Frankreich.

Paris, 21. Aug. Eine Belgrader Depesche desTemps" bestätigt die Gerüchte von der bevor­stehenden Vermählung des Königs Milan mit der reichen Witwe des ehemaligen Präsidenten der Re­publik von Guatemala. Der Exkönig soll erklärt haben, daß er fortan unter dem Namen eines Gra­fen von Takowa in der Heimat seiner Gattin leben wolle.

Italien.

Römische Depeschen erklären, es sei im Innern des Landes zu keinerlei Ruhestörung gekommen. In­dessen ist es Thatsache, daß in der Nähe von Forli in der Romagna eine 50 Mann starke republikani­sche Bande sich bildete und auch eine rothe Fahne entfaltete. Der Haufe lief indessen beim Erscheinen von Truppen ohne Weiteres auseinander. Die Forli- aner sind in ganz Italien durch ihre tollen Streiche berüchtigt, um einen solchen scheint es auch hier sich gehandelt zu haben.

Schweden

Christiania, 22. Aug. Kaiser Wilhelm spen­dete den Brandbeschädigten in Hammerfest 10 000 England.

London, 23. Aug. Berichte aus Irland kon­statieren, daß im Distrikt Timoleague (Grafschaft Cork) von 8000 Personen 3000 ohne Lebensmittel sind, wenn nicht binnen Monatsfrist Hilfe geschaffen wird. Viele Bewohner sind durch den Genuß ver­dorbener Kartoffeln erkrankt.

Rußland.

Das erste Manöver, dem unser Kaiser am Dienstag bei Narwa beigewohnt hat, begann bei starkem Regenwelter, bot aber in seinem Verlauf viel Interessantes. Die stark bedrängte, von Jambourg vorgegangene Westarmee wurde geworfen und mußte schließlich aus zwei neu erbauten Jochbrücken über den Lugafluß unter dem stärksten feindlichen Feuer zurückgehen. Unmittelbar darauf, um 12^ Uhr, wurden beide Brücken mittelst Pyroxilin gesprengt. Die Wirkung war furchtbar: beide Brücken waren im Augenblick an je drei Stellen vollständig zerstört. Der nachdrängende Feind wurde durch zahlreiche in den Fluß versenkte Minen aufgehalten. Die Sprengung der Brücken und die Explosion der Minen bot einen großartigen Anblick dar. Der Feind schaffte schließlich Pontons heran und setzte auf denselben über den Fluß. Am Mittwoch Mor­gen i/s9 Uhr haben sich die beiden Kaiser wieder mittelst Sonderzuges in das Manöverterrain be­geben. Der russische Minister des Aeußern, Herr v. Giers, soll am Sonntag Abend eine längere Kon- serenz mit dem Reichskanzler v. Caprivi gehabt ha­ben. Dce Ansicht, daß bei der Kaiser-Begegnung keine besonderen Abmachungen erfolgt werden, findet auch in einem Berliner Bericht derPolitischen Korrespondenz" eine kräftige Bestätigung. Nach demselben werden in den maßgebenden Kreisen Ber­lins alle darauf bezüglichen Nachrichten als müßige Kombinationen bezeichnet. Es wird versichert, daß deutscherseits keinerlei Vorschläge gemacht werden sollen, noch können, speziell in der bulgarischen Frage fehle für Deutschland jede Veranlassung und jedes Bedürfnis zu irgend einer Initiative.

Peterhof, 23. Aug. Kaiser Wilhelm machte das gestrige Manöver an der Spitze seines Wyborg- schen Infanterie-Regiments mit. Nach Schluß des Manövers fand ein Früstück statt, bei welchem der Zar auf das Wohl des deutschen Kaisers und der deutschen Armee trank. Der Zar schenkte dem Kaiser eine Troika mit drei prächtigen Füchsen. Der Reichs­kanzler von Caprivi hatte heute eine einstündige Audienz beim Zaren.

Kaiser Wilhelm empfing am Donnerstag vor­mittag in Narwa eine Deputation der Reichsdeut­schen aus Petersburg, Moskau, Nerwa, Reval. Der deutsche Botschafter General Schweinitz stellte die Herren vor. Der Kaiser sprach mit fast allen Herren, zeigte sich über die russischen Verhältnisse sehr gut unterrichtet, und sprach seine Freude über die herz­liche Begrüßung in Nerwa aus.

Die Kaiser Wilhelm und Alexander haben am Donnerstag, wo die russische Manövertruppen Ruhetag hatten, Nerwa verlassen. Be>.de Monarchen wurden bei ihrer Abreise lebhaft begrüßt. Kaiser Wilhelm hatte den städtischen Behörden für die ihm erwiesene Aufmerksamkeiten noch seinen wiederholten Dank ausgesprochen. Beide Kaiser haben in Go-

montowo Quartier genommen, wo heute Freitag der Schluß der Manöver stattfindet; Freitag abend tref­fen dieselben im Schloß Petershof ein, von wo am nächsten Abend unser Kaiser die Rückreise nach Deusch- land antritt. Das Befinden desselben ist trotz der Reisestrapazen unverändert gut.

