Tages-Weuigkeilen.

DeutschesWeich.

- Nagold, 2. Febr. Heute Mittag '/s3 Uhr versammelten sich Mitglieder des landwirtschaftlichen Vereins und sonstige Freunde des Obstbaues im Saale des Gasthofes z. Hirsch, um über Obstbau- und Obstbaumpflege sich belehren zu lassen. Statt des durch Unwohlsein verhinderten C. Eblen trat Pomolvg Gaedertz als Redner auf. Er betonte zunächst i. a. die große Bedeutung des Obstbaues für unser Vaterland, das in den Jahren 1886 bis 1890 zusammen für 34 Mill. Mark Obst einführen mußte. Aber nicht blos zum Mosten, sondern auch zum Speisen wird viel Obst verwendet. Namentlich für Kinder ist der Obstgenuß sehr zu empfehlen. Der Obstbau ist nicht so schwierig als häufig ange­nommen wird. Die hochgelegene Albgemeinde Lai­chingen bietet Gelegenheit, rationellen Obstbau in hohen Lagen kennen zu lernen. Bei der Auswahl der anzupflanzenden Hochstämme ist sehr darauf zu sehen, daß wenige aber gute Sorten gewählt werden sollen. Der Baumsatz ist gut vorzubereiten durch Ausheben einer 1 m breiten und 1 m tiefen Baum­grube. Dieses Ausheben hat womöglich schon im Herbst zu geschehen. Der zu oberst gelegene Boden ist dann zu unterst in die Baumgrube zu bringen, während der schlechte untere Boden oben auf zu bringen ist. Daß der Baum nicht zu tief zu stehen kommt, ist die aufgelockerte Erde etwas anzutreten oder aber soll der Baum erst gesetzt werden, wenn der Boden sich den Winter über gesenkt hat. Der Herbstsatz sei dem Frühsahrssatz vorzuziehen, da die Winterfeuchte ein schnelles Anwachsen des Baumes ermöglicht. Beim Schneiden der Wurzeln muß be­sonders vorsichtig verfahren werden. Nur verwun­dete Stellen sollen beschnitten werden. Die Schnitt­fläche soll nach unten zu gekehrt sein. Haarwurzeln sollen nicht beschnitten werden. Die Baumpfähle sollen bis an die Krone der Bäume reichen, wenn sie dem Baum eine Stütze sein sollen. Die Düngung hat entweder einen vermehrten Holzwuchs zur Folge (wenn unmittelbar vor dem Safttrieb gedüngt wird) oder aber bewirkt sie vermehrten Blütenansatz, wenn im September gedüngt wird. Cloake, Gülle rc. sind als Düngmittel sehr zu empfehlen. Zum Schutz der Bäume ist ein Anstrich von Kalk sehr zu empfehlen; außerdem sollen junge Bäume mit Dornen einge­bunden werden, um welche ein Draht geschlungen wird, daß Hasen rc. abgehalten werden. Stroh ist als Einbindematerial zu verwerfen. Beim Pflanzen der Bäume ist auf die richtige Entfernung zu achten. 10 in, bei Goldparmänen 6 m müssen Hochstämme von einander entfernt sein. Sind die Bäume ge­setzt, so müssen sie auch gepflegt werden. Alles un­nütze Holz ist aus der Krone zu entfernen. Die alte Borke (Rinde) ist zu entfernen, da sich unter diesen Rindcnstückchen viel schädliches Ungeziefer auf­hält. Ein weißer Kalküberzug schützt die Bäume vor zu schnellem Austauen, Bei der Obsternte werden oft die Fruchjzweige abgeschlagen, wodurch sich der Besitzer selbst um die nächstjährige Ernte bringt. Dem geehrten Redner wurde allseitiger Dank ge­spendet.

