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Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

M 51

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, nnd kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 ^5, in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 1 20 et.

Monats-Abonnement nach Verhältnis.

Donnerstag 30. April

Insertions-Gebühr für die Ispaltige Zeile aus

gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 et, bei mehrmaliger je 6 et.

Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1891

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Amtliches.

Nagold. A« die Ortsvorsteher,

die Abhaltung von Feuerwehrübungen betreffend.

Die Ortsvorsteher werden hiemit angewiesen, darauf Bedacht zu nehmen, daß die durch Z 23 der Vollzugs-Verfügung zur Landesfeuerlösch-Ordnung vorgeschriebenen Feuerwehrübungen, Abteilungsübun­gen und Gesamtübungen, im laufenden Jahre pünktlich vorgenommen werden und daß die Vorlegung der Napportbüchcr jeweilig rechtzeitig erfolgt. (Zu vergl. tz 23 der allegiertcn Verfügung, letzter Absatz.)

Den 28. April 1891.

K. Oberamt, vr. Gugel.

Nagold. Den Ortsvorsteher«

ist mit der Post je 1 Exemplar des Handbuchs von Schicker über Alters- und Jnvaliditätsversicherung zugegangen. Der Betrag von 3 ^ 6- ^ ist als­bald unter Verwendung von Bezirkswertzeichen an das Oberamt einzusenden.

Den 28. April 189 l.

_ K. Oberamt, vr. Gugel.

Nagold. Bekanntmachung.

In Fünfbronn ist die Maul- und Klauenseuche vollständig erloschen.

Den 27. April 1891.

K. Oberamt. Or. Gugel.

Unser Moltke tot!

Die Majestät des Todes hat plötzlich, ohne die geringsten Vorboten ihre düsteren Schatten über einem Hanse ausgebreitet, welches einem der edelsten Söhne des Vaterlandes, einem dem ruhmvollsten Bürger, einem der größten Patrioten zum liebge­wordenen Heim diente. Schmerzlos, sanft ist der größte Heerführer unserer Zeit aus seinem arbeits- und thatenreichen Leben abberufen, ein beneidens­werter Tod nach einem gewaltigen Leben. Unser Moltke tot! Der Trauerruf flog blitzschnell durch die deutschen Gauen. Moltke tot!, so hallte es wieder in allen Ländern der Erde. Ein Stück Geschichte war in's Grab gesunken, der Tod hatte den unüber­windlichen Feldherrn überwunden; doch er erschien ihm freundlich und mild, ohne eine rechte Erkennung des Zustandes schlummerte unser Moltke hinüber in die Ewigkeit.

Lebendig tritt in dem welthistorischen Augenblick seines, Scheidens aus der Mitte des ihn nicht nur bewundernden, sondern auch liebenden deutschen Volkes das Bild des Verewigten, das selbst die bitterste Leidenschaft der Feinde in keinem Punkt zu entstellen vermochte, ein Bild des schlichten, gotter. gebenen Mannes, des feinsinnigen, für alles Schöne und Edle begeisterten Denkers, ein Bild des uner­müdlich wirkenden Staatsdieners, des genialen Feld­herrn uns entgegen. Seit dem Tüde des Kaffer Wilhelms I. der älteste und größte Soldat des vaterländischen Heeres, stand der Heimgegangene geehrt und bewundert von seinen Zeitgenossen da, die in ihm nicht nur den verdienstvollen Heerführer und Schlachtendenker , sondern vor Allem den mit allen Tugenden edelsten Menschentums geschmückten Zeitgenossen schätzten. Ein Führer und Bahnbrecher im Reich der Anschauungen und Gedanken des mo­dernen Krieges, war der ehrwürdige Veteran die Hoffnung und der Stolz der Nation, welche seine Ehrentage zu den ihrigen machte. Unvergänglich sind mit seinem Namen die Erinnerungen an die

ruhmvollen Begebenheiten verknüpft, welche zu der ungeahnten Erhöhung der Macht und Größe unseres Vaterlandes geführt haben.