Aerztliche Hilfe für Fabrikarbeiter in Ruß­land. Die demnächst in Rußland tagenden Land­schaftsversammlungenwerden sich mit der Organisation ärztlicher Hilfe für Fabrikarbeiter zu beschäftigen haben. Zur Zeit bestehen im ganzen Reiche 509 Fabrik-Krankenhäuser mit 6765 Betten.

Amerika.

New-Dork, 19. Aug. Fürchterliche Szenen spielten sich gestern in einem vollbesetzten Ausflügler­zuge etwa 15 Meilen westlich von Cincinnati ab. Einige berauschte Arbeiter stiegen ein und begannen einen Streit miteinander. Revolver wurden gezogen und der Zank artete in einen Kampf aus, während dessen Schuß auf Schuß in rascher Reihenfolge fiel. Als endlich Ruhe einkehrte und der Pulverrauch sich verzog, .wurden sechs Personen tot auf dem Boden liegend vorgefunden, darunter zwei Passagiere, die mit dem Streit nichts zu thun hatten. Einer der­selben, eine Frau, die einen Schuß durch den Kopf erhalten hatte, hielt ein Kind in den Armen, das unversehrt geblieben war.

Newhork, 21. Aug. Das reiche Nordamerika, das bisher durchschnittlich monatlich 1012 Mill. an seiner 980 Millionen betragenden Nationalschuld abtrug, wird dank der durch Annahme des neuen Pensionsgesetzes bedingten riesigen Geldverschwen­dung im laufenden Finanzjahr voraussichtlich mit einem Defizit schließen, trotz aller Gegenversicherung des Finanzministers Wiedom. Ja, die Zeit wird nicht fern sein, da man auch hier ebenso wie in den europäischen Kulturstaaten direkte Staatssteuern er­richten wird.

Durch eine Zugentgleisung bei Quincy in Nord­amerika sind 20 Personen getötet und 30 ver­wundet worden.

Ueber den großen Wirbelsturm in Nordamerika liegen jetzt genauere Nachrichten vor. Darnach sind in der Stadt Wilkesbarre 500 Hänser ganz zerstört, 30 Personen getötet, 200 verwundet. In der Um­gegend sind mehrere Dörfer total weggefegt, 50 Menschen tot, große Mengen verwundet. Dabei hatte der ganze Sturm nur 5>/z Minuten gedauert.

Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika wird gegenwärtig auf etwa 64 Mil­lionen Seelen geschätzt. Das ist ein Zuwachs von 30 Prozent während des letzten Jahrzehnts.

Kleinere Mitteilungen.

Reichenbach, O.A. Freudenstadt, 21. Aug. Bei dem kürzlich hier ausgebrochenen großen Brande waren die Feuerwehren eifrig damit beschäftigt, das in großer Gefahr stehende Haus des Bäckermeisters Rentschler zu retten. Der berechnende Bäckermeister ließ sich aber dadurch nicht aus der Fassung bringen, sondern zündete in den Augenblicken größ­ter Gefahr, die ob seinem Hause schwebte, mit aller Seelenruhe seinen Backofen an, weil der Teig zum Brote schon gemacht war und er auf den späteren Hunger der in seinem Hause arbeitenden Feuer­wehrleute mit Sicherheit rechnen konnte. Zimmer­meister und Vicekommandant Bernhard Mast, auch einer der Abgebrannten, hat, seinen eigenen Verlust nicht achtend, aus dem brennenden Hause seinen Lehrling, aus dem andern aber eine 80jährige Frau im gefahrvollsten Augenblicke unter größter Lebens­gefahr gerettet und sie auf diese Weise dem Flammen­tod entrissen.

Nach einer Mitteilung desSchwäbischen Wo­chenblattes" hat für die Sinkenden und Ausge­sperrten in Hamburg die Stuttgarter sozialdemo­kratische Sammelstelle allein ca. 5000 abgeliefert von im ganzen bei der Zentralkommission eingegan­genen 66000

Wald fee, 20. Aug. Dieser Tage starb in Winterstettenstadt ein 42 Jahre alter verheirateter Mann in wenigen Tagen an Influenza.

