Hamburg, 9. Sept. Nach derBörsenhalle" sind bei dem gestrigen Diner zu Ehren Wißmanns und an der heutigen Börse für die Erbauung eines zerlegbaren Dampfers auf dem Viktoria-Nyanza 70 000 ^ gezeichnet worden. Da auch im übrigen Deutschland Beiträge gezeichnet werden, so gilt die Erbauung des Dampfers, dessen Kosten, den Trans­port inbegriffen, auf ISO 000 veranschlagt wer­den, als gesichert.

Hamburg, lO. Sept. Hier herrscht große Besorgnis über das Ausbleiben des seit 3 Wochen in Valparaiso fälligen Hamburger Postdampfers Virgilia" der Pacific-Linie. Die chilenische Regie­rung sandte einen Kriegsdampfer aus, um Nach­forschungen über den Verbleib derVirgilia" an­zustellen. Ueber das Resultat derselben ist aber noch nichts bekannt.

Die Glücksburger Rede Kaiser Wilhelms. In der Rede, die der Kaiser bei der Festtafel zu Glücksburg hielt, ist besonders eine Stelle bemerkens­wert, die unsere inneren sozialen Wirren betrifft. Graf Reventlow hatte in seinem Kaisertoast die Hoffnung ausgesprochen, daß es dem Monarchen gelingen werde, die dunklen Schatten zu bannen, die den in­neren Frieden unseres Vaterlandes bedrohen. Der Kaiser erwiderte, daß er diese Hoffnung teile; aber so fügte er hinzu:Ich vermag es nur dann, wenn jeder deutsche Mann an seinem Teile seine Hilfe Mir angedeihen läßt, und Ich hoffe und erwarte, daß die Mitglieder der Provinz ein Jeder für sich und ein Jeder in seinem Wirkungskreise es sich angelegen sein lassen werde, dahin zu wirken, daß die festgeschlossenen Bande der Ordnung auf­recht erhalten werden den umstürzenden Elementen gegenüber. Wenn ein jeder Bürger seine Pflicht thut, dann bin auch Ich im Stande, für sie zu sor­gen und zu unserer Aller Heil in Ruhe und Frieden die Geschicke des Vaterlandes zu lenken." Der Kaiser appelliert hier sehr bestimmt an die bürger­liche Selbsthilfe und Mitarbeit, ohne welche die Staatshilfe unwirksam bleiben muß. Die kaiserliche Mahnung wird hoffentlich dazu beitragen, den Wahn, als ob in sozialer wie in jeder anderen Beziehung aller Segen nur von oben kommen müsse, zu ent­kräften.

Die Verleihung des Füsilier-Regimentes Nr. 86 an die Kaiserin aus Anlaß der Manöver bei Düppel spielte sich derPost" zufolge folgender­maßen ab:Vor Beginn der Uebung begab sich der Kaiser zur linken Flügelkolonne der von Düppel anrückenden Ostdivision und ließ das Füsilier-Re­giment Nro. 86 aufmarschieren. Bald darauf kam die Kaiserin; das Regiment präsentierte und der Kaiser verkündete ihm, daß er die Kaiserin zum Chef ernenne und daß das Regiment von nun an den NamenFüsilier-Regiment Königin Schleswig- Holsteinisches Nro. 86" zu führen und den Namens- Zug Ihrer Majestät in den Achselklappen zu tra­gen habe. Darauf begrüßte die Kaiserin den Kommandeur Oberst Berger, fuhr dann bei klingen­dem Spiel die Front der in Kolonne stehenden Bataillone ab. Der Kaiser richtete bei der Ver­leihung ernste Worte der Anerkennung und Mahnung an das Regiment.

Berlin, 6. Sept. In einer vorgestern abend abgehaltenen Sozialistenversammlung äußerte sich Liebknecht folgendermaßen:Auf die Frage, was wir erreicht hätten, wenn wir im Reichstage in der Ma­jorität wären, antwortete ich einfach:Abwarten!" Keine Regierung in der Welt, und wäre ihre Macht eine noch so große, und hätte sie über noch so viele Bajonnette zu gebieten, ist im stände, sich dem Wil­len des Volkes erfolgreich zu widersetzen. Haben wir erst das Volk hinter uns und die Mehrheit im Reichstage, dann muß sich entweder der Staat in einen sozialdemokratischen verwandeln, oder es giebt eine furchtbare Katastrophe, aus der aber der So­zialismus als Sieger hervorgehen wird. (Stürmi­scher Beifall.) Noch eins, warum greift man uns als Fraktion immer an? Wir wissen ganz genau, daß wir keine Götter sind und Dummheiten machen können, aber dann sind noch die Wähler da, die uns gewählt haben. Ist die Partei tüchtig, so ist die Fraktion tüchtig. Uebrigens haben wir schon viel erreicht. Wir haben schon tief gebohrt und wollen weiter bohren, bis der Klassenstaat gesprengt und zum Sozialistenstaat verwandelt ist. Bismarcks Sturz ist ein Zeichen, daß wir zuletzt siegen werden.

