Nußbaumer begrüßte die Festversammlung. Hierauf folgte die Festrede des Redakteurs Eckard, welcher ein kurzes Lebensbild Windthorst's gab, worauf Landtagsabgeordneter Direktor Probst als Freund und Schützling Windthorst's Erinnerungen aus dessen Leben und dem Umgänge mit ihm gab. Der dritte Redner, Abgeordneter Gröber, geißelte, indem er Windthorst's Verdienste und große Eigenschaften hervorhob, dessen langjährigen Gegner, den Fürsten Bismarck. Der Redner erging sich hierbei leider in sehr absprechender Weise über den Gründer des deutschen Reiches.

Stuttgart, 10. April. Neuerdings sind in dem hiesigen Garnisonlazarete Versuche mit dem Lieb- reichschen Jmpfmittel gemacht worden, die aber keinen günstigen Erfolg hatten, so daß man damit wieder aufgehört hat. Die Impfung mit dem Koch'schen Mittel ist im Katharinenhospital gänzlich eingestellt worden.

Ottmarsheim, 7. April. Gestern abend starb hier der in weiteren Kreisen bekannte Gutsbesitzer und Adlerwirt Hermann im Alter von 66 Jahren. Der Verstorbene hat sich in der Landwirtschaft durch mancherlei Versuche hervorgethan, so durch Einfüh­rung der Drahtanlagen für Hopfen und Weinbau und die daran geknüpfteBeschattungstheorie."

Berlin, 9. April. Der Kaiser läßt hier für den Grafen Waldersee sein lebensgroßes Bildnis malen.

Am 10. April vollendete sich ein halbes Jahr­hundert, daß der General der Kavallerie v. Albedyll, kommandierender General des 7. Armeekorps und Generaladjutant des Kaisers Wilhelm I., im preu­ßischen Heer gedient hat.

Die Behauptung derBerliner Börsen-Zeitung", daß der Kaiser dem Fürsten Bismarck ein eigen­händiges Glückwunschschreiben übersandt habe, wird von derAllgemeinen Zeitung" aufs entschiedenste dementiert. Es hat keinerlei Beglückwünschung statt­gefunden. Nach demselben Blatte hat der freikons. Abg. v. Kardorff eventuell die Niederlegung seines Mandats zu Gunsten der Wahl des Fürsten Bis­marck angeboten.

Fürst Bismarcks Reichstagskandidatur. Fürst Bismarck telegraphierte dem nationalliberalen Cen­tralkomitee in Freiburg in Hannover, daß es ihm eine große Ehre sein würde, im 19. hannoverschen Wahlkreise zu kandidieren. Damit hat also der Fürst offiziell die Wahlkandidatur angenommen.

DieHamb. Nachr." schreiben:In dem letzten Bande des Poschinger'schen WerkesFürst Bismarck als Volkswirt" wird bezüglich der Stellung des Fürsten zum Alters- und Jnvaliditätsversicherungs- Gesetze u. a. gesagt:Bismarcks Interesse an der Sache war allerdings nicht mehr das ursprüngliche von dem Augenblicke an, wo dem Arbeiter Beiträge zu einer Altersversicherung zugemutet wurden; er hatte eine Versorgung auf Staats- und Reichskosten in Aussicht genommen, und empfohlen, die Mittel dazu eventuell aus dem Tabaksmonopol zu nehmen. Die von ihm erstrebte politische Wirkung war nur durch Gratisversorgung zu erreichen: Lohnabzüge im 17. Jahre behufs knapper Pension nach einem halben Jahrhundert lagen nicht in dem Plan, der ihm bei seiner Initiative vorschwebte."

Der Abgeordnete Liebknecht hat die Redaktion des sozialdemokratischen ParteiblattesVorwärts" niedergelegt. Gesundheitsrücksichten werden als Ur­sache angeführt.