Altensteig. Vergangenen Feiertag bewegte sich ein imposanter Leichenzug durch die hiesige Stadt. Es galt einem Mitglied des Kriegervereins Johs. Hummel, Bierbrauer und Wirt die letzte Ehre zu erweisen. An der Leichenbegleitung nahmen außer dem hiesigen Kriegerverein und der Feuerwehr auch die Kriegervereine Ebhausen, Egenhausen und Spiel­berg, nebst den vielen Verwandten und Bekannten des Entschlafenen teil, so daß wohl selten hier eine solche große Leichenfeier stattgefunden hat. Der Leichenzug bekundete:Hier bringt man einen edlen, wackeren Bürger zu Grabe." Drei Böllersalven kündigten an, daß nunmehr der Sarg in die Erde versenkt sei. Erst 39 Jahre alt. viel zu frühe für seine Familie, erlag endlich der Körper der Krank­heit, die allmählich die Kräfte des Leibes verzehrte.

Stuttgart, 30. Jan. Die Vierbranereibcsitzer Ricger und Reinhard-Obersontheim, Eisenmenger- Untersvntheim, und Häbcrle-cvaildorf wurden vor­gestern unter Führung der Herren Obcifinanzrat Dr. Pileiderer und Oberregierungsrat v. Bocksham­mer, Laiidlagsabgeordnetcr des Bezirks Gaildorf, ans ihr Ansuchen von dem Finanzministcr v. Renner cn pfangen, um demselben ihre Bitte um Ermäßigung

der Malzsteiler für kleinere Betriebe und um Ein­führung einer sog. Klassen- oder Staffelsteuer, welche sie schon voriges Jahr in einer Petition an das Finanzministerium und die Abgeordnetenkammer nie­dergelegt hatten, nun auch mündlich vorzutragen. Der Minister lieh den Ausführungen der Herren ein offenes Ohr, verhehlte ihnen aber nicht, daß der Willfahrung ihres Gesuchs bedeutende Schwierig­keiten im Wege stehen. Die Besprechung dauerte anderthalb Stunden.

Stuttgart, 2. Febr. Nachdem lautF. Z." Herr Sonnemann gestern den Verfasser des incrimi- nierten Artikels über die angeblichen Vorgänge im hiesigen Ulanen-Kasino genannt hat und auch, wie wir hören, die hiesige Staatsanwaltschaft davon un­terrichtet ist, liegt für uns kein Grund mehr vor, den Namen des Verfassers zu verschweigen, der in den nächsten Tagen doch genannt würde. Er ist der auch als Feuilletonist bekannte Herr Willy Widmann.

Die Ziehung der Lose des Krankenhauses der barmherzigen Schwestern in Stuttgart ist auf den 16. März d. I. verschoben worden.

Berlin, 3l. Jan. Der Kaiser verabschiedete sich vom Herzog von Genua mit den Worten:Auf Wiedersehen in Nom!"

In einer Versammlung von Freisinnigen in Berlin, bei der Virchow, Bamberger und andere Parlamentarier dieser Partei anwesend waren, brachte der Abg. Dr. Barth aus Anlaß des kaiserlichen Geburtstags einen Toast auf den Kaiser aus, der Deutschland (durch die Entlassung des Fürsten Bis­marck) von einem Alp befreit habe, der die Nation zu erdrücken gedroht habe. (?) Daran schloß sich ein Trinkspruch des Abg. Bamberger, der im selben Sinne die Wendung gebrauchte:Aergert Dich Dein Kanzler, so reiße ihn aus", im übrigen aber seine Parteigenossen davor warnte, sich der Erwartung hinzugeben, als könne man jetzt die Hände in den Schoß legen und eine Reform von oben erwarten.

Berlin, 31. Jan. DerMünch. Allg. Ztg." wird von hier gemeldet: In unterrichteten Kreisen glaubt man, daß der Reichskanzler v. Caprivi dem­nächst das Amt des preußischen Ministerpräsidenten an den Finanzminister Dr. Miquel abgeben werde. Letzterer würde Finanzminister bleiben.