(Beifall.) Denn seht nur, wie viel hat die heutige Gesellschaft schon an Sozialismus angenommen!" Das ist deutlich gesprochen!"!

In einer Versammlung derentschiedenen So­zialdemokraten" Berlins wurde die Forderung auf­gestellt, daß der Satz:Religion ist Privatfache" aus dem sozialistischen Programm gestrichen werden müsse. Es müsse direkt ausgesprochen werden,daß jederGenosse" aus der Landeskirche auszutreten habe. Jeder Sozialdemokrat sei selbstverständlich Atheist (Gottesleugner) u. Republikaner." (Blödsinn!)

Die Sozialdemokraten wollten bekanntlich inach dem 1. Mai einen großen Petitionssturm an den Reichstag zu Gunsten des Achtstundentages entfal­ten. Aber ebensowenig wie die Maifeier ist dieser Petitionssturm geglückt, er ist nur ein recht schwaches Lüftchen geblieben. Sozialdemokratische Führer er­klärten, daß mindestens 2 Millionen Unterschriften zusammen kommen müßten. Es sind im ganzen aber noch keine 50,000 geworden.

Berlin, 10. Sept. Der Besuch des Königs von Belgien wird Ende Oktober hier erwartet.

Berlin, 10. Sept. Ueber die geplante neue Gewerbesteuer weiß das FachblattKonfectionär" in seiner Abendausgabe folgendes Nähere zu melden: Die Einschätzung soll in vier Klassen erfolgen. Die erste Klasse umfaßt ein Einkommen aus Gewerben von 60 000 -/A und darüber oder aus einem Be­triebskapital von einer Million und darüber; die zweite ein Einkommen aus Gewerben von 20 000 bis 60 000 ^ oder aus einem Betriebskapital von 150 000 bis zu einer Million; die dritte ein Einkommen aus Gewerben von 4000 bis 20000 ^ oder aus einem Kapital bis zu 150 000 die vierte alles Einkommen unter 4000 Dasjenige Einkommen, welches die Summe von 1500 nicht übersteigt, soll von der Steuer befreit sein. Frankreich.

(Boulanger, der Ehrenmann.) Aus Paris wird berichtet: Der Schriftsteller Drummond behaup­tet öffentlich, der Graf von Paris besitze ein Schrei­ben Boulangers, in welchem dieser sich zur Wieder­herstellung der Monarchie gegen eine Jahresdotation von 200,000 Franken, die Verleihung des Herzogs­titels und des Marschallstabes verpflichtet.

Die Boulangisten in Paris sind sich gründlich in die Haare geraten und schimpfen sich in den Zei­tungen wie die Gassenjungen aus zum nicht geringen Gaudium der Republikaner.

Die Blätter sind angefüllt mit Einzelheiten über den Zweikampf Rochefort und Thisbaud. Beide Gegner gingen hiernach mit großer Heftigkeit auf einander lös. Als sie sich dann später auf dem Bahnhofe begegneten, näherte sich Rochefort seinem Gegner Thisbaud mit den Worten:Ich hoffe, es ist nicht ernst." Lächelnd entgegnete Thib- baud:Das ist ein Morgen, der Sie wieder ver­jüngen muß." Hierauf Rochefort:Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich Sie in meinem Artikel nicht im Auge hatte. Ich dachte an Sie so wenig wie an meinen Vater."Sei es drum", erwiderte Thisbaud,aber alle Welt mußte glauben, daß Sie mich gemeint hatten."Ich gestehe Ihnen, daß ich noch nicht eine Zeile der »Ooulissss« gelesen hatte, als Sie mir Ihre Zeugen geschickt haben."Ja Sie", antwortete Thisbaud,Sie haben niemals das Geringste von dem gewußt, was sich bei dem Boulagismus zutrug. Man schmeichelte Ihnen, weil man <Äe fürchtete und weil man Sie fürchtete, ver­barg man Ihnen die Wahrheit."Ich weiß nur zu gut alles, was Sie mir da sagen," rief Rochefort lebhaft aus. Darauf drückten sich beide die Hand und Thisbaud fuhr mit dem Zuge nach Brüssel, während Rochefort sich nach Ostende begab.

Kleinere Mitteilungen.