Eine für den militärischen Sinn des Kronprinzen bezeichnende Episode wird von einer Berliner Korre­spondenz erzählt. Als am vorigen Donnerstag die kaiserlichen Prinzen von ihrer Spazierfahrt zurück­kehrten und der Wagen in den Schloßhof rollte, trat dort vorschriftsmäßig die Wache ins Gewehr. Ein Soldat hatte kurz vorher den Raum vor der Wache verlassen und dabei das Gewehr aus dem Ständer pflichtgemäß an die Seite gestellt. Als nun das KommandoRaus" erscholl, lief der Mann seinen Kameraden nach, bemerkte aber zu spät, daß er das Gewehr nicht bei sich hatte. Da er aber schon in Reih und Glied stand, so präsentierte er einfach mit der Hand. Dieses eigentümliche Honear entging dem scharfen Auge des Kronpriozeft nicht, und anstatt in die Gemächer sich zu begeben, begctb er sich mit seinen Brüdern eiligst zum Sergeanten und machte diesem in stramm militärischer Haltung von dem Vorfall Meldung. Es wurde dann sofoick

dem wachhabenden Offizier mitgeteilt, und der be­treffende Soldat mag wohl nicht ohne Strafe davon­gekommen sein.

Die zweite Beratung des Arbeiterschutzgesetzes wurde im Reichstag fortgeführt. Angenommen wurden die Vorschriften über Bestimmungen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Ar­beiter, die Bestimmungen über die Wahrung des Anstandes und der guten Sitten in gewerblichen Anlagen, und alsdann die neuen Vorschriften zur Regelung des Arbeitsverhältnisses der Gehilfen und Gesellen. Die Annahme aller dieser Paragraphen erfolgte mit sehr starker Mehrheit, nur die Sozial­demokraten konnten es nicht unterlassen, zu mäkeln und ganz merkwürdige Ideen zu Tage zu bringen. Im Parlament entstand bei allen Parteien ein be­denklichesSchütteln des Kopfes", als Herr Bebel den Fortfall jeglicher Kündigungsfrist im Arbeits­verhältnis beantragte, und durchaus nicht einsehen wollte, daß die Arbeitgeber hierbei vielleicht nicht gut fahren, die Arbeiter aber recht schlecht fortkommen. Der Antrag wurde abgelehnt. Darauf trat mau in die Beratung der vielumstrittenen Bestimmungen über den Koutraktbruch ein, die wohl mehrere Tage in Anspruch nehmen wird.

Deutscher Reichstag. Die am Dienstag begonnene zweite Beratung des Arbeiterschutzgesctzes wurde am Mittwoch fortgesetzt. Abg. Rösicke (lib.) beantragt Einschaltung eines neuen Paragraphen, wornach allen erwachsenden Arbeitern zwischen zwei Arbeitstagen eine Ruhezeit von mindestens 9 Stunden gewährt werden soll. Minister v. Berlepsch er­klärt, der Bundcsrat werde diese Angelegenheit im Verord­nungswege regeln, worauf Abg. Rösicke seinen Antrag zurück- zicht. Nun wird in die zweite Beratung des zweiten Ab­schnitts der Vorlage, welcher die Verhältnisse der Gesellen und Gehilfen betrifft, eingetreten. Z 121 bestimmt: Gesellen und Gehilfen sind verpflichtet, den Anordnungen der Arbeit­geber in Beziehung auf die ihnen übertragenen Arbeiten und auf die häuslichen Einrichtungen Folge zu leisten; zu häus­lichen Arbeiten sind sie nicht verbunden. Der tz 12i wird nach kurzer Debatte unverändert angenommen. Z 122 sagt nach den Kommissions-Beschlüssen: Das Arbeitsvcrhältnis zwischen den Gesellen oder Gehilfen und ihren Arbeitgebern kann, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, durch eine jedem Teil freistehende, 14 Tage vorher erklärte Auflösung gelöst werden. Werden andere Kündigungsfristen vereinbart, so müssen sie für beide Teile gleiche sein. Vereinbarungen, welche dieser Bestimmung znwidcriaufen, sind nichtig. Abg. Bebel (Soz.) beantragt den Fortfall jeder Kündigungsfrist, stößt aber dabei auf den Widerspruch aller Parteien. Ueberein- stimmend wird darauf hingcwiesen, daß von dem Vorfall jeder Kündigungsfrist gerade die Arbeiter den größten Nachteil haben würden. Z 122 wird unverändert angenommen. Z 123 bestimmt die Fälle, in welcher vor Ablauf der vertragsmä­ßigen Zeit und ohne Aufkündigung Gesellen und Gehilfen entlassen werden können. Derselbe wird angenommen, ebenso Z 124, welcher die Voraussetzungen aufzählt, unter welchen Gesellen und Gehilfen vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung die Arbeit verlassen können.

