rufung erfolgt nach Maßgabe des hervortretenden Bedürfnisses. Der Anwärter wird erst probeweise gegen ein Taggeld von 4 20 als Hilfsar­

beiter beschäftigt. Wer sich qualifiziert, kann seine Beförderung zum Bureaudiätar und später etats­mäßige Anstellung als expedierender Sekretär und Kalkulator erhalten. Sein Gehalt steigt von 1590 bis 2190 ^ und als etatsmäßiger Beamter bis auf 4200 «/stk, wozu noch der gesetzliche Wohnungs­geldzuschuß von 540 vkL kommt. Der Zeitpunkt des Aufrückens vollzieht sich nur innerhalb der durch den Etat gezogenen Grenzen. Die Bestehung einer nie­deren Dienfiprüfung in den Departements der Ju­stiz, des Innern und der Finanzen qualifiziert jeden­falls ohne Weiteres zu den genannten Stellen. Wie man aus Erfahrung weiß, finden die solchermaßen qualifizierten württembergischen Anwärter in Berlin gerne Berücksichtigung, was man gewiß als ein gutes Zeugnis für die Bildung unserer Beamten der frei­willigen Gerichtsbarkeit onzusehen hat. Im ganzen soll es sich nach und nach um die Besetzung von 350 Stellen handeln, die sich natürlich aus dem ganzen Reiche zu rekrutieren haben.

Frankreich.

In Frankreich sollen im nächsten Herbst Ma­növer von einem bisher in keinem Land dagewesenen Umfang abgehalten werden. 5 Armeekorps sollen sich zu 16tägigen Hebungen vereinigen.

Die Franzosen haben wieder jemand in Paris, für den sie sich interessieren können. Eine Clique hat den berüchtigten Freikosackeu Atschinow, mit deutlichen Worten gesagt, ist der Kerl ein vollendeter Spitzbube, nach Paris kommen lassen und giebt ihm zu Ehren sogar Feste. Etwas Russisches haftet At­schinow allerdings an, aber nicht das Beste.

Italien.

Ueberdie Gemütsverfassung Crispi's nach seinem Sturze hat die Dienerschaft des früheren Premiers etwas aus der Schule geplaudert und selbst die Gazzetta di Torino", ein Blatt, das dem Ministe­rium Crispi nahe gestanden, hat dem Berichte dieser Intimen seine Spalten geöffnet. Danach kam Crispi an dem ihm verhängnisvollen 3l. Januar in einer Erregung nach Hause, in welcher ihn weder die Familie noch die Dienerschaft je zuvor gesehen. Das erste, was er that, war, daß er die im Vorzimmer seiner Wartenden hinausjagen ließ, dann berief er die Dienerschaft zusammen, um ihnen mit kurzen und rauhen Worten zu erklären, daß sie sich bis zum 15. Februar eine andere Stellung suchen möchten, sein Haus habe keine Verwendung mehr für sie. Dem Hausmeister kündigte er dagegen bereits auf den nächsten Tag seine Stellung. Seine Gemahlin und Tochter wagten es nicht, seinen Zorn zu be­sänftigen, bis sich endlich nach Verlauf mehrerer Stunden Fräulein Giuseppina Crispi ein Herz faßte und den Papa zu beruhigen wußte. Dann blieb er den ganzen Abend in heiterster Stimmung.

Spanien.

Wie die spanische Regierung bekannt gibt, hat sie bei den Neuwahlen zu den Cortes im Ganzen eine Mehrheit von 190 Stimmen errungen. In Portugal ist die Ruhe bisher in keiner Weise wieder gestört worden.

^England.

London. Eine Meldung derTimes", daß ein in Sansibar lebender Deutscher Namens Raddatz ein Negermädchen ermordet habe, ist eine englische Lüge.

London, 17. Febr. Der verhaftete Schiffs­heizer Sadler gibt zwar zu, die in Whitechapel er­mordete Frauensperson gekannt zu haben; er wies aber sein Alibi nach, weßhalb er wahrscheinlich noch heute aus der Haft entlassen werden dürfte.

London, 17. Febr. Eine schreckliche Katastrophe hat am 20. Dezember die Stadt Cordova in Ar­gentinien heimgesucht. Durch den plötzlichen Bruch eines Kanals ergossen sich ungeheure Wassermaffen über die Stadt, deren nichts ahnende Bewohner sich, da es Nacht war, in tiefem Schlummer befanden. Die Polizei feuerte Gewehrsalven ab, um die Schläfer zu wecken. Dieselben sprangen in dem Glauben auf, daß es sich um eine Revolution handle. Das Wasser stieg in den Straßen so hoch, daß die Gaslaternen verlöschten. Die schrecklichsten Szenen trugen sich zu und lautes Jammergeschrei erfüllte die Straßen. Man schätzt die Zahl der ums Leben gekommenen Personen auf 150 und den durch den Bruch des Kanals entstandenen Schaden auf Dollars 3 000 000.

