Einzelheiten des erneuerten Vertrages ist noch nichts bekannt geworden, es ist aber anzunehmen, daß die Verlängerung unter den bisher giltig gewesenen Bedingungen erfolgt ist, bei denen sich alle drei Staaten, Deutschland, Oesterreich und Italien, zu denen in gewissem Sinn nunmehr als vierter auch England gerechnet werden kann, wohl befunden haben. Wir unsererseits wollen hier, indem wir unserer Freude und Genugthuung über die vollendete Thatsache lebhaften Ausdruck geben, dem eigentlichen Schöpfer des Dreibundes, dem Fürsten Bismarck, und wenn wir die Einzigen sein sollten, die seiner gedenken! von neuem unseren Dank darbringen und seinen Nachfolgern wünschen, daß sie dereinst auch einmal sich einer auch nur ähnlichen That für ihr Vaterland rühmen können möchten!

Die Omnibus- und die Pferdebahnbedien­steten scheinen allüberall vom Streikteufel besessen zu sein. Schlecht genug geht es ihnen auch, daS muß zugegeben werden. Keine Ruh' bei Tag und Nacht, schmale Kost und wenig Geld, das ertrage, wem's gefällt! Jetzt sind die Berliner Omnibusleute, Kutscher und Kondukteure, auch in eine Lohnbewe­gung eingetreten; sie haben eine Versammlung ab­gehalten und verlangen von der Direktion unter vorläufigem Beibehalten der achtzehnstündigen Ar­beitszeit jeden fünften Tag als Feiertag, unter Ent­bindung von der Verpflichtung, an solchen Tagen im Depot sich zu stellen, einen Minimallohn von 105 Mark für Kutscher und 90 Mark für Kondukteure per Monat, sowie Abschaffung des Wagenwaschens für Kutscher und Kondukteure. Wenn die Resolution, deren umgehende Beantwortung von der Direktion verlangt werden soll, abgelehnt wird, soll eine zweite Versammlung über den Eintritt in den Streik Be­schluß fassen.

Das Färben der Wurst scheint eine tief eingewurzelte Unsitte zu sein. Die Fleischhändlerin Trinks hatte schon früher eine polizeiliche Verwar­nung erhalten, weil die von ihr geführte Thüringer Wurst mit Kochenille gefärbt war. Als eine später entnommene Probe dasselbe Ergebnis hatte, wurde Frau Trinks wegen Vergehens gegen das Nahrungs­mittelgesetz unter Anklage gestellt. Sie behauptete im Termine vor dem Schöffengericht in Berlin, daß sie seit der ersten Verwarnung ihre Bezugsquelle gewechselt habe, die Thüringer Fabrikanten scheinen eben alle die Wurst zu färben. Dr. Bischofs bezeich- nete den Zusatz von Kochenille zwar nicht als ge­sundheitsschädlich, aber dennoch als unzulässig. Das Nahrungsmittelgesetz verbiete den Zusatz von Stoffen, welche geeignet sind, der Ware das Aussehen einer besseren Beschaffenheit zu geben. Dies sei bei ge­färbter Wurst auch der Fall. Es solle in dem Pub­likum die Täuschung erweckt werden, daß die rote Farbe auf den frischen Zustand des zu der Wurst verwendeten Fleisches zurückzuführen sei. Auch könne dadurch unansehnliches, grau gewordenes Fleisch so verändert werden, daß die Naturfarbe verdeckt werde. Der Staatsanwalt beantragt gegen die Angeklagte eine Geldstrafe von 20 event. 4 Tage Gefängnis und der Gerichtshof erkannte nach diesem Anträge.

Belterrrich-Ungarn.

Wien, 1. Juli. Alle Wiener und Pester Blätter besprechen mit der größten. Befriedigung die Ver­längerung des Dreibundes und würdigen gleichzeitig die Bedeutung und den hohen Wert der sympathischen Haltung Englands.

Schwei).

Zur Frage der Sonntagsruhe im öffentlichen Verkehrsdienste nimmt nun auch die Schweiz Stellung und thut dies in einer zweifellos origi­nellen Weise. Es handelt sich zunächst darum, den Briefträgern die Sonntagsruhe in größerem Maße, jedoch im Einklänge mit den Wünschen und Bedürf­nissen des Publikums, zu gewähren. Um letztere zu erfahren, veranstaltet die eidgenössische Postverwal­tung ein Plebiszit mittelst Briefmarken. Sie wird nemtich eigens gedruckteSonntagsmarken" aus­geben und jene Briefe, welche mit solchen Marken versehen sind und Sonntags aufgegeben werden, nicht Sonmags, sondern erst am Montag zustellen lassen. Briefe mit gewöhnlichen Marken werden da­gegen noch am Sonntag an ihre Adresse befördert. Die Postoerwaltung will auf diese Weise das Publi­kum selbst eine Entscheidung treffen lassen und je nach der Menge der mitSonntagsmarken" aufge- gebcnen Briefe wird dann die Erleichterung des Dienstes der Briefträger erfolgen. I

Italien.