Freudigen und gehobenen Herzens erkannte es das deutsche Volk an, als Kaiser Wilhelm II. den Verblichenen trotz vorgerückten Lebensalters, nicht aus dem Armeeverbande scheiden ließ, so lange unser Moltke unter den Lebenden wandelte, daß er den Helden, dessen Name mit dem Andenken an eine der größten Epochen der deutschen Geschichte verknüpft ist, dem Heere erhielt und damit den Dank bethäligte, den das Vaterland ihm schuldet. Der bescheidene Mann, der niemals und zu keiner Zeit seine Person in den Vordergrund stellte, hat bis zur letzten Stunde im Dienste der deutschen Sache gestanden. Bis zum letzten Tage seines Lebens arbeitete unser Moltke an einem Plane zur militärischen Ausnützung des Nordostsee-Kanals.

Herrlich und erhebend wirken heut dem Abschlüsse dieser Heldenlausbahn die Worte, welche seine kaiser­lichen Kriegsherren an manchem Gedenktage an ihre Paladine richteten und in denen sie vor aller Welt bezeugten, mit wie klarem und bewährtem Geist, mit wie selbstloser Hingabe derselbe ihnen zur Seite gestanden habe. Steht die Nation trauernd an der Bahre des viel verdienten, des hoch bewunderten Mannes, so mischt sich in das Gefühl der Trauer und der Wehmut doch das Bewußtsein, daß das, was Feldmarschall Graf Moltke erstrebt und errungen, und wofür er mit Einsetzung seiner letzten Kräfte gewirkt hat, von der Gesamtheit des Volkes als ein teures Vermächtnis bewahrt werden wird, an dem auch die Vergänglichkeit der Zeit nicht zu rütteln vermag. Und wenn das Vaterland sich erinnert, was ihm der Verewigte war, wenn die Klage der Trauer weithin durch das Land schallt, dann erhebt sich auch vor unserer Seele sein edles, ruhevolles Antlitz, und lenkt Denken und Empfinden auf den Mann, dem seine eigene Zeit die unvergänglichsten Ehrenkränze reichte, und dessen rein menschliche Größe in der Hoheit des Karakters, in der Gottesfurcht und Wilde des Wesens einen so leuchtenden Ausdruck fand. Friede seiner Asche und Ehre seinem Andenken für alle Zeiten, bei allen Deutschen!_

Gestorben: Friedrich Fischer, Oderamtsarzt, Horb, 56 I. a.

Tages-Weuigkeiten.

Deutsches Weich.

fff Nagold, 26. April. Zu dem Vortrag des Hrn. Kameralverwalter Bühler aus Altensteig über Bellamy'sRückblick aus dem Jahr 2000" hatte sich im Sauttersaal eine zahlreiche Zuhörerschaft eingefunden. Es war ein riesiger Stoff, den der geehrte Redner in sehr gewandter, fast nur zu flüch­tiger Weise in der kurzen Zeit bewältigte, da derselbe nicht nur die Bellamy'sche Schrift, sondern auch alle ihm bekannten früheren Arbeiten ähnlicher Richtung, die alle die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies und Vorschläge zur Wiedererwerbung desselben zum Gegenstand haben, in den Kreis seiner Betrachtungen zog. so die Staatsromane Henophons und Platos aus dem klassischen Altertum, von denen der erstere in einer idealen Monarchie, der letztere in der einer Geistesaristokratie das Heck zu finden glaubten; ferner die Utopia des Thomas Morus, Kanzlers Heinrichs VHI. von England aus dem 16. Jahrhundert, dann die Arbeit eines Mönchs Campanella aus dem 17.