Berlin, 10. Febr. In seiner gestrigen Sitz­ung war der Reichstag von 96, im Anfang gar nur von 26 Mitgliedern besucht. Von den 96 Anwesen­den gehörten 10 den beiden konservativen Fraktionen,- 27 dem Centrum, 17 den Nationalliberalen, 26 den Deutschfreisinnigen, 16 den Sozialdemokraten an. Die Konservativen waren demnach die lässigsten, die Sozialdemokraten und Nationalliberalen verhältnis­mäßig noch die eifrigsten in der Erfüllung ihrer par­lamentarischen Pflichten; sämtliche Parteien aber sind von dem Vorwurf ungenügenden Eifers picht frei­zusprechen. Die fortgesetzte Beschlußunfähigkeit des Reichstags, die in dieser ganzen Session nur in ver­einzelten Fällen vermieden wurde, weist immer deut­licher auf einen organischen Fehler hin, den man auf die Dauer im Interesse des Ansehens des Reichs­tags nicht mehr wird ignoriren können.

Wie in parlamentarischen Kreisen mit Sicherheit verlautet, wird die Session des Reichstages auch diesmal nicht geschloffen, sondern abermals bis zum Herbst vertagt werden, da nach der Geschäftslage des Hauses die Novelle zum Krankenkasfengesetz nicht mehr zur Beratung im Plenum kommen kann, die kommissarischen Vorarbeiten aber nicht vergeblich sein sollen.

Nach demBerl. Tagebl." stände die Unterzeich­nung des deutsch-österreichischen Handelsvertrages unmittelbar bevor. Der Vertrag sei auf 12 Jahre abgeschlossen.

Major Wißmann soll sehr gedrückt nach Europa zurückkommen; er will in den Dienst der Kongoge­sellschaft treten.

In Hamburg ist auf dem DampferSansibar" die Beute des Majors v. Wißmann aus den Käm­pfen in Ostafrika, wie Sperre, Bogen, vergiftete Pfeile rc., aber auch fünf Kanonen, angekommen.

Ein Marineoffizier ist mit Soldaten in Hamburg angelangt, um diese Kriegsbeute nach ihrem Be­stimmungsort, jedenfalls Kiel, überzuführen.

Zurück aus Afrika. Mit dem Packetboot Ava" ist eine größere Anzahl teils wegen Krank­heit, teils als überzählig entlassener Unteroffiziere der ehemaligen Wißmann'schen Schutztruppe aus Ost-Afrika über Marseille in Hamburg eingetroffen. Derselbe Dampfer brachte außerdem zwei Privat­gelehrte Dr. Baumann und Schröter zurück. Beide Herren sind zum zweiten Male ebenfalls Krankheits­halber gezwungen worden, nach kaum je halbjährigem Aufenthalt Ost-Afrika zu verlassen. (Diese sowohl als auch einige von den erwähnten Unteroffizieren entrollen von dem so oft gepriesenen Hinterland ein geradezu trostloses Bild.)