Der Skandal in der italienischen Kammer hat wenigstens das Gute gehabt, daß sich der ita­lienische Ministerpräsident Marchese di Rudini ver­anlaßt gesehen hat, eine Erklärung abzugcben, die geeignet ist, bei allen Friedensfreunden aufrichtige Freude hervorzurufen. Der Ministerpräsident erklärte in Beantwortung der Interpellation Brin, er könne der Kammer, sowie dem Lande versichern, daß die Regierung bei der Friedenspolitik, welche Italien seit langer Zeit beobachtet habe, beharren werde. Zur Erreichung dieses Zieles werde Italien das Bündnis mit den Centralmächten treu und fest be­wahren. Er wiederhole nochmals, Italien und Europa könnten gewiß und versichert sein, daß Italien an seinen Bündnissen festhalten und daß die Aufrecht­erhaltung des Friedens für lange Zeit gesichert sein werde. Sämtliche Deputierten, mit Ausnahme der Mitglieder der äußersten Linken, begrüßten, sich von den Sitzen erhebend, die Erklärung des Minister­präsidenten mit langanhaltendem, lebhaftem Beifall. Durch diese Erklärung ist, was auch noch die offi­ziöseOpinione", das Organ Rudinis, bestätigt, die Erneuerung des Dreibundes eine vollendete That­sache. Es ist natürlich, daß die radikalen Franzosen­freunde in der italienischen Kammer nach diesem kläglichen Ausgang ihres Feldzugs gegen die Tripel- Allianz ihrem Aerger in brutalen Exzessen Luft machen. Italien, Oesterreich-Ungarn und Deutsch­land haben aber durch die Erneuerung des Drei­bundes der Sache des europäischen Friedens einen wichtigen Dienst geleistet.

Holland.

Amsterdam, 1. Juli. Bei prachtvollem Wetter kam der Kaiser und die Kaiserin 1 Uhr 40 M. in Amsterdam an. In Imuiden durch ein nieder­ländisches Geschwader begrüßt, bestieg das Kaiser­paar die Jacht und fuhr durch den nordholländi­schen Kanal. Eine Batterie Artillerie feierte 51 Schüsse ab, bis der Kaiser ans Land gestiegen war. Am Landungsplätze stand eine Schwadron Husaren und eine Kompagnie als Ehrenwache. Sämtliche Minister waren am Landungsplatz, ebenso der Gou­verneur der Provinz Nordholland, der niederländische Gesandte in Berlin, der deutsche Generalkonsul und verschiedene Hofwürdenträger. Ein 120 Meter lan­ger und mit holländischen und deutschen Farben aus­geschlagener und mit Blumen reichlich verzierter Gang führte zum Königszelt, das einen Blumengarten bil­dete. Um 12 Uhr 10 Minuten kamen die beiden Königinnen in das Zelt. Als sich die Jacht des Kaisers der Landungsbrücke näherte, erfüllte tau­sendstimmiger Jubel die Lüfte. Hierauf begann die Fahrt nach dem Palast auf dem Dam. Eine unab­sehbare Menge drängte sich auf dem Dam und um das von Blumen bedeckte Freiheitsbild. Nach dem Frühstück fährt das Kaiserpaar zum Reichsmuseum.

Amsterdam, 1. Juli. Bei der Festtafel beant­wortete der Kaiser den Toast der Regentin, in­dem er ihr für den herzlichen Empfang dankte und die Freundschaft zu Holland betonte. Der abends 9 Uhr veranstaltete Zapfenstreich nahm einen glän­zenden Verlauf.Heil dir im Siegerkranz" und das niederländische Wilhelmlied sowie ein Choral wurden entblößten Hauptes von der Volksmenge angehört, die Majestäten auf dem Balkon stürmisch begrüßt. Nach jedem Stück erbrausten lebhafte Hochrufe.

England.

London, 30. Juni. Das Regierungsorgan Standard" meidet, der Dreibund sei auf 6 Jahre mit gewissen Modifikationen erneuert worden. Nähe­res über die Abmachungen und Modifikationen sei nicht bekannt. Die englische Regierung habe weder bei den Verhandlungen einen Rat erteilt, noch sei sie darum angegangen worden. DerStandard" führt aus, die öffentliche Meinung Europas könne mit Recht annehmen, daß die Erneuerung unter stärkeren Friedensgarantien erfolgt sei. Die Mächte könnten der Sympatie und Billigung Englands ver­sichert sein.

London, 1. Juli. DieTimes" äußert in einer Besprechung über den bevorstehenden Besuch des Deutschen Kaisers in England: Die Vereinigung der beiden Staaten in der Sache des Friedens und der Zivilisation sei eine ebenso feste, als ob sie durch Verträge stipuliert sei; sie stütze sich auf die Ver­bindung der größten Seemacht mit der größten Mi­litärmacht der Welt.