W. 6. Internationale Höflichkeiten.

Es ist verhältnismäßig wenig beachtet worden, daß Kaiser Wilhelm in voriger Woche aus Anlaß des Todes des berühmten französischen Malers Meissonnier der Pariser Akademie der Künste, welcher der Verstorbene angehörte, durch den General Grafen Wedel sein Beileid hat aussprechen lassen. Der Vorgang hat aber doch seine ganz besondeee Bedeu­tung, die die Sache nicht einfach als bloße interna­tionale Höflichkeit erscheinen läßt. Kaiser Wilhelm weiß ebenso gut wie jeder andere Mensch, daß es unmöglich sein wird, wirklich enge Beziehungen zwi­schen dem Deutschen Reiche und der französischen Republik in absehbarer Zeit wieder herzustellen. Es wird uns das auch nicht um den Preis der «Rück­gabe von Elsaß-Lothringen, an die selbstverständlich nicht zu denken ist, gelingen, denn die Franzosen würden immer noch ihre Revanche für die im letzten Kriege erlittenen Niederlagen haben wollen. Aber Kaiser Wilhelm hat das Bestreben, die gehässigen Ausbrüche des Nationalhaffes verstummen zu machen und zwischen den beiden benachbarten Staaten we­nigstens ein äußerlich, ungefähr befriedigendes Ver­hältnis herzustellen. Das Gelingen dieses Planes wäre wertvoll, denn wer in Paris an Streit und Krieg mit Deutschland denkt, sind viel weniger die Minister, die ganz genau wissen, was dabei auf dem Spiele steht, und wie die Dinge liegen, als vielmehr die berüchtigten Straßenpolitiker, welche die Menge mit sich sortreißen. Der Kaiser hat Frankreich ge­genüber nun schon seit geraumer Zeit ein eigenartiges Verfahren eingeschlagen, das seine Wirkung an der Seine" thatsächlich nicht verfehlt hat. Es ist ihm das um so leichter geworden, als Frankreich, von dem wankelmütigen und leicht aufbrausenden Karakter seiner Bewohner abgesehen, ja doch Manches bietet, was alle Anerkennung verdient. Die große und liebenswürdige Höflichkeit, welche der Kaiser auf der vorjährigen Berliner Arbeiterschutzkonfercnz dem ver- dienten französischen Gelehrten Jules Simon be­wies, wurde in den Pariser Zeitungen bereits mit ersichtlichem Wohlgefallen verzeichnet, man ging in französischer Uebertreibung sofort weiter und sagte, der deutsche Kaiser habe der französischen Wissenschaft die ihr gebührende Anerkennung ausgesprochen. Jules Simon kam denn nach Paris zurück, und bald stand nach seinen Erzählungen in allen Blättern, daß der deutsche Kaiser ein ganz vorzügliches, reines Französisch spreche, sich auch mit Vorliebe darin unterhalten habe. Es ist ja nun zur Genüge be­kannt, daß der Kaiser im Hofverkehr die deutsche Sprache zur maßgebenden erhoben hat und die fran­zösische Sprache selbst von den Speisezetteln verbannt ist, daß es sich hier also nur um eine Höflichkeit handele, aber man ging in Paris abermals weiter und sagte: Spricht der deutsche Kaiser gut französisch, so hat er sich eifrig mit unserer Sprache beschäftigt. Und wer das thut, kann nicht daran denken, um jeden Preis Krieg mit uns zu beginnen. So ist es gekommen, daß langsam, aber sicher die Beurteilung des deutschen Kaisers in den Pariser Zeitungen eine ganz andere wurde, die früheren Gehässigkeiten fort­fielen und man mit Achtung zu schreiben und spal- tenlange Artikel über den deutschen Monarchen zu veröffentlichen begann. Die Reden und Erlasse des Kaisers wurden auch in Paris mit großer Aufmerk­samkeit gelesen und schließlich kam das Zugeständnis: In der That, Kaiser Wilhelm ist ein bedeutender Monarch." Mehr ist natürlich nicht zu erwarten, damit können wir aber auch zufrieden sein. Nun ist aber Kaiser Wilhelm seinerseits einen Schritt weiter gegangen mit dem Beileidsschreiben für Meis­sonnier. Es war doch etwas zweifelhaft, wie die Sache aufgefaßt wurde und leicht möglich, daß die Pariser Akademie der Künste stillschweigend die Zuschrift bei Seite legte. Statt dessen hat die Akademie eine of­fizielle Antwort an den deutschen Kaiser beschlossen, und, was mehr noch, die Pariser Zeitungen sind durch die Bank mit diesem Beschluß einverstanden. Man muß nur bedenken, daß ein ähnlicher Vorgang seit >871 noch nicht stattgefunden hat, daß noch vor einem Jahre viele Pariser Journale Zeter und Mord schrieen, als es sich um Beantwortung der Frage handelte, ob französische Aerztc am Berliner medi­zinischen Kongreß teilnehmen sollten. Heute beför­derten dieselben Zeitungen freiwillig die Teilnahme der französischen Künstler an der diesjährigen großen Berliner Kunstausstellung, und es gilt heute schon