Berlin, 31. Jan. DerNordd. Allg. Ztg." zufolge ist von einer bevorstehenden Abgabe des Amtes des preußischen Ministerpräsidenten seitens des Reichskanzlers v. Caprivi an den Finanzminister Dr. Miquel in unterrichteten Kreisen nichts bekannt. Auch dieNat.-Ztg." bezeichnet die Nachricht als Erfindung. DieMünch. Allg. Ztg." dagegen hält ie aufrecht. Der Wechsel sei für die nächste Zeit in Aussicht genommen.

Der preußische Finanzminister hat die ihm un­tergebenen Behörden bestimmt, daß gegenüber den von der Staatsverwaltung beschäftigten, invaliditäts- und altersversicherungspflichtigen Personen von der Berechtigung, bei der Lohnzahlung die Hälfte der Beiträge in Abzug zu bringen, Gebrauch zu machen ist. Das ist zweifellos eine Folge der Ermah­nungen zur strengsten Sparsamkeit, die Herr Miquel im preuß. Abg.-Hause zu hören bekommen hat?

Berliner Zeitungen teilen einen Aufruf mit, der die Errichtung einesDeutschen Vereins zur Abwehr des Antisemitismus" anküudigt. Unterzeichnet ist der Aufruf von etwa 500 bekannten Persönlichkeiten.

Deutscher Reichstag. (Donnerstagssipung.) Die zweite Beratung des Etats der Reichspostverwaltuug wird vrtgesetzt. Abg. v. Münch (Demokrat) befürwortet die Her­absetzung für Zeitungstelegramme. Abg. Graf Bchr (freik.) kann ein Bedürfnis dafür nicht an rkcnnen, wünscht aber Beseitigung der Bestellgebühren für Landlelegrammc. Staats­sekretär v. Stephan verspricht darauf hiuzumirken Abg. Dr. Hartmann (kons.) erklärt sich ebenfalls gegen eine Herab- etzung der Dcpeschengebühren, spricht im Uebrigen aber der Reichspostverwaltung seine Anerkennung aus. Abg. Richter (freis.) bringt die Stellung des Wolff'schen Telegraphenbureaus in Berlin zur Sprache, dessen Geschäftsbetrieb er aber abfällig kritisiert. Staatssekretär v. Stephan erklärt, daß die Be­ziehungen zum Wolff'schen Bureau nicht zu seinem Ressort gehörten. Nachdem »och Staatssekretär v. Stephan auf eine Anfrage erklärt, daß die Regierung nicht beabsichtige, das Post'parkassengcsetz dem Hause wieder vorzulegen, werden d:e laufenden Einnahmen des PostetatS bewilligt.

Berlin. Bestätigt wird jetzt von allen Seiten, daß Tue Rcichsregicrung in der Thal daran denkt, versuchsweise das Verbot der Einfuhr für amerika­nischen Speck und Schinken anizuheben.

1 Million Fläschchen, welche bestimmt sind, die K o ch 'sehe Lymphe anfzunehmen, sind in der Hohl- glashüttc zu Forst angefcrtigt worden. Die klei­

nen Gläschen haben einen Inhalt von 5 Gramm; als Verschluß dient ein wasserdicht schließender Glas­stöpsel. Bei der Zurichtung der Lymphe wird noch eine Kolbenflasche verwendet, welche 100 Gramm enthält und aus ganz gleichmäßig starkem, dünnen Glase hergestellt ist, infolge dessen sie auch als Koch­flasche gebraucht werden kann. Beide Fläschchen sind aus besonders gut hcrgcstelltem Glase gefertigt und sollen den an sie gestellten Anforderungen in jeder Weise genügen.

S chmei y

Bern, 2. Febr. Oesterreich-Ungarn kündigte heute den Handelsvertrag mit der Schweiz zum 3. Februar 1892.

B e fl e r r e i ch - A n g a r n.

