60 Pf. gezahlt, so sollten sie diesen Lohnsatz jetzt bcibehalten, zumal die Bauspekulation einen ganz ungeahnten Aufschwung genommen hat, also sehr wohl im Stande ist, solche Arbeitslöhne zu zahlen. Man muß bedenken, daß die Maurer mehrere Monate im Jahre so gut wie nichts zu ihu!> haben, oder doch ganz beträchtlich weniger verdienen, wie in der eigentlichen Bausaison.
Deutsche Baumwolle. Durch den stellvertretenden kaiserlichen Gouverneur in Kamerun ist die erste Probe der von dem Pflanzer Goldberg gewonnenen Baumwolle eingesandt worden und wird rn Berlin demnächst einer sachverständigen Prüfung unterzogen worden. Die Aussaat geschah Ende vorigen Jahres, die Sämlinge wuchsen bis zum Februar dieses Jahres zu üppigen Pflanzen heran. Die Blüte im Monat März war eine reiche und, nachdem die Pflanzen kräftige Fruchtkapseln angesetzt hatten, begann Anfang April die Ernte. Der stellvertretende kaiserliche Kommissar verspricht sich nach den erzielten Proben von einem Baumwollbau im Großen gute Erträgnisse. Eine größere Versuchspflanzung ist bei Aquatown in der Entstehung begriffen.
Die „Post" schreibt: Anläßlich der 25jährigen Wiederkehr der Schlachttage in Böhmen ist aus naheliegenden Gründen eine offizielle Feier des Tages höheren Orts nicht befohlen; doch ist es den einzelnen Regimentern unbenommen geblieben, Gedenkfeiern zu veranstalten.
Desterreich-Angarn.
Wien, 3. Juli. Staatssekretär Dr. von Stephan schloß hier einen Telcgraphen-Tarif ab. Die Grundtaxe der Telegramme zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn beträgt 30 Kreuzer und jedes Wort 3 Kreuzer.
Wien, 3. Juli. Nach ausführlichen Meldungen aus Bukarest wäre die geplante Ehe des rumänischen Thronfolgers mit der'Hofdame Frl. Vacarescu das Werk der Königin. Prinz Ferdinand weinte, als das Ministerium seine Zustimmung hiezu verweigerte. Minister Lahovary warf der Königin vor, die Liebesaffaire verschuldet zu haben, worauf die Königin ohnmächtig wurde.
Wien. Das „Fremdenblatt" bespricht die Erklärungen des italienischen Ministerpräsidenten Marchese di Rudini und sagt: Die Worte desselben hätten mächtig im Lande und in Europa gewirkt; sie benähmen den geschäftigen Zweiflern und berufsmäßigen Gegnern des Dreibundes auch den geringsten Vorwand zur Fortsetzung ihres Gewerbes und stellten sie vor die vollendete Thatsache und vor ein gesichertes Werk, welches die Schöpfer desselben gegen jeden Ansturm schützen und schirmen würden. Die beiden Kaisermächte hätten Italien freudig als willkommenen Genossen des in den Dienst des Völkerfriedens ^gestellten Bündnisses angenommen und bewahrten ihm unter allen Umständen Treue. Der Dreibund bestehe auf denselben Grundlagen fort, ans denen er erbaut sei; deshalb habe Marchese di Rudini mit der gleichen Herzlichkeit der Freundschaft Italiens für England gedenken können, mit welcher in den letzten Tagen die österreichisch-englische Freundschaft gefeiert worden sei.
Frankreich.
Paris, 3. Juli. Die Chauvinisten-Blätter Hetzen gegen Dänemark und behaupten, die Abwesenheit des Dänenkönigs beim Besuch der fränzösischen Flotte sei deutschem Einfluß zuzuschreiben.
Paris. Die Arbeitskommission der Deputierten- kammer hat Widerspruch gegen den von der Regierung vorgelegten Altersversicherungsgesetzentwurf erhoben. Die Kommission behauptet, es sei unmöglich, zu halten, was hier versprochen werde, dazu würde ein Kapital von 12 Milliarden Frks. gehören.