für sicher, daß dieselben sich in nicht geringer Zahl einfinden werden. Kaiser Wilhelm hat es also un­leugbar und mit großem Geschick verstanden, sein An>ehen bei den Franzosen zu heben und die gehäs­sigen Ausbrüche der deutschen Feindschaft etwas zu­rücktreten zu lassen. Es braucht nicht Wunder zu nehmen, wenn die Pariser Journale bald von Neuem die Frage zu erörtern beginnen, ob es möglich sei, daß der deutsche Kaiser einen Besuch in Paris ab­statten könne. Sicher würde sich eine unendliche Zahl von Parisern dadurch gewaltig gehoben fühlen, aber was nicht möglich ist, muß eben bleiben. Wer will denn dafür bürgen, daß fanatische Elemente nicht dem Kaiser in einer Weise zu nahe treten, auf welche das deutsche Reich mit dem Schwert die Antwort erteilen muß? Es kann und muß uns ge­nügen, ein ruhiges Verhältnis zwischen beiden Staa­ten hergestellt zu sehen. Es wird ja vielleicht auch dadurch nicht in Zukunft ein ernster Zusammenstoß verhütet werden, aber wir hahen doch vorläufig Ruhe ohne Zank und Streit und viele Hetzreden.

Kleinere Mitteilungen.

Einem in Gmünd zur Hebung einberufenen Landwehrmann wurde am Samstag vor versammel­tem Bataillon Mitgeteilt, daß er wegen Insubordi­nation eine Gefängnisstrafe von 44 Tagen zu er­stehen habe. Derselbe hatte sich nämlich geweigert, Waffen zu tragen.

DerKladderadatsch" ist am Sonntag in Greiz wegen Beleidigung des Fürsten von Reuß konfis­ziert worden; wahrlich ein harter Schlag! Obendrein soll gegen den Redakteur des Blattes ein Strafan­trag gestellt werden.

In einem Anfall von Trübsinn hat am letzten Freitag in Berlin der Gcnerallieurenant a. D. Ernst v. Braun, ein 75jühriger Greis, durch einen Pistolenschuß seinem Leben hiedurch ein gewaltsames Ende bereitet.

Liverpool, l7. Februar. Mehrere hiesige Handlungshäuser empfingen aus Chili die dringende Warnung, keine Warentransporre nach Chili zu ver­schiffen, da die Dauer des Bürgerkrieges unbestimm­bar sei. Der Präsident der chilenischen Republik emittirte für 12 Mill. Dollars Papiernoten.

Handel und Berkehr.

Stuttgart, 16. F.-bruar. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per loO Kitogr.: Weizen, fränk. 20.75 bis

21.75, dto. bayer. 2121.2 ', dto. württ. 20.25 bis

20.8', Kernen Oberländer .tL 21.25, Dinkel ^ 13.60, Haber prima 16.50.

Stuttgart, 6. Febr. (Mehlbörse.) Suppengries 33.50-34, Mehl Nro. 0 34-34.50, Nro. 1 ^ 32

bis 32.50, Nro. 2 30.50-31, Nro. 3 ^ 28.50-29.50,

Nro. 4 OHi 2525.5 ', Kleie mit Sack 9 per 100 Kilo. '

Konkurseröffnungen. Gustav Drauz, Schuhma­cher in Heilbronn, Nachlaßmasse. G. Jak. Reinhardt, Weingartner in Hölzern. Wilh. Jhlein, Weingärtner in Ncckarsulm. M. Wohlfahrt, Bäcker in Kirchbcrg a. I.

Gothaer Lebensversicherungs-Bank.

Versicherungs-Bestand am 1. Januar 1891: 75 200 Pers. mit 586 200 000 Neu-Zugang im Jahre 1890: 4625 Versicherten über 34 500 000 -6; Bankfonds am 1. Januar 1891: 168 000 000 Versicherungssumme ausbezahlt seit Beginn: 215 840 000 -6; Ueberschuß an die Versicherten zu verteilen im Jahre 1891: 6 226 063 Die Versicherun­

gen Wehrpflichtiger bleiben ohne Zuschlagprämien auch im Kriegsfälle in Kraft.

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hat bei stimmlicher Indisposition und Heiserkeit besseren Erfolg, als Kay's ächte Sode«. Mineral-Pastille«.

sn Deutschland dürste es wohl kaum ein Sänger, Schau- pstler oder Redner geben, der sich ihrer nichtständig bedient, käuflich in allen Apotheken und Droguerien L 85 Pfg. die Schachtel.

bei tk». Konditor.

Unserer heutigen Stadtauflage liegt ein Prospekt über Wiesbadener Koch- brunnen-Ouellfalz bei, diesem jetzt allgemein beliebtesten Quellprodukt, woraus wir unsere Leser ganz besonders aufmerksam machen. Das Koch­brunnen-Quellsalz ist in den Apotheken und Mineralwasserhandlungen u. s. w. zu. haben; doch achte man aufSchutzmarke".

Käuflich in Nagold in der Apotheke von N. Oeffinger.

Hiezu das Uuterhaltungsblatt 8.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nago d. - Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schcn Buchdruckern.