Würzburg, 20. Aug. In Gaukönigshofen wurde eine schreckliche Blutthat verübt. Der dortige Polizeidiener Höfer stellte eine bettelnde Scheeren- schleifersfrau zur Rede, worüber deren Mann der­art sich erboste, daß er mit blankem Messer dem Polizeidiener den Bauch aufschlitzte, so daß das Ge­därme sofort heraushing. Gegen einige Bürger,

die einschreiten wollten, nahm die Bande eine äußerst drohende Haltung an und wollte mit blanken Mes­sern auf sie los. Es wurde sodann die Feuerwehr alarmiert, worauf die Bande sich flüchtete. Ein schwerer Kampf war es, bis cs gelang, dieselbe dingfest zu machen. Dem Kommandanten der Feuer­wehr wurde von einem der Zigeuner die Fingerspitze weggebissen. Die Bande wurde gefesselt, auf einen Wagen verbracht und unter Bedeckung dreier Gen­darmen aus Ochsenfurt nach Anb ins dortige Amts­gerichtsgefängnis eingeliefert. Höfer, ein kräftiger, noch junger Mann, Vater von 6 Kindern, ist gestern seinen Wunden erlegen.

In dem rheinischen Dorfe Niederjosbach kam es zum Kampfe zwischen Landleuten und Zigeunern. Die Feuerwehr vertrieb die letzteren schließlich mit der Spritze.

In der Oberklasse der katholischen Volksschule zu Spellen (Kreis Mülheim a. Rh.) ist vor eini­gen Tagen während des Unterrichts ein großes Un­glück geschehen. Ein furchtbarer Knall erschreckt plötzlich den Lehrer und die Kinder, und im Nn ist das Schulzimmer mit einem erstickenden Dunst an­gefüllt. Ein zwölfjähriger Schüler, in der Nähe des Schießplatzes Friedrichsfeld wohnhaft, hat eine Hülse, mit einem Sprengstoff gefüllt, bei sich in der Tasche gehabt. Durch Reibung oder irgend einen Druck mit der Hand hat sich die Masse entzündet und ist explodiert. Der Knabe liegt auf seinem Platze am Boden und ist schrecklich zugerichtet. Sein Leib ist vollständig cmfgcrissen und beide Hände sind ganz verstümmelt. Da er noch lebt, so wird eiligst der Pfarrer gerufen, welcher ihm noch die Generalabsolution erteilen kann; bald darauf stirbt er. Die beiden Knaben neben ihm und der, welcher vor ihm saß, sind schwer verwundet, doch hofft man sie am Leben zu erhalten. Außerdem sind verschie­dene weniger gefährliche Verletzungen vorgekommen. Die Wirkung der Explosion war so groß, daß Kno­chensplitter und Fleischteile des verstorbenen Knaben mehrere Centimeter tief in Holz- und Mauerwerk eingedrungen sind, sogar nach oben in die Decke des Zimmers.

Prinz Nikolaus von Griechenland, der dritte Sohn des Königs, wird im Herbst znr Ausbildung als Soldat nach Berlin kommen und in die Garde- Artillerie als Lieutenant eintreten. Die Kaiserin Friedrich gedenkt noch bis Mitte September in Athen zu bleiben.

(Der Spuck in der Berliner Gemeindeschule.) Ueber die Panik, welche in der 137. Gemeindeschule unter den Kindern infolge einesSpukes" ausge­brochen war, wird auf Grund amtlicher Ermittlungen Folgendes mitgeteilt: Dem Vorfall liegt ein Unfug gröbster Art zu Grunde. Seit einigen Tagen sind nämlich im Schulgebäude Zettel niedergelegt, auf welchen in roter sZarbe ein Todenkopf gezeichnet war und die Unterschriften folgender Art trugen:Ihr seid dumm und ich bin dumm und morgen dreh' ich Euch die Köpfe um." Diese Zettel haben die Kin­der in die größte Erregung gebracht, durch müßige Klatschereien wurden Menschenansammlungen vor dem Schulgebäude veranlaßt, so daß die Polizei die Passage frei hatte machen müssen. Am Mitt­woch hatte der Lehrer der zweiten Mädchenklasse für einem Moment das Zimmer verlassen, als ein Kind, dem das Fensterrouleaux vom Windstoß ge­gen den Kopf geschlagen wurde, das Zeichen zur Panik durch wildes Hilferufen gab. Bei der Flucht der Kinder durch die Treppe hinab wurden beson­ders die Kleinen zu Boden gerissen nnd mit Füßen getreten. Einzelne Kinder sind bettlägerig. Die Aufregung war so groß, daß vielen Kindern die Sprache versagte. Eine wahre Völkerwanderung war die Folge der merkwürdigen Geschichte, Hun­derte starrten das Schulgebäude an und mußten von der Polizei zum Weitergehen veranlaßt werden! O Berlin, du Stadt der Intelligenz!

ImDaheimkalender" finden wir eine wenig bekannte Anekdote. Als in Berlin am 27. Januar 1859 die Entbindung der preußischen Kronprinzessin stündlich erwartet wurde, ließ der Kronprinz den zur Kommandierung der Geschütze bestimmten Offi­zier zu sich entbieten, um ihm die nötigen Befehle zu erteilen. Bei dieser Gelegenheit machte er ihn auf die herkömmliche Verschiedenheit der Zahl der Schüsse je nach der Geburt eines Prinzen oder einer Prinzessin aufmerksam. Als der Offizier, nach-