Jahrhundert, der in seinemSonnenstaat" bereits die Aufhebung der Ehe und des Eigentums verlangt? ferner die Beschreibung des StaatsChristiansstadt" von unsrem berühmten Landsmann Valentin Andreas aus der Zeit Ludwigs XIV., einRückblick aus dem Jahr 2440" von einem unbekannten Amsterdamer .Schriftsteller vom Jahr 1771, endlich in unsrem Jahrhundert ein Lob auf die Gütergemeinschaft von einem französischen Kommunisten Capet. Inzwischen baben sich neben allem Fortschritt im Verkehrs- und Maschinenwesen die Gegensätze zwischen arm und reich verschärft, namentlich in den Verein. Staaten von Nordamerika, wo rücksichtslos der Dollar herrscht und eine schauerliche Mißwirtschaft der alle 4 Jahre wechselnden und darum sich möglichst bereichernden Beamten sich breit macht kein Wunder, daß dort gerade ein solches Werk wie Bellamy'sRückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887" entstand und reißenden Absatz fand. Die Hauptperson in diesem Roman ist ein in den angenehmsten Verhält­nissen lebender Herr Julian West, der für sich und seine zukünftige Frau ein Haus baut, wobei ihn aber die ewigen Streike der Arbeiter aufhalten und aufregen, so daß seine ohnehin ihm anhaftende Schlaflosigkeit sich steigert und er im Kellerraum seines alten Hauses sich ein von dem Lärm der Großstadt abgeschlossenes, nur durch ein Luftkamin mit der Außenwelt in Zusammenhang stehendes Gemach einrichtet, woselbst er trotzdem sich hie und da von einem Magnetisör einschläfern und andern Tags von seinem vertrauten Diener sich wecken läßt. Der Arzt reist hierauf ab, in der Nacht äschert ein Brand das Gebäude ein, wobei der Diener umkommt, das Kellergemach zwar erhalten bleibt, aber da niemand sonst von dem Geheimnis etwas weiß, auch Julian West für verunglückt angesehen und von seiner Braut betrauert wird, bis sie nach vielen Jahren einem andern Mann die Hand reicht. Julian West aber schläft in seinem hypnotisierten Zustand weiter, 113 Jahre lang, bis im Jahr 2000 ein Doktor Leete sein ehemaliges Grundstück ankauft und bei seinen zu Bauzwecken vorgenommenen Grabarbeiten das unterirdische Schlafgemach entdeckt und den immer noch schlafenden Julian West auferweckt. Dieser hat nun, obgleich ihm Dr. Leete und dessen Tochter Edith, eine Urenkelin seiner ehemaligen Braut und seiner spätern Frau getreulich Beistand leisten, große Mühe, sich in dem neuen Boston zurecht zu finden. Ist es doch ganz und gar anders geworden! In der ganzen kultivierten Welt ist an Stelle des selbstsüchtigen Individualismus der Collektivismus, d. h. die Gütergemeinschaft getreten. Die Arbeiter haben sich organisiert gegen das Kapital, Industrie und Handel liegt in den Händen des Volks und seiner Regierung. Die Nation ist die einzige Be­triebsgesellschaft; statt der allgemeinen Wehrpflicht, die durch Wegfall der Kriege hinfällig geworden, herrscht allgemein militärisch organisierte Arbeitspflicht. Die Menschheit ist so tugendhaft gediehen, daß jeder aus Lust zur Arbeit und zugunsten des allgemeinen Wohls arbeitet; die wenigen, die sich zu dieser sitt­lichen Höhe nicht emporgeschwungen haben, d. h. die zwar arbeiten könnten, aber nicht wollen, werden bei Wasser und Brot eines bessern belehrt. Die Erziehung dauert bis zum 21. Jahre; vom 21.24. Jahre erlernt der junge Mann verschiedene Han­tierungen, von denen er die ihn am besten zusagende erwählt oder zugewiesen erhält, je nachdem er sich in den strengen Prüfungen als befähigt ausweistt