Das österreichische Abgeordnetenhaus ist ganz unvermutet aufgelöst worden. Die Neuwahlen sollen möglichst rasch erfolgen. Offenbar will die Regie­rung aus den verwirrten und zerfahrenen Verhält­nissen herauskommen, welche durch den Streit der einzelnen Völkerschaften im vielsprachigen Oesterreich entstanden sind. Das Scheitern des deutsch-böhmischen Ausgleichs ist wohl die Nächstliegende Ursache der raschen Auflösung. Die Deutschen in Oesterreich können nun zeigen, ob sie nicht mehr Einfluß auf die Regierung gewinnen können als seither.

Der Prof, der Chirurgie in Wien, Mosetig, machte in der Sitzung der Aerzte-Gesellschaft am 30. Jan. die Mitteilung von der Entdeckung eines neuen Heilmittels gegen krebsartige, bisher für un­heilbar gegoltene Neubildungen. Das Mittel ist Methylviolett und bewirkt, in die Geschwülste in­jiziert, den Schwund derselben ohne gefährliche Re­aktion wie bei Kochin. Die angeführten Fälle von Heilung erregten Aufsehen.

Bulgarien.

Belgrad, 29. Jan. Das gesamte Kaninct trat vom Amte zurück. Die wahre Ursache des Rück­tritts des Ministers des Innern ist, daß er die all­gemeine Politik des Kabinets im radikalen Sinne gehalten wissen wollte.

Spanien.

Auf den Karolineninseln ist es zu einem neuen Gemetzel spanischer Truppen gekommen. Die Eingeborenen griffen die spanische Besatzung an und töteten 90 Soldaten. Darauf suchte das Militär die Eingeborenen in deren Verhauen auf. Ein blu­tiger Kampf entspann sich. Die Eingeborenen zogen 'ich in das Dickicht zurück, wohin ihnen die Spanier folgten, ohne zu wissen, daß sie in einen Hinterhalt gelockt wurden. Die Soldaten erlitten furchtbare Verluste. Die Eingeborenen waren mit Remington- Gewehren bewaffnet. Der spanische Hauptmann er­schoß sich aus Verzweiflung.

Oporto, 2. Febr. Der Aufstand wurde gestern Nachmittag ncpch Erstürmung des Rathauses durch die Munizipalgardc vollständig unterdrückt. Die meisten Aufständischen sind geflüchtet, 54 wurden gefangen, etwa 30 ergaben sich der Polizei. Auf Seiten der Aufständischen wurden 3 Soldaten und 4 Civilisten getötet, 36 Soldaten und 10 Civilisten wurden verwundet. Der Führer der Bewegung Mar­der republikanische Advokat Alves Veiga.

Der Aufstand in Oporto hatte größere Dimen­sionen als der Telegraph zuerst gegeben hatte. We­gen Beteiligung an dem Aufstand sind gegen 300 Personen (Soldaten und Zivillisten) verhaftet. Die republikanischen Klubs sind von der Polizei geschlossen und deren Papiere mit Beschlag belegt worden.

England.

Aus London wird der Tod des englischen Deputierten Bradlaugh gemeldet. Der Verstorbene, einer der hervorragendsten radikalen Politiker Eng­lands, ist im Ausland namentlich dadurch bekannt geworden, daß er als Vertreter der Stadt Nort- hampton im Unterhaus beständig die verfassungs­mäßig vorgeschriebene Eidesleistung verweigerte, wes­wegen er regelmäßig vom Unterhaus ausgeschlossen, ja sogar gewaltsam aus demselben entfernt wurde. Die Stadt Northampton wählte ihn jedoch stets wieder, sodaß er immer von Neuem im Unterhaus erschien und sich regelmäßig bei seinem Auftreten die lärmenden Szenen wiederholten, bis Bradlaugh sich schließlich vor einigen Jahren dennoch bcquemtc, den Eid abzu!egen. Bradlaugh hatte sich aus den ärm­lichsten Verhältnissen cmporgeschwungeu.