Glasgow, 1. Juli. Mehrere Tausend Eisen­

arbeiter in den Werken am Cchdc-Fluß haben heute die Arbeit niedergelegt, obwohl die Arbeitgeber die Bewilligung der durch die Arbeucrdelcgicrten gestellten Bedingungen erklärten.

Von den Auslassungen der englischen Presse über den bevorstehenden dritten Besuch Kaiser Wilhelms führen wir die derMorning Post" an, die das freundschaftliche Einvernehmen zwischen den beiden großen teutonischen Nationen in Europa betont. Das Blatt hebt hervor, diesesmal statteten die Majestäten nicht nur der Souveränin einen Be­such ab, sondern auch der Nation.

Rußland.

Petersburg, 2. Juli.Nowoje Wremja" schreibt, die Verlängerung des Dreibundes nötige die anderen Mächte, Stellung zu nehmen. Ein französisch-russi­sches Bündnis sei unvermeidlich.

Aus Rußland sind sehr günstige Nachrichten über die zu erwartende Ernte eingetroffen. Die Gerüchte, welche am Samstag an der Berliner Börse cirkulierten und eine erneute Steigerung des Getreide­preises bewirkten, sind dadurch vollständig widerlegt und charakterisieren sich als Börsenmanöver der Haus­siers. Roggen und Weizen verspricht nach den neue­sten Nachrichten eine gute Mittelernte. Das Som­mer-Korn steht überall gut und berechtigt zu den besten Erwartungen. Kartoffeln und andere Hack­früchte versprechen ebenfalls einen guten Ertrag. Auch aus Deutschland treffen aus fast allen Gegen­den günstige Nachrichten über die Ernteaussich­ten ein.

Es ist nunmehr beschlossene Sache, so be­richten die Petersburger Zeitungen, daß König Ale­xander von Serbien Mitte Juli mit dem Regenten Ristitsch, dem Ministerpräsidenten Paschitsch und anderen nach St. Petersburg reist. Nach Wien und Paris hat er aber nicht gedurft!

Bulgarien.

In Bukarest herrscht angeblich große Erre­gung, weil der Thronfolger Prinz Ferdinand darauf besteht, die Ehrendame der Königin, Fräulein Vaca- rescu, zu heiraten. Die königliche Familie sowie die Regierung und fast alle Zeitungen sprechen sich ge­gen diese Heirat aus. Prinz Ferdinand droht aus die Thronfolge zu verzichten und sich im Auslande mit Fräulein Vacarescu trauen lassen zu wollen. Der verliebte Prinz ist jetzt etwa 26 Jahre alt.

Amrrik s.

Newyork, 2. Juni. Telegramme aus Arizona berichten über die plötzliche Bildung eines großen Sees in Solton, der 12 Meilen (engl.) breit und 40 Meilen lang ist. Das Wasser vertrieb die Ar­beiter aus den Salzgruben und den umliegenden Salzwerken. Ueber die Entstehung des Sees sind verschiedene Ansichten im Umlauf. Allgemein wird angenommen, das Wasser sei aus dem Golf von Californien gekommen. Das BlattWorld" führt die Erscheinung auf die jüngsten Erdbeben zurück.

Der Präsident Hippolyte auf Haiti teilt jetzt offiziell mit, daß er den gegen ihn ausgebrochenen Aufstand unterdrückt habe. 280 Personen seienge­tötet." Diese Unglücklichen sind bekanntlich ohne alles Gericht niedergeknallt.

Kleinere Mitteilungen.

Weilheim a. T., 24. Juni. Ein Neidlinger Bürger erhielt dieser Tage einen Sack Mehl Nr. 1 auf billige, aber anstrengende Weise. In einem hies. Bäcker- und Gasthause machten einige Gäste von hier dem Mann von Neidlingen den Vorschlag, wenn er einen 2 Zentner schweren Mehlsack ohne jede Beihilfe in der Zeit von 5 Stunden von hier nach Neidlingen trage, so gehöre der Sack Mehl sein, andernfalls aber müsse er 30 Liter Bier bezahlen. Der Mann nahm die Wette an und nach Verlauf von 3 Stunden lag der Mehlsack auf dem Tisch seiner Wohnung in Neidlingen.

Flörsheim, 29. Juni. Heute früh um 6'/, Uhr während des Gottesdienstes schlug der Blitz in die hiesige Pfarrkirche. Viele der Andächtigen wur­den betäubt. Die Kinder, welche ihre Plätze im Chor der Kirche haben, wo der Blitz die aufgestellte Tomba zerstörte, fielen fast sämtlich zur Erde, nie­mand hat am Leben oder an der Gesundheit Scha­den genommen. Dieser Vorgang ist wieder eine ernste Mahnung, daß Kirchen und Schulen mit Blitzableitern zu versehen sind, wenn namenloses Unglück verhütet werden soll.