Ein schreckliches Unglück wird aus Rostock ge­meldet. Dort feierte in der Wohnung seiner Schwie­germutter ein junger Mann namens Harms sein Hochzeitsfest. Durch die Erschütterung bei dem Tanze stürzte eine Petroleum-Hängelampe, die das unter dieser Wohnung befindliche Frömming'sche Con- sum-Geschäft erleuchtet, herab und im Augenblick stand der Laden und Nebenraum mit aufgespeicherten, leicht brennenden Waren in Hellen Flammen. Der Ladeninhaber griff schnell nach seinen Geschäftsbü­chern und floh mit den Seinen aus dem Flammen­meer. Schnell drang nun der erstickende Qualm in die obern Räume und erregte dort einen furchtbaren Schrecken. Der junge Ehemann riß seine Frau so­fort an sich und entkam mit ihr noch über die Treppe. Alles schrie und suchte nach Rettung. Ein Hoch­zeitsgast sprang aus dem ersten Stock auf die Straße, er ward nur leicht verletzt; aber seine Frau, die ihm nachsvrang, schlug auf einen Stein und verletzte sich das Rückgrad sehr schwer. Glücklicher wagte bald ein dritter der 25 Hochzeitsgäste den Sprung. In­zwischen drangen beherzte Männer in das Haus und schafften teils ohnmächtige Hochzeitsgäste in das Ne­bengebäude. Einer der Hochzeitsgäste aber, der den Ausweg nach unten versperrt sah, flüchtete sich in das zweite Stockwerk und fand hier den mit Frau und 4 Kindern von 411 Jahren schon schlafenden Arbeiter Dreher. Die Familie wäre umgekommen, wenn sich nicht nach der Gartenseite in der Höhe des ersten Stockes ein glattes Dach befunden hätte. Auf dieses sprang zunächst der Hochzeitsgast und nun riß der Arbeiter in dem schon dicht mit stickigem Qualm gefüllte Schlafzimmer seine Kinder und sein Weib aus den Betten und warf sie buchstäblich dem Untenstehenden zu. Dann sprang er selbst nach. Bange warteten hier die nur mit Hemden Bekleideten in eisiger Nacht, bis man sie endlich mittelst einer Leiter barg. Inzwischen hatte der Polizeischreiber Bohn mit beherzten Männern das brennende Haus nach dort noch befindlichen Menschen vergeblich ab­gesucht. Als aber die Untenstehenden immer wieder sagten, es müßten noch Leute dort fern, begab sich der brave Mann mit mehreren nochmals in die Glut. Auf Händen und Füßen krochen und tasteten sie, da stieß Plötzlich Bohn auf den Körper einer Frau. Diese und noch zwei leblos scheinende Frauen wie auch drei ganz betäubte Kinder wurden von den Wackern noch gerettet. Ein Kind, ein blühendes Mädchen von 13 Jahren, namens Ruß aus Ribnitz, lag im Hochzeitskleidchen tot da, es war erstickt, sein Bruder von 5 Jahren liegt mit verbranntem Arm im Krankenhaus und die lebensgefährlich verbrannte Mutter beider Kinder ward auch dahin geschafft. Sie ist eine Halbschwester des Hochzeiters Harms, war von Ribnitz mit drei Kindern zum Feste gekommen, ihr Mann ist z. Z. als Dampfschiffs-Maschinist auf See. Daß ihr Töchterchen tot, weiß sie nicht, es darf ihr nicht gesagt werden. Ueberdies liegt noch eine sehr schwer verbrannte Modistin, auch ein Hoch­zeitsgast, im Krankenhaus. Das Haus ist im Un­tern Teil stark ausgebrannt, die Leute haben schwe­ren materiellen Verlust. Immer trauriger gestalten sich die Folgen des Brandunglücks von Samstag Nacht. Als von Stettin der Maschinist Ruß ein- traf, fand er nicht nur sein I8jähriges Töchterchen, sondern auch seine Frau als Leiche. Letztere war nachmittags ihren Verletzungen erlegen. Es liegen noch drei Frauen lebensgefährlich darnieder. Der Zustand der Mutter des Hochzeitfeiernden, einer Frau Harms, hat sich verschlimmert. Sodann befürchten die Aerzte das Ableben der dem Erstickungstod schon nahe gewesenen Modistin Müller. Jene junge Frau,