Ein militärisches Urteil über die russischen Manöver:Die jüngsten Manöver bei Narwa waren nichts als ein glänzend ausgestattetes mili­tärisches Spektakelstück. Es konnte mit seinen Knall- effectcn wohl das große Publikum blenden und zur Bewunderung Hinreißen, hat aber bei Fachleuten nur ein Achselzucken erregt. Auch Kaiser Wilhelm mag sich unausgesprochen das Seinige gedacht ha­ben. An Bravourleistungen der Truppen hat es freilich nicht gefehlt. Die Manöver haben von neuem bewiesen, daß die russische Armee ein Men­schen- und Pferdematerial besitzt, das jeder Strapaze und allen Anforderungen gewachsen ist, die man

überhaupt von Mensch und Tier im Felde verlan­gen kann. Eine Reihe harter Tage voller Mühen und Beschwerden lagen bereits hinter den mitwirken­den Regimentern, als die Manöver begannen. Das anhaltende schlechte Wetter hatte die Truppen selbst in ihren Bivouaks nicht zur Ruhe kommen lassen, aber von alledem merkte man ihnen auf dem Ma- növcrfelde nichts an. Es ist selbstverständlich, daß sich die fremden militärischen Gäste für die in man­cher Beziehung eigentümliche Kampfesweise der Rus­sen sehr interessierten. Bei der Infanterie fiel es besonders auf, daß sie hauptsächlich mit Salven, selbst auf verhältnißmäßig nahe Entfernungen, ar­beitete; auch die Artillerie gab vielfach Salven ab. Merkwürdig sah es aus, wenn einzelne Artilleristen sich vor jedem Schuß vorsorglich die Ohren zuhiel­ten. Sonst aber war die Bedienung vortrefflich eingeübt, beim Abprotzcn und Aufprotzen, beim La­den und Richten schnell bei' der Hand und gewandt in der Ueberwindung von schwierigen Terrainver­hältnissen. Die Attacken der Kavallerie wurden schneidig geritten, wären im Ernstfälle aber meist undurchführbar gewesen. So machten die Garde­husaren eine Attacke mehrere hundert Schritt weit, während sie in Front und Flanke vom schärfsten Artillerie- und Jnfanteriefeier mitgenommen wurden. Im Ernstfälle wären keine hnndert Mann an den Feind gekommen."

Mit dem gestrandeten deutschen ostafrikanischen PostdampferReichstag" steht es ganz gut, die von derTimes" verbreitete Meldung, es sei zu befürchten, daß das Schiff total verloren gehe, ist durchaus unbegründet. DerReichstag" liegt viel­mehr an geschütztester Stelle im Hafen von Dar-es- Salaam und löscht seine Ladung. Bei der nächsten Springflut ist ein Wiederflottwerden des Schiffes zu erwarten. (Bereits geschehen.)

lieber die Entschädigung, welche Emin Pascha von der egyptischen Regierung erhalten hat, sowie über das Gehalt, welches er in den Diensten des deutschen Reichskommissars bezieht, sind verschie­dene Gerüchte verbreitet. Wie derHann. Cour." aus bester Quelle mitteilen kann, hat Emin von der .egyptischen Regierung 5000 Lst. (100000 ^A) er­halten, die ihm freilich noch nicht ausgefolgt werden konnten, da er sich jetzt bekanntlich wieder im In­nern Afrikas befindet. Diese Summe ist ihm übri­gens erst nach energischen Bemühungen des deutschen Generalkonsuls in Kairo bewilligt worden. Von dem deutschen Reichskommissariat bezieht Emin ein Jahresgehalt von 20 000 welches seinem Range als Generalmajor, den er als Pascha in der egyp­tischen Armee hatte, entspricht.

Brünn, 9. Sept. Gestern fand wiederholt ein Wolkenbruch statt, verbunden mit einem großen Hagelschlag, welch letzterer meilenweit die Felder und Weingärten zollhoch mit Eis bedeckte.

Wien, 8. Sept. Baron Rothschild übergab dem Grafen Taaffe 20,000 fl. für die Ueber- schwemmten.

Die diesjährige englische Hopfenernte ist die kleinste seit langen Jahren. In vielen Gärten lohnt es sich gar nicht, den Hopfen zu pflügen. Dabei sind auch die Hopfenvorräte gering.

Southampton, 9. Sept. Sämtliche Hafen­arbeiter streiken, wodurch der Verkehr gänzlich ins stocken geraten ist.

Der Standard sagt in einer Besprechung der russischen Manöver, daß 150,000 Manu russischer Truppen augenblicklich an der österreichischen Grenze manövrieren, und daß dies nicht ohne Bedeutung sei, wäre selbstverständlich. Wenn diese Manöver die Kräfte der russischen Armee zeigen sollten, so zeigten sie doch auch die Absichten Rußlands. Trotz einer solchen imposanten Truppenentfaltung Ruß­lands werde aber Oesterreich sich im Ernstfälle doch zu verteidigen wissen, da es neben seiner sehr tüch­tigen Armee treue Verbündete habe.

Der spanische Kriegsminister bereitet, wie aus Madrid gemeldet wird, einen Gesetzentwurf vor, nach dem die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden soll.

Konstantinopel, 6. Sept. Der Brand von Salonichi wurde durch eine Räuberbande angelegt.

New-Aork, 7. Sept. Bei Pittsburg ist wieder natürliches G a s in solcher Menge entdeckt worden, daß es genügen wird, um die Hälfte aller Fabriken der Stadt damit zu treiben.